BLKÖ:Verri, Pietro Conte
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 50 (1884), ab Seite: 144. (Quelle) | |||
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Alexander Verri’s [S. 136]. Nachdem er den ersten Unterricht durch Hauslehrer erhalten hatte, kam er in das Collegium zu Monza, darauf in das Nazzareno zu Rom und zuletzt in das adelige Convict zu Parma. In seine Vaterstadt zurückgekehrt, schwankte er in der Wahl der Studien und überließ sich zunächst bald prosaischen, bald poetischen Versuchen. Als sein Vater, dem Zuge der Zeit folgend, aus ihm einen Rechtsgelehrten machen wollte, war dies doch nicht ganz nach dem Sinne des Sohnes, der allen weiteren Erwägungen dadurch die Spitze abbrach, daß er sich für den Soldatenstand entschied. Er trat in das Infanterie-Regiment Clerici Nr. 44, heute Erzherzog Albrecht, und zwar bei der hervorragenden Stellung seines Vaters sofort als Capitän ein. Er zog ins Feld und focht im siebenjährigen Kriege, dichtete aber, wie Ugoni bemerkt, im Kriegslärm martellianische Verse, die freilich mehr an die deutsche Trommel erinnerten, auf der er sie vielleicht schrieb, als an die schöne Harmonie der Musen. Als er dann mit seinem Regimente nach Wien kam, verfaßte er daselbst, ohne jedoch vorher eine Schrift über Nationalökonomie gelesen zu haben, die „Elementi di Commercio“. Auch benützte er seinen Aufenthalt in der Residenz, um das damalige Leben bei Hofe kennen zu lernen, wo, wie er selbst sich ausdrückt, „man kriechen muß, um zu steigen“. Nun kehrte er nach Mailand zu seinen geliebten Wissenschaften, zu seinen Freunden zurück. Wie er sich dort seines Bruders Alexander annahm, ihn förderte, geistige Interessen mit allem Eifer verfolgte, einen Kreis gleichgestimmter Genossen um sich vereinigte und mit seinem Bruder und seinen Freunden vereint das Journal: „Caffè ossia brevi e varii Discorsi distributi in fogli periodici“ begründete, das Alles wurde in der Lebensskizze Alexanders erzählt und wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf dieselbe verwiesen. Im Hause selbst mochte nicht Alles immer glatt ablaufen, da Ugoni sich veranlaßt findet, zu bemerken, daß sich Verri im Kreise seiner gelehrten Freunde über häusliche Widerwärtigkeiten tröstete und sich nützlichen Untersuchungen und literarischen Arbeiten ergab, von denen wir anführen: „Sul tributo del sale nello stato di Milano“; – „Dialogo sulle monete tra Fronimo et Simplicio“ und seine Vertheidigung der auch in seines Bruders Alexander [145] Biographie erwähnten Schrift von Beccaria über die Mängel und die Abhilfe derselben im Münzwesen des Staates Mailand. Als er dann im Jahre 1763 seine Betrachtungen über die Glückseligkeit – die bibliographischen Titel von Verri’s Schriften folgen auf S. 146 durch den Druck veröffentlichte, wurde er, damals 36 Jahre alt, zum Rath ernannt. Das war nun eine Stellung, die dem Manne, der sie gewissenhaft erfaßte, genug zu schaffen gab. Und in der That, um sich die Dankbarkeit seiner Mitbürger zu erwerben, gab er sich mit allem Eifer seinem Berufe hin, enthüllte schonungslos die ungeheueren Mißbräuche, die sich bei der Erhebung der öffentlichen Lasten eingeschlichen, und schlug die Mittel vor, wie dies Uebel zum Vortheile des Fürsten und der Unterthanen gehoben werden konnte. Die Frucht dieser seiner angestrengten Arbeit war, daß er sein Vaterland von dem Joche der Pächter befreite, indem er den zahllosen Widerwärtigkeiten, ja selbst Gefahren muthig Trotz bot, die sich ihm in den Weg stellten, und daß er den Haß der Minister, welche aus der Verpachtung Vortheil zogen, auf sich lud; aber selbst die Gefahr, sein eigenes Vermögen einzubüßen, zog er dem Vortheile und Gewinne vor, den er aus einer Vereinigung mit den Pächtern hätte ziehen können. Die Schilderung dieser Uebelstände und der Heilmittel dagegen schickte Verri an den Minister Fürsten Kaunitz, da die Kaiserin Maria Theresia um diese Zeit mit dem Plane umging, eine Hofhaltung in Mailand einzurichten, für welche die Mittel zur Bestreitung aus dem Gebiete dieser Stadt genommen werden sollten. Verri wies nun nach, daß es das beste Mittel sei, wenn man die Regalien den Händen der Generalpächter entreiße und sie der Regierung anheimstelle. So ward ihm denn der Auftrag zu Theil, ein Verzeichniß der Einnahmen und Ausgaben des Staates zu entwerfen und das Ergebniß dieser Zusammenstellung vorzulegen. Innerhalb Jahresfrist brachte er sein Elaborat zu Ende. Dasselbe war nur eine neue Bekräftigung der von Verri schon früher enthüllten Uebelstände. Man setzte nun in Folge dessen eine Junta ein, welche die neuen Pachttarife und Gesetze zu prüfen hatte. Im Jahre 1765 zum Mitgliede der obersten Finanzverwaltung ernannt, welche die neue Reform ins Werk setzte, wurde er 1772 Vizepräsident, 1780 Präsident bei der Kammer, 1783 wirklicher geheimer Staatsrath und erhielt noch im nämlichen Jahre von Kaiser Joseph den St. Stephansorden. Aber die vorbeschriebene ehrenvolle Laufbahn legte er nicht so ohneweiters zurück. Die von ihm vorgeschlagene Abschaffung der Generalpacht, welche durchzusetzen ihm denn auch gelang, regte Rache und Neid, und zwar nicht ohne Erfolg, gegen ihn auf. Man verdächtigte ihn, wie man nur konnte: hinter seinem Eifer, hieß es, berge er nur Eigennutz, und mit seinen Reformen buhle er nur um die Volksgunst, eine Verdächtigung, welcher die immer mißtrauische Regierung nur zu gern Glauben zu schenken bereit war. Anderseits zieh man ihn des Hochmuths: mit seinem Genie und Wissen wolle er über Alle hinwegschreiten und Alles nach seinem Kopfe umgestalten. Dieses Mißtrauen vermehrte die Hindernisse, welche sich seiner schnelleren Carrière entgegenstellten, und nicht selten sah er sich gezwungen, die Zeit in Vertheidigung seiner Person zu vergeuden. List und Bosheit waren in ununterbrochener Action gegen ihn, und da die Revolution, welche er in [146] der Generalpacht durchführte, und die man anfangs ohne großen Nachtheil für den Staatsschatz nicht für möglich hielt, auch für die Zukunft nichteinträglich genug erschien, so verlangte er endlich in Unmuth und aus Ueberdruß an der Sache seine Entlassung von der Kammerverwaltung, und das war es gerade, was man gewollt hatte. Da nun im Jahre 1786 der Kammerrath abgeschafft wurde, so dachte man bei der neuen Organisation gar nicht mehr an ihn, und er erhielt so die gewünschte Ruhe. Zehn Jahre waren seit seinem Rücktritte von den öffentlichen Geschäften verflossen, und er hatte diese Zeit den Wissenschaften gewidmet. Als aber die Franzosen nach Italien kamen, trat auch Verri aus seiner Zurückgezogenheit; er wurde zum Mitgliede der Municipalität in Mailand und später zum Präsidenten des Rathes der Vierziger ernannt, welchem die Untersuchung und Prüfung der Rechnungen der Municipalverwaltung oblag. So widmete er noch die letzten Jahre seines Lebens dem Wohle seiner Mitbürger. Ein Schlagfluß, der ihn traf, da er, ein Neunundsechziger, im Municipalitätsgebäude für die Wohlfahrt seines Vaterlandes wachte, raffte den edlen Gelehrten und Staatsmann dahin. Wir werfen nun noch einen Blick auf die wissenschaftlichen Arbeiten Pietro Verri’s. Wir führen zunächst die selbständig erschienenen auf, es sind folgende: „La borlanda impasticciata con la concia e trappola dei sorci“ (Milano 1751 Agnelli), ein Gedicht in Mailänder Mundart; – „Il collegio delle marionette per ben educare le chicchere femmine“ (ebd. 1751, 8°.); – „Il gran Zoroastroa“ (ebd.); – „Mal di Milza“ (ebd.), sämmtlich Satyren, um die Vorurtheile für die Erziehung der Mädchen in Klöstern und andere Mißbrauche zu züchtigen; – „Dissertazione sull’innesto del vaiuolo“ (ebd.); – „Quattro lettere al Sign. A. F. D. de’ suoi fidelissimi servitori Mal di Milza e gran Zoroastro“ (ebd.), darin geißelt er mit fast Voltaire’schem Geiste die lächerlichen weichlichen und verderbten Sitten des Adels und Priesterstandes, die Vorurtheile des Volkes und die abgeschmackte Prahlerei; der Pragmatiker und Rabbulisten; – „Relazione di una prodigiosa cometa osservata a Milano l’anno 1763“ (Milano, 8°.), eine Satyre auf eine Dame jener Tage, welche mit einer Haube in Form eines Kometenschweifes in den Hofkreisen erschien; – „Cesareo regio dispaccio (di S. M. R. I. A. Maria Teresa) con cui si crea la Società patriotica di Milano, Costituzioni fondamentali della medisima e discorso pronunziato nella prima adunanza“ (Milano 1778, Morelli, 4°.); – „Storia di Milano“ (Milano 1783); 1798 erschien eine wenig geschickte Fortsetzung von Frisi; das Werk wurde dann noch oft gedruckt: Milano 1824, vier Bände; Capolago 1837, vier Bände; Mailand 1836, sechs Bände; wurde fortgesetzt von Baron Custodi, dann von Egidio de Magri Mailand 1840; ungedruckt befindet sich bei der Familie Verri’s in Mailand noch ein Band, welcher der dritte von der Ausgabe des Jahres 1783 wäre; – „Memorie appartenenti alla Vita ed agli studii del Signor don Paolo Frisi regio censore e professore di Matematica“ (Milano 1787, Morelli, 4°.); – „Risposta a’ detrattori dell’arcivescovo Filippo Visconti“ (1797, 8°.), gegen die Mailänder Demokraten gerichtet, welche den Erzbischof anklagten, gegen die Demokratie gepredigt zu haben; – „Meditazioni [147] sull’economia politica“, diese sind abgedruckt in den „Scrittori classici italiani di Economia Politica. Parte moderna“, tomo XV; sie erschienen in der Zeit von 1771 bis 1773 in sieben Auflagen, wurden ins Französische und Deutsche übersetzt, blieben aber auch nicht unangegriffen, so veröffentlichte ein gewisser Bistcoven in Vercelli die Gegenschrift: „Esame breve succinto sulle Meditazioni“, und Conte Gian Rinaldo Carli [Bd. II, S. 281] verstieg sich so weit, auszurufen: „Verri, der große Nationalökonom, delirire“. Deutsche Uebertragungen sind zwei erschienen, eine ohne Angabe des Uebersetzers (Dresden 1774, 8°.), die zweite von J. B. M. Schmid (Mannheim 1785, Schwan, 8°.); – „Dialogo sulle monete“; – „Riflessioni sulle leggi vincolanti, principalmente nel commercio dei grani“; – „Memorie storiche sull’Economia pubblica dello stato di Milano“; – „Elementi del Commercio“; – „Considerazioni del Lusso“; – „Bilancio generale del Commercio dello stato di Milano“; – „Discorso sull’indole del piacere e del dolore“; – „Discorso sulla felicità“; – „Osservazioni sulla tortura e singolarmente sugli effetti che produsse all’occasione delle unzioni malefiche, alle quali si attribui la pestilenza che devastò Milano l’anno 1630“. – Aus seinem Nachlasse wurden herausgegeben: „Storia del Milanese all’epoca dell’invasione de’ Francesi nel 1796“, abgedruckt im Juli- und August-Heft 1855 der in Turin erscheinenden „Rivista Contemporanea“, und „Estratto di un progetto di una tariffa della mercanzia per lo stato di Milano“, abgedruckt im 23. Bande der „Raccolta degli Economisti Italiani“, herausgegeben von Baron Custodi. Ein stattlicher Manuscriptband (552 Seiten in gr. 4°.) unter dem Titel: „Cose varie e mediocri fatte nei tempi di sua gioventù le quali con eroica pazienza ha trascritto di propria mano nell’anno 1783 ad uso soltanto proprio e degli intimi amici“, mit interessantem Detail zur Zeitgeschichte, wird bei der Familie aufbewahrt. Einiges daraus wurde unter dem falschen Druckorte Londra im Jahre 1825 in der Schweiz unter dem Titel: „Scritti inediti del conte P. Verri“ herausgegeben. Eine Sammlung seiner philosophischen Schriften erschien unter dem Titel: „Opere filosofiche“ in vier Bänden bei Silvestri in Mailand. Schließlich ist noch seiner in vier Bänden herausgekommenen Uebersetzung des komischen Theaters von Destouches, dann jener der „Colombiade“ der Madame du Boccage und eines kleinen, an Goldoni gerichteten Gedichtes: „La vera Commedia“ in martellianischen Versen, sämmtlich Arbeiten aus seiner frühesten Jugend, zu gedenken. Ueber den Briefwechsel, den er mit seinem Bruder Alexander führte, und der in jüngster Zeit von Dr. Karl Casati in drei Bänden herausgegeben wurde, haben wir bereits in seines Bruders Lebensskizze berichtet. Eine Sammlung seiner Aufsätze im erwähnten Journal: „Caffè“, so dankenswerth eine solche auch wäre, ist nicht erschienen, und sind daraus besonders hervorzuheben: „La Commedia“, eine Abhandlung, welche den Zweck hat, Goldoni gegen die Angriffe Baretti’s zu schützen; – „Ueber das Glück“, in welcher Arbeit er zu zeigen sucht, daß dasselbe eigentlich nur bestehe in der Unwissenheit über die Verkettung der Dinge, welche unmittelbar ihren Einfluß auf die Menschen üben; – „Ueber [148] die Einsamkeit“, in welcher die Seele des Denkers ihre ganze Kraft fühlt, der Geist sich nährt und ausdehnt, und das Herz durch erhabene Gefühle erwärmt wird; – „Das Du, Ihr und Sie“ (il tu, voi e lei); – „Gespräch zwischen einem Mandarin und einem Sachwalter“; – „Der Tempel der Unwissenheit“; – „Ueber den Handel“; – „Ueber den Luxus“ und „Gedanken über den Geist der Literatur in Italien“. Peter Verri’s bedeutendere Schriften, so seine philosophischen Werke, seine Abhandlung über Schmerz und Vergnügen, sein Hauptwerk: „Betrachtungen über die Nationalökonomie“ und jene letztgenannten im Journal „Caffè“ befindlichen Abhandlungen sind dreimal: von Ch. Mingard, von Chardin und von Ferd. Neale, ins Französische übersetzt worden. Im Vorstehenden wurde kaum eine nur einigermaßen bedeutendere Arbeit Peter Verri’s übersehen. In allen spricht sich, wie dies wohl nur selten bei Schriftstellern der Fall ist, der ganze hochsinnige Charakter Verri’s aus. Er war unbestechlich, unermüdlich in seinem amtlichen Berufe, reich an häuslichen Tugenden, liebevoll, gerade und beständig in seiner Freundschaft, ein unerschrockener Eiferer für die Wahrheit, ein begeisterter Bekenner derselben, und wenn auch dem Aberglauben abhold, doch streng religiös. Er lebte ganz dem Wohle der Menschen und seines Vaterlandes, und wenn er nicht immer Dank einerntete, er hatte nicht dafür gearbeitet, im Bewußtsein, seine Pflicht zu erfüllen, lag sein höchster Lohn. Er trug Jenen, die ihn so lange quälten und verfolgten, bis er, um Ruhe vor ihnen zu haben, seine Aemter niederlegte, keinen Groll nach und blieb nach wie vor der loyale Bürger. Als Kaiser Leopold 1790 den Thron bestieg und, um die Bedürfnisse der Lombardie kennen zu lernen, Abgeordnete aus Mailand zu sich berief, richtete Verri von seinem Landgute aus, wo er sich zur Ruhe zurückgezogen, an die Deputirten vor ihrer Abreise folgende Weisungen: „Des Kaisers Majestät Leopold II. ladet aus eigenem Antriebe die Unterthanen ein, ihre Bedürfnisse und Leiden vor ihn zu bringen, damit mündlich die Aufklärungen gegeben werden mögen, welche zur Abhilfe der Uebelstande dienlich sind. Wohl konnte man kein günstigeres Ereigniß wünschen; seit Jahrhunderten ist dieser Provinz kein so glückliches Loos gefallen. Kaum duldete man öffentliche Vorstellungen, und der, welcher dergleichen wagte, mußte es sich gefallen lassen, wenn man ihn mit dem Namen eines Intriguanten, ungestümen Forderers, Fanatikers brandmarkte. Jetzt ladet man die Kinder ein, ermuntert sie, vor dem Vater zu erscheinen; die Menschen dürfen zu ihrem Lenker, die leidenden Unterthanen zu ihrem mitfühlenden tugendhaften Monarchen treten. Wenn wir nicht aufrichtig in Darlegung unseres Zustandes sind, ist die Schuld unser; wenn wir mit unbescheidenen belästigenden Forderungen die öffentliche Wohlfahrt gefährden, ist die Schuld unser; wenn wir aus armseliger Unwissenheit der wahren Grundsätze lieber ein unhaltbares System und das Wiederaufleben veralteter Vorurtheile, als die unerschütterliche Herrschaft des Rechtes und der Vernunft suchen sollten, ist die ganze Schuld unser. Es ist keineswegs wahr, daß die lange Unterdrückung des vergangenen Geschlechtes und des gegenwärtigen, eingeschüchtert durch eine Reihe willkürlicher Handlungen der Ministergewalt, den Geist so heruntergebracht und entwürdigt hat, daß man die Tugend für eine Chimäre und die Vaterlandsliebe [149] für Wahnwitz hatten dürfe.“ Diese Ansichten geben das vollkommenste Charakterbild Verri’s, und wenn auch bestritten wird, daß er es war, der dem Fürsten Kaunitz, als dieser sich beklagte, daß ihm zur Verwaltung der so verschiedenartigen österreichischen Länder nur wenige Tagesstunden übrig blieben, und dabei ironisch bemerkte, daß er die Lombardei während des Anziehens der Strümpfe und Schuhe verwalte, mit ruhigem Sarkasmus erwidert habe: „On le voit bien“, so liegt in diesen Worten nichts, was mit Verri’s Charakter in Widerspruch stünde, und Pietro Verri war ganz der Mann, der sich so geäußert haben könnte. Sagte er doch öffentlich in einer Versammlung der Bürger, daß Parini ein Dieb sei, weil derselbe den Stoff zu einer Satyre stahl. Aber eine Schwäche wirst ihm Ugoni doch offen vor. Wie Cicero, so oft sich demselben Gelegenheit dazu bot, es in Erinnerung brachte, daß er das Vaterland vor der Verschwörung Catilina’s gerettet, ebenso gern erinnerte Verri daran, daß er das seinige von dem Joche der Pächter befreit habe. Diese Schwäche einerseits wurde aber anderseits von so vielen Verdiensten und Tugenden aufgewogen, daß letztere jene leicht vergessen lassen. Wir haben nur noch Weniges über Peter Verri zu berichten. Als die Kaiserin Maria Theresia 1777 die patriotische Gesellschaft zur Förderung des Ackerbaues, der Künste und Manufacturen stiftete, wurde er zum ersten Conservator derselben erwählt, und er machte sich um diese nützliche Stiftung vielfach verdient. Am 12. Februar 1776, im ziemlich vorgerückten Alter von 47 Jahren, vermälte er sich mit seiner Nichte Maria Castiglione, der Tochter seiner Schwester. Sie war als Waise in das Haus der Familie Verri gekommen. Sie gebar ihm eine Tochter und einen Sohn; der Tod des Letzteren[WS 1] versetzte die Mutter in so große Trauer, daß sie ihm im Mai 1781 ins Grab nachfolgte. Nun vermälte sich Verri zum zweiten Male am 13. Juli 1782, mit Vincenza Melzi, einer Dame aus dem vornehmsten Mailänder Adel, welche ihm sieben Töchter und einen Sohn schenkte.
Verri, Pietro Conte (Schriftsteller, geb. in Mailand 12. December 1728, gest. 28. Juni 1797). Ein Bruder- Bianchi (Isidoro). Elogio storico di Pietro Verri (Cremona 1808, 8°.). – Custodi (Pietro). Notizie sulla vita del conte P. Verri (Milano 1843, 8°., mit Porträt). – Economisti classici italiani. Parte moderna, tomo XV: „Notizie di Pietro Verri. – Maffei (Giuseppe). Storia della letteratura italiana dall’origine della lingua sino a’ nostri giorni (Milano 1834, Società tipogr. de’ classici italiani, 8°.) Vol. III, p. 236–260. – Nessi (Pietro). Elogio di Pietro Verri (Milano 1844, 8°.). – Quérard (J. M.). La France littéraire (Paris 1839, Didot, 8°.) tom. X, p. 126. – Ressi (Adeodato). Orazione in lode del Conte P. Verri (Pavia 1818, 8°.). – Tipaldo (Emilio de). Biografia degli Italiani illustri nelle scienze, lettere ed arti del secolo XVIII e de’ Contemporanei ec. ec. (Venezia 1836, tipogr. di Alvisopoli, gr. 8°.) Vol. IV, p. 96–108.
- Porträt. Unterschrift: „Pietro Verri“. G. Longhi dis. G. Benaglia inc. Medaillonbild (4°.).
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Letzeren