ADB:Zahn, Wilhelm Johann Karl
[669] Wichtiger aber wurde der Einfluß der Kasseler Antiken, besonders der Reste antiker Malereien aus Herculanum, sowie der Privatunterricht des Oberbaudirectors Joussow, der ihn in die antike Baukunst einführte. Schon damals faßte Z. den Plan, nach Pompeji zu gehen, und seine Versuche im Farbendruck, welche die Aufmerksamkeit des Fürsten Wittgenstein auf ihn lenkten, versprachen ihm baldige Förderung seiner Absichten. Nachdem er 1823 noch im Atelier von Gros in Paris gearbeitet hatte, zog er 1824 über die Alpen und traf nach einem kurzen Aufenthalt in Rom 1825 in Pompeji ein, wo er seine zweite Heimath finden sollte. Sein Vorhaben, die antiken Malereien von Pompeji, Herculanum und Stabiae möglichst getreu zu copiren, entsprach so recht dem Zeitgeschmack, und wurde von allen Seiten unterstützt. Als er 1825 in Rom die ersten Aufnahmen aus der Casa del Poeta Tragico ausstellte, erregten sie das größte Aufsehen, und drei Jahre später – 1826 hatte er mit Julius Schnorr von Carolsfeld Sicilien besucht – konnte er bereits seine erste Publication „Neu entdeckte Wandgemälde in Pompeji in 40 Steinabdrücken“ bei Cotta (München, Stuttgart und Tübingen) erscheinen lassen. 1829 berief ihn der Kurfürst von Hessen auf kurze Zeit nach Kassel zum Ausbau und zur Decoration einiger Schlösser, und als er von dort über Weimar nach Berlin reiste, trat er zu Goethe in Beziehung, der sich von dem genauen Kenner Pompeji’s gar nicht trennen mochte. War doch Goethe’s Lieblingsgedanke, junge Künstler zum Copiren nach Pompeji zu senden, durch Zahn’s Lebensplan der Erfüllung nahegebracht! Neue Freunde fand Zahn’s Unternehmen in Berlin, bei dem Kronprinzen, dem nachmaligen König Friedrich Wilhelm IV., den Ministern Wittgenstein und Altenstein, den Humboldts, Schinkel, Rauch, Tieck, Hirt, Rumohr, Waagen u. A. Georg Reimer übernahm den Verlag eines großen, in Farbensteindruck zu veröffentlichenden Prachtwerkes: „Die schönsten Ornamente und merkwürdigsten Gemälde aus Pompeji, Herculanum und Stabiae“, im Juni 1828 lag bereits das erste Heft dem Kronprinzen vor, und 1830 wurde die erste Folge von zehn Heften mit 100 Tafeln mit deutschem und französischem Text edirt: unter den Veröffentlichungen antiker Kunstdenkmäler eine hochbedeutsame Leistung, deren Werth besonders von Goethe in der Anzeige im 51. Band der Wiener „Jahrbücher der Litteratur“ (Juli-September 1830) ausführlich gewürdigt wurde. Sogleich ging Z., der 1829 zum Professor ernannt worden war, an ein zweites Werk mit weiteren Grenzen: „Ornamente aller classischen Kunstepochen“. Auf Anregung Schinkel’s nahm er 1830 Giulio Romano’s Fresken in Mantua auf und widmete sich dann zehn Jahre lang in Neapel und Süditalien den Studien der dortigen Antiken, bereitete die zweite und dritte Folge seines Werkes über Pompeji vor – die zweite Folge (abermals 10 Hefte mit 100 Tafeln) erschien 1841–45, die dritte, gleich große 1849–59, ließ für die preußische Regierung zum ersten Male die hervorragendsten Bronzen des Königreichs Neapel und Sicilien abformen, zeichnete die Terracotten und Vasen der sonst unzugänglichen Sammlung des Fürsten Viscari in Catania, und erwies sich in Pompeji jedem Kunstfreund als wohlunterrichteten Berather. 1840 nach Berlin zurückgekehrt, veröffentlichte er eine neue Serie seiner Studien unter dem Titel: „Auserlesene Verzierungen aus dem Gesamtgebiete der bildenden Kunst“ (5 Hefte mit 25 Tafeln; 1842 bis 1844) und gab 1832–48 seine „Ornamente aller classischen Kunstepochen nach den Originalen in ihren eigenthümlichen Farben“ (20 Hefte mit 100 farbigen Tafeln) heraus, von denen eine zweite Auflage 1853, eine dritte 1870 erschien. 1850 machte ihn eine größere Reise auch mit den Kunstschätzen Belgiens, Frankreichs, Englands und Hollands vertraut, so daß Z. in seiner Zeit als ein vielseitiger Kenner älterer Kunst galt, mit dem die meisten Gleichstrebenden und Kunstfreunde in Verbindung traten. Gelegentlich verwerthete er seine Kenntniß [670] der antiken Baukunst und Decoration zu Entwürfen für Villen und Privathäuser, so für das von König Ludwig von Baiern in Aschaffenburg am Mainufer nach dem Muster des Hauses des Castor und Pollux in Pompeji ausgeführte „pompejanische Haus“. Seine fein gezeichneten Aufnahmen antiker Wandgemälde befleißigen sich einer objectiven Treue, ohne jedoch den idealisirenden Zug der zeitgenössischen Kunst gänzlich zu meiden. Seine Technik des Farbensteindruckes fand bald Nachahmer und verdient in der Geschichte der farbigen Reproductionsverfahren Beachtung.
Zahn: Wilhelm Johann Karl Z., geboren am 21. August 1800 zu Rodenberg (im preußischen Regierungsbezirk Kassel, Kreis Rinteln), † am 22. August 1871 in Berlin, hat seine künstlerische Begabung und Schulung fast gänzlich in den Dienst der Alterthumskunde gestellt, und vor allem durch seine Veröffentlichungen antiker Wandmalereien einen nicht geringen Einfluß auf die neuclassische Richtung während des zweiten Drittels unseres Jahrhunderts geübt. Bei seinem Vater, einem Decorationsmaler, der später freilich eine Gastwirthschaft in Nenndorf leitete, fand sein Zeichentalent frühzeitig Pflege, und nachdem er auf den Gymnasien in Bückeburg und Rinteln den Grund zu einer guten Bildung gelegt, besuchte er von 1817 bis 1823 die Kasseler Kunstakademie, copirte Meisterwerke der dortigen Gallerie und machte Porträt- und Compositionsstudien.- Maßgebend: Max Schasler, Studien zur Charakteristik bedeutender Künstler der Gegenwart, XXXII „Wilhelm Zahn“ in Schasler’s Ztschr. „Die Dioskuren“. VIII. Jahrgang (1863). Nr. 28–35. S. 209 ff