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BLKÖ:Szarvady, Friedrich

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Szarka, Johann
Band: 41 (1880), ab Seite: 179. (Quelle)
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Szarvady, Friedrich (Journalist, geb. zu Neusatz in Ungarn 1822). Von jüdischen Eltern, hieß er vor Magyarisirung seines Namens Fritz Hirsch. Er studirte im Vormärz die Rechte in Wien, dann in Prag und Pesth und wurde 1847 ungarischer Advocat in Preßburg. Schon zu jener Zeit soll er im Interesse der ungarischen Zustände publicistisch thätig gewesen und namentlich Correspondenzen für den Pariser „Constitutionnel“ geschrieben haben, nach deren Autor die Wiener Polizei vergeblich fahndete. Levitschnigg nennt ihn einen Freund des dreifachen Kleeblattes auf dem Prager Parnaß, [180] Alfred Meißner, Moriz Hartmann, mit dem gemeinschaftlich er Petöfy’s Gedichte übersetzt hat, und Friedrich Bach, der, deutsches Wissen mit magyarischem Wollen vereinend, schon im Vormärz ein paar Leaders im „Pesti Hirlap“ schrieb, welche großen Beifall erhielten. Sz. war Sprecher der Reichstagsjugend, als sich dieselbe im Nationalcostum, den Säbel an der Seite, am 17. März als lebendige Sturmpetition nach Wien begab. Auch dominirte er damals die „Preßburger Zeitung“ durch in blendender Sprache geschriebene revolutionäre Artikel. In der Folge wühlte er nach allen Seiten, in Wien suchte er die „Theater-Zeitung“ an sich zu bringen, um sie für seine ungarischen Agitationszwecke zu verwenden, aber so verlockend die Anträge auch waren und so trübe die Aussichten für dieses conservative Blatt in nächster Zukunft sich zeigten, der alte Bäuerle wies doch alle noch so günstigen Anerbieten – Schreiber dieses war Zeuge des Vorganges und konnte seine Ansicht in die Wagschale legen – entschieden zurück. Nun machte Szarvady Courierreisen zwischen Pesth und Paris, dann zwischen Wien und Pesth, überall thätig, die Gemüther für Ungarn zu interessiren und, wo sich der rechte Boden fand, zu gewinnen. Die Zeit der falschen Propheten war eben gekommen. Als die Revolution in Ungarn, anfangs mit Bedächtigkeit auftretend, bald immer entschiedener fortschritt und Kossuth mit seinem Anhange sich der öffentlichen Meinung bemächtigte, da stellte Szarvady bei dem Dictator den Antrag: „Die Magyaren möchten die gesammte polnische Emigration in ihren Schooß aufnehmen“. Dadurch gewänne Ungarn einen bewaffneten Kern und würde eine Aussöhnung mit den Croaten und Serben durch die Polen als stammverwandte Brüder möglich werden. Kossuth neigte sich dieser Idee hin, aber in Wien erkannte man die Schlinge, man appellirte an Batthyány’s Loyalität und erklärte, die Differenzen mit den Croaten und Serben weit wirksamer beizulegen, als dies durch die Polen geschehen könne. So ließ man die angeregte Idee in Pesth fallen. Die ungarische Revolutionsregierung sendete den Grafen Ladislaus Teleki nach Paris, um Frankreich für die Sache Ungarns zu gewinnen. Aber die Franzosen wollten mit dem pays barbare, wie sie Ungarn nannten, nichts zu schaffen haben, und die Unterhandlungen Teleki’s blieben erfolglos. Da wurde ihm Szarvady im August nachgeschickt. Er sollte durch die Presse die Aufmerksamkeit Frankreichs auf das pays barbare lenken, und er war es denn auch, welcher im „National“, dem Blatte der Pariser vorgeschrittensten Partei, einige Artikel über Ungarn brachte, die den Franzosen erst die politischen Zustände Ungarns, dessen Verfassung, dessen Verhältniß zu Oesterreich u. s. w., natürlich in einem der Revolution günstigen Sinne, darlegten. Man begann im Elysée sich bereits für die Magyaren zu interessiren, und als die October-Revolution in Wien ausbrach, traten die Socialisten offen und ungestüm für Ungarn ein. Dieses Drängen der Umsturzpartei aber genügte, um der scharfsichtigen französischen Regierung das ganze Intriguenspiel zu entschleiern, und wie Szalay in Deutschland und dann in London, Pastor Wimmer in Berlin, so machten Teleki und Szarvady in Paris Fiasco. Wohl neigten sich später, als die Sache der Ungarn gut stand, die Franzosen noch einmal denselben zu, aber die Waffenstreckung [181] bei Világos endete diese diplomatische Farce, und Szarvady’s Diplomatenmaskerade war ausgespielt. Fortan beschränkte er sich auf Fabrication revolutionärer Zeitungsartikel und Flugschriften. „Auf, Deutschland!“ (Hamburg 1850, Hoffmann und Campe, 8°.) hieß der letzteren eine, von welcher der anonyme Verfasser des Pamphlets „Ungarns politische Charaktere“ schreibt: „Wie nichts in Deutschland etwas gefruchtet hat, so erlebte dieses Buch (!) [32 S. ] ein gleiches Schicksal. Es ging mit der Sonne des ungarischen Ostens unter“. Zunächst ließ Szarvady folgen: „Paris. Politische und unpolitische Studien und Bilder“, 1848–1850, I. Band (Berlin 1852, Besser, 8°.). Die Theilnahme dafür war so gering, daß der zweite Band nie erschien. Seitdem lebte der Demagog in Paris, als Mitglied der ungarischen Emigration mit deren Agitatoren immer in engster Verbindung, correspondirte für auswärtige Blätter, vornehmlich, wie es heißt, für die „Kölnische Zeitung“, und wohl auch für andere Journale, denn Kertbeny nennt ihn in seiner Schrift „Die Ungarn im Auslande“ (Brüssel 1864) kurzweg „Correspondenzenfabrikant und Speculant“. Mit Teleki aber blieb Szarvady bis zu dessen durch Selbstmord erfolgtem Tode in Verkehr. Noch erschien von ihm die Schrift „Der Suezcanal“, mit zwei lithographirten Karten in Folio (Leipzig 1859, Brockhaus, gr. 8°.), von welcher die polnische National-Encyklopädie sagt, daß sie nur eine mit Bemerkungen erläuterte Uebersetzung einer Schrift des Grafen Széchenyi sei. (?) Im J. 1855 vermälte er sich mit der bekannten Pianistin Wilhelmine Clauß [Bd. II, S. 383], einer geborenen Pragerin und der einstigen Liebe Moriz Hartmann’s, mit welcher er sich in Paris häuslich niedergelassen hat. Seit Jahren ist von ihm nichts mehr zu hören. Dagegen meldeten von seiner Frau noch 1877 die Journale, daß sie im Frühlinge jenes Jahres im Salon Pleyel in Paris einen Cyclus von Concerten eröffnet habe, und die musicalische Presse der Seinestadt bezeichnete dieselben als das Ereigniß der Saison.

Tagespost (Grazer politisches Blatt) 1862, Nr. 129, Morgenblatt: „Magyarische Schliche in Frankreich“. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.). Zweite Abteilung Bd. X, S. 1237. – Levitschnigg (Heinrich Ritter von), Kossuth und seine Bannerschaft. Silhouetten aus dem Nachmärz in Ungarn (Pesth 1850, Heckenast, 8°.) Band II, Seite 279. – Kertbeny (K. M.), Die Ungarn im Auslande. I. Namensliste ungarischer Emigration seit 1849. 2000 Nummern mit biographischem Signalement (Brüssel und Leipzig 1864, Kießling und Comp., kl. 8°.) Seite 62, Nr. 1626 [nach diesem wäre Szarvady auch Secretär des Fürsten (Georg) Lubomirski gewesen]. – Ungarns politische Charaktere. Gezeichnet von F. R. (Mainz 1851, J. G. Wirth Sohn, 8°.) S. 119. – Vehse (Eduard Dr.), Geschichte des österreichischen Hofs und Adels und der österreichischen Diplomatie (Hamburg, Hoffmann und Campe, 8°.) Bd. XI, S. 194.

Nachträgliche Quellen zur Biographie der Frau Wilhelmine Clauß-Szarvady.

Humorist. Von M. G. Saphir (Wien) 1855, Nr. 21: „Wilhelmine Clauß“. – Kölnische Zeitung 1861, Nr. 351 im Feuilleton. – Neue Freie Presse 1865, Nr. 249 im Feuilleton von Sigmund Kolisch. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Eduard Bernsdorf (Dresden, Robert Schäfer, gr. 8°.) Band I, S. 571 [nach diesem geboren 13. December 1834. Verfasser dieses sah die Künstlerin im Jahre 1855 wiederholt in Concerten und im Theater, und es schien ihm, als habe sie die Mitte der Zwanziger entschieden überschritten].
[182] Porträte. 1) Unterschrift: „Mlle Wilhelmine Clauss“ in der Pariser „Illustration“ 1855. Ein Cliché davon in der „Leipziger Illustrirten Zeitung“. – 2) Facsimile des Namenszuges: „Wilhelmine Szarvady“. Nach einer Photographie. Stich und Druck von Weger in Leipzig, Verlag von Baumgartner’s Buchhandlung (4°.).