Das Testament des Königs von Brentford
Geboren zu Kalkutta im Jahre 1811, ward er Behufs einer guten Erziehung nach England geschickt, verließ nach dem Tode seines Vaters die Universität Cambridge, zehrte im Strudel der Londoner Welt schnell das ihm zugefallene Erbtheil auf, wollte sich dann in Paris anfänglich zum Maler ausbilden, wandte sich aber nach seiner Rückkehr in die Heimat ausschließlich der Schriftstellerlaufbahn zu, und ist neben Ch. Dickens unbestreitbar der erste aller jetzt lebenden Humoristen.
Das Testament des Königs von Brentford.
Der König von Brentford war krank und bei Jahren,
Da kamen herbei die Doktoren gefahren,
Mit Salben und Pulvern, von nah und von fern,
Zu helfen dem König, dem gnädigen Herrn.
Man ließ ihm zur Ader – er durfte nicht mucken.
„’s ist Alles vergeblich!“ so sprach er am End’,
Drum lasst mich diktieren mein letzt Testament,“
Bald kam der Notar mit Papier und mit Feder;
„Herr König,“ sprach Jener, „was steht zu Befehl?“
Der König erwidert’: „Ich mach’ Euch kein Hehl,
Trotz Pulvern und Pillen, jetzt geht es ans Sterben.
Zwei Kinder nur hab’ ich, Ihr wisst es, zu Erben.
Viel’ Schätze drum fallen den Beiden wohl zu.
Prinz Thomas, der Ältste, ist nüchternen Sinnes,
Und seit er die Windeln bekleckte (ich bin es
Ihm schuldig zu sagen), hat immer bis heut
Nie hat in der Schul’ ihn der Lehrer geprügelt,
Und ward er von Jüngern auch oft überflügelt,
So lernt’ er doch leidlich, was eben ihm noth
Fürs praktische Leben und tägliche Brot.
Verstand er, und lange die Hosen zu wahren;
Nie stak er in Schulden, war niemals bezecht,
Hat nie sich vermessner Gedanken erfrecht.
Wie sehr ist Prinz Alfred von anderem Schlage!
Von Freunden zu borgen bald hie und bald da,
Wie Alfred, dem Solches wohl zehnmal geschah?
Wenn Thomas sich ernster Beschäft’gung ergeben,
Verträumt mit der Muse Prinz Alfred sein Leben;
Nimmt Alfred zum Pfandhaus und Juden die Flucht.
Wie hast an den Kindern du ungleich gehandelt,
In Trug deine Gaben, o Schicksal, verwandelt,
Das Einem die nüchterne Seele verlieh,
„Ihr werdet ihn,“ sagte der Mann von der Feder,
Mit Wen’gem bedenken, das billigt wohl Jeder.“ –
„Dem Einen und Andern, wie Jeder es treibt!“
Versetzte der König. „Gebt Acht nun und schreibt!“
In dreifach geschlossenem Schranke verriegelt.
Dann legte der König zum Schlaf sich aufs Ohr;
Drei Tage – da trug man hinaus ihn zum Thor.
Voran im Gefolge ging Thomas, der Gute,
Er barg in dem Schnupftuch sein feistes Gesicht -
Die ernsteste Eule war ernsthafter nicht.
Unsicheren Ganges schritt Alfred, der Arme,
So bitterlich weinend, dass Gott sich erbarme.
In Frieden bestattet, nahm Thomas das Wort.
„Ihr Herren,“ so sprach er, „nun lasst mit Bedachte
Uns hören, was Vater uns Beiden vermachte.
Euch hat er gerufen, mein werther Notar,
Es putzt der Notar sich die Gläser der Brille;
Ein Räuspern (Prinz Alfred war schweigsam und stille,
Tom rieb sich die Hände – war Alles doch klar!);
Mit sicherer Stimme beginnt der Notar:
Macht Alfred mir bittere Sorgen und Leiden;
Nicht also du, Thomas! denn nimmer bist du
Gewichen vom Pfade der Ordnung und Ruh’.
Ein Schwärmer ist Alfred – sein denk’ ich mit Schmerzen;
(„Da hörst du es,“ flüstert der Ältere sacht,
Was Vater im Grund von uns Beiden gedacht.“)
„So klein auch dein Gut: du verstandest zu sparen,
Drum wird dein Besitz auch Vermehrung erfahren.“
(Bei dieser Verheißung berieselte dicht
„Der Has’ und der Igel, mein Thomas, begannen
Den Wettlauf – wie stürmte der Hase von dannen!
Wohl war er der Schnellste; doch weißt du, das Feld
Behauptet’ der Igel. So geht’s in der Welt.
Du mühst dich, bedächtig die Beine zu heben.
Was Blumen und Früchte? dein trampelnder Schritt
Hat nimmer gefragt, ob er beide zertritt.
Der Genius säumt bei den Blumen im Wandern,
Ist’s Morgen, ist’s Mittag? er weiß es oft nicht,
Er schlummert im Schatten, er sonnt sich im Licht.
Wohl strahlen dir nimmer, wie Alfred, die Augen,
Mein Thomas! doch mögen vortrefflich sie taugen,
Drei Schritt’ deinen Weg vor der Nase zu sehn.
Drum danke dem Himmel mit frommem Behagen,
Dass er dir den Schädel mit Brettern verschlagen;
Die Dummen sind mächtig, die Weisen nicht klug –
Besaß ich viel’ Länder und Gold auch im Leben,
Mehr hat die Natur dir, mein Thomas, gegeben:
Ein frostiges Herz und ein dumpfes Gehirn,
Und dick wie ein Blechschild die eherne Stirn.
Die Klage der Andern, sie wird dich nicht rühren.
Nur vorwärts! denn offen (du bebst nicht zurück!)
Steht jeglicher Pfad dir zu Reichthum und Glück.
Durch thörichten Leichtsinn hat Alfred gefehlet,
(„Wahrhaftig,“ sprach Alfred, „Papa ist gerecht,
Wenn just auch nicht höflich. Sein Spruch ist nicht schlecht.“)
„Dir kann ich, o Thomas, voll Ruhe vertrauen,
Doch nimmer auf Alfred den Träumenden, bauen.
Und Silber und Gold ich, wie folgend, erkannt:
Was je ich zu eigen besessen im Leben,
Dir sei es, mein Thomas, alleine gegeben“ –
(„Wie, Alles?“ sprach Alfred. „Nun, billig genug!
„Dir sei es, mein Thomas, alleine gegeben,
Es redlich durch Arbeit zu mehren und heben,
Und Felder und Gelder in Näh’ und in Fern’
Getreu zu verwalten für Alfred, den Herrn.“
Wie gab’s in dem Saale ein Zischeln und Raunen!
Und denkt euch vor Allem (ich mal’ es euch nicht!)
Des ehrlichen Alfred verblüfftes Gesicht.
„Unmöglich!“ so rief er. „Ihr wollt mich belügen.
Wahrhaftig – der Name des Vaters ist hier!
Doch fürchte Nichts, Thomas! ich theile mit dir.“
„Die Theilung muss leider, mein Prinz! unterbleiben,“
Versetzt der Notar, „denn es steht in dem Schreiben:
An Thomas kein Pfennig, noch Pfenniges Werth!
Es lagerten Säcke voll Gold ihm im Keller,
Doch sah ich ihn nimmer verleihn einen Heller;
Nie half er dem Bruder … Was nützt ihm sein Geld,
Mein Alfred versteht zu genießen das Leben,
Doch Thomas alleinzig nach Golde zu streben;
Sein Bruder verschwendet, ein Sammler ist er -
Sei Thomas der Hüter denn, Alfred der Herr!
Mag Thomas zweitausend Dukaten erhalten,
Und Alfred genieße des Lebens Gewinn,
Des Vaters gedenkend, mit fröhlichem Sinn!“
So hatt’ es der König, der gute, beschlossen.
Prinz Thomas bewahrte und mehrte sein Geld,
Vom Vater zum Hüter der Schätze bestellt.
Der hat ihn mit Unrecht der Sünde geziehen,
Dass nimmer sein Geld er an Andre verliehen;
Verlieh er’s mit Freuden – zu dreißig Procent.
Viel Lieb’ und Genuss hat sich Alfred erworben,
Und als er, wie Alle, nach Jahren gestorben
(Ein Sausewind blieb er): da wurde es klar,