BLKÖ:Unger, William

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 49 (1884), ab Seite: 70. (Quelle)
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Unger, William (Radirer, geb. zu Hannover im September 1837). Sein Vater Friedrich Wilhelm (geb. zu Hannover am 8. April 1810, gest. zu Göttingen 22. December 1877), Bibliothekar und außerordentlicher öffentlicher [71] Professor der Kunstgeschichte an der philosophischen Facultät zu Göttingen, hat sich als juridischer, rechtsphilosophischer und zuletzt als kunsthistorischer Schriftsteller einen höchst ehrenvollen Namen gemacht. Die Augsburger „Allgemeine Zeitung“ vom 10. November 1878, Beilage Nr. 314, und vom 11. November, Nr. 315, brachte seinen ausführlichen Nekrolog. Sein Sohn William trieb schon als Gymnasiast in Göttingen das Radiren und kam 1854, ein Jüngling von 17 Jahren, als Schüler zu Keller in Düsseldorf und drei Jahre später , 1857, zu dem in München wirkenden Thäter, unter welchem er die „Abundantio“ und „Miseria“ nach Wislicenius stach (Cartonstich). 1860 wieder nach Düsseldorf zurückgekehrt, vervollkommnete er sich daselbst während der nächsten drei Jahre in der Cartonmanier, dann führte er in Leipzig für den um die Kunst so hochverdienten Weigel Facsimiles nach alten Stichen aus. Nach mehrjährigem Aufenthalte zu Weimar folgte Unger, welcher durch seine Blätter in Lützow’s „Zeitschrift für bildende Kunst“, darunter besonders durch jene nach Gemälden der Kasseler und Braunschweiger Galerie, die Aufmerksamkeit aller Kenner und Freunde der Kunst auf sich gelenkt hatte, 1871 einem Rufe nach Holland, wo er die Radirung einer großen Anzahl von Franz Hals’ Gemälden, der erst durch ihn in seiner ganzen Bedeutung erkannt wurde, mit großer Meisterschaft ausführte. Nach Vollendung der Franz Hals-Galerie begab er sich nach Amsterdam und radirte mehrere Blätter nach den berühmtesten Werken der Nationalgalerie dieser Stadt. Im Jahre 1873 nahm er seinen bleibenden Aufenthalt in Wien, wo er durch seine im Verlage von H. O. Miethke erschienenen Radirungen nach den Bildern aus der k. k. Gemälde-Galerie, sowie nach denen im „Album der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst“, den Kunstkennern mit jedem neuen Blatte sozusagen neue Ueberraschungen bereitet. Wir sind nicht im Stande, die zahlreichen Blätter des großen Meisters alle aufzuzählen, die schon jetzt, da derselbe noch nicht das fünfzigste Lebensjahr erreicht hat, nach Hunderten zählen. Wir lassen im Folgenden eine Uebersicht seiner größeren Werke und der uns bekannt gewordenen einzelnen Blätter folgen: „Franz Hals-Galerie“, zehn Radirungen, mit Text von Dr. C. Vosmaer, I. (Leipzig, Seemann); II. ebenfalls zehn Radirungen in drei Ausgaben: a) auf Carton gezogen per Abtheilung 23 Thaler; b) gleichfalls auf Carton gezogen 15 Thaler 10 Silbergroschen; c) mit der Schrift auf chinesischem Papier 8 Thaler 20 Silbergr.; – „Die Galerie zu Kassel in ihren Meisterwerken. 40 Radirungen von Prof. W. Unger. Mit illustrirtem Texte von Prof. Fr. Müller und Dr. W. Bode“, in zwei Ausgaben: a) in gr. 8°. auf weißem Papier 101/2 Thaler; auf chinesischem Papier 15 Thaler; b) Folio-Ausgabe auf chinesischem Papier 20 Thaler; – „Die Galerie zu Braunschweig in ihren Meisterwerken, von Prof. M. Unger. Mit erläuterndem Texte“; in zwei Ausgaben: a) in 4°. 4 Thaler, auf chinesischem Papier 6 Thaler; b) Folio-Ausgabe auf chinesischem Papier 9 Thaler; – „Die kaiserliche-königliche Gemälde-Galerie in Wien“, 25 Lieferungen zu je 4 Blättern (Wien, H. O. Miethke, gr. Fol.); – im „Album der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst“ folgende Radirungen: „Die Bacchantin“, nach Felix; – „Gänsemarkt in Krakau“, nach Schönn; – „Der Lieblingspage“, nach Makart; – „An der Küste von Dieppe“, nach [72] Jettel; – „Bei Lundenburg“, nach Lichtenfels; – „Zigeunerin“, nach Pettenkofen; – „Die Nähe des Wolfes“, nach Thoren; – „Die Beichtenden“, nach Passini; – „Walachisches Fuhrwerk“, nach Schreyer; – „Thierstück“, nach Braith; – „Die Pfändung“, nach Eberle; – „Genrebild“, nach Kaufmann; – „Richard Wagner’s Portrait“, nach Lenbach; – „Altarbild S. Ildefonso und Isabella“, nach Rubens; – „Die Judenbraut“, nach Rembrandt; – „La Fontaine des Chasseurs“, von Philipp Wouwermann; – „Kühe am Wasser“, nach Cuyp; – „Nachtstück“, nach V. d. Neer; – „Schriftgelehrter“, nach Rembrandt; – „Jahrmarktscene“, nach Salomon Ruysdael; – „Christus vor Pilatus“, nach unbekanntem Meister aus Rembrandt’s Schule; – „Reiterporträt“, nach Tiepolo; – „Hahnenkampf“, nach Snyder; – „Nahrungssorgen und Wohnungsnoth“, nach A. Obermüllner; – „Interieur“, nach V. d. Neer; – „Aus der Gesellschaft“, nach A. Menzel; – „Die Werkstatt des Malers“, nach Jan van der Neer; – „Rembrandt’s Selbstporträt“; – „Venusfest“, nach Rubens; – „Porträt einer Frau“, nach Holbein; – „Das Ehrendiplom für die Neue Freie Presse“, anläßlich der Weltausstellung vom Jahre 1873, entworfen von Laufberger; – „Die Anatomie“, nach einem Original im Haag. Im Vorstehenden hätten wir William Unger’s Hauptwerke und die bedeutendsten Blätter seiner Radirnadel aufgezählt, und dürften wir kaum ein wichtiges Blatt übergangen haben. Als in Wien die Blätter nach Gemälden der k. k. Galerie zu erscheinen begannen, wobei Unger’s Radirnadel in ebenbürtiger Weise durch Lützow’s Text und eine brillante Ausstattung von Seite des Verlegers secundirt wurde, da begrüßte man diese Publication in ihrem prächtigen Ensemble geradezu als ein Ereigniß. Man war bisher gewohnt, in Wien solche Werke von außen her zu beziehen. Und nun wurden solche Prachtblätter in der Capitale des Reiches erzeugt und mit Spannung und Freude von den Kunstfreunden in der Fremde erwartet. Aber der Meister lieferte auch wahre Meisterwerke. Ein Kritiker bemerkt zutreffend: „Unger’s Nachbildungen strömen förmlich den Duft und die Leuchtkraft der Originale aus. Wie ein Proteus wechselt er die Gestalt und die Kunstweise, je nachdem er einen Tizian oder Rembrandt, einen Holbein oder einen Rubens, einen Ruysdael, Hobbema, Dürer oder Velasquez vor sich hat. Mit wahrer Meisterschaft, in liebevoller und getreuer Art bildet er die Werke der größten Heroen der Kunst nach und macht sie zum Gemeingut des großen Publicums. Er versteht es, in jeden Meister – man halte nur ein Blatt nach Rembrandt neben eines nach Holbein– sich ganz einzuleben, sich zu metamorphosiren und ganz aufzugehen in die eben zu lösende Aufgabe. Dabei ist Unger, wie es ja bei dem Sohne eines solchen Vaters fast selbstverständlich, in allen Kreisen, mit welchen er in Berührung kommt, ebenso als Mensch wie als Künstler geliebt und geachtet. Er ist stets bereit, von seinem reichen Wissen und. Können Anderen mitzutheilen, ihnen mit Rath und That beizustehen und zu helfen, und junge Künstler, die sich ihm anschließen, haben an ihm den treuesten Förderer und Berather“. So hoch Unger als Künstler steht, so bescheiden zeigt er sich im Verkehr mit [73] Anderen. Insoweit aber Ehren einem solchen Talent zutheil werden können, hat es auch daran bei Unger nicht gefehlt. Er ist unter Anderem Ehrenmitglied der kaiserlich-königlichen Akademie der bildenden Künste in Wien und wurde außer mit verschiedenen auswärtigen Decorationen österreichischerseits mit dem Ritterkreuze des Franz Joseph-Ordens geschmückt.

Quellen. Mittheilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst. Beilage zur „Zeitschrift für bildende Kunst“ (Wien, 4°.) I. Jahrg. (1872), Sp. 43, im „Album-Text“; Sp. 60: „Radirung von Unger“; II. Jahrg. (1873), Nr. 1, Sp. 1: „Der Altar des h. Ildefonso“ von Dr. W. Bode; Sp. 11: „Die Nähe des Wolfes“, von Thoren; III. Jahrg. (1875), Sp. 37: „Rembrandt von Rijn“; Sp. 44: „Philipp Wouwermann“; IV. Jahrg. (1876). Sp. 11: „Jan van der Neer“, von A. W.(urzbach). – Neue Illustrirte Zeitung (Wien, Zamarski, kl. Fol.) 1879, Nr. 15: „William Unger“. – Oesterreichische Kunst-Chronik. Herausgegeben von Dr. Heinrich Kábdebo (Wien 4°.) I. Jahrg. (1878/79), Sp. 23 und 108. – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 29. August 1874, Nr. 3594: „Warum Ehrenmitglied“. – Katalog der ersten internationalen Specialausstellung der graphischen Künste in Wien. Dritte Auflage (Wien 1883, gr. 8°.) S. 75 u. f.: „W. Unger, seine Schule u. s. w. in Wien“.
Porträt. Holzschnitt nach einer Zeichnung von F. W.(eiß), in der „Neuen Illustrirten Zeitung“ (Wien, kl. Fol.) 1879, Nr. 15.