Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section/H17
← Heft 16 des Leipziger Kreises | Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke (Hrsg.) Heft 17 der Section Leipziger Kreis |
Heft 18 des Leipziger Kreises → |
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter: |
Das herrliche, prächtige Rittergut und Dorf Nitzschwitz liegt ¾ Stunde nordwestlich von Wurzen, 2 Stunden südöstlich von Eilenburg, nicht weit vom Muldenmühlgraben, ⅓ Stunde vom rechten Ufer der eigentlichen Mulde 350 Pariser Fuss über dem Meere. Durch das Dorf führt die Strasse von Wurzen nach Eilenburg. Zur Hälfte wird es von den schönen weitausgebreiteten Muldenwiesen umgeben. Es hat 40 bis 45 Häuser, wenig Güter, meist Häusler, die Tagelohnarbeit verrichten. Unter den Häusern giebt es einen Gasthof, eine Windmühle und die geistlichen Gebäude. Der Name kommt schon im 12. Jahrhundert vor. Im Jahre 1239 schenkte es Heinrich der Erlauchte dem Kloster Altzelle.
Das Rittergut ist das Stammhaus des Geschlechtes derer von Nitzschwitz. Dazu gehören Bennewitz, Grubnitz, Nepperwitz, Dehnitz, die Hälfte von Röcknitz und das damit verbundene Rittergut und Dorf Pönitz. Die Herren von Nitzschwitz sind von den Bischöffen der Wurzener Domkirche mit dem Orte beliehen worden und nach den Herren von Nitzschwitz kam die Familie von Gundilitz in Besitz dieses Gutes, ebenfalls durch Belehnung von dem Bischoff zu Wurzen. Die folgenden Besitzer waren die Herren Bex, Becker, von Rosenfeld, von Racknitz, Frau von Wend. Von dieser acquirirte es Sachsens früherer Premierminister von Brühl, welcher das Schloss kurz vor dem 7jährigen Kriege neu erbaute. Ehe wir aber in der Beschreibung des Schlosses selbst weiter vorgehen, sei es uns vergönnt, einige Augenblicke bei der Persönlichkeit dieses Mannes zu verweilen.
Sachsens allgewaltiger Premierminister von Brühl, Heinrich von Brühl war der jüngste Sohn des geheimen Raths von Brühl am Hofe zu Weissenfels und der Erdmuthe von Brühl, der Tochter des kurpfälzischen Kammerherrn Petri von der Heide. Er selbst Heinrich von Brühl war vermählt mit der Gräfin Kollowrath Krakowski, welche eine Wohlthäterin der Armen war und jeden Tag mit einer besondern Wohlthat bezeichnete. Ganz in ihrem Geiste erzog sie ihre 4 Söhne und ihre einzige Tochter, so dass alle durch gründliche und vielseitige Kenntnisse, wie durch Herzensgüte und Menschenfreundlichkeit sich auszeichneten.
Herr Premierminister von Brühl war auch ein anscheinend aufrichtiger und ehrlicher Mann. Gegen Personen hohen und niedern Standes war er gleich höflich und dienstfertig. Sein ganzes Wesen war aber nicht Wahrheit, sondern zur andern Natur gewordene Hofmanier. Er war ein Schauspieler in der vollsten Bedeutung dieses Wortes. Sein Wahlspruch lautete auch: „Wir sind alle Schauspieler; es kommt nur darauf an seine Rolle gut zu spielen.“ Um seine Rolle gut und glücklich zu Ende zu führen, sah er hauptsächlich darauf, dass in Schulen und auf Universitäten die Wahrheit als die herrlichste Tugend gelehrt werde, während bei ihm und in seinen Geschäften, Wahrheit nicht zu finden, ja sogar solche als Verbrechen verpönt war. Alles war Schein und Trug und sein ganzes Dichten und Trachten nur auf Befriedigung der Sinnlichkeit gerichtet. Dennoch wollte er über fromme, mässige und genügsame Menschen regieren, daher auch seine Glaubensvorschriften, [130] seine selbst heuchelnde Frömmigkeit: Wohlwissend, dass ein frommes Volk auch ein gutes, friedfertiges Volk ist. Um aller Frechheit die Krone aufzusetzen, hat sogar dieser Mann sich in seinem Testamente für den frömmsten, redlichsten und unbescholtensten Menschen erklärt, der alles mit Gott that, und nur durch seinen Beistand vollbrachte; indem er nicht bedachte, dass Thaten lauter sprechen, wie Versicherungen.
Ein Verdienst hat sich der Minister Graf Brühl um Sachsen erworben, Geschmack und Kunstsinn befördert zu haben, das beweisen seine Bauten und seine eigenen Anordnungen. Auch der Erbau von Nitzschwitz ist ein sprechendes Zeugniss von des Grafen von Brühl Schönheits-Sinn im Baustyle. Von den drei Flügeln, welche drei Etagen haben, ist der mittlere 15 Fenster breit und macht Front gegen die Oeconomiegebäude. Am Schlosse gegen Westen dehnt sich der im halb englischen und halb im französischen Geschmack angelegte Garten aus. Vom sogenannten Audienzsaal, der im 7jährigen Kriege durch die Preussen sehr gelitten hat, sind noch schöne Trümmer übrig geblieben. Hier erblickt man in den Wänden die feinste Frescomalerei italienischer Meister. Die Göttin der Jagd erscheint hier unter verschiedenen Gestalten. Sie ist in Lebensgrösse gezeichnet und die Farben erscheinen so frisch, als wäre der Maler nur erst fertig damit geworden. Die brennenden Farben der Gewänder von Göttern und Göttinnen verbreiten ein herrliches Licht. Das Deckengemälde ist ohne Zweifel das Meisterstück. Es stellt den Wagensturz des Phaeton vor. Die stürzenden Pferde sind so täuschend, als fielen sie durch die Luft herab. Schöne Stuccaturarbeiten an den Wänden der übrigen Zimmer, ächt vergoldet, sind noch trotz der Zerstörung zu schauen. Aus alter Zeit, dem Palais gegenüber, hat sich eine Nische mit Thürmchen erhalten, worauf früher eine Uhr schlug. In der Nische befindet sich ein Gemälde, die Verbindung der Flora mit Zephir. Vermuthlich von Oeser gemalt.
Zu beiden Seiten des Palais befinden sich Bogengänge und enden mit einem kleinen Gebäude, um den Halbzirkel zu bilden. Auf der Rückseite des Palais ist der Untergarten befindlich, eben so malerisch, als auf der Vorderseite. Die Fronte der Fenster und Arcaden gewähren einen reizenden Anblick. Vor denselben liegt eine grüne Wiese rund herum mit Anpflanzungen und Blumenstücken begränzt. Hier fliesst ein Arm der Mulde und jenseits sieht man herrliche Triften für die herrschaftlichen Schaafherden. Die Seitengänge des Untergartens dehnen sich weiter aus und enthalten noch viele schöne Anlagen. Im Obergarten sind die herrlichsten Anlagen zu finden mit dem Gewächshaus und einem Saal am Ende des Gartens, in welchem ein von Oeser restaurirtes Deckengemälde zu finden ist. Dieser Saal, noch das Palais sind jedoch Fremden mehr zugänglich. Zwei Statuen am Eingange des Saals stellen Gärtner und Gärtnerin vor. Die Kirche ist 1752 restaurirt. Hier ist das Altarbild eine Sehenswürdigkeit. Es ist eine Verkündigung Maria. Sowohl die Maria, als der Engel finden ihre Bewunderer und Lobredner bei Kennern und Verehrern dieser Kunst. Es ist ein Geschenk des Herrn Premierminister von Brühl. Unbekannt ist der Verfertiger, und ob es Original oder Copie ist. Eine sehr gut gelungene Abbildung desselben, von einem gewissen Blanchard, findet sich in der Gottesackerkirche zu Plauen. Ausser diesem herrlichen Geschenke erinnert noch das Familienwappen an der herrschaftlichen Emporkirche und in einem Kirchhoffenster an den Grafen von Brühl. Die Kirche hat 3 Glocken von keiner besondern Stärke. Auf der grössten steht:
Anno 1741.
Im Jahre 1817 wurde das Gut subhastirt (nachdem es bis dahin ein gewisser Lastroth besessen hatte) und auf 217,217 Thlr. taxirt und vom Herrn von Ritzenberg erstanden, von welchem es dessen Herr Sohn übernommen und nach dessen Tode die Frau Gemahlin des letzteren ererbt und noch als Besitzerin darauf lebt. Der Herr Schwiegervater der jetzigen Besitzerin, Herr Präsident von Ritzenberg hat ein Erbbegräbniss hier angelegt, und seine verstorbene Gemahlin, nebst Sohn, als Leichen aus Gross-Oschersleben hieher bringen und beisetzen lassen. Es besteht aus einem grünen Rasenhügel, innerhalb gewölbt, mit einem eisernem Kreuz auf der Hügelspitze, rund herum mit Cedern und andern dunkeln Baumgruppen umpflanzt, die das Grabmal verstecken.
Der Kirchhof von sehr mittelmässiger Grösse ist neuerlich durch einen schmalen Streif vergrössert worden. Auf der Dorfseite ist er mit einer hohen Mauer, auf der entgegengesetzten Seite, wo er an den herrschaftlichen Garten stösst, theils mit einer Mauer, theils mit einer Hecke eingeschlossen.
[131] Eingepfarrt in die dasige Kirche ist das ¾ Stunde entfernte Dorf und Rittergut Lossa, welches dem früheren Herrn Justizminister von Könneritz gehört.
Auch das Erbbegräbniss der Familie von Könneritz befindet sich an einer Wand der Kirchhofsmauer.
Uebrigens scheint sich das Kirchenvermögen, welches früher gering war, zu vermehren.
Die frühere Schulpatronin Frau D. Lastropie hat ein Legat von 6000. Thlr. dazu bestimmt, dass die Kirche, der Pfarrer, der Schullmeister den dritten Theil der jährlichen Zinsen bekommen sollen.
Das Schulgebäude des Orts ist erst 1829 ganz neugebaut und hat eine grosse und helle Schulstube und 2 Wohnstuben.
Ackerbau und Viehzucht ist die Hauptbeschäftigung der Ortsbewohner und berühmt weit und breit sind die Nitzschwitzer Schaafe, in Rücksicht ihrer feinen und guten Wolle.
Bei grossen anhaltenden Regengüssen, besonders im Erzgebirge und bei Eisfahrten ist das niedere Thal des Orts wie das am Ufer liegende Land, sehr der Ueberschwemmung ausgesetzt.
Kötteritzsch liegt 1 Stunde nördlich von Colditz am linken Ufer der Mulde mit 31 Häusern und 150 Einwohnern. Zum Rittergute gehörten nur 19 Häuser und 60 Einwohner, das Uebrige war früher amtssässig. Mit dem dazu gehörigen Roschütz betrug die Zahl der Gerichtsuntergebenen vom Rittergute jedoch 170.
Kötteritzsch ist nach Schönbach eingepfarrt, welches früher zur Ephorie Colditz gehörte, jetzt aber zu Rochlitz geschlagen ist. Schönbach selbst liegt zwischen den beiden Städten Grimma und Colditz an der von Leipzig über diese beiden Städte nach Waldheim und Dresden führenden Strasse, es ist von Grimma 2 Stunden, von Rochlitz 4 Stunden entfernt. Nach Schönbach sind überhaupt 5 Dörfer eingepfarrt: Leisenau, Grosssermuth, Zötzsch, Thumirnicht und Kötteritzsch. Die Kirche von Schönbach liegt sehr hoch und wird nach allen Seiten hin 2 bis 3 Stunden weit gesehen. Die Zeit, wenn diese Kirche gegründet worden, kann nicht so genau angegeben werden, weil alle Nachrichten fehlen. Der Name Schönbach kommt wahrscheinlich von dem kleinen Bache her, welcher zwischen den beiden Reihen von Bauergütern und Häusern durchläuft und bei Leisenau sich mit einem andern kleinen Bache verbindend, unterhalb des Dorfes Kötteritzsch in die Mulde fällt. Die Kirche hat an jeder der beiden langen Seiten, der südlichen und nördlichen, einen Vorbau, in welchem sich auf beiden Seiten 2 Betstuben befinden. Eine von diesen Betstuben gehört dem Pfarrlehen zu [132] Schönbach, die zweite dem Rittergute Leisenau, die dritte dem Rittergute Schönbach und die vierte dem Rittergute Kötteritzsch. Bis zum Jahre 1780 war Schönbach die einzige Schule im Kirchspiele. Erst seit dieser Zeit sind 4 Dörfer, Leisenau, Grosssermuth, Thumirnicht und Kötteritzsch ausgeschult und 2 Nebenschulen in Leisenau und Grosssermuth gegründet worden. Der Lehrer in Schönbach hat dafür Entschädigung erhalten. Nach Grosssermuth, ¼ Stunde östlich von Schönbach gelegen, ohnweit des Zusammenflusses der beiden Mulden wird als Schule von den Kindern aus Kötteritzsch und von denen aus dem auf dem linken Muldenufer liegenden Theile von Kleinsermuth, welches zur Parochie Collmen (nicht Collmen-Pölitz, welches bei Wurzen liegt) gehört, besucht. Die Kinder von Zötzsch gehen nach Schönbach und die von Thumirnicht (sonst Dommernicht) nach Holzebach, welches zur Parochie Schwarzbach gehört, in die Schule. Die Collatur über das Pfarramt und über die Schule in Schönbach hat das Cultusministerium; die Collatur über die Schule zu Kleinsermuth der Rittergutsbesitzer von Kötteritzsch.
Kötteritzsch besitzt jetzt Herr Wilhelm Ernst Adolph aus der Winkel, sowie noch ein Pferdnergut und 3 Hintersässergüter. Das Rittergut hat ein Areal von 170 Ackern und 194 □Ruthen mit 4762 Steuereinheiten.
[133]
Obernitzschka, welches mit Unternitzschka beinahe zusammenhängt, liegt eine Meile von Grimma und 1 Stunde oberhalb Wurzen und ½ Stunde von Trebsen am rechten Ufer der Mulde, unweit der Strasse von Wurzen nach Leisnig, in einer breiten, wiesenreichen angenehmen Aue gegen 440 Pariser Fuss über dem Meere. Von den jenseitigen Höhen bei Walzig und Pausitz giebt der Ort eine vortreffliche Ansicht. Die Einwohnerzahl beträgt über 400 Seelen. In Obernitzschka ist eine sehr schöne Kirche, die Schwesterkirche des mehr im Süden liegenden Neichen. Hinzugepfarrt sind Unternitzschka, Oelzsch und die Sonnenmühle. Obernitzschka hatte auch seinen eigenen Pfarrer früher, weshalb heute noch Letzterer sein Wohnhaus auch Grundstücke und Garten zur Benutzung und Pflege innen hat. Die Kirche gehört unter die Präpositur und Sedes Wurzen.
Im Jahre 1546 sind beide Kirchen vereinigt worden. Der damalige Herr Besitzer von Obernitzschka, Herr von Minkwitz, stellte nämlich nach dem Abgange des Pfarrers in Obernitzschka, und nach dem gleichzeitigen Ableben des Pfarrers in Neichen nur einen Pfarrer für beide Kirchen an, weil die Stellen zu gering waren und zwei nicht davon leben konnten.
Nach dem Tode des Herrn von Minkwitz, welcher neben Obernitzschka zugleich Trebsen besass, wohin Neichen gehört, kam das letztere Gut (Trebsen) in andere Hände und es entstand Streit zwischen dem Besitzer desselben und dem von Obernitzschka über die Besitzung der Pfarre, indem beide Besitzer ihre Kirche für die Hauptkirche erklärten, also beide das Besitzungsrecht in Anspruch nahmen.
Das damalige Consistorium zu Leipzig entschied dahin, dass bei solcher Sachlage das Collaturrecht zwischen beiden Besitzern abwechseln solle. Und so ist es heute noch. An beiden Kirchen ist ein Pfarrer geblieben, der in Neichen wohnt, aber in beiden Kirchen gleiche Functionen hat.
Was die Kirche von Obernitzschka selbst anlangt, so ist solche auf einem hohen Platz erbaut, von welchem man eine weite schöne Aussicht hat. Sie grenzt unmittelbar mit dem Herrenhause des Ritterguts. Die Zeit ihrer Erbauung kann nicht genau bestimmt werden. Nach allen Andeutungen zu schliessen ist dieselbe vor der Reformation schon erbaut worden. Sie hat manches Schicksal erfahren. Im Jahre 1674 stürzte der Thurm ein, wodurch das Chor bis an die Hälfte der Canzel mit herunter gerissen wurde, ohne jedoch das Rittergut zu beschädigen. Die Maurer suchten die Ursache des Einsturzes in den dem Grunde des Thurmes zu nahe gebrachten Gräbern. Bis zum Jahre 1677 ist an dem neuen Thurm dann gebaut und das Innere der Kirche nach und nach hergestellt worden.
Im Jahre 1604 wurde durch ein grosses Feuer, durch welches die Rittergutsgebäude, 6 Bauergüter, Pfarre und Schule niederbrannten, der Thurm abermals mit zerstört, ohne jedoch der Kirche selbst grossen Schaden zu thun. Die 3 Glocken waren zerschmolzen und herabgefallen. [134] Der neue Guss erfolgte in Dresden und 1845 erfolgte die Weihe der neuen Glocken. Die Inschriften derselben sind folgende:
Auf der grossen: |
Soli deo gloria |
Post incendium die XVI Maji 1704 |
repente exortum |
haec restauratio facta |
Fautore Johanne Laemmel |
Consiliario intimo regis Poloniae |
Comissario Zaariano |
Collatore Johann Georg de Minkwitz |
Capitaneo Praefecturae Grimmensis |
Pastore Johann Michael Bergmann |
Per Mettali fussorem regium Dresdensem |
Michael Weinholdt 1705. |
Auf der mittleren: |
Ich ruf zu Gottesdienst, zu Freud und Leid euch alle |
Wie Gott es schickt, kommt oft, damit es Gott gefalle. |
1705 goss mich Michael Weinhold in Dresden. |
Auf der kleinen: |
Ich rufe nur das Volk zu Gottes Ehr allein; |
Der lasse sie und mich stets ohne Schaden sein. |
So lange der Thurm noch nicht fertig aufgebaut war, hingen diese Glocken in einem auf dem Kirchhofe dazu eigends erbauten Glockenhause. Pfarre und Schule waren schon bis zum Jahre 1713 wieder hergestellt.
Die Kanzel der Kirche ist ebenfalls neu und hinter derselben in der Wand sieht man einen vormaligen Besitzer des Gutes, in Stein gehauen, die Hände gefaltet, sowie auch weiterhin im Schiffe an der Wand das Auge ein steinernes Epitaphium erblickt, welches einem Mitgliede der von Holleufer’schen Familie gesetzt worden ist.
Ausser den oben erwähnten eingepfarrten Dorfschaften gehörte vor dem Jahre 1540 das Dorf Pyrna noch dazu, zu welcher Zeit die eingepfarrten Orte Oelzsch und die Sonnenmühle in die Kirche auf der sogenannten Selnitzmark eingepfarrt gewesen sind. In früherer Zeit existirte nämlich ein Dorf Selnitz und von diesem hat die Selnitzmark den Namen. Ausser der Ruine von der Kirche ist von Allem keine Spur mehr zu finden. Die Besitzer dieser Mark – Bewohner der Orte Oehlschütz, Nemt und Dehnitz – führen heute noch den Namen Selnitznachbarn und Pyrna gehört heute noch zu Obernitzschka.
In der ins 14. Jahrhundert gehörigen Meissner Stifts-Matrikul heisst der Ort blos Nitzschew.
In dieser Zeit gehörte das Rittergut der von Holleufer’schen Familie und von dieser ist es an die aus dem Winkel gekommen, welche es über 100 Jahre besessen haben. Dann im 16. Jahrhundert und zwar schon 1519 war es im Besitze der Herren von Minkwitz, welche noch im Jahre 1720 damit beliehen waren. Von dieser Zeit an kam es an die von Mahlmann’sche Familie. Der erste von Mahlmann war der geniale Dichter und Hofrath Mahlmann zu Leipzig, dessen Dichtungen weit hin heute noch von der Jugend und von dem Alter nicht ohne innere Regung gelesen werden. Welche Begeisterung und Andacht liegt in seinem „Gebet des Herrn.“ Du hast deine Säulen dir aufgebaut und deine Tempel gegründet u. s. w. Der Schwiegersohn dieses gefeierten Dichters Herr E. G. C. Baron von Lorenz ist der jetzige Besitzer dieses herrlichen Gutes.
Den alten in der Nähe des Gutes befindlichen mit einem Wall umgebenen Thurm wollen Einige auch für den Sitz eines Burgwarts ausgeben, wiewohl in den Urkunden nirgends Etwas darüber zu finden ist.
Obernitzschka hat einen starken Wieswachs zum Theil jenseits der Mulde, weshalb das Heu grösstentheils[WS 1] auf Kähnen transportirt werden muss. Es hat gute und vortreffliche Wirthschaft mit schönen Gebäuden und besonders zeichnet sich das Schloss mit seiner angenehmen Lage aus.
[135]
Podelwitz liegt ¾ Stunde von Colditz, 1½ Stunde von Leissnig in sehr schöner Gegend, dem Thümlitzwalde südlich gegenüber, mit Collmen rainend.
Der Ort hat seinen Namen von dem im Jahre 1217 zu Leissnig anwesenden Werner von Podelutz.
Dieser Ort und die ganze Umgegend hatte im Jahre 1430 grosse Drangsale zu ertragen. Als die Hussiten in diesem Jahre die meissnischen Lande verwüsteten kamen sie auch hieher und nach Colditz, und plünderten und verwüsteten auch das Heiligste. Furchtbarer aber, als von allen früheren Unglücksfällen wurde Podelwitz von den Drangsalen des dreissigjährigen Kriegs betroffen. Die schwedischen Truppen verübten hier die ruchlosesten Grausamkeiten und um nur das nackte Leben zu schützen, retteten sich die Bewohner in die benachbarte Stadt Colditz. Den höchsten Grad hat das Elend im Jahre 1637 erreicht. Die Felder hatten schon vorher keinen Ertrag mehr gegeben, weil die Saaten stets von den schonungslosen, feindlichen Heeren abgeweidet, zerstampft und verwüstet worden. Das vorhandene Schlacht- und Zugvieh musste getödtet werden, weil es zu längerer Erhaltung an Futter fehlte. Eine Kuh wurde damals um 5 gGr., ein Schaaf für 1 gGr. verkauft, an Brod und Gemüse war gänzlicher Mangel. Zu jenen schrecklichen Bedrängnissen gesellte sich auch der Ausbruch epidemischer Krankheiten und insbesondere der Pest. In den folgenden Jahren erblickte man in dieser Gegend oft Pflüge, an die sich unter Leitung des Mannes, Weib, Magd und Kinder gespannt hatten, um ein Stück Land zu bebauen, das von den immer wieder durchziehenden Soldaten vom Neuen verwüstet zu werden in Gefahr kam. Ebenso empfand diese Gegend schwer die Lasten des siebenjährigen Krieges und der Napoleonschen Feldzüge. Die Herren von Schulenburg waren zur Zeit des 30jährigen Krieges Besitzer von Podelwitz, welche es von Herrmann von Heinitz auf Martinskirchen acquirirt hatten, während es vor diesem stets den Herren von Schulenburg gehörte, welche ins Kloster Geringswalde decimirten.
Nach den Herren von Schulenburg kam Podelwitz an die Herren von Corlowitz auf Oberrabenstein, dann an die Herren von Kötteritz, worauf es im Jahre 1828 vom Baron von Lorenz zum Kauf ausgeboten wurde, seit welcher Zeit es die Familie von Reiswitz im Besitze[WS 2] hat.
Podelwitz war früher und zwar geraume Zeit hindurch mit Colmen combinirt.
Podelwitz hat meist gute und neue Gebäude, sehr viel Holz und die niedere Jagd.
Die bedeutenden Braunkohlenlager um Podelwitz geben eine sichere und gewinnbringende Nahrung.
[136] Von Podelwitz aus hat man einen sehr schönen Weg nach dem benachbarten Rochlitzer Berg, der auch der Rochlitzer Wald hier genannt wird. Es ist der höchste Berg des Leipziger Kreises. Er erhebt sich 1200 pariser Fuss über die Meeresfläche hat an seinem Fusse 2 Stunden im Umfange und bildet zwei Gipfel, von denen der südwestliche um 160 Fuss niedriger als der Hauptgipfel ist. Durch seine Gebirgsart unterscheidet er sich von allen benachbarten Bergen und Bergrücken und muss derselbe als ein isolirtes Mittelgebirge betracht werden. Er enthält den berühmten Porphyr, – ein Gemenge sehr verhärteten Thons und äusserst feiner Quarztheile: Derselbe würde nur ein lockeres zelliges Ansehen haben, wenn die kleinen Zellen nicht wieder mit einem weichen, eisenhaltigen Thon, der gewöhnlich eine fleisch- oder ziegelrothe, zuweilen auch eine weisse oder bläuliche Farbe hat, angefüllt wären.
In den einzelnen Brüchen werden über 100 Arbeiter beschäftigt. Die Schlösser Augustusburg, die Pleissenburg, das Schloss zu Rochlitz, Colditz, Rochsburg und Waldenburg, sowie die Kirchen zu Rochlitz, Mitweida, Geithayn, Geringswalde, Penig sind von Rochlitzer Porphyr grösstentheils erbaut. In den ältesten Zeiten kommt dieser Porphyr unter dem Namen „Rochlitzer Marmor“ vor.
Unweit Podelwitz erhebt sich auch der sogenannte Hainberg, auf welchem eine im 30jährigen Kriege zerstörte Eiche stand die 24 Ellen im Umfange hatte.
Podelwitz gehört seit Aufhebung der Patrimonialgerichte und Einführung der neuen Gerichtsorganisation, also seit dem ersten October vorigen Jahres zum Gerichtsamte Colditz[1] und zur Ephorie Rochlitz und unter die dasige Amtshauptmannschaft des Regierungsbezirks zu Leipzig.
Podelwitz zählt 33 bewohnte Gebäude mit 40 Familienhaushaltungen und 200 Bewohnern.
Die ganze Gegend von Podelwitz ist nach allen Seiten hin fruchtbar und angenehm.
- ↑ Ueber Sachsens neue Gerichtsorganisation und über Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit überhaupt wird noch am Schlusse des ganzen Werks eine kurze Geschichte insbesondere folgen. (D. V.)
Anmerkungen (Wikisource)
← Heft 16 des Leipziger Kreises | Nach oben | Heft 18 des Leipziger Kreises → |
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext. |