BLKÖ:Polawsky, Ferdinand
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 23 (1872), ab Seite: 57. (Quelle) | |||
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Iffland, Fleck, Mattausch, die er oftmals zu bewundern Gelegenheit hatte, genährt wurde, bewog ihn, seinem Pflegevater auf das Bestimmteste zu erklären, daß er sich keinem anderen Berufe widmen wolle, als dem des Schauspielers. Heitmann willigte ein, verlangte aber, P. müsse, ehe er in die Oeffentlichkeit trete, vor einem kleinen Kreis Sachverständiger sein Talent zur Geltung bringen. Dieses geschah, P. spielte den Graf von der Mulde in Kotzebue’s „Kind der Liebe“ auf dem Privattheater im Rellstab’schen Hause in Berlin. Die Probe fiel glänzend aus und an P.’s außerordentlicher Befähigung zum darstellenden Künstler war nicht mehr zu zweifeln. Iffland interessirte sich sehr für den jungen, hoffnungsvollen Künstler und verschaffte ihm bei der Gesellschaft der Madame Döbbelin, die drei Monate des Jahres in Potsdam, die übrige Zeit in Stettin, Theatervorstellungen gab, ein Engagement. Am 1. November 1798 trat er in Kotzebue’s „Verläumder“ als Kammerjunker von Scharfeneck in Potsdam zum ersten Male auf. Bis October 1803 blieb P. in Stettin, während welcher Zeit er 1801 in Berlin und auf einer größeren Kunstreise zu Hamburg, Bremen, Breslau und anderen Bühnen, hauptsächlich im Fache der Chevaliers und munteren Liebhaber Gastrollen gab, die von großem Erfolge begleitet waren. Bald erwarb er sich in diesem Fache einen so ehrenvollen Ruf, daß er von Liebich für das ständische Theater in Prag, das damals unter Guardasoni’s Leitung stand, engagirt wurde. Am 8. December 1803 debutirte er als Diethelm in Kotzebue’s „Schreibepult“ vor dem Prager Publicum und fand einstimmigen Beifall, welcher durch die folgenden Leistungen als Willburgs in der „Selbstbeherrschung“ von Iffland und Hurlebusch im „Wirrwar“ sich noch steigerte. Seine Leistungen als Schwätzer, Graf von der Mulde, Ricaut, Karl Ruff u. m. a. hatten die Aufmerksamkeit des Grafen Ferdinand von Pálffy, der damals das k. k. Hofburg-Theater in Wien leitete, auf ihn gelenkt und P. erhielt im Jahre 1811 die Einladung zu einem Gastspiele nach Wien, dem er noch in demselben Jahre Folge leistete. Der Erfolg desselben war so günstig, daß er im Jahre 1812 abermals in Wien gastirte, bei welchem Gastspiele er besonders als Reckau im „Porträt der Mutter“ und als Hamlet glänzte. P. wurde nach diesem zweiten Gastspiele in Wien engagirt, wo er sich die Liebe des Publicums im vollsten Grade erwarb. Allein nicht lange verweilte er in Wien, es zog ihn unwiderstehlich nach Prag zurück, und er folgte auch in kurzer Zeit einem neuerdings an ihn ergangenen Rufe dahin. Bald nach seiner Rückkehr nach Prag gab er seine jugendlichen Rollen [58] ab und widmete sich mit gleichem Erfolge dem Charakterfache. Besonders hervorragend waren seine Leistungen als Perin in „Donna Diana“, Antonio in „Tasso“, Narr in „Lear“, Marinelli in „Emilie Galotti“. 1818, nach dem Tode seines Freundes, des Directors Liebich, wurde ihm die Direction des Prager ständischen Theaters angetragen, welche er auch bis 1820, wo sie Franz von Holbein gänzlich übernahm, mit Liebich’s Witwe leitete. 1821 ging er bereits in s Väterfach über und die Erfolge, die er als Micio in den „Brüdern“ von Terenz, Doctor Berg, Amtsrath im „Hotel de Wiburg“, und besonders als Graf in den „beiden Klingsberg“ errang, zeigten von seiner außerordentlichen Befähigung auch für dieses Fach. 1824 übernahm er vereint mit Kainz und Stepanek abermals die Direction des ständischen Theaters in Prag, gastirte 1827 wieder in Wien, ohne aber mehrmalige Engagementsanträge zu berücksichtigen. 1834, nachdem sein Directions-Contract abgelaufen, übernahm Stöger die Leitung des Theaters und P. trat in die Reihe der Mitglieder zurück, sich nach wie vor mit allem Eifer, fast bis zu seinem letzten Augenblicke, der Kunst weihend. Am 9. December 1843 feierte er sein 40jähriges Jubelfest als Schauspieler. Allein von da bis zu seinem letzten Auftreten am 16. Jänner 1844 als Mumm in „Sie schreibt an sich selbst“ und als Kälberstich in „Hoher Brücke und tiefer Graben“ waren nur mehr wenige Tage. Nach nur 12tägiger Krankheit starb er im Alter von 65 Jahren. Seine letzte Rolle, die er einstudirt, aber nicht mehr gespielt hatte, war der Freiherr von der Schnure in Laube’s „Monaldeschi“. Als Künstler zeichnete sich P. durch seine große Feinheit und Eleganz in Haltung und Bewegung, durch ein weiches wohlklingendes Organ, richtige und verständige Declamation, sehr gutes Gedächtniß und einen Humor aus, der bei aller ihm zu Gebote stehenden Wirksamkeit stets in den Schranken der Sitte und des Anstandes blieb. Durch sein Rollenfach meist angewiesen, die dramatische Satyre zu repräsentiren, war er gleichwohl nie ätzend scharf, nie unangenehm kaustisch. Er malte getreu aus dem Leben, aber nicht aus dem gemeinen Leben. Wer ihn, um von Rollen zu sprechen, die P. in letzterer Zeit lieferte, als Malvolio, als Amtsrath Poller, Parlamentsrath im „Vicomte de Letorières“ gesehen hat, wird die erwähnten Vorzüge in diesem meisterhaften Darsteller anerkennen. Vertraut, wie selten Jemand, mit den. conventionellen Formen höherer Geselligkeit, bot er ebenso häufig das Bild des geselligen Weltmannes, in dem Rahmen gewinnender Herzlichkeit oder in dem des Egoismus und der starren Etiquette, wie die Situation es nun eben erforderte. Insbesondere soll Hamlet, wie einer seiner Beurtheiler schreibt, zu seinen gelungensten Rollen gehört haben; vornehmlich soll der von Bitterkeit übersättigte Humor des Hamlet und jene düstere Schwermuth, die wie ein dichter Nebel die ganze Erscheinung einhüllt, nicht leicht vollendeter als durch P. zur Anschauung gebracht worden sein. Als Mensch war Polawsky ein überaus achtungswerther Charakter, in seinem ganzen Wesen einfach, in seinen Verhältnissen geordnet und jedem excentrischen Genialthun fremd, gegen seine Collegen freundlich und weit entfernt von allem Künstlerneide.
Polawsky, Ferdinand (Schauspieler, geb. zu Berlin 1779, gest. zu Prag 2. Februar 1844). Sohn eines Officiers der Leibgarde Stanislaus Poniatowski’s, verlor er schon frühzeitig seine Eltern und kam in das Haus eines entfernten reichen Verwandten, des Dom- und Stiftsherrn Heitmann in Berlin, wo er eine sehr sorgfältige Erziehung genoß. Nachdem P. die lateinischen und Humanitätsstudien am Joachimsthal’schen Gymnasium zu Berlin in seinem 18. Jahre vollendet hatte, sollte er in die kön. preußische Seehandlung eintreten; allein der mächtige Drang, den er zum darstellenden Künstler in sich fühlte und der besonders durch die Meisterdarstellungen eines- Neuer Nekrolog der Deutschen (Weimar, [59] Bernh. Fr. Voigt, kl. 8°.) XXII. Jahrgang (1844), S. 874. – (Hormayr’s) Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst (Wien, 4°.) XV. Jahrg. (1824), Nr. 41 u. 42. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 211. – Bohemia (Prager polit. und Unterhaltungsblatt, 4°.) 1860, Nr. 174. – Allgemeine Theater-Zeitung und Originalblatt für Kunst, Literatur, Mode und gesellschaftliches Leben (Wien, 4°.) Jahrg. 1844, Nr. 40. – Slovník naučný. Redaktor Dr. Frant. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger (Prag 1859, I. L. Kober, Lex. 8°.) Bd. VI, S. 534.