BLKÖ:Szent-Királyi, Moriz von
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 42 (1880), ab Seite: 94. (Quelle) | |||
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Gedeon Grafen Raday [Bd. XXIV, S. 173, Nr. 2] gewählt wurde. Sein Auftreten erregte allgemeine Aufmerksamkeit. Der hagere blasse Mann mit dem durchdringenden Blick im ausdrucksvollen Kopfe fiel schon auf, wenn er schwieg, wenn er aber zu reden begann, hing alles an seinen Lippen. Während Geist, Herz, Gemüth im raschesten Tempo in ihm arbeiteten, blieb er ruhig, sprach er gelassen, aber tief überzeugend. Dabei besaß er eine Arbeitskraft von zähester Ausdauer. Schon zu dieser Zeit war er eine der stärksten Stützen, wenn nicht die stärkste der Opposition. Csengery zeichnet ihn in einer charakteristischen Skizze folgendermaßen: „Unter den landesberühmten Gliedern der Opposition erscheint eine hagere Gestalt; ein zerwühltes blasses Gesicht, ein starrer denkender Blick. Das Halstuch ließ er daheim, seine Kleidung zeigt einige Nachlässigkeit, sein ganzes Wesen Zerstreutheit. Unter dem Arme trägt er ein Pack Schriften. „Éljen Szent-Királyi!“ tönt es von allen Seiten. Auf ihrer abgesonderten Galerie wehen die Damen mit den Tüchern. Und der also begrüßte Redner nimmt seinen Platz jenseits der Bänke der Städte-Abgeordneten unter den Ablegaten der Donau-Comitate ein... Während der Debatte sehen wir an ihm ein vertieftes denkendes Gesicht. Während der Vorträge der conservativen Redner entschlüpfte zuweilen seinen Lippen eine widersprechende Bemerkung, wie ein unwillkürlich laut gewordener Gedanke. Nun erhebt er sich mit übers Kreuz geschlagenen Armen. Seine Stimme ist scharf schneidend, aber nicht unangenehm. Er stellt die Fragen auf einen höheren Standpunkt, von wo aus [95] dieselben in ihrer gesammten Verzweigung und ihrem ganzen Zusammenhange zu sehen sind... Seine ganze Rede ist oft nichts anderes als das Entwickeln einer einzigen Idee. Doch sobald er zu discutiren, zu widerlegen anfängt, muß es der Redner, der ihn zu verletzen wagte, allsogleich spüren, daß der Gedanke nervige Glieder besitze. Die zornerglühten Augen bezeugen es, daß die Nerven dieses dürren Körpers zeitweise von fieberischer Aufregung durchzuckt werden. Dann bemächtigt sich seiner ein kalter, tief eingreifender Spott, schneidender Hohn seiner Stimme, ohne daß jedoch die Leidenschaft die fortschreitende logische Ordnung der Vernunftbelege auch nur im entferntesten zu stören im Stande wäre... Oft geschah es, daß er eine ganze Rede, wie der Botaniker mit der Blume zu thun pflegt, gleichsam einzelnweise entblätterte“. Aber Szent-Királyi, obgleich eines der bedeutendsten Glieder der Opposition, ging nichtsweniger als durch Dick und Dünn mit derselben; im Gegentheile schloß er sich in nicht unwichtigen Fragen zuweilen von seinen Parteigenossen ab. Seine Selbstständigkeit opferte er weder seiner eigenen Partei, noch einer andern. Albert Hugo meint, indem er die Silhouette des in Rede Stehenden zeichnet: „Obwohl bei Szent-Királyi die deutsche wissenschaftliche Bildung jede andere überragt, so hat sich doch der ungarische Staatsmann nie besonders in jene frostige deutsche Salmiakopposition gefunden, welche die Majorität der ungarischen Deputirtenkammer nach dem glorreichen Systeme Rotteck’s und Welcker’s inspirirt“. So geschah es denn, daß er, wenn er auch die Hauptausgangspunkte der Opposition beibehielt, vieles von den in das Reformwesen eingeschlichenen Oppositionslehren, an die sich manche seiner Gesinnungsgenossen hartnäckig anklammerten, schon auf dem Reichstage von 1843 über Bord warf. Die conservative Partei ließ nichts unversucht, ihn für sich zu gewinnen, aber vergebens. Selbst als die Revolution ihren „entschiedenen“ und „unbesonnenen“ Fortschritt nahm, ließ er sich auf seinem eingeschlagenen Wege nicht beirren. Kossuth, der von ihm in mancher Richtung mächtig beeinflußt wurde, wich ihm lange nicht von der Seite; aber der Gegensatz zwischen Beiden wurde immer größer, und da Szent-Királyi trotz seiner ungewöhnlichen Willens- und Charakterstärke nicht den Muth besaß, dem Manne, dessen Namen die Revolution bereits zu einer Landesgewalt erhoben hatte, entschieden entgegen zu treten, so zog er sich lieber selbst zurück. Als im März Louis Graf Batthyány mit der Bildung eines Cabinets betraut wurde, erwartete Alles, daß Szent-Királyi, einer der populärsten und dabei fähigsten Männer, einen Platz im neuen Ministerium einnehmen werde. Doch dem war nicht so. Er sollte bald einen ungleich höheren Posten erhalten, indem er zum Grafen von Jazygien und Cumanien ernannt wurde, welche Würde im Vormärz der jeweilige Palatin bekleidete. In dieser Stellung war er berechtigt, den Platz im Oberhause einzunehmen, aber die hierzu an ihn erlassene Einladung lehnte er mit der Bemerkung ab: „seine Charge mache ihn noch nicht appartementsfähig an der Tafel der Magnaten“. Indeß besuchte er in jener Periode schon selten das Unterhaus, und bereits gegen die Mitte des September kehrte er mit Urlaub auf seinen Generalcapitänposten zurück. Als der Kampf im Süden ausbrach, [96] fungirte er, jedoch nur auf kurze Zeit, als Regierungscommissär in dem ungarischen Heerlager von Szent-Tamas und den Römerschanzen. Die Ereignisse daselbst gingen nicht nach Wunsch der ungarischen Regierung, und es fand nach Szent-Királyi’s Heimkehr von seiner Mission am 21. August eine Sitzung statt, die einen sehr stürmischen Charakter annahm, und in welcher sogar das Wort „Verrath“ fiel. Es kam aus dem Munde Moriz Perczel’s, welchem Szent-Királyi in vernichtender Rede entgegnen: „Ist wirklich Verrath vorhanden, so bekämpft ihn keine aufgedunsene Rede, nein, nur die Energie der Portefeuilleträger“. Aber die Dinge nahmen endlich eine Wendung, welche selbst dieser starre Mann der Opposition nicht erwartet hatte. Er ging nicht weiter als bis zum 8. October 1848, an welchem Tage der König den Reichstag aufgelöst und die ungarische Regierung annullirt wissen wollte. Man hätte nun den Generalcapitän der Jazygier gar zu gern in Debreczin gesehen; aber dieser ließ sich nicht dazu herbei, den Pfad des Hochverraths zu beschreiten. Er war Oppositionsmann gewesen, Hochverräther mochte er nicht werden. Er begab sich nach Pesth und blieb daselbst unbehelligt, bis er am 9. Februar in den ersten Vormittagsstunden verhaftet und unter Escorte croatischer Rothmänner nach Ofen hinübergeführt wurde. Aber schon nach wenigen Tagen erhielt er seine Freiheit wieder. Und nun beginnt ein neuer Abschnitt im Leben dieses damals 43jährigen Mannes, der eine der höchsten Landeswürden bekleidet hatte; er wurde 1850 Student der Medicin; regelmäßig besuchte er als ordentlicher Zuhörer die medicinischen Collegien an der Pesther Hochschule und in den Zwischenstunden das Kaffeehaus „zum Adler“, den Sammelplatz aller Studenten der Medicin. Wenn wir einer Quelle glauben dürfen, so wäre er auch nach München gegangen und hätte daselbst seine medicinischen Studien fortgesetzt. Siebenzehn Jahre vertiefte er sich in die Geheimnisse der neuen selbstgewählten Wissenschaft, von allem politischen Leben sich fernhaltend; die Wahlen zum Reichstage 1861 gingen vorüber, ohne daß er sich um ein Mandat beworben hätte. Endlich im September 1865 trat er mit einem Male im Josephstädter Bezirk der Stadt Pesth als Candidat auf und vertheilte sein Programm unter der Ueberschrift: Was müssen wir wollen? In diesem Programme erklärt er sich entschieden gegen ein gemeinsames Reichsparlament und beantwortet die Frage, worin das Band mit der westlichen Hälfte der Monarchie bestehe, und wo der Berührungspunkt für die Völker gefunden werden soll, folgendermaßen: Darauf bestimmt zu antworten, ist vorläufig schwierig, weil dies davon abhängt, welche Angelegenheiten und in welchem Umfange dieselben als gemeinsame angenommen werden. Wenn um diese Angelegenheit gefragt wird, so ist eine detaillirte Antwort hierauf noch schwieriger. Wird jedoch eine allgemeine und maßgebende Bezeichnung gewünscht, sowohl in Betreff der gemeinsamen Angelegenheiten, als auch des verfassungsmäßigen Organs, welchem die Behandlung derselben anvertraut werden soll, so glaube ich weder gegen die Gerechtigkeit noch gegen die Billigkeit zu verstoßen, wenn ich die Frage in ihren äußeren Umrissen in dieser Weise formulire: Da unsere Nachbarn jenseits der Leitha die Frage in folgender Form aufgestellt haben: „Man kann Ungarn [97] nur dasjenige zugestehen, wodurch die Machtstellung der Monarchie und deren einheitliche Action nicht gefährdet wird“, so kann unsererseits dem gegenüber gesagt werden: dem Reiche kann nur dasjenige nicht zugestanden werden, wodurch die Integrität der Krone des h. Stephan, die Selbständigkeit und die verfassungsmäßigen Rechte des Landes verletzt würden. Es ist offenbar, daß diese beiden Formeln sich nicht widersprechen und genügendes Terrain zur Ausgleichung der Interessen bieten. Es ist nicht nur die Erkenntniß dessen sehr nothwendig, daß Ungarn durch das Gesetz unauflöslich an das Herrscherhaus geknüpft ist, sondern auch dessen, daß zwischen Ungarn und den übrigen Völkern der habsburgischen Dynastie seit Verlauf der Jahrhunderte, während deren wir um die Person eines gemeinschaftlichen Herrschers geschaart leben, nebst unseren nationalen Eigenthümlichkeiten de facto auch eine gewisse Gattung von Gegenseitigkeit zu Stande kam, durch welche wir den nach Maßgabe unserer Eigenthümlichkeit möglichen höchsten Grad unserer geistigen wie materiellen Entwickelung nicht im Wege des Antagonismus, sondern in jenem des Consens einzig bei gegenseitiger Hilfe zu erreichen vermögen“. Was Szent-Királyi da offen und deutlich aussprach, ist ein Programm, ist sein Programm, welchem gemäß er auch sein parlamentarisches Handeln eingerichtet hat. Später gab er noch ein Lebenszeichen seiner politischen Thätigkeit in der Schrift: „Eszmetöredékek a vármegyék rendezéséről. Külön lenyomat a budapesti szemle uj folyam VII. kötetéből, megtoldva egy törvényjavaslattal“, d. i. Ideen zur Regulirung der Comitate.... (Pesth 1867, Mor. Rath, gr. 8°., 92 S.) und in einer Abhandlung, welche in Paul Gyulai’s „Budapesther Revue“ (Budapesti Szemle), VI. Jahrgang (1878), im 36. Hefte unter dem Titel „Elsaß, Ungarn und Bosnien“ abgedruckt ist. Moriz Szent-Királyi ist überdies auch gewähltes Mitglied des hauptstädtischen Ausschusses von Budapesth. und zwar aus der ersten Hälfte der 1200 Höchstbesteuerten.
Szent-Királyi, Moriz von (ungarischer Landtagsabgeordneter, geb. zu Pesth 7. März 1807). Der Sproß einer ungarischen Adelsfamilie. Sein Vater Ladislaus (geb. zu Kecskemet am 15. Juli 1764, gest. zu Pesth 17. December 1833) war 1795 Vicenotar zu Pesth, 1798 zweiter, 1810 erster Vicegespan und 1820 Protonotar, in welcher Eigenschaft er im Alter von 70 Jahren starb. Nachdem Moriz kurze Zeit in Pesth als dritter Obernotar fungirt hatte, wurde er 1841 zweiter und 1845 erster Vicegespan. Schon im Jahre 1840 hatte sich Szent-Királyi unter den Vorkämpfern für die Redefreiheit bemerkbar gemacht, und so geschah es denn, daß er in den ungarischen Landtag des Jahres 1843 als Deputirter des Pesther Comitates zugleich mit- Aranyos Kákay, Licht- und Schattenbilder zur Charakteristik des ungarischen Landtages. (Aus dem Ungarischen) (Pesth 1867, Wilhelm Lauffer, gr. 8°.) S. 71. – Csengery (Anton), Ungarns Redner und Staatsmänner (Leipzig und Wien 1852, Fr. Manz, 8°.) Bd. I, S. 333 u. f.: „Moriz Szent-Királyi“. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, Kl.-Fol.) Bd. II (Monat Jänner bis Juni 1844), 25. Mai Nr. 48, S. 345 im Artikel: „Preßburg und der ungarische Landtag“ [eine ungemein fleißige und ausführliche Darstellung ungarischer Verhältnisse im Jahre 1844, wie wir sie in diesem und anderen deutschen Journalen – die „Allgemeine Zeitung“ ausgenommen – in der Gegenwart leider vermissen]. – Levitschnigg (Heinrich Ritter von), Kossuth und seine Bannerschaft. Silhouetten aus dem Nachmärz in Ungarn (Pesth 1850, Gustav Heckenast, 8°.) Bd. II, S. 169. [Levitschnigg hat in seiner Schilderung Szent-Királyi’s, wie denn auch sonst in seinen „Silhouetten“ ziemlich starke Anleihen bei den „Croquis aus Ungarn“ gemacht, ohne auch nur an einer Stelle seine ergiebige Quelle zu nennen.] – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände u. s. w. (Hildburghausen, Bibliographisches Institut, gr. 8°.). Zweite Abtheilung Bd. X, S. 1245. – Neue Croquis aus Ungarn (Leipzig 1844, J. B. Hirschfeld, kl. 8°.) Bd. II, S. 160. [Die Bezeichnung Band II ist nicht ganz richtig. Es gibt nämlich: „Croquis aus Ungarn“ (Leipzig, Wigand 1843, kl. 8°.), diese haben keine Bandbezeichnung; der zweite Band dieser „Croquis“ sind aber die „Neuen Croquis“, welche folgerichtig keine weitere Bandbezeichnung haben sollten, da es von den [98] „Neuen Croquis“ keinen ersten Band gibt.] – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1865, Nr. 392: „Ein Wahlprogramm Szent-Királyi’s“. – Die Presse (Wiener polit. Blatt) 1865, Nr. 270. – Ungarns politische Charaktere. Gezeichnet von F. R. (Mainz 1851, J. G. Wirth Sohn, 8°.) S. 153. – Magyarország és nagy világ, d. i. Das Ungarland und die große Welt, 1866, Nr. 44. – Dasselbe Blatt 8. Juni 1867, Nr. 22. – Nagy (Iván), Magyarország családai czimerekkel és nemzékrendi táblákkal, d. i. Die Familien Ungarns mit Wappen und Stammtafeln (Pesth 1860, M. Ráth, gr. 8°.) Bd. X, S. 650.
- Porträte. 1) Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen. – 2) Holzschnitt. Marastoni (gez.). K. Rusz (xylogr.). [1 und 2 in dem obengenannten „Magyarország és nagy világ“.]