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Der Sohn einer Künstlerin

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Titel: Der Sohn einer Künstlerin
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aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 102–104
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1871
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Der Sohn einer Künstlerin.
Nach dessen mündlichen Mittheilungen.


Es ist nun gerade ein Jahr, daß auf dem Alten Kirchhofe zu München das von der Meisterhand Zumbusch’s verfertigte Grabdenkmal der größten deutschen Tragödin aufgestellt wurde und daß die Gartenlaube eine gelungene Abbildung davon ihren Lesern brachte. Die wenigen biographischen Zeilen, welche als begleitender Text beigegeben waren, riefen mir eine Begegnung in’s Gedächtniß, die ich schon vor langer Zeit mit dem einzigen, nunmehr auch längst verstorbenen Sohne der Sophie Schröder hatte. Die Einzelnheiten derselben sind mir so treu in der Erinnerung geblieben, daß ich sie um so lieber hier mittheile, als ja wiederholt das Bedauern darüber ausgesprochen worden ist, wie spärlich im Grunde die Quellen über das Privatleben der großen Künstlerin fließen, die kurz vor ihrem Tode ihre Papiere mit eigener Hand vernichtet hat.

Ich befand mich des Curgebrauchs halber im Sommer 1848 zu Wiesbaden und lernte dort mehrere Mitglieder der Reichsversammlung kennen, die von Frankfurt zum Besuche herüberkamen. Unter ihnen befand sich auch der Sohn der Sophie Schröder, der Canonicus Wilhelm Smets aus Aachen, der damals nicht nur in den Rheinlanden als ein höchst talentvoller Dichter beliebt und geschätzt war.

Auch er war Abgeordneter am Reichstage gewesen, hatte jedoch sein Mandat niederlegen müssen, da ein Leberleiben eine anhaltende Cur erforderte. Das kranke unschöne Aeußere des gealterten Mannes vergaß man ganz, sobald er mit dem angenehmsten Organ und in edler Ausdrucksweise sprach; seine Worte bezeugten einen reich begabten Geist und ein tiefes Gefühl, das ihm sehr bald die Herzen der Menschen gewann. Ich hatte das Glück, daß der treffliche Mann sich meistens mit mir unterhielt, vielleicht weil wenig ältere Damen in unserm Kreise waren. Einstmals erwähnte er gelegentlich seiner Mutter. Es überraschte mich, einen Mann, den ich für einen Sechsziger hielt, obschon er damals in der That erst zweiundfünfzig Jahre alt sein mußte, von einer noch lebenden Mutter sprechen zu hören. Als ich darüber mein Erstaunen aussprach, erwiderte er:

„Sie kennen meine Mutter!“

Das begriff ich nun gar nicht, bis er endlich sagte:

„Es ist Sophie Schröder!“

Dazu konnte ich ihm nur Glück wünschen, und mein lebhaftes Interesse an der großen Künstlerin wahrnehmend, begann er, mir als verehrender Sohn, der die Mutter herzlich liebte, aus deren Leben mitzutheilen, was ich nun gern zum allgemeinen Mitwissen wiedergebe.

Der Vater des Canonicus Smets stand schon im jugendlichen Alter wegen seiner ausgezeichneten juristischen Kenntnisse als Criminalrichter am kurkölnischen Gerichtshof zu Bonn. Derselbe hat ein Werk geschrieben: „Die Strafgesetze des achtzehnten Jahrhunderts, philosophisch, juridisch und historisch betrachtet.“ – Ein so tüchtiger Mann er in seinem Fache gewesen sein muß, so geht aus seinem Lebensgange und Verhältnissen dennoch hervor, daß sein Wesen viel Excentrisches, Idealistisches hatte.

Das allein macht es erklärlich, daß er seine ehrenvolle Stellung verließ und eine junge hochgestellte Dame entführte, die bei der strengen Scheidung der Stände in jener Zeit nicht seine Gattin in den dortigen Umgebungen hätte werden können, da sie, einer alten Adelsfamilie angehörend, als Hofdame bei einer deutschen Fürstin stand. Unter angenommenem Namen folgte er mit seiner jungen Frau, die ihm zu Liebe so Vieles geopfert, einem Anerbieten Kotzebue’s nach den Baltischen Provinzen, wo für die größeren Städte Reval, Riga, Pernau u. a. O. ein ambulantes Theater errichtet werden sollte, etwa im Jahre 1791 oder 1792. Hier sollte er nun eine Theatergesellschaft organisiren, deren Director er wurde. Unsere großen deutschen dramatischen Dichter, Goethe, Schiller, Iffland u. A. begeisterten eben damals ganz Deutschland für diese Kunstrichtung; so steckte auch der Director dieser neuen Theatergesellschaft sich ein hohes Ziel, sie sollte etwas Vorzügliches leisten, er wollte eine Musterbühne schaffen. Doch bald sollte der hochstrebende Mann empfindliche Täuschungen erfahren, er verschwendete große Mühe und Fleiß für einen undankbaren Boden, was wiederum Sorge und Verstimmung zur Folge hatte und sein Eheglück und seine Subsistenz um so mehr trübte, als die junge Gattin das rauhere Klima nicht vertrug und nach kaum anderthalbjähriger Ehe starb. So furchtbar dieser Verlust den Schauspieldirector traf und erschütterte, so widmete er sich doch auch nachher mit allem Eifer und Ausdauer seinen Pflichten, die dramatische Kunst nahm ihn ganz in Anspruch, er besaß ein tiefes Verständniß für die höchsten Anforderungen derselben.

Nach ein paar Jahren entdeckte er in einem vierzehnjährigen Mädchen, das von ihm unbeachtet als die Tochter des Theaterdieners Bürger aufgewachsen war und mitunter zu den kleinsten Nebenrollen verwendet wurde, ein echtes Talent für die Bühne. Aeußere Anmuth, ein weiches, klangreiches Organ, graciöse Haltung und Bewegungen fielen angenehm auf bei jedem Auftreten. Er erkannte gewissermaßen die ganze Zukunft, die, noch in der Knospe eingeschlossen, sich zur Prachtblume entwickeln werde bei sorgfältiger Ausbildung. Diese machte er sich nun bei Sophie Bürger zur Aufgabe und wurde selbst ihr Lehrer in den Elementarwissenschaften, da sie damals weder lesen noch schreiben konnte. Als Sophie noch nicht fünfzehn Jahre alt war, verheiratete er sich mit dem von der Natur so reich begabten Mädchen, dessen Geistesanlagen die seltensten und mit einem so guten Gedächtniß vereint waren, daß sie größere Rollen treu auswendig behielt, nachdem er ihr dieselben dreimal vorgelesen hatte. Auch viele andere Dinge erlernte Sophie mit großer Leichtigkeit. Dennoch war und blieb sie vorläufig in mancher Beziehung ein Kind, das, ganz an Ungebundenheit gewöhnt, bis jetzt nur in’s Blaue hinein geschaut und gelebt hatte, daher ihr jeder Ernst und jede feste Ordnung, oder gar Zwang, sehr zuwider sein mußte. Sie nun sollte der Stolz des Gatten werden, und mit großer Strenge mußte die kindlich junge Frau den Lehrstunden obliegen, große Rollen lernen, so daß dies Uebermaß von Studien ihr eine drückende Fessel ward. Nur die Furcht vor dem Zorn ihres Mannes trieb sie zur Erfüllung seiner Gebote, er schloß sie mit einem aufgegebenen Pensum ein, wenn er ausging. Da ist es [103] denn zuweilen vorgekommen, daß sie dennoch ihre Aufgaben zu machen vergaß, einschlief oder anderen kleinen Zerstreuungen in ihrem Zimmergefängniß sich hingab, – mit Schrecken den strengen Lehrmeister heimkehren hörte und sich dann in einem Schranke oder unter einem Teppich versteckte, da das heftige leidenschaftliche Temperament des Mannes sich sogar zu körperlichen Strafen hinreißen ließ!

Unter solchen Verhältnissen gebar Sophie, noch nicht sechszehn Jahre alt, den Sohn am 15. September 1796. Er wurde in der lutherischen Kirche zu Reval getauft und in das Buch des Lebens mit den Namen: Wilhelm Philipp Joseph Anton Carl eingeschrieben. Sie war dem Knaben eine sehr zärtliche, liebevolle Mutter, – daneben entwickelte sich ihr ganzes Wesen und ihr Talent zur dramatischen Kunst mit Riesenschritten. Ueberall, wo sie auftrat, erntete sie ungetheilte Bewunderung, trotz der nie befriedigten Ansprüche des Mannes, weshalb ihre Ehe ein steter Kampf blieb, je mehr Selbstschätzung Sophie durch ihre Erfolge gewinnen mußte. So bestand diese unbeglückte Ehe denn auch nur sieben Jahre, wo eine förmliche Scheidung erfolgte. Den Sohn behielt der Vater, die Mutter trennte sich mit blutendem Herzen von dem sechsjährigen Knaben, wie es der Canonicus Smets später in seinen Elegien erzählt:

„Aber nicht konnt’ ich versteh’n tief ernstere Blicke des Vaters,
     Nicht den gedehnteren Kuß, welchen die Mutter mir gab:
Die mich in Liebe gepflegt, an Alter ungleich und Gesinnung,
     Lösten ein Bündniß, das kaum sieben der Jahre gewährt.“

Zu Breslau schieden sie von einander, und von da an verließ auch der Vater die Bühne, die Sehnsucht nach seinem früheren Berufe ließ ihn als Hofrath in die Dienste des Reichsgrafen von Plettenberg-Miethingen-Ratibor eintreten, wo er eine Richterstelle bekleidete. Aber nach ein paar Jahren zog es ihn wieder mit mächtiger Sehnsucht nach der einstigen Heimath, nach Aachen und den Rheinlanden, zurück. Durch die Fürsprache seines gütigen Gönners, des bekannten Fürsten Dalberg, war ihm eine hohe richterliche Stelle zugesagt, die er in Bonn einnehmen sollte, zum Zwecke einer völligen Bestätigung rief ihn Fürst Dalberg nach Paris, wo derselbe sich damals aufhielt. Der Sohn besuchte einstweilen das französische Lyceum zu Bonn, er bezeigte Talent zur Malerei, und der Vater, der selbst eine so große Neigung zu allen schönen Künsten hegte, bestimmte den Sohn ganz für diese Kunst. Indessen ereilte ein furchtbares Schicksal den Hofrath Smets angesichts des ruhigen Hafens, in welchen er sein und des Sohnes Lebensschiff schon einlaufen sah. In heiterer Gesellschaft an der Tafel des Fürsten Dalberg zu Paris wurde der vielgeprüfte Mann plötzlich irrsinnig! Zurückgebracht in die deutsche Heimath, übergab man ihn einer Irrenanstalt, ich weiß leider nicht mehr ob zu Aachen oder Bonn. Der nun elfjährige Sohn wurde einer Unterrichtsanstalt der Jesuiten übergeben, wo er eine ausgezeichnete wissenschaftliche Bildung erhielt. Allein das Kind hing mit grenzenloser Liebe am Vater, der seinerseits bis dahin sein ganzes Herz dem Sohne geweiht, während dieser von seiner Mutter Sophie nur eine dämmernde Erinnerung hatte.

Die freien Stunden brachte der verlassene Knabe in der Zelle des Wahnsinnigen zu. Dieser beruhigte sich sofort, wenn das von ihm so sehr geliebte Kind eintrat, er war dann wieder ganz der zärtliche Vater, von welchem sich wieder loszureißen dem Kinde alle Mühe kostete. Zwei Jahre währten diese Leiden, da erlöste der Tod den unglücklichen Mann. Ein Denkmal der kindlichen Liebe hat ihm der Sohn in seiner späteren Elegie „des Vaters Grab bei Aachen“ – in der Sammlung „Gedichte von Wilhelm Smets, Stuttgart und Tübingen bei Cotta 1840“, die v. Ehrenstein herausgab – gesetzt. Der elfjährige Knabe trug schon damals eine bewußte Sehnsucht nach der Mutter, aber es gab Niemand, der ihm von ihr hätte Kunde geben können. Der Zusammenhang und der Verkehr mit fernen Gegenden war in jenen Zeiten noch sehr beschwerlich und selten, es gab nicht den hundertsten Theil von Zeitungen und Journalen, wie solche jetzt coursiren, auch gaben diese nur Nachrichten der wogenden Welt. Ereignisse der Jahre 1807–1808; mochte auch immerhin schon in diesen Jahren Sophie Schröder, wie sie durch ihre Wiederverheirathung mit dem Schauspieler Schröder nun hieß, eine berühmte Schauspielerin geworden sein, der Sohn hatte keine Ahnung davon. So lebte er ausschließlich seinen Studien, auch der Ausbildung in der Malerei, wofür man ihn eigentlich bestimmt hatte. Als nun die Jugend Deutschlands sich sammelte, da reihete auch Wilhelm Smets, der sechszehnjährige Jüngling, sich einem Freiwilligencorps an und wohnte dem ganzen Feldzuge bei, nach dessen Beendigung er in preußischen Militärdienst trat, nachdem er bereits das Officierpatent hatte.

Niemals verstummte in seinem Herzen die Stimme der Natur; auch in den Unruhen des Krieges, im Siegesgefühl zu Paris nicht, wo dem Jünglinge die Herrlichkeit der Welt durch Luxus in aller Hinsicht, durch die vollendetsten Kunstwerke, wie sie Napoleon der Erste dort angehäuft, zur Anschauung kam, – auch da durchdrang ihn ein sehnliches Verlangen zu wissen, ob und wo die Mutter lebe, in ihrer Liebe das höchste Glück zu genießen. Unermüdlich forschte er nach Beendigung des Kriegszuges nach ihr, und es wurde erst 1816 ihm die unsichere Vermuthung, daß sie in Wien lebe und als k. k. Hofschauspielerin angestellt sei. Nun pilgerte der treue Sohn gen Osten, und wie er die Mutter suchte und fand, das bezeichnen in schönster Weise seine dichterischen Worte:

Die Spur der Mutter.

Ob mir die Mutter noch leb’ und wo? das war mir Geheimniß;
     Aber die Ahnung verhieß: sicherlich lebet sie noch!
Still’, ihr getreu, nachforscht’ ich mit Sehnsucht des kindlichen Herzens,
     Und ich entdeckte der Spur zweifelhaft dämmerndes Licht.
So wie nach Osten gewandt, nach dem goldenen Thore des Morgens,
     Dort der Erwartungen Ziel hoffet der Pilger zu schaun:
So nach Osten auch zeigte die Spur, und schwellende Segel,
     Heiliger Sehnsucht Bild, führten zum Ziele mich hin!

Sophie Schröder.

Sie, sie soll es doch sein, die gefeiertste Mime der Deutschen,
     Die aus der Kindheit Traum mir noch als Mutter erschien.
Solches verhieß mir die Spur, der ich treu sehnsüchtig gefolgt war:
     Nun, der Ersehnten so nah’, faßte mich Zweifel auf’s Neu’!
Aber es trieb mich zuerst nach Melpomene’s Tempel die Ahnung,
     Hier, hier sollt’ ich sie sehn, hier sie erkennen vielleicht!
O wie ward ich erfaßt von dem Bild, das jetzt vor den Blicken
     Staunend erwartenden Volks wurde vorübergeführt!
„Salomes Urtheil“ war’s, es standen die Mütter, die beiden
     Schon vor dem Throne, das Schwert zuckte schon über dem Kind,
Aber in schrecklicher Qual stürzt nieder die eine der Mütter:
     „König, verschone mein Kind, gieb es der Anderen hin!“ –
Gott, wie wurde mir da! Ganz deutlich vernahm ich die eig’ne
     Stimme, so wie sie mir selbst tönt aus der volleren Brust,
Thränenden Blicks entdeckt’ ich im Antlitz die eigenen Züge,
     Stirn und Augen und Mund, selbst auch das Grübchen im Kinn.
„Mutter, Du bist’s! Ich zweifle nicht mehr, es lebet Dein Kind noch!“
     „Wilhelm! mein ältester Sohn!“ rief sie und sank mir an’s Herz.

Wie viel tiefer ergreifend, ja erschütternd war die lebendige Mittheilung vom Munde des Sohnes! Es mußte in’s Herz eindringen, wie beseligte Freude ihm dies Wiederfinden der Mutter, die zugleich als vollendete Künstlerin auch seine Ideale in dieser Richtung befriedigte, für sein ferneres Leben verhieß. Solche Freude, solche Bewunderung konnte eben nur ein Gemüth empfinden, wie es diesem Manne eigenthümlich war, den selbst nach dem Wechsel seines Lebensberufes vom Künstler- und Militärstande zum Priester der katholischen Kirche niemals die Liebe zur Kunst in höherer Bedeutung verließ. Er dankt es seinem verstorbenen Vater noch in poetischem Erguß:

„Doch was sorglich Du pflegtest im Geist des empfänglichen Knaben,
     Wie Du für edles Gebild Herz mir erschlossen und Blick,
Nie mein verändertes Loos hat Trieb mir und Neigung verwandelt,
     Bleibt mir doch Krone des Glücks, Blüthe des Lebens – die Kunst!“

Wie ihn das Bewußtsein beglückte, mit der liebevollsten Mutter eine tiefe Harmonie des Wesens zu haben, wie dieses Band ihre Herzen fest verband, das war noch dem Manne mit zweiundfünfzig Jahren in all seiner Kränklichkeit ein erhebender Gedanke! Auch seine Halbschwester Wilhelmine Schröder-Devrient, die so große Bewunderung als Künstlerin erwarb, liebte der Canonicus Smets als treuer Bruder, und erzählte mir verschiedene Züge ihres unbeschreiblich guten Herzens! Ihre Wohlthätigkeit, ihre liebenswürdige Freundlichkeit gegen jeden Stand, bezeigte sie namentlich bei einem längeren Besuch, als der Bruder Pastor einer Dorfgemeinde war. Auf einer Bauernhochzeit verschmähte sie es nicht, ein paar Tänze mit den Burschen des Dorfes zu machen und ihnen ein Volkslied vorzusingen, wodurch sie selbst diese entzückte. – Das Bild dieser ausgezeichneten Frau hatte in der That im Profil ähnliche Züge mit dem des Bruders, so verschieden auch die Stufe äußerer Schönheit unter Beiden sein mochte. Im Jahre 1848 lebten noch beide hochbegabte Frauen; die Mutter, Sophie Schröder, [104] hatte sich von der Bühne zurückgezogen und wohnte zu Augsburg, sie bezog eine Pension als kaiserl. königl. österreichische Hofschauspielerin. Die so lange getrennt gewesenen Familienglieder sahen sich von Zeit zu Zeit.

Wenige Monate, nachdem ich diese so anziehende Bekanntschaft gemacht, und noch ehe eine verabredete Correspondenz begonnen hatte, nahm der Tod den edlen Canonicus Smets hinweg, er starb zu Aachen im November 1848. Lange Jahre hat ihn Sophie Schröder überlebt, die auch noch ihre vorangegangene Tochter Wilhelmine beweinen mußte.

Alles, was ich vorstehend aus dem Leben des Sohnes, des Canonicus Domherrn Smets, weiland zu Aachen am Dom, gesagt, war gewiß eng mit dem Leben der Mutter verflochten, und es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß die große Frau auch daran mütterliche Freude und Befriedigung gehabt, des Sohnes Leistungen in der Theologie als Schriftsteller anerkannt und geschätzt zu sehen. Er schrieb eine Uebersetzung des Tridentinischen Concils und des Catechismus Romanus. Auch über das Leben des heiligen Franziscus von Sales soll er geschrieben haben, und in der letzten Zeit „Reminiscenzen“.