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ADB:Wilhelm von Isenburg-Grenzau

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Artikel „Isenburg und Grenzau, Wilhelm Graf von“ von Carl Krafft in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 622–625, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wilhelm_von_Isenburg-Grenzau&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 03:05 Uhr UTC)
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Isenburg, Wilhelm, Graf von Isenburg und Grenzau (auch Ysenburg und Eisenberg geschrieben), aus der vielverzweigten gräflich Isenburgischen Familie am Mittelrhein, in den früheren Jahren seines Lebens hervorragend als Mitglied des Deutschherrnordens in Preußen, später am Rhein lebend, in die reformatorischen Bewegungen verflochten und bedeutender Schriftsteller. – Graf I. stammte aus der von Graf Salentin V., seinem Urgroßvater, gestifteten jüngeren Linie Isenburg-Grenzau, sein Vater war Graf Gerlach von Isenburg, vermählt mit Hildegard von Sirk im J. 1460. Neben dessen älteren Söhnen Gerlach, Salentin und Wilhelm dem Aelteren wird der Deutschherrnritter als Wilhelm der Jüngere bezeichnet, sein Geburtsjahr fällt also wahrscheinlich noch vor 1470. Er hat, wie es scheint, eine Universitätsbildung nicht empfangen. Schon frühe wurde er Mitglied des deutschen Ordens in Preußen, der in den letzten Decennien vor seiner Auflösung durch Mangel an Zucht und durch innere Zerrissenheit sehr heruntergekommen war, dessen Schäden aber Graf I. mit Ernst und Eifer zu heilen suchte. Nach dem Tode des Großcomthurs Stephan von Streitberg war es keine geringe Aufgabe, einen tüchtigen Mann für die höheren Ordenswürden bei der stattfindenden Lockerung der alten Zucht und Ordnung aufzufinden. Der damalige Hochmeister des Ordens erhob den Grafen I. zur Würde eines Großcomthurs, als welcher derselbe schon im J. 1495 vorkommt. Im Laufe des unglücklich endenden Türkenkrieges (im J. 1497) fungirte er als Statthalter des Hochmeisters und führte auch nach dessen Tode die Statthalterschaft fort, während welcher er auch einen Reformationsplan in Bezug auf den Orden entwarf. Mehrere Gebietiger des Ordens wünschten ihn sogar zum Hochmeister erwählt zu sehen, „aber zu des Ordens Ehre und Nutz und dem löblichen alten Hause von Sachsen zu wolgefallen“, fand es Graf I. für besser, für die Erhebung des Herzogs Friedrich von Sachsen zu dieser Würde zu wirken. Das Ordensland schwebte um diese Zeit in großer Gefahr, nach der Niederlage des Königs von Polen gegen die Türken fürchtete man einen Einfall derselben. Der Statthalter Graf Wilhelm von Isenburg richtete flehentliche Anmahnungsschreiben namentlich an den römischen Kaiser und die Reichsfürsten, sowie den Papst und das Cardinalcollegium, doch den Orden und das Land Preußen, die beide als Pfeiler und Mauern für die Christenheit gegen Russen, Tartaren und Türken zu betrachten seien, aus der Gefahr zu befreien. Dem neuen Hochmeister stand Graf I. mit Rath und That zur Seite. Im J. 1499 übergab er die Würde des Großcomthurs an den Comthur Simon v. Drahe und wurde zum Ordensmarschall ernannt. Als solchen finden wir ihn im J. 1503 am Rhein in einem unangenehmen Proceß gegen die Stadt Köln, die ihn empfindlich beleidigt hatte (Apologie des Erzstiftes Köln, in den Beilagen S. 231). Als im J. 1507 der Hochmeister nach Deutschland reiste, ernannte derselbe die Bischöfe von Pomesanien und Samland mit dem Grafen I. zu Regenten des Landes. Auch als solcher genoß der letztere hohe Achtung, er suchte den Orden zu reformiren, er sah in dem Eigennutz der Ordensmitglieder die Ursache der Zerrüttung seines ganzen Wesens, es sollten strenge jährliche Visitationen stattfinden und nur rechtschaffene Ordensbrüder zu den Aemtern zugelassen werden. Während dieser Piäne zu Ordensreformen starb der Hochmeister und Graf I. wurde zu den Verhandlungen wegen der Neuwahl, welche den Markgraf Albrecht von Brandenburg traf, nach Deutschland gesendet. Während seiner Abwesenheit wurde er von dem Bischof von Ermland angeklagt, er habe des Bischofs Feinde beherbergt. Der Graf rechtfertigte sich nachdrücklich gegen ungegründete Bezüchtigung des Bischofs, als eines Menschen „Woran leider Gott zu viel verloren hat, wir werden nimmer zu Friede kommen, so lange der im Lande ist“. – Die Kämpfe und Schwierigkeiten des Amtes untergruben [623] auch, wie es scheint, die Gesundheit des Grafen I., der im J. 1513, als ihm wieder das Amt eines Großcomthurs übertragen werden sollte, durch Körperschwäche und fortwährende Krankheit niedergebeugt, den Hochmeister bat, ihn aller seiner Aemter zu entheben und ihn außerhalb Preußens irgendwo zu versorgen, um in veränderter Luft und mit Hülfe verständiger Aerzte seine Gesundheit wieder zu erlangen. In Folge dessen ersuchte der Hochmeister den Deutschmeister, ihm in der Ballei Elsaß ein Haus anzuweisen, wo er in der Nähe eines Klosters, sich aller Welthändel entschlagend, nur der Sorge für sein Seelenheil ungestört leben könne. Der Wunsch des bisher so wirksamen Mannes wurde zwar einstweilen gewährt, aber nach wiedererlangter Gesundheit finden wir ihn vielfach wieder in Angelegenheiten des Ordens thätig, durch Gesandtschaften, durch Schritte, den rheinischen Adel für denselben zu gewinnen und sogar durch Anwerbung von Söldnern für den polnischen Krieg, so daß der Hochmeister in einer fast trostlosen Lage auf den Grafen I. noch einige Hoffnung setzen durfte. Als er einen Söldnerhaufen nach Preußen führte, lernte er Luther kennen zu Wittenberg, bei dem er einen Tag und eine Nacht blieb. Luther berichtet darüber unter dem 19. November 1519 an Spalatin und fügt hinzu, der betrunkene Thorwächter Wittenbergs habe dem Grafen, der im Namen des Abts von Zinna Einlaß begehrt, die Pforte nicht öffnen wollen. Im folgenden Jahre belagerte der Graf mit den geworbenen Truppen die Stadt Danzig. Er ließ zur Uebergabe auffordern mit den Worten: „Ihr habt wohl an Spießen viel gebratene Gänse, wir müssen sie mit euch aufessen“, die Antwort war: „Ja, Herr Graf, das Zugemüse ist auch schon beigesetzt, ihr könnet zur Mahlzeit kommen, wenn es euch beliebt, sonst müssen wir es allein essen“. Die Belagerung mußte aufgehoben werden, am 5. April 1521 wurde ein vierjähriger Waffenstillstand geschlossen, nachdem der Krieg 3/4 Jahre gewährt hatte. Die zurückkehrenden Söldner hatten ihren Sold nicht erhalten und Franz von Sickingen, sowie andere Adeliche, mußten sich ins Mittel schlagen, um die Fordernden zu befriedigen. Noch einmal wurde dem Grafen I. im J. 1522 das Amt eines Großcomthurs angeboten, der es aber wegen seiner schwächlichen Gesundheit ablehnte. Während dieser Jahre war die große reformatorische Bewegung in Deutschland eingetreten, die bekanntlich zu einer völligen Umgestaltung des Ordenslandes Preußen geführt hat. Auch der wol schon beinahe 60jährige Graf von I. wurde von der Bewegung mächtig ergriffen. Er trat zwar nicht, wie die meisten seiner Ordensgenossen, entschieden auf Luther’s Seite, ja die Erfahrung, daß die Leute den Geistlichen nichts mehr zahlen wollten, verstimmte ihn anfangs sehr. Auch war er in großer Verlegenheit für die ihm als Verweser übergebene Ballei Coblenz, denn von Seiten einer für den König von Dänemark geworbenen Reiterschaar drohte für diese Ballei, auf welche deren Verschreibung lautete, der Pfandangriff, so daß Graf von I. am 8. Febr. 1525 an den Hochmeister Albrecht von Köln aus schreibt: „Diese Ballei vermag die Bezahlung nicht zu thun, sie muß viel Pension geben, und die Renten in der Stadt Köln wollen die Bürger nicht geben, fragen nach dem Bann nicht, jeder will thun, was ihm gefällt, so gibt Keiner uns Geistlichen gern, Ich besorg, kommen diese Bürger noch auf zwei Meß gegen Frankfurt, sie werden so arg über die Geistlichen als die Straßburger“. Um so merkwürdiger ist aber die Thatkraft und Ausdauer des Mannes, der am Abend seines bewegten Lebens nach jahrelangem ernsten Bibelstudium sich noch bewogen fühlt, in den großen Gegensätzen seiner Zeit als Schriftsteller aufzutreten, um nach seiner Ueberzeugung beiden Parteien die Wahrheit zu sagen. Seine erste Schrift, der wenigstens neun nachgefolgt sind, erschien im J. 1525 unter dem Titel: „Ain schöner Begriff, darin kürtzlich angezaigt, das die werck des waren lebendigen [624] Glaubens, so durch Götliche Liebe geschehen, Gott gefallen, und die Werck durch der Menschen aigen fürnennen an Gottes gebott gewirkt, Gott mißfällig sind etc.“ Im folgenden Jahre 1526 ließ er ein umfangreiches Buch drucken: „Hauptartikel aus Götlicher geschrifft“ (143 Blätter). Seine Haupttendenz drückt der Verfasser folgendermaßen aus: „Dieweil Etliche Uns hart auf die aigne Werk und die Heiligen weisen, die Andern weisen uns allein auf den Glauben, sagen uns nichts von den Werken des Glaubens, auß diesem entspreußt, daß ein Partei der Prediger gar nicht wollen von dem Bapbst und seiner Gewalt halten, und wissen selbst nicht, was die Werck des Glaubens sind“. Bei der Erörterung der Lehre vom Glauben kam aber der Verfasser, der ausdrücklich erklärte, er habe sich nicht auf die Seite Luther’s geschlagen, gerade auf die nämlichen Sätze, von welchen die reformatorische Bewegung ausgegangen war, denn was kann evangelischer lauten, als der von dem Grafen behauptete Inhalt seiner Schriften: „Ich hab in allen meinen Büchern geschrieben, daß wir allein um des Glaubens willen gerechtfertiget und allein durch Christum selig werden, und nicht durch die Werck, die wir doch aus Pflicht göttlicher Gebot zu thun schuldig sind“. Die katholischen Theologen behandelten ihn daher als einen Ketzer und Irrlehrer, der Ketzermeister Jacob Hochstraten zu Köln säumte nicht, gegen ihn aufzutreten (freilich ohne den Grafen namentlich zu bezeichnen in seinem Buch: „Catholicae aliquot disputationes“, 1526 mense Junio). Aber der alte Krieger antwortete sofort in einer Gegenschrift: „Verantwortung meyns gnädigen Herrn von Eysenburch, auf die Beschuldigung des Theologen, als solt er unchristlich geschrieben haben“. Zugleich entstand in Köln gegen den Grafen eine heftige Kanzelpolemik seitens der Dominicaner und Franziscaner, welche die Predigtstühle in den Kirchen der Stadt inne hatten, auch erklärte sich der Stadtrath zu Köln gegen ihn und ließ seine Bücher confisciren. Das große Aufsehen, welches in Folge dieser Dinge entstand, bewog den Erzbischof Hermann von Wied, dem Grafen einstweilen Stillschweigen aufzuerlegen, derselbe reiste unterdeß zum Reichstag nach Regensburg, um sich dort zu rechtfertigen, als aber die Polemik seiner Gegner nicht verstummte, trat er wieder auf den litterarischen Schauplatz und lieferte in dem J. 1528 u. 29 nicht weniger als sieben Gegenschriften, worin er seinen Standpunkt, der in wesentlichen Punkten der biblisch-evangelische ist, vertheidigt und rechtfertigt. Eine dieser Schriften ist an den Rath zu Köln, eine andere an den Kaiser, die Kurfürsten, Fürsten und Stände des römischen Reichs gerichtet. In der Schrift: „Eine sehr nützliche Warnung wider alle List des Teufels und seiner falschen Propheten, mit sampt der Straf, so über Gottes Wort Verächter ergangen und täglich erget“, erzählt der Graf die Verfolgung, der er in Köln ausgesetzt sei. Unter anderem erwähnt er, daß ein Mönch öffentlich auf der Kanzel erklärt habe, der graue Bart und die Grafenkette werde den Ritter nicht vor dem Tode schützen. In St. Columba sagte ein Dominicaner: Es ist wohl mehr einem Grafen das Haupt abgehauen und auf ein Rad gelegt, ob es diesem auch geschehe, wird nicht viel darum gethan. Auffallend ist auch die Vorsicht, mit der die litterarischen Gegner des Ritters gegen denselben auftreten. Hochstraten nennt in seiner Gegenschrift nicht einmal den Namen des Grafen. Unter dem Namen des berühmten Polemikers Cochläus erschienen zwei Gegenschriften, die aber offenbar nicht von demselben verfaßt sind. Der Graf antwortete auf diese in Köln erschienenen Angriffe in der unmittelbar vor der Hinrichtung Klarenbach’s zu Marburg gedruckten Schrift: „Ablehnung der unchristlichen straff so die Predigermönch wider Gottes Wort gegen meinen gnedigen Herrn von Eysenberg Teutsch Ordens unter Doctor Cocläus titel gethan“ etc. Die sämmtlichen Schriften des Grafen zeigen im Stil und der Ausführung offenbar ein Talent populärer Schriftstellerei, namentlich waren auch [625] die zahlreich gegebenen Auszüge aus der hl. Schrift sehr geeignet, auf die Hauptsache, um welche es sich damals handelte, hinzuweisen, freilich war an eine praktische Durchführung der Tendenz zwischen den Gegensätzen vermittelnd einzutreten, nicht zu denken. Vielmehr war das Schicksal Klarenbach’s, für welchen sich der Graf in seinen Schriften warm ausgesprochen hatte, auch für den letzteren von ernsten Folgen. Einige Wochen nach der Hinrichtung Klarenbach’s und Fliestedens beschloß der Rath zu Köln auf Antrag der Ketzermeister Arnold von Tongern und Konrad Köllin, die höchsten Auctoritäten der Stadt, nämlich die beiden Bürgermeister, die Rentmeister und Stimmmeister, sowie den Rector der Universität und die Dekane der vier Fakultäten zusammenzuberufen und „den von Isenburg auch dazu zu bescheiden, ihm die Dinge ernstlich vorzuhalten, und zu sagen, der Dinge müßig zu gehen, damit kein Irrthum der Stadt erwachse“. Ueber die Schritte des Grafen diesen Zumuthungen der Stadt Köln gegenüber fehlen uns directe Nachrichten. Möglicher Weise beziehen sich darauf die Worte des Agrippa von Nettesheim in der Apologia adversus Theologistas Lovanienses (opp. II. 278) vom J. 1532, indem er den Kölner Theologen zuruft: „Hat nicht der edle Herr Wilhelm von Isenburg, obgleich ein Laie und der Schulwissenschaften unkundig, den Mund den Kölner Theologen verstopft und sie gezwungen, eine weitere Disputation sich zu verbitten“. Es fehlen überhaupt von da an leider die Nachrichten, namentlich lassen uns auch die genealogischen Werke, z. B. das Werk von Fischer, Geschlechtsregister der uralten reichsständischen Häuser Isenburg, Wied und Runkel, Mannheim 1775, Fol., völlig im Stich. Auch das umfangreiche Werk von Simon, Die Geschichte des reichsständischen Hauses Ysenburg und Büdingen, 3 Bde., Frankfurt 1865, erwähnt unseren Grafen nicht. Nach einer handschriftlichen Bemerkung des Historikers Glandorp ist es möglich, daß der Graf sich aus Köln entfernt hat und nach Frankfurt a/M. gezogen ist. Aber diese Bemerkung Glandorp’s kann sich auch auf einen anderen Grafen von Isenburg beziehen, der ebenfalls den Vornamen Wilhelm führt und deutscher Ordensritter war. Vgl. auch die Dedication der Uebersetzung einiger Schriften des Augustin von Caspar Hedio, Straßburg 1532, an den „Herrn Wilhelm Grafen zu Eysenberg und Büdingen, Teutsch Ordens“. Das letzte, was wir dermalen von dem Manne wissen, ist die Thatsache, die wir aus einem Briefe des Erasmus vom 22. Juni 1532 über den Grafen erfahren, daß der letztere ihm einen eleganten Dolch mit dem charakteristischen ritterlichen Elogium gesandt habe: „Si minus possem profligare calamo hostes meos, ferro rem gererem“.

Briefe in den Archiven zu Königsberg und Köln. Voigt, Geschichte Preußens bis zum Untergang des deutschen Ordens. 9. Bd. Chronologische Zusammenstellung sämmtlicher Schriften des Grafen von 1525–1529 in: Briefe und Documente aus der Zeit der Reformation im 16. Jahrhundert (Elberfeld 1876, S. 202 ff.)