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ADB:Wilhelm V. (Herzog von Jülich-Kleve-Berg)

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Artikel „Wilhelm V., Herzog von Jülich“ von Woldemar Harleß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 106–113, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_V._(Herzog_von_J%C3%BClich-Kleve-Berg)&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 03:48 Uhr UTC)
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Wilhelm (III. vom ersten bergischen Herzoge Wilhelm I. an gerechnet, V. bei Mitzählung zweier jülich’scher Herzöge), geboren am 28. Juli 1516 als Sohn Herzogs Johann III. von Cleve-Jülich-Berg und der Maria von Geldern[WS 1], vereinigte bei seinem Regierungsantritte in den genannten Erblanden (7. Februar 1539) mit diesen das Herzogthum Geldern und die Grafschaft Zütphen in seiner Person, nachdem er bereits seit dem Tode Herzogs Karl von Geldern († am 30. Juni 1538) und auf Grund der Wahl der geldrischen Stände und des Vertrags mit Karl und den Ständen vom 27. Februar 1538 als Landesherr von Geldern gewaltet hatte. Hierdurch gerieth er indessen in Conflict mit Kaiser Karl V., der als Erbe der Ansprüche Karl’s des Kühnen und gestützt auf den mit Herzog Karl von Geldern am 3. October 1528 zu Gorichem geschlossenen Vergleich entschieden an seinem Rechte auf Geldern festhielt und von Wilhelm unbeugsam völlige Verzichtleistung und Unterwerfung forderte. Es kam in diesem Erbfolgestreite, der W. auf die Bahnen europäischer Politik, zum Bündnisse mit König Franz I. von Frankreich (1540), zur Vermählung mit Jeanne d’Albret, der Tochter Königs Heinrich von Navarra, zu Versuchen festen Rückhalts bei den Reichsständen, sowie zeitweilig auch des Anschlusses an den schmalkaldischen Bund führte, schließlich zu offenem Kampfe des Herzogs mit dem Kaiser und dessen Schwester Maria, der Regentin der Niederlande (1542–53), in dessen Verlaufe W. trotz des Erfolges bei Sittard (24. März 1543) und anderer anfangs günstiger Conjuncturen bald nach der Eroberung Dürens durch die kaiserlichen Truppen (25. August 1543) der militärischen Uebermacht wie der klug berechneten Politik Karl’s V. erlag. Herabgestürzt von den in jugendlichem Wagemuth und entgegen den Mahnungen des Vaters eingenommenen Höhen und verlassen von Frankreich und den deutschen Mitfürsten, insbesondere den Häuptern des schmalkaldischen Bundes, mußte W. am 7. September 1543 im kaiserlichen Lager zu Venlo fußfällig die Verzeihung des Siegers erflehen, um nach feierlichem Verzicht auf Geldern und Zütphen und gegen die ausdrückliche Verpflichtung, seine Lande bei der alten Lehre zu erhalten und keine religiösen Neuerungen in denselben zu dulden, wieder zu Gnaden aufgenommen zu werden. Und so ward der am nämlichen Tage zu Venlo verbriefte Vertrag zugleich zu einem bedeutungsvollen Markstein für die Entwicklung des deutschen Protestantismus, indem er W. hinderte, der im [107] December 1542 und vielleicht schon am 22. Februar 1541 durch den Empfang des h. Abendmahls unter beiderlei Gestalt bekundeten Geneigtheit zur Annahme und Einführung der Reformation in seinen Jülich-Clevischen Landen Folge zu geben. Es kam hinzu, daß der Kaiser ihn durch das Brüsseler Bündniß vom 2. Januar 1544 und durch Verleihung einer Leibrente von jährlich 10 000 Pfund noch enger zu verpflichten wußte. Ganz besonders bedeutungsvoll aber war die durch den Vertrag vom 17. Juli 1546 besiegelte Eheberedung Wilhelm’s mit Maria, der zweiten Tochter des römischen Königs Ferdinand, nachdem das Verhältniß zu der bei der Heirath erst zwölfjährigen Jeanne d’Albret durch Bulle Papst Paul III. vom 12. October 1545 gelöst worden. Bereits am Tage nach dem Verlöbniß fand die Hochzeit zu Regensburg in Gegenwart des Kaisers und vieler Reichsfürsten mit großem Pompe statt. Dem trügerischen Gaukelbilde der navarresischen Heirath folgte so eine Ehe, die im Gegensatze zu jener den Herzog in Abhängigkeit vom Kaiser hielt und dessen Anschluß an die Politik des Hauses Habsburg dauernd zu verbürgen schien. An den kirchlichen Fragen persönlich Antheil nehmend, wie Bedenken und Entwürfe von seiner Hand bezeugen, von ernster Sorge für Bildung und Aufklärung seines Volks beseelt und namentlich von dem erhabenen Berufe der fürstlichen Obrigkeit tief durchdrungen, liebenswürdig und gutherzig und als Zögling des Konrad Heresbach auch humanistisch gebildet, jedoch nur mäßig begabt, im Ganzen ein unselbständiger und unentschiedener Charakter, trat W. innerer Hinneigung ungeachtet niemals zur Augsburgischen Confession über. Umgeben und stark beeinflußt von Räthen aus der Schule und von der Richtung des Erasmus, welche theilweise schon dem Vater gedient hatten, wie die Kanzler Johann Gogreve (von Berg), Johann v. Blatten (von Jülich), Heinrich Bars gen. Olisleger (von Cleve), Heresbach, Karl Harst, Hermann Crüser, Johan Blomendael, Andreas Masius u. A. m., setzte er vielmehr im wesentlichen die mittelparteilichen Bestrebungen Johann’s III. fort. Herstellung einer so zu sagen von allen Flecken und Runzeln gereinigten katholischen Landeskirche war das Ziel, dem in mehrfachen Phasen, mit bald größerer, bald geringerer Annäherung an die Grundsätze der deutschen Reformatoren, in zahlreichen Verhandlungen und Entwürfen wie in einer Reihe von Erlassen nachgestrebt wurde, mittels welcher Macht und Ansehen der landesfürstlichen Obrigkeit auch in kirchlichen Dingen möglichst sichergestellt und die Verbreitung sectirerischer Anschauungen (durch Wiedertäufer, Sacramentirer, Busch- und Winkelprediger) verhindert werden sollte. Dabei ward den Herzensneigungen Wilhelm’s entsprechend gleichwohl die Ausübung und Verbreitung des evangelischen Bekenntnisses in den jülich-clevischen Landen, namentlich in den Städten und größeren Ortschaften und an den Sitzen des ritterschaftlichen Adels nebst manchen Unregelmäßigkeiten inbezug auf Cultus und kirchliche Disciplin geduldet, so daß sich Karl V. schon im Sommer 1548 gegenüber W. zu den ernstesten Beschwerden veranlaßt sah. Es war dieses die Zeit, in welcher W., nachdem er vorher zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen zu vermitteln versucht hatte, sich mit großem Eifer, aber vergeblich um die Freilassung des gefangenen Schwagers bemühte, und zwar theils persönlich bei Karl und dessen Sohn Philipp, theils durch Abgesandte (Harst, Wilhelm Ketteler, Heresbach) bis Ende April 1549. Fast gleichzeitig führte die Absicht Erzbischofs Adolf von Köln, eine Kirchenvisitation in den jülich-clevischen Landen abzuhalten, zu einem Conflicte des Herzogs mit Ersterem, wobei W. zur Wahrung der althergebrachten Prärogative seines Hauses inbetreff der geistlichen Gerichtsbarkeit den Klagen des Erzbischofs nicht nur beim Kaiser entgegentrat, sondern auch den Rath Andreas Masius 1548 nach Rom abordnete, der als herzoglicher Agent Jahre lang in einflußreicher Stellung am [108] päpstlichen Hofe verblieb (von mehrfachen Unterbrechungen abgesehen bis 1564). Daß die geistliche Jurisdiction in erster Instanz dem Landesherrn gebühre, und daß sie in dessen Namen und Auftrage von den Landdechanten der Decanieen oder Christianitäten auszuüben sei, ihr Correlat hierbei in den Sendgerichten findend, und daß der Bischof ohne Genehmigung des Fürsten nichts zur Sache verfügen könne, daran hielt man am Düsseldorfer Hofe unentwegt fest. Inzwischen suchte der Herzog im Reiche, wo er konnte, für den Frieden und im vermittelnden Sinne zu wirken, indem er bei den Passauer Friedensverhandlungen (1552) auf gütlichen Ausgleich drang und mit den Erzbischöfen Sebastian von Mainz und Johann IV. von Trier, den Pfalzgrafen Friedrich und Albrecht und Herzog Christoph von Württemberg zu Heidelberg am 29. März 1553 ein Schutz- und Freundschaftsbündniß zur Aufrechterhaltung des Landfriedens schloß. Im J. 1554 zum Obersten des niederrheinisch-westfälischen Kreises erwählt, leitete er die Verhandlungen gegen den landfriedensbrüchigen Grafen Johann von Rietberg (1556–61), welcher mit der verwittweten Gräfin Anna von Ostfriesland und deren Söhnen, mit den Grafen zur Lippe und dem Bischofe von Paderborn in Territorialstreitigkeiten gerathen und infolge dessen zu Gewaltthätigkeiten übergegangen war, welche im J. 1557 zur Kreisexecution gegen denselben, zur Belagerung und Einnahme seines Schlosses Rietberg und zu mehr als dreijähriger Gefangenschaft des Grafen auf dem clevischen Schlosse Büderich führten. Ebenso hatte W. in den Jahren 1563 und 1564 in Gemeinschaft mit den Ständen des niedersächsischen Kreises die Expedition gegen Herzog Erich II. von Braunschweig-Kalenberg zu bewirken, der mit den von ihm gesammelten Mannschaften nicht nur die Grafschaften Schaumburg und Hoya besetzt hatte, sondern auch plündernd, brandschatzend und erpressend in das Stift Münster eingefallen war.

Das waren indessen nur Episoden in der vorzugsweise auf Reformen in Staat und Kirche gerichteten Thätigkeit des Herzogs. Beweise für diese sind die Errichtung des humanistischen Gymnasiums in Düsseldorf (1545), zu dessen Rector Johann Monheim aus Elberfeld berufen ward und mit dem fast gleichzeitig Gymnasien zu Wesel, Duisburg, Soest, Essen, Hamm u. s. w. entstanden, sowie die durch Bulle Papst Pius IV. vom 10. April 1562 genehmigte, damals jedoch nicht zur Ausführung gelangte Stiftung einer Landesuniversität zu Duisburg. Mit der Reform des Schulwesens paarte sich die der Justizverfassung durch Veröffentlichung der Polizeiordnung von 1554 und der Rechts- und Proceßordnung von 1555 für Jülich und Berg und in kirchlicher Hinsicht wurden die Berathungen bei Hofe eifrig fortgeführt, wie verschiedene Reformationsentwürfe seit 1545 lehren. Es ist unzweifelhaft, daß die Abdankung Karl’s V. (im Herbst 1556) und die mildere Haltung Ferdinand’s I. dem Herzoge eine etwas freiere Bewegung in Religionssachen gewährten, für die dann besonders unter Maximilian II. die Zeit günstig geworden zu sein schien. W. berief evangelische Hofprediger, wie Nicolaus Rollius, nach diesem den Niederländer Gerhard Veltius, der von 1558–1566 im Amte blieb und gleich seinem Vorgänger den Unterricht der fürstlichen Kinder leitete. Die Jahre 1558–1567 bezeichnen überhaupt die Zeit der verhältnißmäßig größten Annäherung Wilhelm’s an die Lehre der Evangelischen, nachdem 1556 die Frage, ob nunmehr, nach der Publication des Religionsfriedens, der Anschluß an die Augsburgische Confession stattfinden könne und solle, verneinend entschieden worden war. Es wird glaubwürdig berichtet, der Herzog habe am h. Osterfeste des Jahres 1558, wahrscheinlich zum ersten Male seit 1541, das hl. Abendmahl unter beiderlei Gestalt empfangen und wenigstens in den nächsten acht Jahren niemals anders communicirt. Ja es ist sogar gewiß, daß er bis an sein Lebensende den gleichen Brauch [109] für seine Person beobachtete und die allgemeine Freigebung des Laienkelches lag ihm so sehr am Herzen, daß er ihn in seinen Edicten der Geistlichkeit anbefahl und auch seinem kaiserlichen Schwiegervater gegenüber vertheidigte. Letzterem betheuerte W. 1559 zudem seine tiefe Abneigung gegen alles Sectenwesen, gegen Sacramentirer, Calvinisten und Wiedertäufer und wie es ihm das höchste Anliegen sei, seine Unterthanen, die armen Schäflein, die Gott ihm befohlen, „mit der wenigsten Neuerung, so immer möglich“ zur wahren alten christlichen Kirche bis zu weiterer Besserung halten und bringen zu helfen und mit Gottes Beistand alle Secten so viel wie möglich zu vertreiben. Daß man ihn selbst einen Sectirer heißen möchte, davor hatte er die größte Angst und indem er dem Rector Monheim die Hinwendung zu reformirten Anschauungen sehr verübelte, meinte er von Calvin und Beza, sie seien verdächtige Lehrer, die so spitzfindig („scharpffundich“) die Schrift hätten durchgründen wollen, daß sie darüber zu Narren und Ketzern geworden. Einige Jahre noch schwankte das Zünglein der Wage, während aus Weimar Herzog Johann Wilhelm zu Sachsen, aus Stuttgart Herzog Christoph von Württemberg und dessen Hofprediger Propst Johann Brenz, der zu einem Gutachten über Wilhelm’s Reformationsentwürfe veranlaßt worden war und selbst eine Kirchenordnung ausgearbeitet hatte, die öffentliche und ausdrückliche Annahme der Augsburgischen Confession in beweglichen Worten anriethen. Da ward W. zuerst im Sommer 1566, zur Zeit als er am Augsburger Reichstage theilnahm, von einem Schlaganfalle betroffen, der sich am Abend des 30. September desselben Jahres, nach einem Ritt von Bensberg über Benrath nach Düsseldorf heftiger wiederholte, Zunge und rechte Hand lähmend, und in geringerem Grade weiterhin noch elf Mal beobachtet worden sein soll. Seitdem war der Fürst geistig und körperlich gelähmt und ein Jahrzehnte dauerndes Siechthum begann, zu dem schwere Erkrankungen früherer Jahre wohl schon den Grund gelegt hatten. Es wechselten übrigens bessere mit schlimmeren Tagen: an letzteren saß er gebeugten Hauptes unbeweglich in seinem Sessel, sein Schweigen hin und wieder durch die leise gesprochenen Worte ‚Ach mein Gott‘ unterbrechend, schlafsüchtig und wie betäubt, ein schwacher, zu allem unlustiger Kranker; an ersteren aber, an den besseren Tagen, konnte er sich frei erheben, stehen, wandeln, reiten, essen und trinken, fast wie ein Gesunder, auch – so berichtet sein getreuer, bei den kirchlichen Verhandlungen hervorragend thätiger Secretär Gerhard von Jülich – „laut rufen und viel Wörter perfect ausreden, etliche aber nit dan per circumlocutionem oder Beschreibung anzeigen, also daß es keine Rachung (apoplektischer Zustand), sondern ein Wunder und unerhört Wesen und Gebrechen umb I. F. G. ist, welches die Medici nit verstehen können, noch von solchem Mangel je gelesen zu haben bekennen, sondern halten es für eine sondere Schickung Gottes, wie denn auch Galenus etwan an einem Ort schreiben mag, es gebe gewisse Krankheiten, die etwas von Gott her in sich tragen.“ Zwar hörten die Reformationsbestrebungen unter dem vorwiegenden Einflusse von Olisleger, Heresbach, Wilhelm v. Ketteler, der von 1553 bis 1557 Bischof von Münster gewesen war, Dr. Aegidius Mommer, Georg Cassander und anderen erasmisch oder evangelisch gesinnten Männern nicht alsbald auf, vielmehr trat am 7. Januar 1567 unter Ketteler’s Vorsitz die mit Hülfe der Landstände gewählte Commission zur definitiven Beschlußfassung in kirchlichen Dingen zusammen, welche 24 Mitglieder, Räthe, Gelehrte und Geistliche, Beamten, Grafen und Herren aus der Ritterschaft und von auswärts in bunter Zusammensetzung, darunter den Jülich’schen Rath Grafen Franz von Waldeck und den Grafen Johann von Nassau, Bruder Wilhelm’s von Oranien, zählte. Und nach kaum vierzehntägigen Berathungen lag die neue Reformationsordnung nebst Agende, Katechismus und Publicationspatent fix und fertig vor, nur noch der Zustimmung [110] der Landstände bedürftig. Das Werk gab sich selbst als eine Vervollständigung der Ordnung von 1532 kund, als Abschluß so zu sagen der „Reformation durch den Mittelweg“ bis zu der zu erwartenden Reichsreformation, befriedigte aber begreiflicher Weise die Anhänger der Augsburgischen Confession nicht, noch weniger die römischen Katholiken bei Hofe und in den Reihen der Ritterschaften, zu denen namentlich der Jülich’sche Kanzler Wilhelm v. Orsbeck, die Marschälle Johann v. Reuschenberg und Otto v. Wachtendonk, Drost Heinrich v. d. Recke, Werner v. Gymnich und Dr. Heinrich Weeze gehörten. Für Letztere schien der Augenblick des Handelns gekommen, als W. durch Abgesandte in Brüssel bei der Regentin Herzogin Margarethe von Parma im Februar 1567 eine Fürbitte für die durch die Inquisition hart bedrängten Unterthanen Philipp’s II. „so sich zu der reinen Lehre des hl. Evangelii und der Augsburgischen Confession bekennen“ einlegen ließ und durch Edict vom 19. Mai desselben Jahres die Frohnleichnamsprocession in seinen Landen verbot. Den Gegnern der kirchlichen Neuerungen kamen dabei verschiedene Umstände, nicht nur der Gesundheitszustand des Herzogs, die Besorgniß vor den Einwirkungen der religiösen Unruhen in den Niederlanden, die fast drohende Haltung Alba’s und dessen wirkliche oder vermeintliche Absicht, den Herzog wegen dessen Geistesschwäche und der ihm Schuld gegebenen Religionsveränderung sammt Haus und Land unter spanische Tutel zu nehmen, selbst Besorgnisse wegen der persönlichen Sicherheit Wilhelm’s und seiner Kinder, ganz besonders aber die thatsächliche Hineinziehung der Jülich’schen Lande in die niederländischen Kämpfe vor und während des Durchzugs Wilhelm’s von Oranien an der Spitze eines Heeres von Dillenburg her (im Frühjahr und Herbst 1568) zu statten: wie schon im October 1567 von den Räthen von Jülich, Berg und Cleve-Mark die Aufrechterhaltung des Statusquo in Religionssachen und die Verhinderung weiterer Neuerungen gegen die Kirchenordnung Johann’s III. beschlossen worden – man belegte jetzt auch die Calvinisten mit der Strafe der Landesverweisung –, so erklärte ein Beschluß der Jülich’schen Räthe vom 28. April 1568, daß die bereits auf dem Landtage zurückgestellte Reformationsangelegenheit suspendirt bleiben und es bei den früheren Ordnungen sein Bewenden haben solle. Nur zur Beschwichtigung der Reformfreunde setzte man hinzu ‚so lange bis daß I. F. G. mit Zuthun gemeiner Landschaften die hiebevor verfaßte Reformation weiter erwägen und folgends ohne Gefahr insgemein mögen publiciren und verkündigen lassen‘. Allein zu dieser Publication kam es nicht, der letzte Reformationsversuch war definitiv beseitigt. Der spanische Gesandte Juan Battista de Tassis wußte im J. 1570 zu berichten, es sei dem Erzieher von Wilhelm’s älterem Sohne, dem Jungherzog Karl Friedrich, Werner v. Gymnich, gelungen, nicht nur seinen Zögling bei streng katholischer Gesinnung zu erhalten, sondern auch den Herzog selbst zur wahren Religion zurückzuführen, da dieser wieder Messe gehört, darauf gebeichtet und communicirt habe. Seitdem communicirten sowohl W. als dessen älterer Sohn regelmäßig unter einer katholischen Messe, aber unter beiden Gestalten, wogegen die Töchter Maria Eleonore (geboren am 16. Juni 1550 und 1573 mit Albrecht Friedrich, dem zweiten Herzog von Preußen vermählt), Anna (geboren am 2. März 1552 und seit 1574 Gattin des Pfalzgrafen Philipp Ludwig von Neuburg), Magdalena (geboren am 2. November 1553), welche 1579 den Pfalzgrafen Johann den Aelteren von Zweibrücken heirathete und Sibylla (geboren am 26. August 1557), des Besuches der Messe sich enthielten, so daß Ende 1575 die drei jüngeren Prinzessinnen nebst der unverheiratheten Schwester Wilhelm’s, Amalia, Bekehrungsversuchen gegenüber bei ihrem evangelischen Bekenntnisse beharrten. Mit Ausnahme von Sibylla, welche später als Katholikin erscheint, sind dieselben auch bis an ihr Lebensende evangelisch geblieben. [111] Bei W., der 1569 den Beitritt zur Landsberger Union abgelehnt und 1573, da sein Befinden es gestattete, die älteste Tochter zur Heimfahrt nach Königsberg geleitet hatte, bildete das Bestreben, dem jüngeren Sohne Johann Wilhelm (geboren am 29. Mai 1562) die Coadjutorstelle im Hochstift Münster zu sichern, jedenfalls einen Hauptgrund zu größerer Annäherung an die römische Kirche. Johann Wilhelm, der eine streng katholische Erziehung erhielt, war auch nach dem Tode Bischofs Johann von Hoya († am 5. April 1574) vom Domcapitel in Münster zum künftigen Bischof gewählt worden, als der frühe Tod des älteren Bruders († zum Rom an den Blattern am 9. Februar 1575) ihn zu Wilhelm’s Nachfolger berief. Bei Hofe gewann mittlerweile die spanische Partei mehr und mehr die Oberhand und auch auf dem Landtage hatte die Reaction Erfolg: eine förmliche Glaubensinquisition, schon 1574 nach spanischem Muster angeordnet und 1577 auf dem Landtage zu Grevenbroich vertheidigt, scheiterte nur an der Opposition der Stände von Cleve-Mark und Berg, bei denen die Evangelischen noch die Mehrheit hatten. An die Periode der Reformen erinnerte jetzt fast allein noch, daß man die Processionen auf den Straßen unterließ und das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zu gestatten fortfuhr, ja sogar bei Verleihungen geistlicher Beneficien zur Bedingung machte. Um so ungehinderter aber vollzog sich die Rückkehr des Hofes zum Katholicismus, nachdem drei der treuesten und einflußreichsten Berather Wilhelm’s, der Kanzler Heinrich Bars gen. Olisleger († zu Cleve am 15. Febr. 1575), der Secretär Gerhard von Jülich († Ende Februar 1576) und Dr. Konrad Heresbach († am 14. October 1576) kurz nach einander durch den Tod hinweggerafft worden waren. Zwei Tage vor Heresbach starb der edle Kaiser Maximilian II. und mit ihm, dessen Grundsatz Milde und Duldung bei abweichenden religiösen Ueberzeugungen gewesen, ging dem Herzoge eine mächtige Stütze verloren. Und es war bedeutsam, daß in der Frage der Wiederbesetzung des bischöflichen Stuhles zu Münster, bei welcher W. die Bewerbung seines Neffen, des Herzogs Ernst von Baiern, angelegentlichst zu fördern suchte, die von ihm gewünschte einstweilige Administration des Hochstifts durch den Jungherzog Johann Wilhelm (als Verwalter der Temporalien) erst dann (laut päpstlichen Breves vom 20. September 1579) erreicht wurde, als der Herzog die Erstcommunion des Sohnes unter einer Gestalt zu Weihnachten 1578 auf das Drängen des Hofmeisters Dietrich von der Horst und des Secretärs Paul Langer zugestanden hatte. Unter dem Einflusse der jetzt herrschenden Partei und auf Anregung besonders des Kurfürsten Ernst von Köln wurde der schwachbegabte, von Natur zu Schwermuth und Mißtrauen neigende Jungherzog 1583 mit der Markgräfin Jakobe von Baden, Tochter des Markgrafen Philibert, die nach dem Tode des Letzteren bei ihrem Oheim und Vormund, Herzog Albrecht von Baiern, am Hofe zu München lebte und dort zur katholischen Kirche übergetreten war, verlobt, worauf am 16. Juni 1585, nachdem Johann Wilhelm auf seine Münster’sche Würde resignirt, die Hochzeit in Düsseldorf unter großer Prachtentfaltung stattfand. Mit dieser Hochzeit nahte indessen die Katastrophe des clevischen Regentenhauses: Hier der von zunehmender Geistesstörung ergriffene Jungherzog, neben ihm die leichtsinnige und vergnügungssüchtige, dabei herrschbegierige Gemahlin, dort der geistig und körperlich von Jahr zu Jahr schwächer und unbehülfliche werdende alte Herzog. Immer trüber ward zugleich die Lage der Lande, die bei der von W. stets beibehaltenen Neutralitäts- und Vermittelungspolitik, die es zu keiner energischen Haltung kommen ließ, durch die Durchzüge, Einlagerungen und Plünderungen einerseits der kurkölnischen und spanischen, andererseits der staatischen Truppen und ihrer Verbündeten zwischen 1580 und 1590 und namentlich aus Anlaß des Truchsessischen Krieges in den Jahren 1587 und 1588 auf das schwerste betroffen [112] wurden. Dazu kam der steigende Hader der Parteien bei Hofe und auf den Landtagen, sowie in der Voraussicht des bevorstehenden Aussterbens des herzoglichen Hauses im Mannesstamme das thätige Eingreifen der Erbinteressenten und des Kaisers Rudolf II. Während der Jungherzog allmählich ganz in Wahnsinn verfiel und Tobsuchtsanfälle hatte, welche für die Umgebung gefährlich waren und seine strenge Absperrung veranlaßten, gerieth Jakobe mit den Räthen wie mit ihrer Schwägerin Sibylla in Conflict und ward dadurch zur Anlehnung an die evangelische Partei bei Hofe und unter den Landständen bewogen, ohne indessen deren religiöse Ueberzeugungen zu theilen. Trotzdem wurden auf die vom alten Herzoge, wenigstens nominell, ausgegangenen Bitten kaiserliche Commissare nach Düsseldorf entsandt, um mit den Räthen eine neue Regimentsordnung zu vereinbaren, welche im wesentlichen eine Regierung der Räthe festsetzend auf dem sogenannten langen Landtage (vom 25. September bis Ende December 1591) von den Ständen, sowie zuletzt durch den unter dem 13. December desselben Jahres von W. und den kaiserlichen Commissaren vollzogenen Receß die Genehmigung erhielt, freilich erst, nachdem ein die freie Ausübung der Augsburgischen Confession betreffender Passus, den die theils in Person anwesenden, theils durch Gesandte vertretenen Erbinteressenten, die Pfalzgrafen Philipp Ludwig und Johann und Herzogin Maria Eleonore von Preußen, gebilligt hatten, in der Ausfertigung des Schlußrecesses unterdrückt worden war. Der alte Herzog empfing noch Gesandte der verwandten Höfe, z. B. am 10. Februar 1590 den Pfalz-Zweibrück’schen Rath Rudolf Silberborner und später noch Andere, erschien aber Allen gar still und hinfällig: Niemand verstand sein Gemurmel, ehe er noch sein Mahl geendet, neigte er sein Haupt seitwärts und schlief ein. Und als er, von den Armen seines ersten Kammerdieners, Hermann Cäsar, aufgefangen, auf das Sterbebett gelegt ward, – er verschied am 5. Januar 1592 zwischen 10 und 11 Uhr Abends im 75. Lebensjahre – lallte er: Patience. Die feierliche Beisetzung der Leiche erfolgte am 10. März des nämlichen Jahres in der Fürstengruft der Stiftskirche zu Düsseldorf unter großer Betheiligung seitens der Ritterschaften, der Räthe und Amtmänner, der Abgesandten von Spanien, Kurköln u. s. w. In derselben Kirche wurde 1599 das daselbst noch vorhandene Grabdenkmal des Herzogs, wie es scheint, auf besonderes Betreiben des bergischen Marschalls Wilhelm v. Waldenburg gen. Schenkern (bekannt durch seine Gegnerschaft gegen Jakobe) errichtet, ein Werk des in Köln ansässigen, jedoch vom jülich’schen Niederrhein stammenden Bildhauers Gerhard Scheben zufolge Contracts mit demselben vom 18. September 1595. W., dessen Wahlsprüche ‚In deo spes mea‘ und ‚Christus spes una salutis‘ waren, ist mehrfach, theils in Oelgemälden, theils durch Kupferstiche porträtirt worden, so als junger Fürst insbesondere durch Aldegrever. Die spätesten Gemälde geben ganz den schwachen und hülflosen Greis der letzten Jahre mit dem trüben Blicke und dem zur Seite gebeugten Haupte wieder. – Außer den vorgenannten Kindern hatte W. von Maria noch eine Tochter Elisabeth (geboren am 29. Juni 1556), die aber schon im frühen Kindesalter (19. April 1561) gestorben ist. Die Jungherzogin Sibylla heirathete erst im vorgerückten Alter (4. März 1601) den Markgrafen Karl von Burgau, Sohn des Erzherzogs Ferdinand von Tirol und der Philippine Welser; sie starb, den Gatten um zehn Jahre überlebend, im J. 1628.

Lacomblet, Urkundenb. z. Gesch. des Niederrheins, Bd. 4. Dessen Archiv f. die Gesch. des Niederrheins, Bd. 5, S. 1–143. Zeitschr. des Berg. Gesch. Vereins, Bd. 1, 2, 3, 7, 13, 19, 23, 25, 30, darin namentlich F. Stieve, zur Gesch. der Herzogin Jakobe von Jülich, Bd. 13, S. 1–197, M. Lossen, zur Gesch. des Laienkelches am Hofe des Herzogs Wilhelm, Bd. 19, S. 1–30, [113] W. Crecelius, urkundl. Beiträge zur Krankheitsgeschichte der Herzöge Wilhelm und Johann Wilhelm von Jülich, Cleve und Berg, Bd. 23, S. 1 ff., bes. S. 13, F. Küch, die Lande Jülich und Berg während der Belagerung von Bonn 1588, Bd. 30, S. 213–252; P. Hassel, die Anfänge der brandenburgischen Politik in den Rheinlanden, in der Zeitschr. für Preuß. Geschichte und Landeskunde, Bd. 9, S. 321–360, G. v. Below, Landtagsacten von Jülich-Berg, Bd. I, insbes. von S. 288 ab; P. Heidrich, der Geldrische Erbfolgestreit, 1537–1543 (Kassel 1896); F. Küch, das Grabdenkmal Herzogs Wilhelm III. in der (Düsseldorfer) Lambertuskirche im Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins, Bd. 11, S. 64–72. Außerdem auch ungedrucktes Material im Staatsarchiv zu Düsseldorf. Vgl. inbezug auf Krankheit und Tod Wilhelm’s noch den Bericht des Leibarztes Dr. Reiner Solenander in dem Archiv f. d. Gesch. d. Niederrh., Bd. 5, S. 168–179. Interessant ist auch das Inventar des Nachlasses Wilhelm’s das., Bd. 5, S. 180–191. Wegen des 1550 in Wilhelm’s Dienst getretenen Leibarztes Johann Weyer vgl. den Art. von Binz in der Allg. Deutschen Biographie, Bd. 42, S. 266–270.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Wilhelms Mutter war die Erbin von Jülich-Berg, Maria von Jülich (1491-1543), Tochter Herzog Wilhelms IV.