Zum Inhalt springen

BLKÖ:Wahr, Karl

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Wahlmann, Eleonore
Band: 52 (1885), ab Seite: 142. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Karl Wahr in Wikidata
GND-Eintrag: 139085262, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Wahr, Karl|52|142|}}

Wahr, Karl (Schauspieler, geb. zu Petersburg – hie und da zu Federsburg entstellt – 1745, Todesjahr unbekannt). Neunzehn Jahre alt, betrat er 1764 zum ersten Male die Bühne, und zwar in der Truppe Bernardon’s [Bd. I, S. 324], die in Bayern, Salzburg, Schwaben, am Rhein und zu Frankfurt a. M. spielte, und mit welcher er auch nach Prag kam. Wahr’s Wirksamkeit als Schauspieler war in kurzer Zeit so bedeutend, daß er von der Wiener Theaterunternehmung des Grafen Kohary einen Antrag erhielt, welchen er auch annahm; am 22. September 1770 debutirte er in der Rolle Medons. Aber dort stellten sich bald die Verhältnisse so wenig günstig, daß er den Beschluß faßte, eine eigene Theaterunternehmung zu begründen, und so übernahm er 1771 die Leitung der Bühne in Wiener-Neustadt. Damals bestand noch der Kampf zwischen dem kunstgeformten Theaterstück und der Stegreifkomödie. Hanswurst wollte sein Terrain behaupten und ließ sich nicht mir nichts dir nichts von den Brettern verbannen, umsoweniger, als der Janhagel der Theaterbesucher, der in solchen Dingen leicht den Ausschlag gibt, ihm seine volle Unterstützung angedeihen ließ. Aber Wahr ließ sich nicht beirren, er pflanzte in Wiener-Neustadt das Banner der kunstgerechten Komödie auf und gab seiner an extemporirte Stücke gewöhnten Truppe nichts Anderes zu spielen als regelmäßige Bühnenwerke. In Folge seiner Wirksamkeit in Wiener-Neustadt wurde er an das berühmte Hof- und Haustheater des Pracht- und kunstliebenden Fürsten Eszterházy berufen, wohin er sich im Sommer 1774 begab. Die Wintermonate über spielte er mit seiner Truppe in Preßburg, anfangs auf dem Platze in einem finstern, nichts weniger als für Bühnenspiele geeigneten Hause, später, 1777, in dem steinernen Theater, welches [BLKÖ:Csáky von Keresztszeg, Georg I. Graf#Csáky von Keresztszeg, Georg II.|Georg Graf Csáky]] vor dem Fischerthore hatte erbauen lassen. Seine Bühnenleitung fand allgemein, selbst im Auslande, Anerkennung. Die Theater in Eszterház und Preßburg lockten die Blicke aller Bühnenfreunde auf sich. Dazu befand sich als Capellmeister am Dirigentenpulte der Eszterházy’schen Bühne kein Geringerer als Joseph Haydn, mit dem er in reger und [143] freundschaftlicher Verbindung auch dann blieb, nachdem er bleibend von Eszterház und Preßburg Abschied genommen. Für die Wintersaison 1775/76 begab er sich nach Salzburg, wo er vom Erzbischof Hieronymus Fürsten Colloredo im Ballhause eine gut eingerichtete Bühne erhielt, auf welcher er mit seiner Truppe in erfolgreichster Weise wirkte. Ein eigenes „Theaterwochenblatt“ besprach ausschließlich die Vorstellungen der Wahr’schen Truppe. Der Director selbst wurde als großer Künstler gefeiert, natürlich fehlte es, wie dies ja in Theatersachen so oft vorkommt, nicht an Ueberschwenglichkeiten fast komischer Art. Aber Thatsache ist es, Wahr’s Bestrebungen fanden in Deutschland gerechte Würdigung, und die „Berliner Theater- und Literaturzeitung“ vom Juni 1779, welche ein Verzeichniß einiger im Oesterreichischen lebenden Schauspieler mittheilt, bezeichnet ihn als „den ersten und einzigen Provinztheaterdirector der österreichischen Erblande, der nie eine Burleske gegeben“. Was aber sein Darstellungstalent betrifft, so nennt der Gothaer „Theaterkalender“ für 1780 ihn neben Schröder, Borchers, Bock, Wäser unter den besten Hamletdarstellern Deutschlands. Als Wahr im Frühjahre 1779 seine Salzburger Saison schloß, wurde hervorgehoben, daß seine Truppe in den vier Jahren ihres Bestandes 200 gute Stücke einstudirt habe. Von Salzburg ging er nun mit seiner Gesellschaft wieder nach Preßburg und von dort nach Ofen, und rühmend bemerkt der „Gothaer Theaterkalender“ von 1779, Wahr habe das deutsche Schauspiel in Gegenden gebracht, wo man es vorher nicht kannte. 1779 spielte derselbe bereits in Prag. Am 5. Juni dieses Jahres gab er eine Vorstellung, deren ganze Einnahme er ohne den geringsten Abzug an die Vorsteher des neu errichteten Waisenhauses schickte. Wie ernst er seine Aufgabe nahm, ersehen wir daraus, daß er schon zu jener Zeit, 1779–1782, Werke Lessing’s und Goethe’s, wie: „Minna von Barnhelm“, „Emilie Galotti“, „Clavigo“, und zeitgenössische Shakespeare-Bearbeitungen auf die Bühne brachte. Aber 1782 erfuhren die Verhältnisse der Wahr’schen Truppe, welche im Kotzen- oder „Nationaltheater“ spielte, eine bedeutende Umwälzung. Franz Anton Graf Nostiz-Rhieneck [Bd. XX, S. 397] übernahm das durch den Tod des bisherigen Impresario Bustelli in das freie Eigenthum der Altstädter Stadtgemeinde zurückgelangte Theater. O. Teuber gibt in dem in den Quellen erwähnten Werke eine ausführliche Darstellung der damaligen Theaterverhältnisse. Wahr spielte nunmehr im alten Kotzentheater weiter, bis das neue Theater, welches Graf Nostiz auf dem Karolinenplatze zu bauen begonnen, fertig war. Auf dieser Bühne, deren Eröffnung am 21. April 1783 stattfand, wurde nun unter dem Directionsausschusse Wahr, Bergopzoom, Hempel und Räder fortgespielt, bis mit einem Male ein Zwischenfall eintrat, der die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hatte. Kaiser Joseph befand sich im September 1783 anläßlich der Manoeuvres in Prag. Daselbst spielte im Kleinseitener Theater die Bondini’sche Truppe, im Nationaltheater aber gab Wahr mit der seinigen Vorstellungen. Der Umstand, daß der Kaiser das Kleinseitener Theater regelmäßig besuchte und die Leistungen der Bondini’schen Truppe lobend anerkannte, während er im Nationaltheater nur ein einziges Mal erschien und schon nach einer halben [144] Stunde wieder aus dem Hause verschwand, verstimmte den Grafen derart, daß er beschloß, mit Beginn der Fasten 1784 die Wahr’sche Gesellschaft aufzulösen. Unser Schauspieldirector privatisirte nun abwechselnd in Prag und in Elbogen. Da mit einem Male berief ihn Graf Nostiz, der ihn 1784 nicht eben zu gnädig entlassen hatte, 1787 wieder zur Uebernahme des Theaters, worauf am 1. April 1788 der Vertrag zwischen Wahr und dem Grafen ordnungsmäßig zu Stande kam.. Ersterer machte dem Publicum die Uebernahme der Direction in einer eigenen Denkschrift bekannt, in welcher er die Ansichten darlegte, von denen er ausgegangen war, als er sich nach längerem Ueberlegen dazu entschlossen hatte. Wir verweisen dieserhalb wieder auf Teuber’s mehrerwähntes Buch. Aber die Kriegsereignisse an der türkischen Grenze, die welterschütternden Nachrichten aus Frankreich, dann 1790 der Tod der Erzherzogin Elisabeth und Kaiser Josephs, infolge dessen bei der Landestrauer das Theater für längere Zeit geschlossen wurde, waren von sehr nachtheiligen Folgen für dasselbe, und nach mancherlei Wechselfällen kam im August 1790 die Leitung an den Opernimpresario Guardasoni. Nach dem am 21. April 1794 erfolgten Tode des Grafen Franz Anton Nostiz ging das Theater an dessen Sohn Grafen Friedrich über, dem es endlich gelang, das Eigenthumsrecht desselben an die böhmischen Stände zu übertragen, welcher Wechsel am 9. April 1798 stattfand. Wahr wirkte nun als Regisseur und spielte das Helden- und Charakterfach. 1799 finden wir ihn nicht mehr unter dem Personale, und er entschwindet ganz unseren Blicken. Auch als dramatischer Autor hat er gewirkt, und sind von seinen Bühnenschriften bekannter geworden die Lustspiele „Uebereilung als Pflicht“ und „Die Freunde“. Als Schauspieler, wenn er auch in der ersten Zeit seines Auftretens als solcher hie und da auf Widerstand stieß, war er im Ganzen vorzüglich. Mit vortheilhafter äußerer Erscheinung verband er ein ausdrucksvolles edles Spiel, eine sorgfältige Mimik, eine richtige Declamation und das Vermögen, die Charaktere im Sinne der Dichtung zu schaffen. Er mochte welch immer eine Rolle spielen, er drückte ihr den Stempel der Wahrheit auf. Sein Hauptverdienst aber ist es, daß er durch seine Wandertruppe, welche er nur gute Stücke darstellen ließ, in den Provinzen Oesterreichs den Sinn für edleren Geschmack in Bühnenleistungen weckte und so mitwirkte, den Hanswurst wenn nicht ganz von der deutschen Bühne zu verbannen, so doch dessen Einfluß auf ein geringstes Maaß einzuschränken.

Chronologie des deutschen Theaters (Leipzig 1774, 8°.) S. 240, 301, 315 und 349. – Gallerie von teutschen Schauspielern und Schauspielerinnen der älteren und neueren Zeit (Wien 1783, 8°.) S. 252. – (De Luca). Das gelehrte Oesterreich. Ein Versuch (Wien 1778, von Trattner, 8°.) I. Bandes 2. Stück, S. 391. – Teuber (Oskar). Geschichte des Prager Theaters (Prag 1883, gr. 8°.) X. Theil, S. 358 u. f.; II. Theil in den Capiteln II, III, VII und XI.
Porträt. Unterschrift: „Karl Wahr“. Qu. Marck sc. Kupferstich, 8°.