BLKÖ:Kramerius, Wenzel Rodomil

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Krammer, Franz
Band: 13 (1865), ab Seite: 124. (Quelle)
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Kramerius, Wenzel Rodomil (Schriftsteller, geb. zu Prag 1792, gest. ebenda 6. Juni 1861). Der älteste Sohn des Wenzel Mathias Kr. [s. d. Vorigen]. Er wurde von seinem Vater, den er, als er selbst erst 16 Jahre zählte, durch den Tod verlor, für das Buchdruckergeschäft aufgezogen. Während seiner Minderjährigkeit führten Tomsa und Rulik die Redaction des von seinem Vater im Jahre 1791 begründeten und bis zum Tode fortgeführten Journals „Krameriusovy vlastenské Noviny“. Im Jahre 1813 übernahm er aber selbst das Blatt und führte es 13 Jahre, und als er es dann an Schönfeld abtrat, noch zwei Jahre gemeinschaftlich mit Tomsa. Auch Wenzel Rodomil widmete sich, ganz in die Fußtapfen seines Vaters tretend, der Schriftstellerei und veröffentlichte, vornehmlich die Bedürfnisse des Lesepublicums in’s Auge fassend, eine ansehnliche Reihe belehrender und unterhaltender Schriften, u. z.: „Sbírka vypsáni cest po moři“, d. i. Sammlung von Reisen über das Meer (Prag 1812), welches. Werkchen K. aus dem Nachlasse seines Vaters herausgab, der sich lange schon mit dem Gedanken Campe’scher Reisebeschreibungen getragen; – „Život generála Moro“, d. i. Leben des Generals Moreau (ebd. 1814); – „Napoléon Bonaparte co byl a co jest nyní“, d. i. Napoleon Bonaparte, was er war und was er jetzt ist (1815); – „Obšírne vypsání ostrowa sv. Heleny“, d. i. Ausführliche Beschreibung der Insel St. Helena (ebd. 1815). Auch er ging, wie sich aus den Jahreszahlen und den Titeln der Schriften herausstellt, mit der Strömung des Tages und schrieb, was man gerade suchte und was rasch abging. Im Jahre 1816 begann er die Herausgabe eines čechischen Toleranz-Kalenders, wie sein Vater einen solchen im Jahre 1787 begründet und durch eilf Jahre fortgesetzt hatte. Wenzel Rodomil aber war damit minder glücklich und nur im Jahre 1817 erschien ein zweiter (und letzter) Jahrgang. Hingegen rief er mehrere Jahre später einige andere Kalender in’s Leben, als: „Vlastenecký poutník“, d. i. Der vaterländische Pilger; „Věrný společník“, d. i. Der aufrichtige Kamerad; „Domovni přítel“, d. i. Der Hausfreund, u. a. Nun veröffentlichte er einige volksthümliche Schriften, als: „Ildegert po největším nešteští stástný Angličan“, d. i. Ildegert, der im größten Unglück glückliche Engländer (Prag 1817), eine Robinsonade; – „Příhody princezky Pontje“, d. i. Die Begebenheiten der Prinzessin von Pontien; – „Zlatá kniha aneb nový zvěštovatel všeho dobrého a užitečného pro národ slovenský“, d. i. Das goldene Buch oder der neue Verkündiger alles Guten und Nützlichen für das slavische Volk (ebd.); – „Obnovený Ezop nebo nové Ezopove bajky podle rozličných basniřů sebrané a vypravované“, d. i. Der erneuerte Aesop oder [125] neue Aesopische Fabeln aus verschiedenen Fabeldichtern gesammelt und bearbeitet (ebd. 1817); – „Dobrozwěst spis k ctění užitečnému a kratochvilnému“, d. i. Der Herold oder das Buch zur nützlichen und kurzweiligen Lectüre (Prag 1819) – und „Všeobecná kronika světa pro školy zřízená“, d. i. Allgemeine Chronik der Erde, für die Schulen entworfen (ebd. 1819). Auch fallt in die Zwischenzeit das Drama: „Král Wacslav a krásna Zuzana“, d. i. König Wenzel und die schöne Susanna, in dessen fünf Acten sich aber weder Bühnenkenntniß[WS 1] noch überhaupt dramatisches Talent kundgeben. Im Jahre 1820 begründete K. das Unterhaltungsblatt „Čechoslav“, welches bis zum Jahre 1823 erschien, worauf er mit der Herausgabe eines neuen Journals, betitelt: „Dopisovatel pro Čechy a Slovany“, d. i. Der Correspondent für die Čechen und Slovaken, begann. Die allgemeine Theuerung aber, welche in den Jahren 1816–1819 herrschte, und einige andere Unfälle[WS 2] , welche K. bei seinen buchhändlerischen Unternehmungen getroffen hatten, brachten die ihrer Zeit so berühmte und blühende „Čechische Expedition“, wie das Verlagsgeschäft der Familie Kramerius noch vom Vater her hieß, nach und nach in Verfall und zuletzt hatte sie zu sein aufgehört. K. fristete nun sein Dasein mit Uebersetzungen deutscher Bücher ins Čechische, mit Correcturen und Arbeiten für fremde Druckereien, vornehmlich für J. H. Pospíšil in Königgrätz, bei dem 1825 einige erzählende Schriften, als: „Woleni manžela“, d. i. Wahl des Gatten; – „Polybius aneb dobrá mysl se netratí“, d. i. Polybius oder ein guter Gedanke schlägt nicht fehl; – „Nowe leto aneb odplata dobrocinnosti“, d. i. Das neue Jahr oder die Wiedervergeltung der Wohlthat, u. dgl. m. herausgekommen sind. Auch fällt in die folgenden Jahre 1829–1833 die Herausgabe der oben bereits angeführten Kalender „Vlastenecký poutník“ u. dgl. m. Im Jahre 1830 gründete er wieder ein neues Journal unter dem Titel: „Wečerni Wyraženi“, d. i. Abendunterhaltungen, welches er bis zum Jahre 1834 fortsetzte; ferner übersetzte er einige beliebte deutsche Jugendschriften, welche bei Landfras in Neuhaus erschienen, und besorgte eine neue Auflage einiger von seinem Vater herausgegebenen und noch immer beliebten Volksschriften, wie der Agnes (Aneska), des Robinson, des Grafen Rosenberg, u. m. a. Indessen blieben alle seine Versuche, sich wieder in die Höhe zu arbeiten, fruchtlos. Im Jahre 1836 begab er sich nach Wien; dort hoffte er seine Lage zu verbessern; täuschte sich aber und kehrte kümmerlicher, als er Prag verlassen, dahin zurück; seine frühere Beschäftigung mit Uebersetzungen, Correcturen und jenen ärmlichen Arbeiten, die man unter dem Namen der „Kreuzer-Literatur“ zusammenzufassen pflegt, wieder aufnehmend. Da schien mit dem Jahre 1848 sein Schicksal sich freundlicher gestalten zu wollen; die Preßfreiheit war für schriftstellerische Unternehmungen günstig. K. begründete das humoristische Journal „Kacafirek“, d. i. der Geck, rief die zu Grunde gegangene „Čechische Expedition“ von neuem in’s Leben, die auch in allem Anbeginn sich ganz gut anließ; als aber die Cautionspflicht der Journale ausgesprochen und über Prag der Belagerungszustand verhängt wurde, erlitt die erst aufkeimende „Čechische Expedition“ einen neuen Stoß, von dem sie sich nicht mehr erholte. K. kehrte nun, um seine letzte Hoffnung ärmer, zu seiner früheren Beschäftigung, [126] zu den Correcturen und Uebersetzungen u. dgl. m. zurück. Aber bereits alt geworden, versagte der Körper dem auch schon gebrochenen Geiste die Dienste, und endlich erbarmte sich die Gemeinde des unglücklichen hilflosen Greises und nahm ihn in das Siechen- und Armenhaus auf. Dort starb vergessen und verlassen der Sohn des um die Hebung der nationalen Literatur in Böhmen hochverdienten Wenzel Mathias K.; von dort wurde er ohne Sang und Klang mit spärlicher Leichenbegleitung nach dem Wolschaner Friedhofe geführt und dort still beerdigt. Groß, sehr groß ist die Zahl der Schriften dieses Mannes; die Čechen selbst meinen, daß sie über Hundert hinausgehen; das von J. v. Rozum herausgegebene Verzeichniß čechischer Schriften: „Seznam českých knih“, gibt deren allein an die dreißig an, welche etwa von 1844 bis 1854 erschienen sind; wie viele aber hat er vor 1844 und nach 1854 herausgegeben! Schriftstellerischen Werth kann man seinen Arbeiten nicht beimessen, aber seine Schriften gelangten unter das Volk und bildeten so zu sagen die Brücke zu dem nationalen literarischen Aufschwunge der Gegenwart, zu dem sein Vater den Grund gelegt und den mit Anderen auch sein Sohn, wenngleich mit kleinen Mitteln, vorzubereiten verstanden hat.

Wiener Zeitung (gr. 4°.) Jahrgang 1861, Nr. 135: „Correspondenz aus Prag“. – Lumír, belletristický týdenník“, d. i. Lumir, ein belletristisches Wochenblatt (Prag, gr. 8°.) Jahrgang 1861, Nr. 24, S. 371. – Slovník naučný. Redaktor Dr. Frant. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger (Prag 1859, Kober , Lex. 8°.) Bd. IV, S. 958, Nr. 2. – Jungmann (Josef), Historie literatury české, d. i. Geschichte der böhmischen Literatur (Prag 1849, F. Řiwnáč, 4°.) Zweite, von W. W. Tomek besorgte Ausgabe, S. 585.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Bühnenkennniß.
  2. Vorlage: Umfälle.