Die Feste in Weimar

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Textdaten
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Autor: Albert Fränkel
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Titel: Die Feste in Weimar
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 503–504
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[503] Die Feste in Weimar. Unter freiem Himmel, mitten im strahlenden Grün des Weimarischen Parkes und der riesigen Bäume seiner berühmten „Stern-Allee“, ist in der Morgenfrische des 9. Juli der Erinnerung an die vor hundert Jahren erfolgte Gründung jener lieblichen und denkwürdigen Parkschöpfung eine ernste und weihevolle Feier gewidmet worden. Unser geschätzter Mitarbeiter, Robert Keil, welchem unsere Leser die bereits in Nr. 27 der „Gartenlaube“ veröffentlichten Mittheilungen zur Geschichte des Parkes verdanken, hielt bei der erwähnten Feier eine schwung- und gehaltvolle, mit ergreifenden Rückblicken in eine große Vergangenheit durchwebte Ansprache an das überaus zahlreich herbeigeströmte Publicum. Gesang und Instrumentalmusik hatten diese fesselnde Rede eingeleitet, und wahrhaft erhebend war der Moment, als nach Beendigung derselben die hohe Gestalt Franz Liszt’s auf die Tribüne trat. Der Meister ergriff den Tactirstock, und nun wogten die mächtigen Klänge seines Goethe-Marsches über die Köpfe der versammelten Tausende hinweg in die goldige Luft des thaufrischen Sommermorgens. Kein Anwesender, der die Bedeutung der classischen Stätte zu empfinden vermag, wird den eigenthümlich poetischen Eindruck des einfach und sinnig gestalteten Actes wieder vergessen, und doch bildete derselbe nur einen zufälligen Nebenpunkt in der Reihe der großartigen Festlichkeiten, von denen das weimarische Ländchen in jenen Tagen der zweiten Juliwoche bewegt wurde.

In Augenblicken, wie es der jetzige ist, wo verhängnißschwere Weltfragen und politische Erschütterungen im Inneren des eigenen Vaterlandes weithin die Gemüther bestürmen und in Spannung versetzen, pflegen die bloßen Familienereignisse einzelner Bezirke und kleiner Territorien außerhalb ihrer Grenzen nicht sonderlich beachtet zu werden. Für Deutschland hat seit lange in dieser Hinsicht nur immer Weimar eine Ausnahme gemacht. Was in der kleinen und stillen Residenzstadt Karl August’s, auf der einstmaligen Wohnstätte Goethe’s und Schiller’s, Herder’s und Wieland’s Bemerkenswertes sich ereignet, das hat noch jederzeit draußen in der großen Welt, unter den Gebildeten unserer Nation eine aufmerksame Gemeinde und eine so warme Theilnahme gefunden, wie sie jetzt wiederum bei dem fünfundzwanzigjährigen Regierungsjubiläum des Großherzogs Karl Alexander aller Orte im weiten Vaterlande sich geäußert hat. Die stille Hochachtung und Anerkennung, derer dieser Regent in allen deutschen Ländern sich erfreut, ist auch ohne Zweifel eine wohlverdiente. Weiß man doch überall zur Genüge, daß er das Erbe seines großen Ahnen bisher im Geiste desselben verwaltet hat und mit seinem Verständniß [504] und sorgsamer Pietät die Traditionen der großen Blüthe- und Ruhmeszeit Weimars den Erinnerungen der Nachwelt, dem Anrecht der gesammten Nation nach Möglichkeit zu erhalten sucht. Während es jetzt in Deutschland regierende Nachkommen giebt, welche gegen die herrlichsten, einst für das Wohl des Volkes hergestellten Schöpfungen hochgeachteter Vorfahren, z. B. wider ihre großartigen öffentlichen Gartenanlagen, aus Rücksichten der Geldersparniß einen erstaunlichen Vandalismus ausüben, findet sich in Weimar keine ehrwürdige Spur ehemaligen idealen Wirkens, der man nicht ansähe, daß sie von dem Bewußtsein einer hohen Pflicht und dem Auge einer zartsinnigen Liebe bewacht und gehütet wird.

Aber nicht blos auf diese Pflege eines poesievollen Todtencultus erstreckt sich die Sorgfalt. Die ganzen fünfundzwanzig Jahre her ist Karl Alexander ein bescheidener und volksliebender Fürst gewesen, der seine Regierung streng verfassungsmäßig und ohne jeden ernsteren Conflict mit dem Lande und seiner Vertretung geführt hat. Die Verhältnisse des Landes sind im Sinne freier Selbstverwaltung wohlgeordnet, das Schul- und Bildungswesen ist durch vortreffliche Leitung und emsigste Aufmerksamkeit zu einer musterhaft gedeihlichen und erfolgreichen Entwickelung gebracht, und besonders erfreulich ist in der Schule wie in der Kirche, im Staate wie in der bürgerlichen Gemeinde ein Geist milden Freisinns und duldsamer Versöhnlichkeit, sodaß schroffe confessionelle Differenzen auf diesem Boden Herder’s und Röhr’s auch ferner zu irgend einer störenden Geltung niemals gelangen konnten. Dazu kommt ein thätiger Drang zur Forderung hochidealer, namentlich künstlerischer Zwecke im Sinne der weimarischen Ueberlieferungen. Das nach künstlerischen Intentionen geleitete Hoftheater gehört seit einer Reihe von Jahren zu den besten Deutschlands und die Abonnementspreise sind für die Einwohner so billig gestellt, daß auch der Unbemittelte sich diesen Genuß nicht zu versagen braucht. Zu den Bauten, welche unter dieser Regierung ausgeführt wurden, gehört neben der umfassenden und prächtigen Restaurirung der Wartburg besonders das in monumentalem Stile errichtete Museum, ein Schmuck der überhaupt vielfach verschönerten Residenz. Außerdem aber sind vom Großherzoge auch wirksame Anstalten begründet worden, wie die blühende Kunst- und Malerschule und das gleichfalls bereits zu Ruf gelangte Institut zur Ausbildung tüchtiger Orchesterspieler.

Daß alle diese Bestrebungen, verbunden mit der deutsch-nationalen Gesinnung und der patriotischen Reichstreue dieses Fürsten, nicht ohne sichtlich veredelnden Einfluß auf die Gesittung des Volkes geblieben sind, ist natürlich. Um zu sehen, was in dieser Hinsicht durch das Beispiel und Wirken von oben her gethan und verhindert werden kann, braucht man nur die Zustände z. B. in Mecklenburg und das todte Wesen, die stumpfe und dumpfe Geistesöde in manchen unserer Kleinstaaten und ihren Residenzen mit den Verhältnissen in Baden, Weimar etc. zu vergleichen. Auch für solche Zeichen der Liebe und Dankbarkeit, wie sie jetzt Karl Alexander freiwillig aus dem Herzen seines Volkes entgegengebracht wurden, ließe sich in vielen der anderen kleinen Länder wohl kaum noch der nöthige Schwung und Antrieb, kaum noch eine so imposante Kraft poetischen Ausdrucks und überraschenden Schönheitssinnes finden, wie sie das kleine Weimar in den eben gefeierten Bürger- und Künstlerfesten gezeigt hat. Das heitere weimarische Festidyll, inmitten einer Zeit düsterer Stürme, verdiente die Aufmerksamkeit der deutschen Nation als ein trostreiches und erquickliches, weit über den engen Localrahmen hinausragendes Culturfest.

A. Fr.