Die Gartenlaube (1866)/Heft 33

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1866
Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[505] No. 33.
1866.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Der Dommeister von Regensburg.
Geschichtliche Erzählung von Herman Schmid.


Ein schöner Aprilabend dunkelte über dem engen Straßenknäuel von Regensburg: nur die Spitzen und Stufengiebel der hohen Häuser waren noch vom röthlichen Nachglanz des Sonnenuntergangs erhellt; über dem Platze aber, wo der Dom gebaut wurde, wölbte sich ein weiter, blauer Lichtraum, in welchen das noch unvollendete Gebäude mit Phialen, Zacken und Thürmchen, mit Mauern, Krahnen und Gerüst dunkel und erhaben emporstieg wie ein künstlich aufgeschichtetes Gebirge.

Am Fuße des gewaltigen Baues, in einer aus starkem Gebälke gefügten Hütte, stand ein Mann an’s offene Fenster gelehnt und sah unverwandten Blicks in den Abendhimmel empor, an dem schon einzelne Sterne aufblitzten; es war nicht zu erkennen, ob er nur die einströmende Abendfrische und Frühlingsluft genießen und sich mit seinen Gedanken im Blauen verlieren wollte, oder ob sein Auge prüfend und forschend an den Umrissen des Gebäudes hing. Jedenfalls war er so tief in Sinnen versunken, daß er die Zimmerer und Steinmetzen nicht gewahrte, welche Feierabend gemacht hatten und nacheinander die Bauhütte verließen. Sie zogen im Vorübergehen ehrerbietig die Mützen und sagten nach Brauch ihren Werkspruch, wie sie nun redlich Schicht gemacht hatten und den Bau in Gottes Schutz verließen; der Mann grüßte nicht hinwider und vergaß sogar, mit dem üblichen Schlußreim zu entgegnen, wie nun statt ihrer Sanct Johannes kommen und getreue Hüttenwacht halten werde. Es war eine kräftige, wohlgebildete Gestalt im ersten Mannesalter, in einen dunkeln Koller gekleidet, über den ein weiter Aermelrock mit Verbrämung von Marderpelz geworfen war; eine ähnlich aufgeschlagene Mütze saß keck über der männlich offenen Stirn und den kühnen, scharfblickenden Augen, langes, dunkles Haar fiel kunstlos auf Nacken und Schultern und nur an den Schläfen waren die Locken schon mit einem leichten Silberanfluge bestreut.

Unweit davon, hinter dem Werktische, stand ein Anderer, in Allem so ziemlich das gerade Widerspiel des Ersteren; ein feines Männchen von hagerer Gestalt in eine warme Pelzschaube gewickelt, wie zum Schutze gegen eine Erkältung durch die Frühlingsluft, welche abendlich frisch durch das Fenster hereinwehte. Das Gesicht war hager und bleich, aber von klugem Ausdruck; gleich den zarten Händen und dem kostbaren Sammetwamms mit dem Mäntelchen darüber, verrieth es, daß der Mann nicht in Werkstatt oder Lager als Kriegsmann oder Bürger gelebt, sondern seine Tage als Gelehrter in der Stube verbracht haben mußte. Auch er schien weder Auge noch Ohr zu haben für das, was um ihn her vorging, und war ganz in das mächtige Pergamentblatt vertieft, das auf dem Tische vor ihm ausgebreitet lag und worauf der Dom gezeichnet war, wie er einmal fertig dastehen sollte.

„Ein wunderbares Gebäude!“ rief er endlich, indem er mit dem Finger leichthin die Linien des Planes beschrieb. „Ist allerdings schwer zu entscheiden, was daran fürtrefflicher, ob die innern Hallen mit den gewaltigen Säulenbündeln und den luftigen Kreuzgewölben, oder die äußere Zier und Pracht und die Keckheit, mit der die Thürme sich über die Kirche wie bis in den Himmel hinein erheben! Solches zu betrachten ist ein wahrhaftig Labsal für ein kunstsinnig Gemüth und möchte unsereins wohl die Glücklichen beneiden, denen es verstattet sein wird, das vollendete Werk zu schauen und sich daran zu ergötzen!“

Der Mann am Fenster schwieg einen Augenblick und sah noch fester nach den Thürmen empor, deren stumpfe Häupter noch um manches Stockwerk von dem Punkte ferne waren, wo das Aufsetzen der ihnen bestimmten durchbrochenen Steinkronen beginnen sollte. „Ein schöner Wunsch, Herr …,“ sagte er dann, „und doch wollt’ ich mir’s genügen lassen, so Jemand es vermöcht’ und könnt’ mir nur die Gewißheit geben, daß der Dom wirklich einmal vollendet dastehen wird!“

„Zweifelt Ihr daran?“ rief nähertretend das Männchen im schwarzen Wamms. „Ist doch das Hauptgebäude bereits vollendet; Schiff und Chor, Abseiten und Giebel sind fertig und schon mit allerlei Schmuck verziert; wird doch schon Amt und Predigt darin gefeiert mit Gesang und Orgel, also daß schier nur noch die Thürme auszubauen übrig scheint.“

„Nur noch die Thürme?“ entgegnete der Mann mit leichtem Spott in Ton und Geberde. „Das bedünket Euch wohl gar ein gering und leicht fügsam Werk? So Ihr das vermeinet, seid Ihr in argem Irrthum, Herr! Daß Schiff und Chor fertig sind, daß sie schon predigen können und Messe lesen … darin steckt eben das Uebel! Sie haben, was sie unerläßlich bedürfen; wär’ es wohl das erste Mal, Herr, daß man sich damit begnügt? daß der Eifer erkaltete für die schöne Zier … daß man für entbehrlich hält, was nicht völlig unumgänglich ist?“

„Ihr seid wohl zu ängstlich!“ rief das feine Männchen und wickelte sich eifrig noch tiefer in seinen Pelz, als wollte es andeuten, wie sehr ihm das Schließen des Fensters erwünscht wäre, durch das es immer kühler hereinstrich. „Wie lange ist es doch, daß mit dem Bau begonnen ward?“

„Seht Ihr dort drüben den mächtigen Steinblock in der Ecke des alten Krenzgangs? Darauf ist zu unterst die Jahrzahl 1275 eingegraben; damals, es war gerade um dieselbe Zeit im Jahr, [506] war die alte hölzerne Kirche, von der die Chronica meldet, vom Blitz getroffen worden und ein Regensburger Kind, Herr Leo Dundorfer, der’s bis zur Bischofsmütze gebracht, der legte den Grundstein.“

„Und jetzt stehen wir im Jahre des Herrn 1514 …“ sagte der Hagere bedächtig rechnend vor sich hin … „also nicht volle dreihundert Jahr sind vergangen, seit die Gemeinde von Regensburg sich eines solchen Riesenwerks vermaß! Was ist diese Zeit für diesen Bau – wie ein achtes Weltwunder steht er jetzt schon da, wie ein ewiges Denkmal, was der feste Wille vermag und der gläubige Sinn!“

„Und vor Allem die Eintracht!“ setzte der Andere mit bedeutsamem Nachdruck hinzu.

„Sollt’ es daran gebrechen in dem reichen, mächtigen Regensburg?“ fragte der Hagere staunend entgegen und trat mit weit vorgestreckten Armen rasch an das Fenster, weil der Mann Anstalt machte, noch einen Flügel desselben zu öffnen. „Wollt’ es auch nicht übel vermerken, so ich Euch ersuche, das Fenster zu schließen. Ihr möget wohl an derlei gewohnt und dafür gehärtet sein, dieweilen mich mein asthmatisches Leiden zwingt, alle Verkühlung zu meiden.“

„Soll geschehen, Herr,“ erwiderte der Angeredete; „wollt’ Euch nur Gelegenheit geben, auf die Frage, so Ihr eben gestellt, die Antwort recht deutlich von außen zu hören … horchet einmal …“

Durch die inzwischen völlig eingetretene Dunkelheit erscholl von draußen her wüstes, verworrenes Geschrei, vermischt mit Waffengeklirr und einzelnen, scharf gellenden Glockenschlägen.

„Ihr müßt nicht lange in deutschen Landen und noch kürzere Frist in Regensburg sein, Herr,“ fuhr der Mann fort, indem er das Fenster schloß, „sonst wüßtet Ihr, daß das nicht mehr die reiche, mächtige Stadt ist, die Ihr in Gedanken haben mögt! Die drei Säcula sind nicht darüber weggezogen, ohne gar Manches zu ändern … der Gemeingeist ist erloschen, Rath und Bürgerschaft liegen miteinander seit Jahren in Hader und Zwietracht und drüber haben sie’s versehen, wie die gierigen Nachbarn uns allmählich eingebunden und eingeschnürt haben, daß wir uns nicht mehr regen können … die Bürger können und wollen nicht mehr steuern, denn das reiche Regensburg ist verarmt, die Christenheit aber ist lau geworden im Glauben, und darum ist auch das Gnadenbrünnlein versiecht, das der Papst dem Dombau verliehen … die Ablaßpfennige fließen nur mehr tropfenweise.“

Der Hagere schüttelte bedächtig das ernste Haupt. „Freilich, so es sich also verhält,“ sagte er, „sind das schlimme Anzeichen und Prästigia! Habe all’ das nicht so gewußt, weil ich erst kürzlich von einer weiten Reise aus Hispania zurückgekommen, so ich im Auftrage des Kaisers Maximilian vollführt, um kostbare Bücher und Handschriften aufzuspüren. Der Kaiser ist ein Freund und großgünstiger Mäcenas der Künste, und wie ich wieder zu ihm komme, werde ich ihm Vorstellung machen, daß er ein gnädig Einsehen nimmt und auch dafür sorgt, daß der Zwietrachtsgöttin, die den Zankapfel in diese Stadt geworfen, die Hände gebunden werden. Werd’ ihm auch von Euch erzählen, Meister, denn seit ich das Sacramentshäuschen gesehen, das Ihr in dem Dome ausgeführt, habt Ihr keinen eifrigern Verehrer Eurer Kunst, als den alten Doctor Leonardus Stabius! Werde kaiserlicher Majestät sicher von Euch erzählen und ich darf mich wohl rühmen, daß mein Wort Gewicht hat in seinem Sinn: ist er es doch gewesen, der mich mit aller Gnade überhäuft, auch eigenhändig vor dem ganzen kaiserlichen Hofe als Poeten gekrönet hat. … Sagt doch, Meister, seid Ihr nicht ein Nachkomme des berühmten Steinmetzen Roritzer, der am Stephansdom zu Wien mitgeholfen und das Beste gethan bei der Lorenzer-Kirche in Nürnberg?“

„Es war mein Ahn, Herr Stabius,“ entgegnete der Meister, „und hieß Wolfgang, wie ich; mein Vater, Matthias Roritzer, ist nach ihm Dommeister gewesen.“

„Und was Vater und Sohn begonnen,“ sagte Stabius und bot Roritzer lächelnd die Hand, „das wird der Enkel vollenden! Ihr seid noch zu guten Jahren, Herr Dommeister, möget immer noch so ein vierzig Jährlein vor Euch haben, zu wirken und zu schaffen … Gebet Acht, meine Prophezeiung wird sich erfüllen und als der größte Eures Namens werdet Ihr die Reihe schließen und der letzte Dommeister sein!“

„Ihr meint es wohl gut mit mir, Herr Doctor,“ erwiderte Roritzer, „aber ich weiß nicht, wie es geschieht, es will keine rechte Freudigkeit, keine feste Zuversicht mehr aufkommen in meinem Gemüth! Gebe Gott, daß Euer Spruch sich nicht in schlimmem Sinn erfüllt … drüben auf dem großen Quaderstein, den ich Euch vorhin gezeigt, sind all’ die Werkzeichen derer eingehauen, die als Steinmetzen und Dommeister an dem Bau mitgeholfen; es ist Brauch so, daß Jeder in der Hütte sein Zeichen zurücklaßt.“

„Welch’ ein Zeichen habt Ihr gewählt?“

„Ein schwarzes Kreuz, Herr, am untern Stamm gebrochen. Das Kreuz wird einmal auch in dem Quaderstück eingehauen stehen und das wird vielleicht Alles sein, was man von Wolf Roritzer wissen wird… Weiß man mehr von Meister Ludwig, der den Werkplan gemacht? Von Meister Andreas, der den Chor gebaut? Aber wenn es so ist, soll’s mich nicht kränken, ich begehre nicht mehr als sie! Drum ist unsre Kunst die größte von allen, weil Einer allein ein solches Werk nicht ausführen kann, weil ihrer Viele zusammenhelfen müssen und weil ein Jeder sich selbst vergessen muß über dem Werk, das sie schaffen alle nacheinander und doch miteinander. Mir soll’s genug sein, auch mein redlich Theil daran geschaffen zu haben … wüßt’ ich’s nur gewiß, daß der Bau nicht stocken wird, daß er einmal vollendet dasteht …“

Der Poet wollte erwidern, aber die Thür ging auf und der Gruß eines rasch Eintretenden schnitt ihm das Wort vom beredten Munde ab. Es war ein kleiner, stark beleibter Mann mit rothem, fröhlichem Gesicht und munteren Augen, zu denen das schneeweiße, starke und etwas wirre Haupthaar ganz wundersam stand, ein Greis mit dem Aussehen, der Behendigkeit und dem Feuer eines Jünglings. „So hat’s das Blitzmädel doch errathen!“ rief er lachend. „Da sitzt er richtig einsam und in der Finsterniß wie eine Nachteule! Hast wohl die Weinglocke überhört, Wölflein? Ich war schon zweimal in der Donauwacht und hab’ nachgesehen im güldenen Greiffen; Sibylle, das Schenkmädel, hat auch um Dich gefragt und hat dabei ein paar Augen gemacht, so verdreht und verwirrt, daß sie mich schier dauerte… Da bin ich nun hergelaufen und will Dich fragen, ob Du nicht weißt, daß ein richtiger Steinmetz, wenn er den Tag über genug Sand geschluckt hat, Abends hinter den Schenktisch gehört?“

„Kugle Dich nur erst vollends herein,“ erwiderte Roritzer, indem er Feuer schlug und mit dem Schwefelfaden eine alte Metalllampe anzündete, deren Form mit Schnabel und Henkel hohes Alter verrieth. „Laß Deine Schwänke, Alter, und sieh Dich um, wir sind nicht allein … Vermerkt es nicht übel, Herr Doctor,“ fuhr er gegen Stabius gewendet fort, „daß Ihr solchen Gruß vernehmt, es ist mein allzeit lustiger, fürtrefflicher Freund, Meister Loy, der Bildschnitzer …“

„Wie?“ rief Stabius, indem er beide Hände erhob und verwundert einen Schritt zurücktrat. „Ihr seid Loy? Hans Loy der Bildschnitzer? Der berühmte Loy?“

Der muntere Greis besah sich etwas verwundert den Fragenden und ein gutmüthiges Spottlächeln zuckte ihm um die Lippen. „Berühmt?“ sagte er dann. „Davon spür’ ich nichts, aber das hab’ ich sagen hören, daß die Köpfe und Figuren, die ich schnitze, Menschen eher gleichsehen, als Affen!“

„Ihr seid Loy?“ rief Stabius wieder, der sich von seinem Erstaunen noch immer nicht erholen konnte. „Ihr habt den engelischen Gruß in der Rosenkrone geschnitzt, der in der Stiftskirche zu Straubing hängt?“

„Habt Ihr ihn gesehen, Herr?“ fragte der Bildschnitzer noch immer etwas unsicher.

„Gesehen und bewundert! O, welch’ ein glückseliges Gestirn ist es, so über dem heutigen Abend regiert und mich zu zwei solchen Männern und Künstlern geführt! Ich werde den Tag im Kalender roth anstreichen. Wie wird mein kaiserlicher Herr sich freuen, wenn ich ihm von dieser Begegnung erzähle! Und wie will ich ihm erzählen; Ihr sollt zufrieden sein, wie ich Euer gedenken werde, Meister Loy, und Euer, Herr Roritzer!“

„Das ist all’ ganz gut, Herr,“ sagte Loy, der Stabius noch immer prüfend, wie mit Kenneraugen, betrachtete. „Aber ich weiß ja gar nicht …“

„Ihr wißt nicht, wer ich bin … mein Name ist Stabius, Leonardus Stabius, kaiserlicher, gekrönter Poet, auch der sieben freien Künste Doctor.“

Der Ausdruck in dem Gesichte des weißköpfigen Bildschnitzers ward immer eigenthümlicher und immer stärker zuckte es um seine [507] Mundwinkel, so daß der redselige Gelehrte in seinem Wortfluß zu stocken begann. „Ihr seid ein Poet, Herr?“ rief Loy. „Also so sehen die Poeten aus? Vermerkt mir’s nicht übel, Herr Doctor, so hab’ ich mir das nicht vorgestellt, und wenn ich einen Poeten hätte schnitzen sollen, würde er wohl anders ausgefallen sein! Aber meinetwegen, wenn man Euch als Poeten gekrönt hat, muß es doch wohl so sein… Was Ihr aber da sonst vom Kaiser gesagt, deshalb versetzt Euch um meinetwillen in keine Unkosten!“

„Wie, Ihr wolltet es zurückweisen, wenn die Gnade des Kaisers …“

„Gnade, Herr? … Es giebt nur Einen, der wahrhaftig Gnaden austheilen kann,“ sagte Loy mit Nachdruck, „und der hat mich nicht zu kurz kommen lassen, meiner Lebtage bis heut! Gnade des Kaisers! So ‘was hätte früher kommen müssen, wie ich noch jung war, da hätt’ es mir vielleicht genützt, hätte mir vorwärts geholfen – vielleicht auch nicht. Jetzt hab’ ich mich selber zu dem gemacht, was ich bin, da will ich mir von Niemand mehr dareinpfuschen lassen und wenn’s der Kaiser wär! Was ein alter Kerl für die paar Jährchen bedarf, die mir noch aufgehoben sind, das wird reichen für ein Wamms und für einen täglichen Trunk aus dem Mittelfäßlein; mehr brauch’ ich nicht… So Ihr aber dem da förderlich sein wollet, Herr Poet und Doctor, so Ihr etwas zu thun vermöget für Wolf Roritzer, den Thumbmaister …“

„Solches bin ich schon des Eifrigsten gesonnen!“

„Dann seid Ihr mein Mann! Seht, ich will es Euch nur sagen, … der Junge da, das Wölflein hat mir’s angethan, er ist mir an’s Herz gewachsen und wenn Ihr mir den beim Kaiser so recht herausstreichen wollt, daß er ihn in die Höhe hebt vor allen Andern, so werdet Ihr Euch keine Schande, dem alten Loy aber eine herzinnige Freude machen, und wenn ich einmal einen Poeten zu schnitzen bekomme, will ich das Muster von Euch nehmen …“

Roritzer hatte lächelnd zugehört und noch einiges Werkgeräthe in Ordnung gebracht. „Ei, ei, du liebe Eitelkeit!“ rief er jetzt. „Nun spricht er immer von mir und meint doch nur sich selbst; mich will er herausgestrichen haben, nur damit man wissen und davon reden soll, daß er mein Lehrer war.“

„Nun und wenn es so wäre, Du Gelbschnabel?“ erwiderte Loy und stemmte beide Arme in die Hüften. „Du brauchst Dich dessen nicht zu schämen, hast was bei mir gelernt, meine Schulmeisterei hat Dir wohl genützt … freilich, Du hast es auch verstanden, sie Dir zu Nutzen zu machen. Ich bin stolz auf Dich, mein Wölflein; in allen Bauhütten der Welt ist kein Meister, der Dir das Wasser reicht…“

„Ihr müßt den alten Plauderer nicht hören!“ unterbrach ihn Roritzer, indem er dem Gelehrten näher trat. „Wenn er in Zug kommt, zu schwatzen, stehen wir morgen früh noch hier. Kommt, Herr Doctor, wir wollen fort, in den Greiffen, es ist ein ganz ehrbares Zeichen, wir wollen beim Becher noch ein Stündchen verplaudern!“

„Solches ist nicht meine Art und Gepflogenheit,“ erwiderte, sich sachte zurückziehend, der Doctor. „Ich bin gewöhnt, Abends mein einfach Süpplein zu genießen und dann noch den Studien zu obliegen und der edlen Poesei…“

„Nichts da, Herr,“ rief der Bildschnitzer, indem er seinen Arm unbedenklich in den des Gelehrten legte, „im Greiffen sollt Ihr das richtige Süpplein kosten, so zur Poesei tauget, und Ihr werdet sehen, daß wir hinterm Humpen in einer Viertelstunde mehr Gescheidtes fürbringen, als Ihr in einer ganzen Nacht zusammenstudiret!“

„Aber Loy …“ tief Roritzer mißbilligend.

„Stille, Junge,“ entgegnete dieser lachend, „nicht geknurrt, Wölflein! Mach’, daß wir fortkommen; die braune Sibylle lugt sich sonst die Augen aus nach Dir! Nimm Deinen Mantel und gürte auch den Stoßdegen um, wir können ihn vielleicht brauchen…“

„Was? Wie?“ rief Stabius ängstlich, „so steht es in Regensburg? Man hat Waffen nöthig auf offner Straße, mitten in der Stadt?“

„Es ist nicht anders,“ erwiderte Loy, „aber sorgt nicht, Herr; unser Einem geschieht nicht leicht was zu Leide, auch wollen wir klüglich einen Umweg machen, es führt ein jeder Weg nach Rom, warum nicht auch in den güldenen Greiffen?“

„Aber was giebt es denn schon wieder?“ fragte Roritzer, während er sich rüstete.

„Was wird es geben! Die Schreihälse, die Wachthansen sind wieder einmal los und brüllen vor dem Rathhaus und dem Goliath, daß es einem das Gehör verschlagen könnte! Mich wundert, daß man es nicht bis hierher hört! Sie haben den Lyskirchner in der Arbeit; der ist ihnen wieder einmal durch den Sinn gefahren!“

„Lyskirchner? Der Stadtkammerer?“

„Als ob es zwei solcher gäbe! Sein Hochmuth hat Oel in’s Feuer gegossen; Du kennst ihn ja … ist ja Dein bester Freund, wenn Du von hinten zu zählen anhebst…“

„Was schwatzest Du wieder!“ rief Roritzer unwillig; „ich bin dem Kammerer nicht feind, aber ich will nichts zu schaffen haben mit ihm!“

„Sieh da,“ sagte der Doctor, ihn unterbrechend, „ich erfahre schon wieder Neues! Ich bin erst seit diesem Abend in Regensburg, da war es mein erster Gang, den Dombau zu besuchen, morgen aber wollt’ ich im Auftrag des Kaisers zu dem Herrn, den Ihr eben genannt, zu dem Patricier und Kammerer Lyskirchner, … es sollen gar seltene alte Handschriften in der Stadtbücherei liegen… So aber dieser Herr also übel geartet von Gemüth, fürcht’ ich schlimmen Empfang …“

„Deß habt Ihr nicht Ursach’,“ sagte der Bildschnitzer, „Ihr kommt vom Kaiser und habt nichts zu befahren; der Herr Kammerer ist nur hochmüthig gegen Alles, was unter ihm steht, nach oben macht er den Rücken krumm trotz einer Katze…“

„Ihr müßt nicht denken, Herr Doctor,“ rief Roritzer, „als sollt’ dem Herrn übel nachgeredet werden, und damit Ihr nicht eine schiefe Meinung bekommt von ihm und mir, muß ich Euch wohl sagen, warum wir nicht eben gut zu sprechen sind auf den Herrn. … Er ist Kammerer der Stadt, das ist so viel als anderswo der Bürgermeister; als solcher kam er auch einmal in den Dom, das Fortschreiten des Baus zu besehen, und wie’s meine Schuldigkeit war als bestallter Dommeister, macht’ ich seinen Führer und wies und erklärt’ ihm Alles, wornach er begehrte… Drauf kam er mit den Herren vom innern Rath, die bei ihm waren, davon zu reden, wie der Bau am schnellsten zu fördern sei; da dacht’ ich, das sei meines Amtes und Geschäfts, und vermaß mich auch meine Meinung zu sagen und meinen Rath dazu zu geben und mußte bescheidenlich dem widersprechen, was der Herr Kammerer gesagt. Da wandt’ er sich zu mir, sah mich von oben bis unten an und herrschte mir zu … das sei Sache des Raths, der Rath habe allein zu beschließen und werde beschließen, den Steinmetz werde man rufen lassen, sobald man ihn brauche …“

„So war’s,“ rief Loy dazwischen, „und wär’ ich dabei gewesen, ich hätt’ ihm wohl mit der richtigen Antwort gedient, so nahm’s einer vom Rath, der Herr Kitzthaler, auf sich und meinte, der Dommeister habe wohl zuerst mit zu reden beim Dombau, damit aber war’s nur ärger, und seitdem neckt und schiert er den Meister, wie er’s nur vermag! Hat’s eben heut’ wieder nicht anders gemacht! Es gährt und kocht schon lang in der Stadt, die Gemein’ hat allerlei Beschwer wider den Rath; da wurden aus jeder von den zehn Wachten vertraute Männer gewählt, die sollten’s fürbringen und gütlich ausgleichen mit dem Rath … auf morgen war der Tag bestimmt, und der Kammerer Lyskirchner und Hans Schmaller der Schultheiß, die sollten morgen die Beredung beginnen: da gewahrt einer von den Nachbarn, daß es in des Lyskirchner’s Haus sonderlich geschäftig ward und daß die Knechte Roß und Sänfte rüsteten wie zu einer Reise, und wie sie zu ihm schickten und ihn mahnen ließen, daß morgen das Geding sein solle mit ihm und den Vertrauten der Bürgerschaft, da schnauzt’ er sie ab und sagt’, er wisse das wohl, aber er hab’ ein wichtig Geschäft in Nürnberg, das könnt’ er nicht aufschieben um ihretwillen; sie sollten nur zuwarten, bis er wiederkäme!“

„In der That, das ist stark!“ rief Roritzer erregt.

„Ja, stark ist es und grob dazu,“ entgegnete Loy, „aber so wenig ich den Hochmuthsnarren leiden kann, ist doch etwas dran, was mir gefällt! Ist es doch auch stark, daß der Rath jedem Schreihansen Rede stehn soll und soll ihm Antwort geben für jeden Pfenning!“

„Wenn man ihm den Pfenning aus seinem Säckel nimmt, warum soll er nicht mitreden dürfen? Warum soll er nicht wissen, wer den Pfenning einsteckt?“

[508] „Das wird immer besser!“ rief Loy erstaunt. „Du nimmst wohl gar Partei für die Lärmer und Schreier? … Na, wenn ich dem Gesindel über die Köpfe dürfte, … Herrgott, sie sollten spüren, wie ich sie mir zusammenschnitzen wollte!“

„Schweig, alter Prahler!“ lachte der Dommeister. „Du würdest ihnen auch nichts thun, ich kenne Dich, Dein Gemüth ist weich, nur Deine Zunge schneidet! … Der Rath könnte ja Frieden machen mit einem Wort! Warum thut er es nicht? Warum weigert er sich die Stadtrechnung vorzulegen, wie sie fordern? Ich bin gewiß, es ist nichts Unrechtes darinnen zu verbergen .… warum nährt er durch Weigern und Zögern den Argwohn und die Nachrede? Geradheit, Offenheit ist immer das Beste!“

„Es ist nur gut, daß Dich keiner von den Spießgesellen hört,“ entgegnete Loy; „sie sähen Dich als einen von den Ihrigen an und machten Dich wohl gar zu ihrem Anführer und Hauptmann!“

„Du bist ein grauer Thor!“ rief Roritzer lachend. „Du weißt, daß mein Sinn und mein Weg weit ab führen von dem öffentlichen Treiben in Rath und Gemeinde … ich lasse dafür Andere sorgen, die besser berufen sind; mein Leben gehört meiner Kunst! Aber soll ich mir darum Aug und Ohr verstopfen, daß ich nicht höre und sehe, was um mich vorgeht … soll ich mich abschließen und verhärten, daß ich kein Herz mehr habe für meine Vaterstadt, wenn es ihr schlimm geht, für das Volk, wenn man ihm Unrecht thut?“

„Ein Herz für’s Volk?“ fuhr Loy kopfschüttelnd fort. „Vom Herzen spür’ ich nichts, wenn ich an’s Volk denke, aber im Magen liegt es mir, als ob ich ein Gericht Kieselsteine verschluckt hätte! Es geht mir wie Dir, Wölflein, meine Kunst geht mir vor Allem und was mir vorkommt, das schau’ ich mir Alles so an, als ob ich’s nachmachen sollt’ mit Schnitzmesser und Stemmeisen … drum ist mir die blinde rohe Menge zuwider, die nicht Form und Maß hat, nicht Ziel und Grenze … lauter verhunzte Köpfe, verschnitzelte Zerrbilder, die man auf einem Kreuzwegbilde kaum als Kriegsknechte brauchen könnte oder als Schergen. … Aber wir wollen gehen und uns all’ die Weisheit in den Greiffen versparen…“

„Nur noch einen Augenblick zögre,“ entgegnete Roritzer, „weil es doch nicht geheuer in der Stadt, will ich hinüber in die Werkhütten und nachsehen, daß Alles wohl verwahrt sei…“

„Das sind ja höchst bedenkliche Vorgänge und Ereignisse!“ begann Stabius, als Roritzer sich entfernt hatte; „verarget mir nicht, mein lieber Meister Loy … so mir noch immer nicht recht klar werden will, was denn eigentlich die wahre Ursache, der erste Grund ist zu solch’ arger Zerwürfniß?“

„Das wär’ eine lange Geschichte, Herr Doctor,“ antwortete Loy, „davon manch’ ein Liedlein zu singen … ich will’s aber kurz machen! Regensburg, Ihr wißt es wohl, ist zu allen Zeiten eine mächtige und ehrwürdige Stadt gewesen, eine freie Stadt, eine von den vieren, die Niemand unterworfen sind als dem Reich, und so ward sie geachtet von Königen und Kaisern; manch’ prachtvoller Hof ward hier gehalten, mancher Tag und manch’ Geding; das Gewerbe florirte und auf der Donau ging der Handel in alle Welt und im deutschen Hause zu Venedig war kein Gewölb’ angesehener, als das von Regensburg … aber wir haben’s versäumt, uns zu rühren und zu strecken, so lang es noch Zeit war; darüber ist das Stadtgebiet klein geblieben und machtlos, und Baiern hält uns von allen Seiten eingeschlossen, wie ein eiserner Reifen. Drum hat sich Alles an uns gewagt; die Nürnberger haben andre Straßen gebaut, die Fracht an sich gezogen und den Saumzug; das Gewerk in der Stadt ist heruntergekommen, denn wenn der Eine dem Andern den Rock flickt, damit ihm dieser hinwider den Stiefel versohlt, so haben sie alle Beide nichts … darüber wurden Rath und Gemeine wunderbarlicher Weise einig und beschlossen, auf ihre alte Freiheit zu verzichten und sich Albrecht, dem Herzog von Baiern, als ihrem rechten Landesherrn zu unterwerfen…“

„Ich habe davon gehört; der Kaiser wollt’ es nicht zugeben…“

„Das war das Ende vom Liede! Herzog Albrecht hatte um den Bissen, nach dem ihm schon lang der Mund gewässert, mit beiden Händen zugegriffen, hatte gleich angefangen, mannhaft zu regieren, wie er denn allgemein bekannt ist als ein weiser Mann und ein gestrenger Regent, und hatte sich hoch und theuer vermessen, wie er nicht wieder lassen wollt’ von seiner treuen Stadt Regensburg und wollt’ sie beschützen gegen Kaiser und Reich … aber wie Noth an den Mann ging, wie uns der Reichsbann traf und ihm mit dem Reichskrieg gedroht ward, da ließ er sich herum bringen von seinem Schwager Maximilian, der damals noch deutscher König war, von seiner Frau Kunigunde, die er ohne Wissen und Willen des kaiserlichen Vaters heimgeführt und die ihm immer anlag mit Bitten und Schmeicheln, sich mit ihm auszusöhnen; er gab uns auf, wir mußten wieder unter’s Reich zurückkehren und den kaiserlichen Völkern die Thore öffnen. Seitdem ist Regensburg wieder eine freie Stadt, aber damit es dem stätigen Rößlein nicht wieder einfällt, seine Freiheit zu mißbrauchen, hat man ihm einen Kappzaum übergeworfen, ein scharfes Gebiß angelegt: der Kaiser hat der Stadt einen Hauptmann gesetzt, der darüber wachen und das Regiment führen und dafür einen Sold haben soll von vierhundert Goldgulden. Darüber ist nun arges Mißvergnügen, Zorn und Erbitterung überall; dem Rath wäre der Hauptmann wohl recht, weil er heimlich darauf rechnet, er werd’ ihm helfen, die unruhige und störrische Gemeine zu zwingen, aber vom Sold will er nichts hören, weil die verarmte Stadt solche Last nicht erschwingen könne … die Gemeine hinwider, die glaubt, auf den Sold käm’ es nicht an, aber es sei gegen der Stadt alte verbriefte Rechte, einen Hauptmann über sich zu haben; auch sei’s eine Schmach, wenn Regensburg bekennen müsse, daß es nicht im Stande sei, einen solchen Bettel zu bezahlen … Die Stadt sei nicht so arm, und wäre sie’s, so sei’s der Rath, der sie dazu gemacht; dann müsse er auch für den Riß stehen und Rechnung legen und den Stadtsäckel zu besserer Verwaltung in die Hand der Gemeinde liefern … Aber da ist der Dommeister von seinem Rundgange zurück! Nun, Wölflein, ist Alles in Ordnung?“

„Alles ist wohl bewahrt, mindestens von innen,“ erwiderte Roritzer, „aber draußen ist’s noch immer unruhig. Hörst Du, es ist, als ob der Lärmen wieder losginge und stärker als zuvor!“

Der Alte sprang behende an das große zweiflügelige Eingangsthor der Bauhütte und öffnete, um hinaus zu sehen. „Ich will in meinem Leben keinen Schnitzer mehr anrühren, wenn Du nicht Recht hast!“ rief er, „und ich glaube gar, das wilde Gejaid kommt hierher! Eine ganze Rotte wälzt sich in das Gäßlein herein … sie haben Fackeln, ich sehe Lanzen blitzen und die Häuser sehen aus in dem Feuerschein, als ob sie in Flammen stünden… Wie sie johlen, die Kerle! Wie sie brüllen! … Was seh’ ich? Es huscht etwas vor ihnen her … sie hetzen Jemand, der sich vor ihnen flüchtet…“

„Laß sehen!“ rief der Dommeister, indem er Loy vom Eingang drängte und den Thorflügel weit aufriß.

„Was fällt Dir ein,“ eiferte der Bildschnitzer, „daß Du die Thür öffnest? Lege lieber den Riegelbalken vor, sonst …“

Er vollendete nicht, denn athemlos, fast taumelnd vor Erschöpfung kam ein Mann herangestürzt, eine hohe Gestalt in dunklem Gewand mit einem schmalen Silberkranze um das trotzig geschnittene Haupt, am Rücken hing ihm der Fetzen eines Mantels hinab, in der Hand hielt er einen zerbrochenen Raufdegen. „Schützt mich, Leute,“ keuchte er, indem er über die Schwelle taumelte und in der nächsten Ecke auf einen Steinblock zusammenbrach. „Die Meuter verfolgen mich … ich werde Euch reichlich belohnen … ich bin Lyskirchner, der Stadtkammerer…“

„Ihr seid hier nicht unbekannt, Herr,“ erwiderte Roritzer mit Würde, „aber wärt Ihr auch der ärmste und gemeinste Mann, Ihr seid in der Dombau-Hütte; das ist eine Freistatt, die Keiner zu betreten wagt …“

„Sie kommen schon,“ rief Loy unterbrechend, „schließ’ das Thor, Junge: wirst Dich doch nicht bloß stellen vor dem wüthigen Heer!“

„Laß mich,“ erwiderte der Meister, „das Thor würde ernsthafter Gewalt doch nicht widerstehen, ich will’s auf andre Art versuchen!“ Damit trat er in die offne Thür, den leeren Raum mit seiner hohen Gestalt deckend, und erwartete die herantobende Volksmenge.

„Ihr könnt von Glück sagen, Herr Lyskirchner,“ rief Loy, „es stand auf Spitz und Knopf’, daß sie Euch erwischten … aber das Wölflein wird ihnen die Zähne weisen und ich will ihm helfen, so gut ich kann … Macht auch Euern Degen flügg’, Herr Doctor,“ fuhr er, gegen Stabius gewendet, fort, indem er die eigene Klinge in der Scheide lüftete und sich zum Gefechte bereit machte.

[509]

Ankunft der Mecklenburger Artillerie auf dem Magdeburger Bahnhofe in Leipzig.

[510] „Verschont mich damit,“ lallte der Poet, der sich neben den Flüchtling in die Ecke drückte, fast nicht minder erschöpft und angegriffen als dieser. „Solches ist nicht meine Gepflogenheit … mein Schwert ist die Feder und das Wort …“

„Da ist mein Schnitzer, so schwach er ist, mir doch noch lieber,“ murmelte Loy und sprang an’s Thor hinter Roritzer, denn die enge Straße war nun von Pechfackeln und Kienbränden erhellt, und in dem unheimlich rothen Licht drängte mit wüstem Geschrei eine wild aussehende Schaar durcheinander: stämmige Gestalten, meist Handwerker in der Arbeitstracht ihres Gewerbes, mit Knitteln, Schwertern und Hellebarden in den Händen; ein riesig langer, hagerer Mensch mit bleichgelbem Gesicht und pechschwarzem Haar, das wild und wirr um Stirn und Nacken hing, tobte als Anführer voran und schwang eine mächtige Pike über dem Haupt.

„Hier ist er hinein!“ rief es durcheinander. „Wir haben’s deutlich gesehen. Hier muß er sein! Aus dem Wege, Herr … Verbergt den Mann nicht, den wir verfolgen … wir müssen den Schelm haben!“

(Fortsetzung folgt.)




Geflügelte Wildniß.


Wir[WS 1] haben in letzter Nummer geschildert, wie die Thiere, denen die Natur die Schwingen zum Fluge in wärmere Länder versagt hat, sich bei uns in Europa durch einen todtenähnlichen Schlaf gegen die Kälte des Winters schützen; lassen Sie uns jetzt einmal einen Blick in die geflügelte Welt werfen, aus der ein namhafter Theil weite Winterreisen nach glücklicheren Klimaten macht.

Die Zugvögel, welche uns bei ihrer Ankunft den Frühling verkündigen und uns bei herannahendem Winter verlassen, haben für uns manchen romantischen Reiz, da sie als unsere Freunde zugleich auch Fremde sind und unsere Phantasie in weite Ferne tragen. Sie gehören im Sommer zum Theil zu unseren Hausthieren, sind und bleiben aber zugleich Halbwilde, Nomaden unter den Vögeln. Die eigentlichen Wilden der geflügelten Thierwelt halten sich auch während ihres Aufenthalts in Europa ziemlich versteckt und verborgen, so daß wir wenig von ihnen sehen und hören. Und sie gerade gehören zu den interessantesten Mitgliedern der ganzen Naturgeschichte. Ihre Heimath umfaßt die ganze Halbkugel von den Polarmeeren bis zum Aequator. Alle Berge und Höhen, die Tiefe der Wälder, die Ufer von Flüssen und Seen, unzugängliche Inseln und Sümpfe bilden jedes Jahr auf Hunderttausenden von Quadratmeilen Sommer- und Winterwohnungen für viele Millionen dieser geflügelten Wilden. Mitten im Sommer findet man sie in ungeheuren Schwärmen und Colonien im äußersten Norden Sibiriens, wo sie auf den riesigen Seen Jagd und Fischerei treiben. Dies gilt besonders von den wilden Schwänen und Gänsen, welche in ihren Zügen nordwärts oft die Luft verdunkeln und die Stille der Wildniß durch ihr lautes Geschrei unterbrechen. Die wilden, spärlichen menschlichen Bewohner jauchzen ihnen freudig entgegen, wenn sie in keilförmigen Wolkengebilden am blauen Himmel dahinsegeln und Aussicht auf fette Schmausereien gewähren. Es ist kaum möglich, sich einen schönern Anblick zu denken, als einen solchen Massenzug wilder Schwäne unter dem sommerlichen Himmel. Sie glänzen so blendend weiß oben am blauen Himmel, wie ungeheure Schneeflocken, die vom Sturme gepeitscht werden, und das Licht bricht sich an ihren weißen Brustledern zu einem rosigen Erröthen, das mit ihnen wie ein freudiges Zittern durch den Aether zieht.

Das Reisegebiet der wilden Gänse und Schwäne erstreckt sich vom äußersten Norden Sibiriens bis zum kaspischen Meere, dem Aral-See und bis über die Ebenen Kleinasiens. Hier findet man sie während des Winters in ungeheuren Schaaren auf unzähligen Sümpfen und kleinen Seen, häufig in nächster Nähe turkomanischer Lagerzelte, wo sie nicht selten ganz nahe zu den Menschen heranwatscheln und von erschreckten Kindern Gastfreundschaft und Theile ihres Frühstücks ertrotzen. Wir in Deutschland bekommen sie nicht so oft zu sehen, öfter auf ihren Zügen durch die Lüfte gelegentlich zu hören. Wir müssen uns in der Regel mit Schnepfen, Rohrhähnen, Krick- und sonstigen wilden Enten begnügen, die ungefähr dieselben Züge machen, wie die wilden Schwäne Asiens.

Hoch oben in den Nil-Thälern sind die menschenleeren Gegenden jedes Jahr eine Zeit lang von ähnlichen wilden Zug- und Wasservögeln dicht bevölkert. Der Nil ist hier noch kein regelmäßiger Fluß, sondern ein Labyrinth von Sumpf und Wasser, von Schilfwäldern und Wasserpflanzen, durch welche sich die ausgebreiteten Wassermassen nur sehr langsam bewegen können. Ueberall aufgehalten, bilden sie unzählige kleine Inseln und Anschoppungen. Dies ist das wahre Paradies der wilden Zugvögel. Hier steht der langbeinige Flamingo tief im Wasser; er glänzt wie ein Stück Regenbogen mit seinem brillanten Gefieder und befriedigt ungestört von Menschen seinen fast immer regen Appetit auf Fische. Die Menschen halten ihn nicht für ein Thier, sondern für einen großen und stolzen Sultan Indiens, der zur Strafe für seine Eitelkeit auf Tausende von Jahren in einen Vogel verwandelt worden sei. Um ihn herum, mitten in einer üppigen Wasser- und Sumpfvegetation, schwärmt es und leuchtet es von Schaaren wilder Enten, Reiher, Störche, Pelikane, wilder Gänse, weißer Reisvögel, schwarzer Ibis und vieler anderer Arten wilden Geflügels, für welche wir keine Namen haben. Hier brüten sie zu Tausenden und hier kriechen die Nachkommen jedes Jahr aus zu Hunderttausenden. Wer sich hier in einem Boote zwischen den Wasserschlinggewächsen hindurchzuwinden weiß, wird oft überrascht von dem Anblick unzähliger weißer und blauer Flecke, als welche die Eier zwischen den Wurzeln und Pflanzen hervorschimmern. Einige Wochen später wimmelt es weit umher von Jungen aller Art in allen möglichen Schattirungen und schrillt die Gegend umher in fürchterlichem Kriegsgeschrei, womit die Alten ihre Kinder gegen die Angriffe der Raubvögel zu vertheidigen suchen.

Auf der Spitze irgend eines benachbarten Felsens oder auf den erhabenen Zweigen einer Dompalme oder afrikanischen Sycomore sieht man den weißen Adler gierig harren oder wie ein Pfeil hinabschießen zwischen die geflügelten Schaaren oder mit vollem Schnabel und bluttriefend nach seinem fernen Neste eilen. Dieser furchtbare einsame Räuber mit seinen durchdringenden Augen bildet einen schlagenden Contrast zu dem schwarzen Wasserraben oder Fischreiher des Caps, der Einsamkeit ebenso haßt, wie sie die afrikanischen Adler lieben. Schaarenweise sitzen sie mit Tauchern und Pinguinen auf irgend einer Klippe zusammen und schnattern durcheinander, als hätten sie das Schicksal Afrika’s zu entscheiden. Der Wasserrabe ist schwerfällig und ungeschickt und nimmt sich nie die Mühe, ein Nest zu bauen, sondern legt seine Eier in die erste beste Felsenhöhlung. Sind die Jungen ausgebrütet, so haben die Alten unablässig zu thun, um die sprüchwörtlich gewordene Vielgefräßigkeit ihres Geschlechts nur einigermaßen zu befriedigen. Obgleich die Jungen von beiden Eltern eifrig und massenhaft gefüttert werden, sitzen sie doch fast immer da mit offenen Schnäbeln, gierigen Augen und langgestreckten Hälsen, flappen ihre Flügelstumpfe und schreien: mehr, mehr. Diese Wasserraben bilden eine Art von politischer Gesellschaft und halten auf Land und Meer zusammen. Wie sie ihre Eier zusammenlegen und ihre Jungen gemeinschaftlich bewachen, so gehen sie auch in Gesellschaft auf Beute aus. Von den Höhlen und Spitzen der Klippen senken sie sich in schwarzen Schaaren nach dem Wasser herab und kauern hier still zwischen den hervorragenden Hörnern der Felsen; dann brechen sie in einer Reihe hintereinander mit einem alten, erfahrenen Führer an der Spitze nach dem Meere auf. Sowie der schwarze Rottenführer eine Gesellschaft von Fischen bemerkt, giebt er ein Zeichen und stürzt sich mit dem Kopfe zuerst gierig in das Wasser; die andern folgen sofort und kommen bald wieder aus der glänzenden Oberfläche zum Vorschein, jeder mit einem schimmernden, zappelnden Fische im Schnabel. –

Besonders interessant und reich mit Sagen umwoben sind die eigentlichen oceanischen Vögel. Reisende, welche den indischen Ocean durchkreuzen, unterhalten sich oft wochenlang damit, die Fluge und Züge der Sturm-Möven zu beobachten. Hier zwischen der Unendlichkeit von Himmel und Wasser scheinen sich diese Meister der Luft und des Meeres im vollen Genusse ihrer doppelten Meisterschaft und Freiheit des unbegrenzten Lebens zu freuen; sie spalten [511] die Atmosphäre ihrer grenzenlosen Heimath mit eilenden Schwingen und schweben mit der Leichtigkeit einer federigen Wolke, schweifen leicht wie Gedanken auf der Oberfläche der Tiefe und schwimmen auf deren Busen, um, wenn sie hungrig sind, mit eben solcher Leichtigkeit zu tauchen und spielend aus dem unerschöpflichen Vorrathe des Meeres zu schöpfen. Am liebsten ist ihnen der Sturm auf dem Meere; je rasender der Wind donnert und je höher die weißschäumigen Wogen spritzen, desto wohler scheint ihnen zu sein und desto leichter bemächtigen sie sich der in den Wogenthälern sichtbar werdenden Fische.

Die bevölkertste Heimath der Seevögel breitet sich über eine ungeheuere Meeresfläche und deren Inseln aus. Zwischen Madagascar, Mozambique, den Kuria-Muria-Inseln, Persien, Indien, dem Ganges, China, Korea und Japan und der ungeheuren Ausdehnung des Viel-Insellandes von Australasien gehören den geflügelten Wilden Hunderte von kleinen Inseln ganz ausschließlich. Auf diesen Inseln haben sie seit Jahrtausenden unbelästigt von Menschen gelebt, ihre Nester gebaut, ihre Eier gelegt, ihre Jungen ausgebrütet und machen noch heute diese alten ausschließlichen Rechte mit großer Tapferkeit geltend, wenn etwa andere Thiere oder Menschen einen Versuch machen, auf ihren Inseln zu landen. Die Kuria-Muria-Inseln, von der Speculation als eine neue, reiche Quelle von Guano betrachtet, glänzen in der Geschichte der Araber als souveräne Königreiche der Vögel, wo sie unbeschränkt regieren, sich stolze Wohnungen bauen und sich bis jetzt jedes Eindringen anderer Creaturen streng und mit Erfolg verbeten haben. Auch zwischen den felsigen Klippen von Socotra haben sich die Meeresvögel des indischen Oceans ausschließlich und in ungeheuren Massen niedergelassen, so daß der Seemann, wenn er vorbeisegelt, oft früh am Morgen die buntesten lebendigen Wolken über seinem Haupte dahinfliegen und aus der Höhe herabschreien hören kann. Weiter hin zur Rechten steigt eine kleine Gruppe anderer Inseln aus der tiefsten Tiefe des Meeres empor. Hier erhebt sich ein mächtiges Inselland von Felsen, aus welchem Tausende von Spitzen als größere und kleinere Inseln über die Oberfläche des Meeres emporragen; meist unmittelbar um sie herum ist das Meer so tief, daß mit keinem Senkblei der Grund erreicht werden kann. Gerade an der einen Ecke dieses furchtbaren Meeresgebirges ragt etwas abgesondert von den übrigen Gruppen ein größeres einsames Felsenstück hoch empor wie eine Festung, die bis jetzt nur ein einziges Mal von menschlichen Füßen betreten ward. Es ist die bezeichnend sogenannte Gefahr-Insel (Danger-Island). Ringsherum keine Handbreit zum Landen, keine Bucht, keine Höhle, kein Einschnitt, sondern Alles rund um erhabene, steile Klippe, an welcher sich die ungeheuren Wogen des indischen Oceans seit Jahrtausenden donnernd und schäumend brechen. Aber oben und innerhalb dieser furchtbaren Felsenfestung das malerischste Paradies. Uralte Bäume mit gigantischen Aesten strecken sich an den Klippen herab und hängen mit ihrem immergrünen Laubwerk über den Wogen. Weiter innerhalb eine Wildniß von üppigen, blühenden Pflanzen und wundervollem Strauchwerk, das sich schützend über Nester und Eier von Millionen von Seevögeln ausbreitet. Sie verdunkeln oft wörtlich weit umher die Luft, wenn sie sich erheben, und übertäuben durch ihr Geschrei die ewigen Donner des Oceans.

Weiter im Osten in demselben Oceane findet sich ein anderes Königreich der Meeresvögel, eine blendend weiße Fläche von Seesand, die ringsum von steilen Korallenklippen umgeben ist, an welchen sich die Meereswogen fortwährend brechen. Aller Sand im Innern hat das Ansehen eines ungeheuren, über eine halbe Meile breiten Nestes voll von Seevögeln jedes Alters von den kleinen nackten Creaturen an, die eben aus dem Ei gekrochen sind, bis zu den großen väterlichen und mütterlichen Wächtern ihrer Nachkommenschaft, die herannahende Menschen massenhaft und mit großer Kühnheit angreifen, so daß man sie mit Stöcken und Keulen niederschlagen muß, um sich durch sie hindurch Bahn zu brechen.

Uebrigens sind diese oceanischen Inseln, welche mehr oder weniger ausschließlich von geflügelter Wildniß bevölkert sind, nach dem Urtheil eines Naturforschers kaum zum tausendsten Theile näher untersucht worden, so daß sich noch manche ganz neue Arten von Vögeln finden mögen, von deren Dasein, Sitten und Gewohnheiten wir noch keine Ahnung haben. Erst neuerdings sind einige derselben entdeckt worden. So hat man in Central-Amerika eine Art von kleiner Eule gefunden, welche es liebt, mit Murmelthieren und Klapperschlangen gemeinschaftlich in einer Höhle zu leben. An den Küsten Borneo’s lebt der Bauvogel, von den Eingebornen Menambun genannt; er sieht wie ein Francolin oder Haide- oder Birkhahn aus und baut die sonderbarsten Riesennester, oft sechzig Fuß im Umfange und fünf Fuß hoch, eine Art von Festung, worin sich die verschiedensten Höhlen, Zellen und Gänge befinden, die oft mit vielen Nestern, Eiern und Jungen in den verschiedensten Stadien der Entwickelung bevölkert sind.

In einigen Theilen Australiens findet man eine schöne Art von Staar mit brillantem Gefieder, das in der Sonne durch seinen metallischen Glanz blendet. Es giebt verschiedene Arten derselben, die alle als eigenthümliche Nester-Baumeister berühmt sind; sie hängen nämlich die Wiegen für ihre Jungen an den höchsten Außenzweigen von hohen Baumwollenbäumen auf, wo sie im Winde oft massenweise an einem einzigen Baume umherschwingen. So fand einmal ein Reisender in der Nähe von Cap York aus einem unten zwölf Fuß dicken und über sechzig Fuß hohen Baumwollenbaume über fünfzig solche Nester im Winde hin und her schwingen, so daß sie weder herabgeschossen noch durch Klettern erreicht werden konnten. Endlich fand sich ein Eingeborner, dem es gelang, mit Hülfe von Ranken des wilden Weines, die er von unten nach oben um den Stamm wand, hinauf zu klettern und einige Nester herunter zu holen, deren Junge dann mit großem Appetit verzehrt wurden.

Eine der malerischsten Scenen erlebt der Seemann zuweilen auf dem tropischen Oceane während der untergehenden Sonne. Man fühlt auch während der Windstille eine Art Zittern und Schwellen in der ungeheuren Tiefe, über welche hin die brennend sinkende Sonne weit in’s Unabsehbare eine röthliche Gluth haucht. Das Schiff liegt dann bewegungslos mitten auf dieser feurigen Fläche, und die Vögel, welche es während des Tages begleiteten, nehmen in immer größeren Cirkeln allmählich Abschied in’s unsichtbare Weite oder nach jenen einsamen Felsen hin, welche hier und da aus dem Ocean hervorragen. Nur die gespensterartige westindische Seegans windet sich noch lange umher in weiten Kreisen, bis sie in der Dunkelheit unsichtbar wird. Die in der Windstille müßigen Seeleute, jetzt verlassen von den Begleitern in der Luft, befreunden sich nun mit den Bewohnern der Tiefe, nach welchen sie ihre Angeln auswerfen, mit denen sie dann und wann die gefangene Beute wie aus einer feurigen Flüssigkeit hervorziehen. Das Meer leuchtet und glitzert oft lange in die Nacht hinein in phosphorescirendem Glanze. –

Selbst bei uns zu Hause, wo wir alle Formen und Gestalten der Natur zu kennen glauben, kommen nicht selten neue Scenen vor, die selbst Naturforschern manchmal noch unbekannt sind. Vogelfänger von Profession wissen davon manche Geschichte zu erzählen. Sie gehen oft des Nachts mit Fackeln auf den Fang aus und scheuchen die schlafenden Vögel in Sumpfgegenden und an Flußufern entlang auf. Von den umhergeschwungenen Fackeln geblendet, lassen sich die Vögel leicht in Netzen fangen. Unter den Bewohnern der Sumpf- und Wassergegenden zeichnet sich besonders der Mornell-Kibitz durch komische Stupidität aus: er macht alle Grimassen und Bewegungen des Vogelfängers nach, streckt seine Flügel aus, wenn dieser die Arme ausbreitet, hüpft umher, wenn er hüpft, macht ihm Kopfnicken und Kopfschütteln nach und vergißt sich so bei diesen Nachahmungspantomimen, daß er sich leicht nahe kommen und selbst sich greifen läßt.

Wir könnten noch manche interessante Gewohnheiten des wilden Geflügels schildern, besonders wenn wir uns auf die Alpen, den Himalaya und die Andes verstiegen oder uns auf den ungeheuren Seen und Flüssen des sibirischen Nordens verlören; aber wir wollen uns mit diesen Mittheilungen begnügen. Können wir doch selbst an unseren bekannten heimischen und zahmen Vögeln noch viele interessante Studien machen, wenn wir nur zu sehen und zu beobachten verstehen.



[512]
Bei Königsgrätz am Tage nach der Schlacht.
Von einem schlesischen Gutsbesitzer.


Schon in Gitschin, wo ich den 3. Juli Nachmittags auf einem Marketenderwagen des vierundsechszigsten preußischen Regiments eintraf, erfuhren wir, daß eine bedeutende Schlacht bei Josephstadt oder Königsgrätz wüthe. Wir wurden dadurch überrascht, da wir den ganzen Tag, in einer Entfernung von fünf bis sechs Meilen, vergeblich auf Kanonendonner gelauscht hatten; wahrscheinlich hatte das Regenwetter und die Windrichtung die Ausbreitung des Schalles in unserer Richtung verhindert. – Nach kurzer Rast eilten wir vorwärts, um wo möglich noch am Tage der Schlacht im Lager einzutreffen; die schöne breite Chaussee füllte sich aber mehr und mehr mit Proviant-, Munitions- und Fourage-Colonnen, so daß wir die ununterbrochene Wagenreihe nicht mehr verlassen durften: Bei einbrechender Dunkelheit entstand durch Aufstauung der drei Wagenreihen ein allgemeiner Halt, und da an ein Weiterkommen vorerst nicht zu denken war, bogen wir auf einem Seitenwege in das Dorf Konetzchlum ein.

Im Wirthshause fanden wir natürlich weder Wirthsleute, noch Lebensmittel, noch Stroh, im Hofe aber glücklicherweise Wasser. Nach vieler Mühe erlangten wir im Dorfe etwas Heu und bereiteten uns in der Wirthsstube ein Lager. Um zwei Uhr Nachts kamen einige siebenzig Verwundete auf Leiterwagen vorgefahren und schleppten sich in das dunkle Zimmer, wo sie ermattet über einander fielen und sich an die zerschossenen Glieder stießen. Durch den Ruf nach Licht und Wasser wurde ich erweckt, erlangte auch von einem Soldaten ein kleines Endchen Licht, zündete dies an und vertheilte das wenige Heu meines Lagers, damit wenigstens die Kränksten eine Unterlage bekämen. Immer mehr füllte sich indeß der Fußboden, auch die kleine anstoßende Küche lag gedrängt voll, so daß ich sogar strohigen Pferdedünger zu Kopfkissen verwenden mußte. Alle Verwundeten zeigten großen Durst, die meisten auch Hunger; ich holte denn einen Eimer Wasser, fand eine zersprungene Bierflasche und tränkte so die Lechzenden der Reihe nach; einige harte Commißzwiebacke, die ich bei mir hatte, vertheilte ich in kleinen Stücken. Das Licht war ausgebrannt, noch aber nicht alle Verwundeten versorgt, ich versuchte daher im Dorfe Licht aufzutreiben, doch vergeblich. Ich ging darauf nach einem an der Chaussee befindlichen Bivouak, weckte den in einer Strohhütte schlafenden commandirenden Officier und erhielt sehr bereitwillig das Licht seiner Wagenlaterne. Von Brod besaß er aber selbst keinen Bissen und nur ein Mann seiner Colonne konnte uns eine handgroße alte Commißbrodkruste geben; die Mannschaften banden mir das Stroh ihres Lagers zusammen und brachten es mit. Da begegneten wir, o Freude! auf der Straße einem Wagen mit Brod, von diesem wurden durch den gefälligen Officier sofort acht Brode für mich requirirt.

Die Verwundeten in unserem Gasthofe bildeten den ersten Transport von Blessirten aus der großen Schlacht bei Königsgrätz. Fast alle waren Preußen, sie hatten schon Vormittags das Schlachtfeld auf Wagen verlassen und kamen hier ohne jede ärztliche oder militärische Begleitung mit abgematteten böhmischen Pferdejungen an. Zwar war der größte Theil nur leicht verwundet, doch hatten Viele zerschmetterte Arme und Beine, ein Mann hatte einen Schuß im Kreuz, ein anderer einen Schuß durch die Brust und das fortwährende Röcheln desselben mag wohl sein Todesröcheln gewesen sein. Wir revidirten jetzt auch die Leiterwagen und fanden hier noch mehrere Schwerverwundete fast erstarrt durch die Kälte der Nacht.

Um vier Uhr Morgens setzten wir unsere Reise fort, nachdem ich die Verwundeten der Fürsorge des Officiers der Colonne empfohlen hatte. Der schönste Morgen folgte auf das Regenwetter des vorigen Tages und erfrischte die gesegneten Fluren. Prachtvoller Weizen, Raps und Klee erfreuten das Auge, so weit man blicken konnte, und nur zu beiden Seiten der mit doppelten Pflaumenbaumreihen eingefaßten Straße und an den Bivouakplätzen waren die Feldfrüchte in einer Breite von zehn bis zwanzig Ruthen total niedergetreten. – Im Wirthshause zu Wojic trafen wir einmal ausnahmsweise die böhmische Wirthin an; dieselbe erweckte unsere Theilnahme, da sie das anwesende Militär beim Kaffeekochen unterstützte, uns die Milch ihrer letzten Kuh ohne Bezahlung lieferte und beim Reinigen und Verbinden der Verwundeten freundlich half. Nach kurzer Erquickung schickten wir den Wagen voraus, als uns die freundliche Wirthin händeringend und schluchzend nachgeeilt kam und erzählte, wie ihr die soeben vorbeigezogene Munitions-Colonne ihre letzte Kuh aus dem Stalle mitgenommen hätte! Die Frau jammerte uns; wir vermochten deshalb einen nach dem Hauptquartier Horzitz reitenden Husaren, die Kuh wieder zurückzufordern, und erlebten die Freude, daß unsere Bemühungen erfolgreich waren.

Jetzt wurde die Straße von Courieren aller möglichen Cavalerieregimenter, von Officieren mit Depeschen, einem vorwärtseilenden Divisions- oder Brigadestab, mehreren Wagen der Feldpost, des Telegraphenamtes, von requirirten Wagen mit Civilbeamten oder Aerzten, Colonnen und Fouragewagen aller Art belebt – Alles eilte vorwärts nach dem Hauptquartier, nach dem Lager oder dem Schlachtfelde. Vor Horzitz begegnete uns ein Transport von ungefähr eintausend und fünfhundert österreichischen Gefangenen verschiedener Truppengattungen; alle sahen niedergedrückt, abgehungert und in ihrer Kleidung arg mitgenommen aus, besonders die Kopfbedeckung war sehr verschiedenen Ursprungs. So trug ein kleiner brauner Italiener seine Uniform und einen schwarzen Cylinderhut; Civilmützen der verschiedensten Form und Altersclasse sah man häufig an den Verwundeten. Hiergegen nahmen sich die Kaiserjäger mit ihren Tirolerhüten und Federbüschen natürlich sehr stattlich aus.

Horzitz selbst zeigte weniger Kugelschäden, als Gitschin, war aber so überfüllt mit Colonnen und requirirten Fuhren, daß man kaum durchkommen konnte. Die überaus große Zahl der durch ihre weiße Fahne kenntlichen Lazarethe überraschte uns; mitunter hatte zu diesen Fahnen jedoch der passende Stoff gefehlt und weiße Schürzen oder gar ein weißer Unterrock vertraten wohl auch die Stelle der Fahne. Wir schlossen uns einer Proviant-Colonne an und im scharfen Trabe ging es vorwärts. Die Felder hatten hier sehr gelitten; zu beiden Seiten der Straße waren die Früchte so niedergetreten, als wären die Fluren mit Strohmatten belegt. Die Kirschbäume an der Straße wurden von den vorübereilenden Mannschaften in der Eile geplündert und mancher Ast ward mit Bajonnet, Säbel oder Hirschfänger abgehackt, an die Cameraden vertheilt und beim Weitermarsch abgespeist. Mannschaften aller Regimenter trieben requirirtes Schlachtvieh, kleine Landkühchen, Zugochsen, Kälber, Schweine vor sich her, ein Infanterist sogar zur allgemeinen Erheiterung fünf bis sechs Stück allerliebste junge englische Schweinchen, die ihm nicht wenig zu schaffen machten. Bei dem Dorfe Klenitz erreichten wir das preußische Lager. Mit seinen zweimalhunderttausend Mann von allen Truppengattungen nebst den zu beiden Seiten der Chaussee weite Flächen bedeckenden Colonnen bot dasselbe einen wahrhaft großartigen Anblick dar.

Mein Marketender verfügte sich zu seinem Regiment, welches auf einer Anhöhe links von der Straße lag, ich jedoch erstieg einen Proviantwagen, um zunächst erst einen raschen Ueberblick über das Schlachtfeld zu gewinnen; die genauere Besichtigung versparte ich für den Rückweg.

In langen Colonnen fuhren die Verwundeten auf gewöhnlichen landwirthschaftlichen und in Lazarethwagen an uns vorüber; die Leichen wurden auf Frachtwagen nach ihren Ruhestätten geschafft und lagen in ihren verschiedenen Uniformen hoch aufgeschichtet bis über die Leitern hinaus. Die Felder zu beiden Seiten waren mit Tausenden von Laubhütten bedeckt, in denselben hatten die österreichischen Jäger und Infanterie den Angriff abzuhalten gesucht. Der Saum des Waldes war niedergeschlagen, doch hatte man die Stammenden zwei Fuß hoch stehen lassen, um die Erstürmung zu erschweren. Reisig und Laub hatte zur Errichtung jener Hütten dienen müssen. Vielfach waren Merkstangen aufgestellt und die Rinde von den Stämmen abgeschält, um Zeichen der Entfernung für die österreichische Artillerie abzugeben; es ist daher eben nicht zu verwundern, daß dieselbe in einer ohnedies vorzüglichen Position so gut geschossen hat. Der Wald war von den österreichischen Kartätschen so verwüstet, als wären die alten Fichten und Kiefern von einem furchtbaren Hagelwetter zerschmettert [513] worden. Chausseegräben und Felder waren bunt übersät mit Leichen von Menschen und Pferden, Tornistern, Helmen und Käppis, mit Kochgeschirren, Bajonneten und Seitengewehren, mit Granaten, Zündnadelgewehren und österreichischen Büchsen – das Alles bunt durch- und übereinander.

Bei dem Dorfe Sadowa beginnt das Hauptschlachtfeld und erstreckt sich auf beiden Seiten der Königsgrätzer Straße bis hinter Lipa und Chlum. Bis nach Lipa, das rechts und links an der Chaussee auf der Höhe eines Bergrückens liegt, der sich regelmäßig nach der Elbe zu bis nach dem ein und eine Viertel Meile entfernten Königsgrätz hin abdacht, begleiteten mich vier Artilleristen nach den in der Nähe befindlichen Schanzen, und von hier aus hatte ich einen Ueberblick über das ganze fürchterliche Schlachtfeld. Ein anwesender Stabsofficier prüfte meine Legitimation und war dann so freundlich, mir die verschiedenen Positionen auf das Eingehendste und Instructivste zu erklären. Bei dem Sturm auf die Ziegelei bei Lipa wurde u. A. auch das Dorf Cistoves in Brand geschossen; leider verbrannte mit diesem Dorfe ein großer Theil der österreichischen Verwundeten, welche während des Kampfes, aus allzu großem Sicherheitsgefühl, in der Nähe der Schanzen untergebracht worden waren, wie ich dies später aus dem Munde eines älteren österreichischen Officiers erfuhr, der selbst einen Verwundeten aus einem brennenden Hause auf seinem Rücken auf freies Feld getragen hatte.

Von unsern Schanzen aus übersah man das ganze Schlachtfeld und darüber hinaus jenseit Sadowa das unendliche Lager der preußischen Armee; durch das Glas gesehen glich dies einem dunklen Ameisenhaufen. Die Schanzen selbst waren noch so scharfkantig und unversehrt, daß hier kaum ein allgemeiner Bajonnetkampf stattgefunden haben kann, obwohl ich allerdings mehrere Gewehre mit verbogenen Bajonneten gefunden habe. Geschütze waren nicht mehr zu erblicken. Dicht vor den Schanzen aber lagen von beiden streitenden Parteien Todte zu Hunderten, stellenweise zwei bis drei übereinander; hinter den Schanzen, nach Königsgrätz zu, sahen die weiten Ebenen von den Leichen der Oesterreicher wie buntgesprenkelt aus. Die Todten lagen theils noch in der Stellung wie sie gefallen waren, Arme und Beine ausgestreckt auf dem Boden; andern sah man an, daß sie sich wie getroffene Hasen überschlagen hatten und zusammengebrochen waren. Viele Leichen hatten das Taschentuch über das Gesicht gedeckt; entweder hatten sie sich so auf den erwarteten Tod vorbereitet, oder barmherzige Cameraden ihnen diesen letzten Liebesdienst erwiesen. Manche hatten beide Hände über die Augen gedrückt. Ein österreichischer Officier hielt noch einen geöffneten Brief in der kalten Hand. Ich nahm ihn auf, um ihn zu bestellen, er war jedoch an den Entschlafenen selbst gerichtet und ich legte ihn wieder nieder, da ich nicht berechtigt war, ihn zu lesen. Jetzt bedauere ich dies; er wäre vielleicht den Seinigen ein letztes liebes Andenken gewesen.

Furchtbar muß der Zusammenstoß im Gehölze rechts an der Schanze bei Chlum gewesen sein. Hier häuften sich die Leichen auf bedeutenden Strecken oft so dicht, daß man beim Gehen Acht geben mußte, um nicht auf sie zu treten. An dieser Stelle lag auch ein österreichischer Jäger im Graben, in der linken Hand die Büchse mit dem gespannten Hahn, in der erhobenen rechten Hand zwischen Daumen und Zeigefinger noch das vierfach geschlitzte Zündhütchen zum Aufsetzen, das ich mir zum Andenken mitnahm. Sämmtliche Leichen hatten die Augen geöffnet, oft harte Brodstückchen in den Händen und meist wilde schmerzverzerrte Gesichtszüge. Sammt und sonders aber waren sie ausgeplündert, alle Taschen waren umgedreht und hingen noch heraus. Die Portemonnaies und Notizbücher waren geleert und lagen regelmäßig geöffnet neben ihren ehemaligen Besitzern, die Uniformen und Beinkleider waren aufgerissen, damit auch die auf bloßem Leibe befestigte letzte Baarschaft gestohlen werden konnte; jeder Tornister war geöffnet, reine Wäsche, das Rasirzeug, Gebetbücher, Kleider, Nähzeug, Instructionsbücher, Patronen, Packete etc. wurden als werthlos zerstreut; selbst Revolver und Feldgläser im Futteral habe ich noch neben Officiersleichen liegen sehen, aber keinen zugeschnallten Tornister und selten eine Tasche bemerkt, die nicht umgekehrt heraushing.

Wie innerhalb zwölf Stunden so viele Menschen zusammenströmen können, um diese Tausende von Leichen zu plündern, das ist mir geradezu unerklärlich. Eine Feldmütze, ein weißer Reitermantel, der Federbusch eines Kaiserjägers, die Schärpe eines Officiers, besonders aber Feldflaschen mögen wohl als Siegestrophäen oder als Ersatz von den Siegern mitgenommen worden sein; allein Werthgegenstände zu entwenden, würde sich jeder preußische Soldat als Schande anrechnen, wie ich mich zu überzeugen mehrfache Gelegenheit hatte. Auffällig war mir, daß die Oesterreicher vollständiges Rasirzeug und viele Laternen bei sich führten. Die zwei Zoll im Durchmesser haltenden messingnen Cocarden waren großentheils inwendig am Käppi an dazu bestimmten Schnüren am Deckel angebunden, wahrscheinlich weil sie allzu sehr glänzen und Zielpunkte hätten abgeben können. Einen rührenden Anblick boten mehrere Affenpinscher dar. Diese treuen Thierchen rannten zwischen den Leichen herum, suchten ihre Herren und sahen dabei selbst vor Hunger, Nässe und Angst ganz erbärmlich aus.

Jenseit der Chaussee kamen wir hinter den Häusern von Lipa wieder bei dicht gedrängten Leichenfeldern vorbei und stießen hier auf siebenundzwanzig vorzügliche gezogene österreichische Geschütze; nur ein einziges davon war vernagelt! An einem Geschütz lagen noch fünf Pferde im Sielengeschirr, das sechste hatte sich losgerissen und streckte sich dicht daneben, die fahrende Mannschaft lag über den Pferden. Einem Kanonier waren beide Beine durch eine Granate abgerissen und man konnte den Stiefel mit dem darin steckenden Beine buchstäblich an eine andere Stelle werfen. Manche Pferde waren fast zerrissen, andere hatten bis zu fünfzehn Wunden; ein Pferd hatte in der Stirn ein Loch, so daß man mit der Faust hineingreifen konnte, ein anderes eine einzige Flintenkugel mitten in der Stirn. Eine rothe Blase zeigte die Stelle; die Oeffnung war so klein, daß kaum das Ende eines Spazierstockes hineinzudringen vermochte. Das Thier lag so ruhig, als hätte es sich behaglich auf frische Streu im Stall hingestreckt. Hier war auch die preußische Artillerie mehr zur Geltung gekommen.. Einem Manne war die Hirnschale völlig abgerissen, die Extremitäten waren vom Körper fast verschwunden, die Brust war so zerrissen, daß der Leib in einer Lache geronnenen Blutes schwamm. Die Ebene vor diesen Geschützen gegen das Wäldchen vor Sadowa und Dohaliz zu war schon von Leichen abgeräumt, allein die ganze Ebene mit todten Pferden der tapferen preußischen Gardedragoner und Zietenhusaren überdeckt. Wie vom Blitz getroffen lagen die schönen, zum Theil edlen Thiere da; die meisten schienen sofort verendet zu sein. Sie hatten noch ihre Hufeisen, Mähnen und Schweife, während bei Gitschin selbst diese abgeschnitten und abgerissen und geraubt worden waren. In den Protzkasten der Geschütze war die Munition noch massenhaft vorhanden; in Beuteln fanden wir die bestimmten Ladungsquantitäten eines groben, unpolirten, sehr leicht zerreibbaren Sprengpulvers und zahlreiche Kartätschen.

Bei Lipa trafen wir einzelne Truppenabtheilungen, die sich gelagert hatten und gerade ihr Mittagsessen bereiteten. Gänse, Hühner, Ferkel waren noch aufgetrieben worden und wurden mit Commißzwieback zu kräftigen Suppen gekocht oder an grünen Erlenstangen gebraten; oft bildeten die abgerupften Gänsefedern förmlich wie weißbeschneite Flecken auf der Straße. Ich theilte meine letzten Cigarren mit einigen Officieren und ging dann nach kurzer Rast nach den Laubhütten auf der rechten Seite der Chaussee über dem erwähnten Wäldchen. Auch hier gab es der Leichen eine grausige Menge, fast jede Hütte hatte einen oder mehrere stille Bewohner. Die meisten schienen einem ungarischen Regimente angehört zu haben; viele hatten sich bis auf Beinkleider und Hemd entkleidet, die Hemdärmel aufgestreift, um recht unbehindert ihrem blutigen Handwerk obliegen zu können; oft sah ich auch bei ihnen noch die gespannte Büchse in der kalten Hand.

Jenseit der Wiese am Walde wurden die Gefallenen in großen Massen begraben, Freund und Feind in ihren Uniformen zusammen. Auch mit dem Vergraben der Pferde hatte man schon begonnen; es ist dies eine sehr zeitraubende Arbeit. Zwei bis drei Thiere kamen in eine Grube, die oft widerspenstigen Beine wurden zerhackt oder zerbrochen und ein bis zwei Fuß Erde darübergeworfen. In einigen Wochen muß diese Gegend todbringende Miasmen aushauchen!

Auf der Straße wogte das bunteste Kriegsgetümmel durcheinander. In langen Reihen fuhren die aus den Provinzen Schlesien, Sachsen, Brandenburg requirirten Gespanne, ich kann jedoch ihren Besitzern versichern, daß die vielen Tausend Gespanne, welche ich bis jetzt getroffen habe, im Allgemeinen gut aussahen. Die Fuhrleute selbst waren im Allgemeinen freilich übler daran, als die Thiere, da sie nur von Commißbrod, Speck und Wasser lebten, zeitweis [514] auch daran Mangel litten; dabei mußten sie in Hitze, Kälte und Regen im Freien aushalten, und wenn es auch einmal heißen Kaffee und Branntwein gab, so fehlte es den armen Burschen meist an Geld, um das Labsal kaufen zu können. Uebrigens zeigten die Fuhrleute merkwürdiger Weise eine besondere Zuneigung für die blauen österreichischen Feldmützen; mehrmals habe ich selbst gesehen, wie mit der Kopfbedeckung eines stillen Mannes getauscht ward.

Meine Absicht ging dahin, bei dem Marketender, meinem neuen Freund und Lagerbruder, über Nacht zu bleiben, um wo möglich dem erwarteten Bombardement von Königsgrätz beizuwohnen; als ich indeß in die Amputationsanstalten von Sadowa kam, überzeugte ich mich, daß ich als Begleiter der Verwundeten von Nutzen sein könnte, und stellte mich einem der Stabsärzte zur Verfügung. Derselbe gab mir eine Colonne von ungefähr hundertundfünfzig schwer und leicht Verwundeten mit der Weisung, sie in den Lazarethen von Millowitz und Horzitz unterzubringen, leichter Verwundete einzutauschen und diese so weit als möglich fortzuschaffen. Den zwei begleitenden Husaren wurde mein neuer Posten bekannt gemacht, ich setzte mich auf den ersten Wagen und fuhr ab.

Rechts und links fuhren ununterbrochen Colonnen, wir in der Mitte der Straße. In der Gegend von Klenitz kam mir das Hauptquartier des Königs von Preußen entgegen. Er fuhr in einem eleganten mit vier Rappen bespannten Wagen langsam vorbei und der ganze Zug dauerte wohl eine Viertelstunde, da das Ausweichen natürlich nur langsam von statten ging. Bei der so großen Anzahl der begleitenden Officiere in fast allen europäischen Uniformen, nebst den Adjutanten, den Feldjägern, der Leibwache etc. war es mir nicht möglich, die hervorragenden Personen der gegenwärtigen Situation zu erkennen. Auch der Kronprinz kam zu Wagen vorbei. Ein Adjutant befahl, ich solle aus dem Wege fahren; ich remonstrirte jedoch, daß dies meinen Kranken zu viel Schmerzen verursachen würde, und so wich der Prinz ebenso wie der König langsam aus.

Die Fahrt bis nach dem dreiviertel Meilen entfernten Millowitz wurde mir zu einer sehr peinlichen. Beim geringsten Hinderniß im Wege oder bei schärferem Tempo der Pferde schrie und stöhnte der größte Theil der Verwundeten; die Italiener beteten laut ein Ave Maria nach dem andern. Einmal wurde ich an einen Wagen gerufen; da war einem Italiener das unterhalb des Leibes zerschmetterte Bein über den Wagen heruntergeglitten. Keiner der anderen Verwundeten hatte die Kraft es heraufzulegen; ich schlang die Kette des Frachtwagens darum und gab so dem Beine Festigkeit. Endlich erreichten wir das Dorf Millowitz. Drei bis vier Gebäude waren hier als Lazarethe eingerichtet, doch bestand die ganze Einrichtung darin, daß Zimmer, Hausflur und Böden ausgeräumt und die Dielen nothdürftig mit Stroh belegt waren. Schwer und leicht Verwundete lagen dicht gedrängt darauf, so daß kaum Platz für die neu zutretenden vorhanden war. Ich verlangte nach dem Vorstande, nach einem Arzt oder Krankenwärter – Niemand war da; die Leichtverwundeten versorgten die andern mit Wasser, Brod war nicht aufzutreiben. Da erfuhr ich schließlich, daß einige preußische Officiere in einem Häuschen gegenüber lägen; hier gab es wenigstens einige Feldbetten, sonst aber war auch an Allem Mangel. Ich sprach den Hauptmann v. Kr. und den Major R. von der Artillerie; Letzterer war amputirt und lag nun hier ohne jede Hülfe und Erquickung, Ersterer litt heftig an einem Schuß durch das Bein. Er sagte mir, es sei hier nur ein Assistenzarzt, welcher selbst leidend zurückgeblieben sei, als sich das Dorf plötzlich nach der Schlacht mit mehreren Hundert Verwundeten gefüllt habe. Wohl habe sich der Arzt derselben Tag und Nacht redlich angenommen, müsse sich aber jetzt etwas Ruhe gönnen. Wie gern hätte ich diese beiden Officiere mit in bessere Pflege genommen! Aber auf gewöhnlichen Fracht- und Leiterwagen waren sie nicht transportabel und ich konnte ihnen nur dadurch dienen, daß ich ihnen möglichst schnell ärztliche Hülfe und Lazarethbedürfnisse erbat.

Gern hätte ich überhaupt alle meine Verwundeten weiter transportirt, doch war es leider nicht möglich, da die beiden Husaren mit dem größten Theil der Wagen Befehl zum Fouragiren hatten und, nur um die leeren Wagen zu benutzen, zum Verwundetentransport beordert waren. So brachten wir denn mit Hülfe des jetzt erscheinenden leidenden Arztes die Kranken unter Obdach; die traurige Fracht eines Wagens konnte ich indeß nicht unterbringen und ein requirirtes Gespann, welches vorüberfuhr, hatte eine Bescheinigung zur Rückkehr in die Heimath. Ebensowenig war ich im Stande den böhmischen Knecht zu veranlassen, meinen Wagen fortzuschaffen, und bat daher einen vorübereilenden Officier um Unterstützung, welche auch in so praktischer Art zur Ausführung kam, daß der Mensch mit größter Behendigkeit einspannte und bis zur Ablieferung in Horzitz gefügig blieb.

Mit dem Rest von sechs bis acht Wagen fuhr ich weiter und erreichte Horzitz bei heftigem Regen spät am Abend, hier meine Verwundeten in verschiedenen Lazarethe vertheilend. Nur einem österreichischen Officier mußte sein Quartier in einem Hintergebäude angewiesen werden, da er leider unterwegs ruhig entschlummert war, ohne daß seine beiden Begleiter etwas gemerkt hatten – so krank waren auch diese.

Bei einbrechender Nacht setzten wir mit zwei Wagen unsern Weitertransport fort, rasteten in Gitschin, wo wir Nachts ein Uhr ankamen, einige Stunden im Lazareth und hielten früh neun Uhr vor dem Bahnhofe zu Turnau. Hier hatten sich mehrere Hundert Preußen und Oesterreicher aller Grade und Regimenter angesammelt; der Bahnhof wurde reparirt, um Verwundete unterbringen zu können, doch fehlte es auch hier noch an jeglicher Nahrung und Erfrischung. Erst gegen Mittag erhielt ich einige Commißbrode zur Vertheilung; später kam ein Marketender mit Bier und mancher Verwundete konnte nun gelabt werden. Um zwei Uhr stand ein Zug mit acht Güterwagen fertig, es wurde Stroh eingestreut und an hundert der Schwerstverwundeten eingeladen. Auch hier war kein Arzt oder Krankenwärter zu erübrigen; ich begleitete also den Transport weiter, um die nöthigsten Hülfeleistungen zu thun. Vor der Abfahrt erhielt jeder Wagen von einem Johanniterritter eine Flasche Rothwein. Wie wurde hier dies edle Labsal geschätzt und sorgfältig vertheilt! Der schwer verwundete österreichische Kammerherr theilte das kleine Glas mit dem neben ihm auf knappem Stroh liegenden preußischen Jäger; ein Hauptmann, der bei Magenta und Solferino gekämpft, theilte mit dem sechszehnjährigen Tertianer aus Olmütz, der erst seit vierzehn Tagen als Avantageur bei einem italienischen Regimente eingetreten war! Jeder National- und Rangunterschied pflegt in solchen Fällen aufzuhören; Jeder unterstützt den Andern nach Kräften, wie er es vermag und versteht. Wie wunderherrlich erwächst die Blume der wahren Nächstenliebe aus diesen blutrauchenden Feldern, wo noch vor wenigen Stunden die entfesselten Leidenschaften mit Aufgebot und Erschöpfung aller Kräfte gegen einander gewüthet haben!

In Zittau, Herrnhut, Löbau, überall wurden uns ärztliche Hülfe und Erquickungen jeder Art im vollsten Maße zu Theil. Um Mitternacht waren wir in Görlitz. Auch hier war unser Transport erst der erste oder zweite, welcher von Königsgrätz aus ankam; darum ließen die Einrichtungen auf dem Bahnhofe noch gar viel zu wünschen übrig. Kein Arzt war aufzutreiben und es waren nur zwei Tragbahren für Verwundete zu finden! Meine Blessirten waren mir allmählich förmlich an’s Herz gewachsen; es wurde mir ordentlich schwer, mich hier, wo sie meiner nicht mehr bedurften, von ihnen zu trennen, und mancher herzliche Händedruck und dankbare Blick belohnten mich überreichlich für das Wenige, was ich hatte thun können. –

Ihr Alle aber, die Ihr in diesem großen Kämpfe geblutet habt, möchtet Ihr nicht zu schwer zu leiden haben; möchtet Ihr Alle dereinst geheilt in die Arme der Eurigen zurückkehren! Gebe das Geschick, daß Ihr alsdann auf ein großes, einiges Deutschland unter kräftiger einheitlicher Führung blicken und mit Stolz von Euch sagen könnt: „Wir haben es mit unserem Blute erkauft!“ Der unvergängliche Lorbeer dieses Ruhmes schmücke Euch dereinst noch das Greisenhaupt!



[515]
Die Welfenburg.


„Hie Welf!“ So erscholl zum ersten Male der Schlachtruf am einundzwanzigsten December 1140 über die schneebedeckten Fluren von Weinsberg, und durch Generationen antwortete ihm fortan das Feldgeschrei „Hie Waiblingen!“ in den brudermörderischen Kämpfen, in welchen die Parteien der deutschen Kaiser und der römischen Päpste, der nach Freiheit strebenden Städte und des kaisertreuen Adels Deutschland und Italien verheerten.

Das Haus der Hohenstaufen ist seit Jahrhunderten ein untergegangenes, sein letztes Blut war nicht auf den Schlachtfeldern, sondern auf dem Schaffot vergossen worden, als Conradin’s jugendschönes Haupt auf dem Markt zu Neapel vom Rumpfe fiel; das Haus der Welfen ward vom Rad des Schicksals aus Deutschlands äußerstem Süden im Lauf der Jahrhunderte bis zu dessen äußerstem Norden getragen, gleich dem der Hohenzollern, und nachdem beide in Norddeutschland zu königlicher Macht sich erhoben hatten, sollten nach fast sechshundert Jahren die Hohenzollern die Rächer der Hohenstaufen an den Welfen werden, deren Königsthron sie am 27. Juni 1866 auf den blutigen Feldern von Langensalza zertrümmerten. – Das Wappen der Waiblinger oder Hohenstaufen war einst eine weiße Rose oder eine rothe Lilie gewesen. Die Welfen hatten in feindseligem Uebermuth zu ihrem Wappen einen Adler gewählt, der einen blauen Drachen mit rother Lilie auf dem Kopfe mit seinen Klauen zerriß. Als dieser blaue Drache ist Preußens Macht erstanden, der den alten Welfenadler wie das neue Welfenroß zugleich verschlang. Mit dem braunschweigischen Herzogshut, der nur noch über zwei Augen glänzt, fällt das letzte Besitzthum der alten mächtigen Dynastie an die norddeutsche Großmacht und hat das Haus der Welfen in Deutschland sein Ende erreicht, wenn nicht alle Anzeichen trügen.

Im Augenblick der Ausführung eines so verhängnißreichen Richterspruchs des Schicksals erscheint es uns an der Zeit, eine alte Stammburg des Welfenhauses aufzusuchen und von ihr aus einen Blick in die Vergangenheit des Geschlechts zu werfen. Es ist vielleicht nicht allen unsern Lesern bekannt, daß die Welfen ihren Ursprung aus Italien und ihren Namen von einer Sage herleiten. Erst im elften Jahrhundert sollen sie über die Alpen gekommen sein. Altdorf wird als ihre erste Dynastenstation genannt, und der Sohn eines Warin von Altdorf, Graf Isenbrand, gab dem Geschlechte den Namen der Welfe. Desselben Grafen gesegnete Gemahlin soll nämlich von zwölf Knaben auf einmal entbunden worden sein, während der Graf sich eben des Waidwerks erfreute. In der Angst der Befürchtung, daß ihr Gemahl wegen des gar so reichen Ehesegens Unwürdiges von ihr argwöhnen möge, gebot sie einer Dienerin, die Kinder in einem Korbe hinaus in den Wald zu tragen und dort dem Himmel zu überlassen. Da kam der Graf ihr des Wegs entgegen und fragte die Dienerin, was sie in dem Korbe trage. „Welfe“ (d. h. junge Hunde), antwortete sie. Als aber der Graf den Korb geöffnet und die Knabenschaar gesehen und ihren Ursprung erforscht, ließ er sie heimlich erziehen und erst als sie zu stattlichen Jünglingen herangewachsen waren, führte er sie zu ihrer Mutter zurück und bestimmte, daß sie und alle ihre Nachkommen fortan heißen sollten, wie die Dienerin sie genannt hatte: Welfe.

Der Schauplatz, den man dieser Sage gegeben hat, ist Weingarten, ein Kloster, von dem man glaubt, daß es aus einer Burg der Welfen entstanden sei. Dort bewahrt man noch heute die Grabstätten von sieben Welfen, und eine besondere Herzenssache des letzten Königs von Hannover war vor einigen Jahren die glanzvolle Wiederherstellung jener Welfengruft.

Unweit davon, auf dem Berge bei der heute zu Würtemberg gehörenden oberschwäbischen Stadt Ravensburg, steht, zum Theil noch ziemlich erhalten, die deutsche Wiege des Geschlechts, die Veits- oder Welfenburg. Die meisten Reisenden auf der Ulm-Friedrichshafner Eisenbahn, an welcher Ravensburg liegt, eilen, trotz der sehr schönen Gegend, dort vorüber, weil sie entweder die Sehnsucht in die Schweiz treibt oder sie von Naturgenüssen übersättigt von dort heimkehren. Dies würde auch mir geschehen sein, wenn ich nicht halb und halb mit Gewalt davon zurückgehalten worden wäre.

„Die Eisenbahnen könnten etwas Besseres thun, als die Menschen an so viel Schönem nur vorbeizujagen.“ Mit dieser Bemerkung wandte mein Reisenachbar im Friedrichshafen-Ulmer Schnellzug sich an mich. „Die Leute wissen’s gar nicht,“ fuhr er fort, „daß es häufig fast noch schöner ist, in die Schweiz hinüber zu schauen, als drinnen herum zu laufen, und da kann Einer lange suchen, bis er einen Standpunkt dazu findet, wie wir Ravensburger ihn haben.“

„So?“ fragte ich mit der Gedehntheit des halben Zweiflers. Und da er mir dafür den Blick eines Verletzten zuwarf, so fügte ich meinem „So“ die Erklärung bei, daß wir Deutschen es an uns hätten, allesammt in unsere Heimathstätten sterblich verliebt zu sein; daß jeder Deutsche in seiner Gegend etwas besonders Sehenswerthes preise und daß man gar keine Eisenbahn nöthig hätte, wenn man alle diese Sehenswürdigkeiten sehen wollte.

„Herr!“ brauste mein Nachbar auf, „das ist so eine nordische Redensart, die nur der Neid ausspricht, wenn nicht was Schlimmeres. Was bildet man sich denn im Norden droben ein? Wir haben Euch die besten Dichter, die größten Philosophen und die glänzendsten Herrschergeschlechter schicken müssen und dafür wollt Ihr uns nicht einmal die Freude an unserer Heimath lassen? Ihr Männer von Ravensburg,“ wandte er sich an einen Theil der übrigen Waggongesellschaft, „man sollte billig einmal an einem Norddeutschen Gewalt brauchen, damit er unsere Stadt beschreite und die Welfenburg ersteige und dann Zeugniß ablege, welch’ einen Blick ein deutscher Mann von da droben in die Lande senden könne.“

„Dabei bleibt’s!“ riefen mehrere fröhliche Stimmen; „der Herr ist unser Gast –“

„– und Gefangener,“ setzte mein Nachbar hinzu. „Wie steht’s nun? Wollen Sie’s auf gastfreundschaftliche Gewalt ankommen lassen?“

Da war nicht zu widerstehen; herzlich zufrieden fügte ich mich dem allgemeinen Schwabenwunsche – und sage heute den braven Männern hiermit meinen Dank dafür.

Nach kurzer Rast in der durch ihre alterthümlichen Bauwerke ehrwürdigen Oberamtsstadt Ravensburg begann in zahlreicher Gesellschaft unser Gang auf die Burg. Obwohl ein bequemer Fahrweg hinaufführt, so zogen wir doch einen der schattenreichen Fußsteige vor, die auf der Nordseite des Berges angelegt sind und, wenn auch steil, doch mit überraschend wachsenden Fernblicken erfreuen, und an denen häufig Ruhebänke zum Sitzen einladen. Die Stadt selbst gewährt ein gutes Bild, besonders imponirend trotzt uns ein alter Thurm entgegen, der den höchsten Theil der ehemaligen Stadtbefestigung bildete, dem Land und der Burg zugleich Widerstand zu leisten bestimmt war und wegen seiner wunderlichen Gestalt den dieser entsprechenden Namen „der Mehlsack“ erhielt. Die Stadt liegt im reizenden Schussenthal und soweit der Burgberg diesem sich zuneigt, schmückt ihn die üppigste Rebpflanzung bis an die Stirn; die übrigen Abhänge sind wenigstens mit Rasengrün bekleidet und mit zerstreuten Gruppen hübscher Bäume und Sträucher geziert.

Schon unterwegs macht man die Entdeckung, daß wir keinen Bergkegel vor uns haben, sondern daß die Burg die vordere Kuppe eines langgestreckten Bergrückens einnimmt, die durch einen tiefen Graben erst von diesem künstlich getrennt worden war. Jetzt ist der Graben ausgefüllt. Auf dem Bergrücken steht die alte Pfarre St. Christina. Betreten wir den Burgraum, so sehen wir von den ehemaligen Befestigungsmauern nur noch wenige Trümmer, ausgenommen die das Thor umgebende Mauer nach Süden hin. Dagegen stehen die festgewölbten Pferdeställe der Welfen und Hohenstaufen noch heute, nur daß in den oberen Räumen derselben, wo das Ingesinde der Burg zu wohnen pflegte, jetzt einige ärmere Familien hausen, und wo die Streitrosse der Ritter ungeduldig die Erde stampften, eine friedliche Schafheerde untergebracht ist. Auf dem grünen Rasenboden des Burghofs, der mit Obstbäumen und Kastanien bepflanzt ist, schlängeln sich bekieste Wege nach der offenen Nord- und Westseite des Burgraums. Dazwischen stehen Bänke und Tische, an denen wir bereits Gäste vorfanden, die sich am trefflichen Biere der Schloßwirthschaft erquickten. Gegen S.-W. steht isolirt ein größeres Gebäude, das nach Zerstörung der Burg im Anschluß an die soliden Mauern des südlichen Eckthurms aufgeführt wurde, nach der Südseite mit Veranda und Balcon versehen [516] ist und zu wirthschaftlichen Zwecken verwendet wird. Da, wo einst der nordwestliche Eckthurm gestanden, dem gewaltig aus der Tiefe heraufstarrenden „Mehlsack“ gerade gegenüber, steht ein mit zahlreichen Glasfenstern versehener Pavillon, der Lieblingsplatz der Ravensburger Stammgäste. Hierher führten mich meine Zwangsgastfreunde, hier ist die Zinne ihres Tempels, von wo ich ihre Herrlichkeiten bewundern sollte. Und ich that’s aus vollem Herzen. Tritt man an die Mauerzinne der Westseite, so blickt man wie aus der Vogelflugperspective nach der in unmittelbarer Nähe unten liegenden Stadt mit ihren grauen Mauern und Thürmen. Die langgestreckten Bahnhofsgebäude jenseits der Stadt und die dampfenden Kamine der um die Stadt zerstreuten Fabriken fügen das Bild des modernen Culturlebens zum alterthümlichen Wesen. Nordwärts schweift der Blick an den residenzartigen Klostergebäuden von Weingarten vorbei nach den waldigen Höhen, welche die Wasserscheide zwischen Bodensee und Donaugegend bilden. Westlich glänzen im Morgenlichte die zahlreichen Landsitze der Ravensburger und die Hofgüter der „lateinischen Bauern“, wie man hier zu Lande die akademisch gebildeten Oekonomen zu nennen beliebt.

An hellem Tage bietet nach Süden hin, dem Schussenthale entlang, das herrliche Alpengebirge ein Panorama, das in Verbindung mit so fruchtbarem, vielbelebtem Vordergrund nur an wenigen Punkten des südlichen Schwabens zu finden ist. Bis tief in das Innere der Schweiz dringt der Blick von den nahen Appenzeller Bergen bis zu dem gegen vierzig Stunden entfernten Berner Oberland. Der gewaltig dominirende Säntis, in gerader Linie fünfzehn Stunden entfernt, bildet den westlichen Flügelmann der aus alpinischer Kreide bestehenden Alpsteingruppe, den östlichen der nahezu gleichhohe Alte Mann. In der Einsattlung zwischen den beiden Riesen streckt der Wildhauser Schafberg sein zierliches Pyramidenhaupt empor; an seinem Fuße ist in der noch erhaltenen schwarzen Hütte Zwingli geboren. Ueber dem am jenseitigen Seeufer sichtbaren Arbon erglänzen die eisigen Firnen des Hausstocks, darunter die westlichen Glieder der Churfirstenkette und aus den grünen Matten der unteren Stufen schimmern in der Abendbeleuchtung, gleich flimmernden Sternen, die den Sonnenstrahl reflectirenden Fenster der Gebäude von St. Gallen. Wer nennt die Berge und Thäler, die Hörner und Schluchten all’, die dort drüben leuchten und dunkeln? Und was hätten wir auch von alle den Namen! Kurz, die Schweiz zeigt uns auf dieser Welfenburg ihr Reizendstes, die Riesen der Alpen und die Geister der Geschichte der Alpenvölker reden gleich mächtig zu uns herüber, das Auge wagt seine kühnsten Sprünge vom Berner Oberland bis zum Silberspiegel des Bodensees bei Romanshorn und wieder hinauf zu den drei Wetterhörnern, die so regelmäßig geformt sind, wie die drei großen Pyramiden von Memphis, und läßt endlich das Dreigestirn Mönch, Jungfrau und Eiger den Reigen schließen.

„Ja, Ihr Männer, hier oben war’s schwer, ein Welfe sein und nicht nach Deutschlands Kaiserkrone greifen! Ueber Alles, was das Auge hier sieht, erstreckte sich des Reiches Scepter, – und Herrlicheres kann das Auge nicht sehen! Habt Dank für den Zwang, der mich so hoch erhoben! Nun sollen Tausende von Deutschen es durch die ‚Gartenlaube‘ erfahren, welches Kleinod Ravensburg für Jeden bietet, der ein solches Rundbild hoch genug zu schätzen weiß!“

„Bravo!“ riefen die Männer, und mein Reisenachbar nahm das Wort: „Es ist unsern Altvordern da drunten im Thale nicht billig zu stehen gekommen, dieses Kleinod auf dem Berge. Die Burg ist älter, als die Stadt, und diese verdankt jener auch ihren Namen, denn sie selbst hieß in der ältesten Zeit die Ravensburg, und nur weil sie eine dem St. Vitus geweihte Capelle umschloß, nannte man, als der Name Ravensburg längst auf die Stadt übergegangen war, die Burg Veitsburg. – Auch die Stadt ist eine echte Welfengründung. Welf der Zweite war es, der um das Jahr 1000 für seine Ministerialen den alten Häuserkern baute, dessen Erker und Gewölbe bis heute der Zeit getrotzt haben und um welchen die Stadt sich allgemach ansetzte. Dieser Welf erhob die Ravensburg zu seinem ständigen Sitz und sein Sohn nannte sich sogar Welf von Ravensburg – und von diesem Augenblick an spielt sie eine nicht geringe Rolle in der deutschen Geschichte. Hierher brachte der Welfe Heinrich, Herzog von Baiern, seinen Feind, Graf Conrad von Wolfratshausen, und 1125 seine Gattin Gertrud, Kaiser Lothar’s Tochter, nach den Vermählungsfeierlichkeiten zu Gunzlach in Baiern. Hier wurde Heinrich der Löwe, Heinrich’s des Schwarzen Sohn, um 1128 geboren und hat der Stolzeste der Welfen, der einen Barbarossa vor sich auf den Knieen liegen sah, der Stammvater der Welfen von England, Hannover und Braunschweig, seine ersten Lebenstage zugebracht. Aber unter Barbarossa ging auch die Burg mit der seit 1138 ummauerten Stadt aus dem Welfischen Besitz in den Hohenstaufischen über. Das erzählt unser Stälin in seiner Geschichte von Württemberg ungefähr so: ‚Nach einem vielbewegten Leben, nach Römerzügen und Kreuzfahrt, verlebte Welf, der Sechste seines Namens, die späteren Tage seines Lebens, vom politischen Schauplatz zurückgezogen, auf seinen oberschwäbischen Besitzungen, wo er Festgelagen und Jagden und andern minder gefährlichen Abenteuern nachging, geldarme Glücksritter beherbergte, prächtige Kleidungen und Waffen verschenkte und darüber in Geldverlegenheiten gerieth. Sein einziger Sohn war ihm in der hoffnungsvollsten Blüthe seiner Jahre von der Pest in Italien weggerafft worden und sein Neffe, Heinrich der Löwe, der der Erbe seiner Güter werden sollte, verscherzte seine Gunst, indem er dem alten, genußsüchtigen Welfen aus kurzsichtiger Sparsamkeit das Geld verweigerte, dessen derselbe bedurfte, um sich aus seinen Geldverlegenheiten zu ziehen. Um so bereitwilliger kam ihm der Kaiser Friedrich Barbarossa mit großen Geldsummen zu Hülfe. Zum Lohne hierfür wurden dem Kaiser und seinem Hause die oberschwäbischen Güter auf die Zeit des Ablebens des alten Welf zugesichert und schon während dessen Lebzeiten Einiges zu eigen gegeben. So kam die Ravensburg in friedlicher Weise aus der Welfen Hand in den Besitz der Hohenstaufen.‘“

– „Wunderbares Schicksal, das nur eines so geringen Mittels bedurfte, um die mächtigste deutsche Dynastie jener Zeit, deren Gebiet, ein wahres Welfenreich, von den Gestaden der Nord- und Ostsee bis zu den Alpen und bis zum adriatischen Meer reichte, so zu erschüttern, daß sie die Grundsäule ihrer Macht in Süddeutschland verlor, um später dem Norden allein noch anzugehören – und selbst dort in unsern Tagen so traurig zu enden!“

– „Sie haben Recht, norddeutscher Landsmann!“ erwiderte mir mein Burgfreund, „umsomehr ist es zu beklagen, daß auch dem Süden kein Heil daraus erwuchs – schon damals nicht – und Gott weiß, ob heute! – Aber gehen wir zur alten Zeit zurück. Auch die Hohenstaufischen Herrscher hielten ihre Hoftage oft auf der Ravensburg. Hier thronte im Jahr 1203 der unglückliche Philipp von Schwaben, damals noch ein Jüngling von blonden Haaren, der Gemahl der griechischen Kaisertochter Irene, und um ihn her ein glänzender Hofstaat von Rittern und Knappen. Auch der letzte Hohenstaufe, jener unglückliche Heldenjüngling Conradin, hielt sich kurz vor seinem verhängnißvollen Zuge nach Italien längere Zeit hier oben auf, und während er der scheinbaren Ruhe sich hingab, im Anblick des herrlichen Schussenthals und der helvetischen Schneegebirge, sang das Volk Spottlieder auf den müßigen Jüngling. Nach der traurigen Zeit des Interregnums kam durch die Wahl der Fürsten Rudolph von Habsburg auf den Thron, und er war es, der 1276 Ravensburg zur freien Reichsstadt erklärte. Eben damit wird das geschichtliche Band zwischen Burg und Stadt gelöst. Die Burg verblieb dem Reichsoberhaupt und war von da an bis 1641 die Residenz der kaiserlichen Vögte. Die Mauer, welche bis dahin Stadt und Burg als gemeinschaftlichen Besitz verbunden hatte, wurde niedergerissen und aus ihren Bausteinen von der Stadt der gewaltige „Mehlsack“ erbaut. Die Burg war aus den Stürmen des dreißigjährigen Kriegs unversehrt hervorgegangen und nicht in ruhmvollem Kampfe, sondern durch niederträchtige Rohheit ruchloser Hände sollte sie fallen. Am 20. August 1647 wurde sie von einem Papiermüllergesellen und von einem österreichischen Soldaten, welche dafür am 23. September an einen Nußbaum auf dem Schloßberg aufgehängt wurden, angezündet und verbrannt. Seitdem wurde die Burg nicht mehr aufgebaut. Von 1748 an wurde das Besitzthum der Stadt in lehnbarer Eigenschaft überlassen; seit 1798 befindet sich die Burgruine im Privatbesitz von Ravensburger Bürgern.“

– Die Welfenburg in Privatbesitz – und das Welfenhaus in den Privatstand zurückgekehrt! So ist das Schicksal von Burg und Haus gleichmäßig abgeschlossen. Und nicht weniger deutungsvoll ist das Schicksal dreier anderer Stammburgen mächtiger Herrschergeschlechter im Süden des alten deutschen Reichs: die Wiege der Habsburger steht durch ihre eigene Schuld seit [517] fünfthalb Jahrhunderten außerhalb Deutschlands – wie in diesem Augenblick das ganze Oesterreich selbst! – Die Wittelsbacher haben eine Gedenksäule errichtet auf der öden Stätte, wo einst ihre Wiege stand; doch sind sie noch Herren dieses Bodens. – Nur Hohenzollern prangt wieder neu in alter Pracht, steht noch auf deutschem Boden und trägt noch heute Fahne und Wappen seines alten Geschlechts. Süddeutsche Männer, wollen die Blicke Euch trüb werden vor diesen Bildern, so versöhne uns ein Wunsch, der jedes deutsche Herz erfüllt! Wenn den Hohenzollern gelingt, was weder den Habsburgern, noch den Welfen und Wittelsbachern gelang, wenn sie überhaupt je darnach gestrebt haben, das seit Jahrhunderten zerrissene Vaterland durch Einheit mächtig und durch Freiheit glücklich zu machen, so wollen wir aus bloßer Heimathwehmuth keine solche Ruine mehr betrauern, denn über alle Fürstenburgen geht unser Wunsch: „Gott segne Deutschland!“




Englische Sonderlinge.


Englische Sonderlinge haben mitunter zu den dankbarsten Figuren und Rollen in deutschen Reisenovellen und Lustspielen gehört. Wir verlangen nicht viel von ihnen in der Wirklichkeit. Ein langer Brite mit wasserblauen Augen, übermäßigen Vatermördern, schiefgeknöpfter Weste, in Nanking oder große schottische Carrés von Kopf bis zu Füßen gekleidet, einen Wasserdichten als

John Marley’s Einsiedelei.

Ueberrock, Lorgnette und unser Bild ist fertig; jedoch den Regenschirm nicht zu vergessen, den man unter die „angeborenen“ Eigenschaften eines Engländers rechnen kann. Solchen Figuren ist man auf deutschen Bahnhöfen begegnet. Man sieht sie auch in Paris auf den Boulevards in gleichem Reisecostüm. Das sind jedoch Sonderlinge, die sich nur im Auslande so präsentiren. In England würde in einer nur einigermaßen belebten Straße kein Brite in so auffälliger Tracht erscheinen; auch das „God dam!“ verstieße durchaus gegen den gewöhnlichsten guten Ton. Man hört es fast nur von Engländern im Auslande. Mehr als ein englischer Zeitungscorrespondent hat diese Marotten in Briefen an seine Londoner Zeitung gerügt, weil sie den Ausländern einen ganz falschen Begriff von „John Bull at home“, dem „Engländer zu Hause“ beibrächten.

In England wird der Sonderling nicht öffentlich erkennbar. Die Einförmigkeit des gesellschaftlichen oder, viel richtiger gesagt, ungesellschaftlichen Lebens kleidet auch die Absonderlichen in das allgemeine Grau, denn nichts wird mehr gescheut, als mit der eigenen Person Aufsehen zu erregen. Wie der Engländer Alles mit Ernst anfaßt, so ernsthaft betreibt er auch die Sonderbarkeiten, und ein Sonderling will nie als solcher erscheinen. Eitelkeit giebt ihm die Marotten nicht ein. Er zieht sich in sich selbst zurück, um sich selbst zu gefallen, und wird Einsiedler, was am allerleichtesten in London ist, denn in dieser Millionenstadt weiß die eine Hälfte der Einwohner kaum, wie die andere lebt. Niemand stört denjenigen, welcher sich der Einsiedlerschaft ergiebt. Nach dem Urtheile mancher Leute ist Freiheit die höchste Potenz „völliger Ungeschorenheit“, und diese Leute müssen ihr Ideal in London finden. Nur in Processen tauchen mitunter solche Einsiedler an das Tageslicht, wenn z. B. Hauswirthe gegen sie klagbar werden, wie folgender ergötzliche Fall beweist. Vor dem Richter erschien in diesem Sommer eine alte Dame in höchster Aufregung. Sie vermochte, äußerster Entrüstung voll, ihre Klage kaum zu stammeln und es währte eine Weile, bevor es zu folgendem verständlichem Dialoge kam.

Richter. Sie klagen gegen Charlotte N. wegen Störung des Hausfriedens, und doch räumen Sie ein, daß Sie dieselbe seit sechs Monaten nicht gesehen und ebensowenig einer der andern Miether in Ihrem Hause.

Klägerin. Es ist unerhört, unerhört in einem christlichen Lande! Wahr, sie hält sich eingeschlossen und ist die ruhigste Person von der Welt. Nahrungsmittel werden ihr durch die Thür gereicht und sie wirft das Geld, in Papier gewickelt, durch die Spalte. Aber ich habe keine Ruhe bei Tag und Nacht. Das gackert und kräht und schnurrt in ihren Zimmern und das Wasser strömt durch die Decke auf meine schönen Brüsseler Teppiche. Sie hält Hühner im Hinterzimmer und läßt Enten im Salon schwimmen. Alle Bitten und Vorstellungen sind vergebens. Es ist unerhört in einem christlichen Lande!

Richter. Bezahlt sie Ihnen die Miethe?

Klägerin. Auf die Minute.

Richter. Es ist hier kein Bruch des Hausfriedens erwiesen. Ihr Fall gehört nicht vor diesen Gerichtshof. Der einzige Rath, den ich Ihnen geben kann, ist, bei dem Polizeihof eine Exmission gegen Ihre Mietherin zu beantragen. Dann können Sie in einigen Wochen von derselben befreit sein.

Klägerin. In einigen Wochen? In der Zeit können die Enten noch Junge bekommen.

Richter. Dem ist nicht abzuhelfen.

Klägerin. Und das nennt man Gerechtigkeit? O ich weiß, das wird noch mein Tod sein!

Um dieselbe Zeit war es, daß eine ganze erregte Nachbarschaft, die verschiedensten Stände vereinigend, in corpore gegen eine andere Einsiedlerin klagbar wurde, die sich seit Jahren in ein Haus und in die Thierwelt zurückgezogen. Es handelte sich dabei um einen originellen altjüngferlichen Sport. Mit einem Paar Katzen hatte die Verklagte vor mehreren Jahren ein Haus bezogen und dort in völliger Einsamkeit aus diesem einen Paar nicht weniger als einhundertundvierzehn Katzen gezüchtet, deren musikalische Exercitien nach dem alten deutschen Gedichte[WS 2] bekanntlich „Steine erweichen und Menschen rasend machen können“. Bei diesem Proceß kam es zu einem Vergleich. Die Katzenliebhaberin gab ein volles Hundert ihrer Zöglinge auf und behielt nur einige auserlesene Stammhalter. So hat bis zur nächsten Entwickelung natürlicher Multiplication die Nachbarschaft jener Lady Ruhe.

Eine andere weltmüde Dame vertheidigte ihre Einsiedelei mit einer Schaar Bulldoggen, denen sie mehrere Zimmer eingeräumt und welche sie, wie vor Gericht zur Erwähnung kam, „nur mit dem zartesten jungen Geflügel nährte“. Auch hier lag eine vierjährige [518] Selbsteinschließung vor. Der nothwendigste Verkehr mit der Welt erfolgte durch ein klösterlich-kleines Schubfenster in der Hausthür. Dennoch ersahen sich die vierfüßigen Gefangenen eines Tages die Gelegenheit, einen Ausfall aus der Festung zu machen und, ihren natürlichen Trieben folgend, erklärten sie den Beinen des Straßenpublicums erbitterte Fehde. Dies führte zu Ansprüchen wegen „Schmerzensgelder“, und die Einsiedlerin hatte eine ansehnliche Summe für diese „kleinen Unarten“ ihrer „Engel“, wie sie sich äußerte, zu entrichten.

Auch an modernen Parodieen jener alten Einsiedler fehlt es nicht, die sich ehemals mit einer Bibel und einem Todtenkopf in irgend eine Höhle zurückzogen, um jenen langsamen Selbstmord an sich selbst zu begehen. Dieser „Selbstmord“ ist in England gar nicht so selten. Er entspringt in modernen Tagen aus der ausgesuchtesten Selbstsucht, und ein englischer Criminal-Psychologe erklärt den Einsiedler in unseren Tagen für einen größeren Versündiger, als den, welcher sich mit der Kugel das Hirn ausblase. Die Reihe von Beispielen wäre unerschöpflich. Da ist der Einsiedler in der Dachstube, in den feinen chambres garniers, oder der, welcher sich in ein ganzes Haus einschließt und meist ein Maximum von halbverrücktem Egoismus mit einem Minimum von Reinlichkeit verbindet.

In einem Hause in einer Nebenstraße des Strand, dieser riesigen Verkehrsader Londons, wo zu manchen Stunden des Tags kaum Ellenbogenraum zu finden, lebte bis vor Kurzem ein ehemaliger Rechtsgelehrter, welcher, obwohl im Besitze eines großen Vermögens, im besten Mannesalter aus der Welt der Lebendigen verschwand. Er lebte fortan in jenem Hause volle zwanzig Jahre, ohne daß ihn Jemand zu Gesicht bekommen, ausgenommen am Neujahrstage, wenn er seiner Vermögensangelegenheiten wegen sich für wenige Stunden in die Straße wagte, um mit seinem Banquier oder Sachwalter zu sprechen. Heimgekehrt, verschwand er sofort wieder auf volle zwölf Monate jedem sterblichen Auge. Seine Speisen wurden von einer Nachbarin, welche sich mit einem Schlüssel in das Haus einlassen durfte, in ein Vorzimmer gestellt, damit er sie sich selber hole. Auch verweilte die Bringerin nur wenige Minuten in dem unheimlich öden Hause, das der einsame Mann nie zu reinigen erlaubte. Der Staub sammelte sich in Hügeln auf den kostbarsten Teppichen und Meubles. In einem Hinterzimmer „wohnte“ er, wenn das „Wohnen“ genannt werden kann. Als im vorigen Sommer die Nachbarin zwei Tage hindurch die Schüsseln unberührt vorfand, mischten sich die Nachbarn des „Spukhauses“ in die Sache und – die Polizei. Man fand den einsamen Nabob todt in seinem Schreibsessel, wie immer in ein feinstes Schwarz gekleidet, inmitten eines Chaos von alten Proceßacten. Deren Studium mochte – da er nur in der Vergangenheit lebte – die einzige Zerstreuung für ihn gewesen sein, denn die Bücher in seiner Bibliothek bewiesen durch das Vorhandensein dichter Schleier von Spinnweben, daß sich seit Jahren keine Hand nach der Literatur ausgestreckt hatte. Ein Theil des Zimmers war mit einem Berg von ungebrauchten Stiefeln jeder Façon angefüllt; ein Papierkorb enthielt mehrere Hundert Silberlöffel, und das Gerippe einer Hauskatze fand sich neben einem großen Wandspiegel vor. Dieser Spiegel stand dem Schreibtische gegenüber, so daß der Davorsitzende seit zwanzig Jahren die Veränderungen in seinem Leben stündlich selbst wahrnehmen konnte, wie die Haare ergrauten, die Züge verwelkten, das Auge trüber wurde; allein und einsam in dieser furchtbaren Stille, wo er den Schatten zugetrunken, denn eine große Zahl geleerter Flaschen, die einst edlen Wein beherbergt, fand sich in allen Zimmern zerstreut. Auch der Katze, seiner einzigen Genossin, mußte trotz ihrer zähen Natur die Geduld ausgegangen sein, so daß sie den egoistischen Schwärmer verließ, d. h. starb, und nur ihr präparirtes Gerippe als Andenken aufbewahrt wurde. Die Phantasie eines Dickens vermöchte kaum den seltsamen Neujahrstag zu schildern, die nervöse Erregung, mit welcher der Einsiedler sich auf einige Stunden mitten in das Gewühl der Weltstadt begab, von den Ungeduldigen aus dem Wege geschoben, kaum bemerkt von den wenigen Müßigen, deren es in London giebt, von den Kindern scheu geflohen, immer, wie in seinem Studirzimmer, mit einer Eleganz gekleidet, als wäre er zur Hoftafel befohlen.

Weniger düster, aber nicht weniger seltsam, erscheint solche Existenz in der Stille des Landlebens. Auch dort hat der Spleen dieser Gattung seine Anhänger. Man hat zwar seit Langem dort keinen „wilden Mann“ eingefangen, wie einst in Devonshire, welcher von Wurzeln und Kräutern lebte und wie ein Affe in den Bäumen wohnte. Doch ausgestorben ist die Classe nicht ganz, und hört man seltener von ihr, so liegt dies an dem Umstande, daß man in England viel zu viel mit den Lebendigen zu thun hat, als sich um die zu kümmern, welche in der grausigen Selbstgenügsamkeit des Einsiedlerlebens aus der Misanthropie einen Sport machen.

Unser Bild zeigt einen der hartnäckigsten Einsiedler, welcher noch bis zu dieser Stunde wie eine Naturmerkwürdigkeit von Neugierigen „besichtigt“ werden kann. Ungefähr drei englische Meilen von dem Seebade Seaton Carew[WS 3], unweit der Mündung des Flusses Tees, findet sich viel öder Grund. Es ist eine weite flache Sandebene, welche bei hoher Fluth von dem überströmenden Wasser des Flusses überrieselt wird. Hier, auf einer etwas höheren Sandbank, hat ein Eremit britischer Nation seine Residenz aufgeschlagen – wie die Großväter der heutigen australischen Squatters gethan – als ein leibhaftiger Robinson Crusoe. Er ist ein Fünfziger. Sein Gewand ist ein wahres Netzwerk von Flecken und Nähten. Seinen Kopf bedeckt ein Hut mit ungeheueren herabhängenden Krämpen, an südamerikanische Gauchos erinnernd. Er hat sich denselben eigenhändig aus dem Fell eines todten Hundes fabricirt, den die See ihm zugespült. Seine äußere Erscheinung ist demnach nichts weniger als einnehmend, aber die Ruine eines einst kräftigen Körpers und sogar edler Haltung. Sein Gesicht ist feingeschnitten und von freundlicher Miene, seine Manieren sind die eines Gentleman, und diejenigen, welche mit ihm eine Unterhaltung gepflogen, bezeugen ihm sehr gesundes Urtheil und ganz bedeutende Bildung.

Seitdem seine Anwesenheit in jener Gegend im Laufe mehrerer Jahre bekannt geworden, hat es natürlich nicht an Zeitungsreporters gefehlt, welche sich den schönen Stoff nicht entgehen lassen wollten. Einzelnen hat er ein umfangreiches Manuscript gezeigt, das Product seiner einsamen Schriftstellerfeder, betitelt: „Die Gesetze der Natur!“ Welche Selbstironie, welcher Contrast zwischen diesem naturwidrigen Leben und dem Thema, mit dem sich seine Gedanken beschäftigt! Auch an literarischen Kenntnissen vergangener Perioden soll es ihm nicht fehlen. Seine einzige Eitelkeit ist sein langer, schöner, silbergrauer Bart, um den ihn mancher König Lear der Schaubühne beneiden könnte. Sein Haar hängt ihm in langen Zottel-Locken über die Schultern auf den Rock hernieder, der, wie Joseph’s Kleid, bunt in vielen Farben ist. Seinen Namen verhehlt er nicht. Er heißt John Marley und erklärt, der Erbe der Herrschaft Kirkleatham unweit der Stadt Redcar zu sein. Die Einsiedelei dieses Mannes der Wissenschaft hat etwas vom Amphibium, ein Ding zwischen Land und Meer vereinbart. Der obere Theil eines Cab, einer Miethskutsche, ohne Räder ist auf einem alten Fischerboot befestigt. Das ist sein Haus, das er sich mit einem Ofen, mit Tisch und Stuhl, sowie mit einer kleinen Bibliothek auf Bücherbretern wohnlich eingerichtet. Die Sorgen für seinen Leib überläßt er der „gütigen Natur“. Muscheln, Krebse und Kräuter sammelt er für seine Küche am Strande und macht mitunter, wie er sich selber ausdrückt, ein herzhaftes Mahl mit todten Vierfüßlern oder todten Fischen, welche oft nach der Fluth auf der Düne zurückbleiben. Wie schon erwähnt, fehlt es ihm neuerdings nicht an Besuchern. Jede Gabe an Geld oder Nahrungsmitteln lehnt er jedoch hartnäckig ab und acceptirt nur Tabak, denn unser Einsiedler ist ein leidenschaftlicher Raucher, wie die Meisten der Weisen und Gelehrten unserer Tage. „Gott,“ sagt er, „hat immer für mich in meiner Einsamkeit gesorgt und wird mich nicht bis zum Almosenempfänger sinken lassen.“

Nun zu seiner Lebensgeschichte. Es hat sich ergeben, daß er als Kind in der Stadt Sunderland einer Frau Jane Thompson von einem Unbekannten anvertraut wurde, welcher reichlich zahlte. Bis zum sechsten Jahre verweilte er im Hause dieser Pflegemutter, als bei Gelegenheit einer Stadt-Illumination zu Sunderland zur Feier der Krönung König Georg’s des Vierten der kleine Romanheld ihren Armen mit Gewalt entrissen wurde und zwar von zwei Männern, deren Spur nicht aufzufinden war. Zwei Tage später wurde das Kind auf der Sandbank mit einer Wunde am Halse vorgefunden, deren Narben noch heute sichtbar sind. Aerztliche Hülfe rettete ihm das Leben und er wurde seiner Pflegemutter wieder zugeführt. Vier Jahre später verschwand er abermals, zum zweiten Male geraubt. Wenige Erinnerungen scheinen ihm aus den [519] nächstfolgenden Jahren geblieben zu sein. Er weiß nur anzugeben, daß man ihn lange in einem halbdunklen Zimmer als Gefangenen gehalten und im Alter von sechszehn Jahren an Bord eines Schiffes gebracht habe, das ihn in Canada an’s Land setzte. Dort blieb er bis zum Jahre 1838 und erwarb sich durch Arbeit so viel, um an die Rückkehr nach England denken zu können. In London angelangt, begab er sich an Bord eines Kohlenschiffes, das nach Middlesborough segelte. Das Schiff scheiterte unweit der Mündung des Tees und unser Passagier verlor seine ganze Habe. Dieser Verlust und seine Rathlosigkeit machten auf sein Gemüth einen solchen Eindruck, daß er beschloß, den Rest seines Lebens in der Einsamkeit zuzubringen. Von jener Zeit bis auf den heutigen Tag hat er diesen Entschluß durchgeführt. Sein jetziges Haus „steht“ erst seit fünf Jahren. Zwei ähnliche hat die Fluth ihm über dem Haupte zusammengerissen, aber er wich nicht.

Der Leser hält ohne Zweifel Manches aus der Geschichte dieses Mannes für einen fabricirten Roman. Doch die Wirklichkeit ist, wie man in England, an Schicksalscontraste der wunderlichsten Art gewöhnt, zu sagen pflegt, oft seltsamer als die Dichtung. So auch in diesem Falle. Vor ungefähr vier Jahren ersuchte ein Londoner Gentleman, Namens Evans, den Polizeimeister der Stadt West-Hartlepool, den Aufenthalt dieses seltsamen Sonderlings ausfindig zu machen, da derselbe der Erbe ausgedehnter Herrschaften sei. Als Mr. Dixon, der Polizeibeamte, Marley aufgefunden und ihm jene erfreuliche Kunde brachte, weigerte sich dieser entschieden, sich um seine Erbschaft zu kümmern. Ein Jahr später erkrankte seine Pflegemutter und ließ ihn vor ihr Sterbelager kommen. Aus ihren Mittheilungen und in Folge von Nachforschungen Solcher, die sich für den Mann interessirten, ergab sich die Wahrheit des – Romans. Er ist in der That der rechte Erbe zu jenen Reichthümern an Gut und Land und wurde kurz nach seiner Geburt in der beschriebenen Weise bei Seite geschafft. Auch documentarische Beweise wurden ausfindig gemacht, so daß alle Zweifel an der Historie beseitigt sind.

John Marley hat bis auf diesen Tag sich geweigert, sein Einsiedlerleben mit den Schätzen dieser Welt zu vertauschen, so lange eine Lady, die sich jetzt im Besitze der Güter befindet, noch am Leben. Dann erst gedenke er seine Rechte geltend zu machen und in die Welt zurückzukehren.




Blätter und Blüthen.


Ein Tag Napoleon’s des Dritten. In einem Pariser Joumal, l’Etendard, fand ich kürzlich eine interessante Parallele zwischen den Jahren 1666 und 1866; es war darin unter Anderem recht amüsant zusammengestellt, auf welche Art damals ein Monarch seine Zeit verbrachte und wie anders dagegen die Zeiteintheilung unserer heutigen Majestäten beschaffen ist. Zu der Studie aus dem Jahre 1666 hatte Dangeau, der bekannte, so höchst gewissenhafte Historiograph Ludwig’s des Vierzehnten, als Quelle gedient; zu dem Gegenstück aus unserer Zeit war ein Tag aus dem Leben Napoleon’s des Dritten gewählt worden, und zwar ein gewöhnlicher Tag, ein Tag, an welchem der Monarch ziemlich frei über seine Zeit verfügen kann und wo er durch keine ausnahmsweisen Feierlichkeiten oder Festlichkeiten in Anspruch genommen wird. Vielleicht ist es dem Leser nicht uninteressant, einen Blick in das Privatleben des gegenwärtigen Beherrschers von Frankreich thun zu können.

Es ist sechs Uhr Morgens; nehmen wir an, daß wir den Ring des Gyges, der uns unsichtbar macht, in unserem Besitz haben, und treten wir in den großen Schloßhof der Tuilerien. Die Wachen haben uns nicht bemerkt, wir schreiten auf den großen Mittel-Pavillon, den sogenannten Pavillon de l’Horloge zu, gehen durch das Hauptportal, wenden uns links nach einer Thür, die mit einer schönen Gobelin-Stickerei verhängt ist, und befinden uns in einem geräumigen Vorzimmer. Ein riesiger Portier und eine Schaar von Lakaien, in kaiserlicher Livree, grün und roth mit Goldstickerei, sitzen auf Bänken, die sich längs der Wände hinziehen, oder ruhen, noch halb schlafend, in großmächtigen Lehnsesseln. Unser Ring kommt uns hier sehr zu statten, denn ohne seine Wunderkraft würde man uns hier unfehlbar nach unserem Begehr fragen und uns, wenn wir keinen kaiserlichen Audienzbrief vorzuzeigen hätten, sogleich wieder zurückweisen. Unser Talisman schützt uns aber, Niemand bemerkt uns und wir betreten die Gemächer, die zu unserer Rechten liegen. Der erste Saal heißt: la Salle des Huissiers. Auch diese Herren, ebenfalls in blitzenden kaiserlichen Livreen, überlassen sich noch in bequemen Lehnstühlen der behaglichsten Ruhe; wir wollen sie nicht stören und begeben uns in einen zweiten Salon, der mit schweren, rothseidenen Damasttapeten, vergoldeten Sesseln etc. meublirt ist. Hier finden wir den Adjutanten und den Kammerherrn vom Dienst; diese Herren sind beide in gewöhnlicher bürgerlicher Kleidung, da für den heutigen Tag keine besondere Hoffestlichkeit in Aussicht steht; sonst würde der Adjutant die Uniform des Truppen-Corps, zu dem er gehört, und der Kammerherr eine scharlachrothe Uniform mit Goldstickerei tragen. Aus diesem Saale gelangen wir in ein geräumiges und sehr prächtiges Gemach, das ebenfalls mit dunkelrothen Damasttapeten ausgeschlagen und allenthalben mit reichen Vergoldungen geschmückt ist; dies ist der Saal, wo der Ministerrath abgehalten wird: la Salle du Conseil. In der Mitte des Gemaches steht ein riesiger Tisch, der von einem Lehnsessel und zehn gewöhnlichen Stühlen umstellt ist; an diesem Tische präsidirt der Kaiser in der Regel allwöchentlich zwei Mal seinem Ministerrathe. Unmittelbar an diesen Saal stößt das Cabinet oder, um mich richtiger auszudrücken, das erste Cabinet des Kaisers an, denn der große Raum ist in zwei Abtheilungen getheilt, in der ersten Abtheilung empfängt der Kaiser die Personen, denen er eine Audienz verwilligt hat, und in der zweiten Abtheilung hält er sich gewöhnlich auf; hier arbeitet er, liest die Rapporte und prüft die unzähligen Actenstöße, die seiner Entscheidung harren.

Zwei Kammerdiener sind beschäftigt, die Meubeln abzustäuben und Alles in Ordnung zu setzen und zu rücken; der Monarch kann jeden Augenblick eintreten. Diese beiden Kammerdiener nebst einem ersten Huissier, einem ersten Kammerdiener und noch einem halben Dutzend alter Lakaien sind mit der persönlichen Bedienung des Kaisers ausschließlich betraut; es sind treue und erprobte Diener, die zum Theil noch im Dienste der Königin Hortense (Mutter des Kaisers) gestanden haben, die mit Leib und Seele an ihrem Herrn hängen und mit unbedingter Hingebung und großer Discretion über Alles wachen, was die Sicherheit seiner Person betrifft. Ich sage absichtlich mit Discretion, denn es ist gar nicht so leicht, den Kaiser zu bewachen, da er alle Vorsichtsmaßregeln, mit denen man ihn umgeben zu müssen glaubt, geradezu und ganz entschieden verabscheut; es gehört demnach viel Umsicht und Schlauheit dazu, um ihm dieselben zu verbergen.

Aber soeben hat es am Pavillon de l’Horloge sieben Uhr geschlagen und der Kaiser ist in sein Cabinet getreten. Die erste Person, die alltäglich beim Monarchen Zutritt hat, ist der Doctor Conneau, auch eine historische Persönlichkeit; er war einst der treue Gefährte des Gefangenen von Ham und ist nun der vertraute Freund des Kaisers geworden, er ist Titular-Leibarzt und hat außerdem die schwierige und zarte Aufgabe zu erfüllen, die Gnadengeschenke, Pensionsverwilligungen, kurz Alles das zu ordnen und möglichst zweckmäßig zu vertheilen, was von der unmittelbaren Gunst oder Großmuth des Kaisers ausgeht. Nach dem Doctor Conneau erscheinen der Cabinetschef und der Privat-Secretair des Kaisers, statten über die eingegangenen Petitionen etc. Bericht ab und empfangen die Befehle und Entschließungen des Herrschers. Nun kommt die Reihe an die Gelehrten, Schriftsteller und Künstler, die mit der Ausführung specieller Arbeiten betraut waren oder mit denen der Kaiser sich über besondere Fragen, die ihn gerade beschäftigen, zu unterhalten wünscht. Gegen zwölf Uhr endlich erscheinen die oberen Hof-Chargen und statten ein Jeder über den Dienstzweig, dem er vorgesetzt ist, ihre Berichte ab.

Punkt zwölf Uhr begiebt sich der Kaiser in die Gemächer der Kaiserin zum Frühstück, das er mit seiner Gemahlin und seinem Sohn allein einnimmt. Das Frühstück dauert in der Regel eine halbe Stunde und ist sehr einfach. Nachdem der Kaiser sich mit seinem Sohne, den er zärtlich liebt und der seinerseits auch wieder mit Begeisterung an dem Vater hängt (dies Verhältniß, das ich aus der Ferne öfters zu beobachten Gelegenheit hatte, ist wirklich rührend und erfreulich), eine Zeit lang unterhalten hat, verfügt er sich wieder in sein Cabinet und es beginnen nun die sogenannten großen Audienzen: die Minister, Marschälle, Gesandten, die Präsidenten des Senates und des Corps Legislatif, sowie alle höheren Beamten, die den Monarchen zu sprechen wünschen, erhalten Zutritt. Diese Empfänge dauern gewöhnlich bis gegen drei oder vier Uhr. Hierauf kommt die Stunde, wo der Kaiser täglich, wenn es das Wetter nur einigermaßen gestattet, ausfährt und zwar in einem einfachen, zweispännigen Wagen, den er stets selbst lenkt. Dieser grüne Phaëton des Kaisers ist den Parisern sehr wohl bekannt, sie erkennen ihn schon von Weitem und begrüßen ihn oft mit Jubel. Namentlich in den Arbeitervierteln zeigt sich stets großer Enthusiasmus, dort ist Napoleon der Dritte wirklich populär. Der Kaiser hat auch bei seinen Spazierfahrten gewöhnlich ein Ziel; er besucht die hiesigen großen Manufacturen oder die Wohlthätigkeits-Anstalten; mit besonderer Vorliebe aber besichtigt er die großen und mannigfaltigen Neu- und Umbauten, die bekanntlich jetzt in Paris im Werke sind; da steigt er aus dem Wagen, die Arbeiter, die ihn schon aus der Ferne haben kommen sehen, umringen ihn jubelnd, rufen ihm begeisterte Worte zu und der Kaiser unterhält sich mit Einzelnen unter ihnen, lobt sie, eifert sie an und es kommt häufig zu sehr ergötzlichen Scenen, die in der Regel mit dem höchsten allseitigen Enthusiasmus endigen.

Um sechs Uhr ist der Kaiser gewöhnlich in die Tuilerien zurückgekehrt und um sieben Uhr findet die Tafel statt, an welcher der Kaiser, die Kaiserin, der kaiserliche Prinz und der gesammte Dienst, Kammerherren, Adjutanten, Hofdamen etc. Theil nehmen. Der Kaiser ist sehr mäßig und einfach in seinen Ansprüchen an die culinarische Kunst, für die er wenig Verständniß und gar keine Vorliebe hat; auch in diesem Punkte unterscheidet er sich von seinen Vorgängern, den Bourbonen und den Orleans, die sehr starke Esser und große Feinschmecker waren. Es giebt in den kaiserlichen Küchen noch einen alten, dicken Küchenmeister, der schon zu der Zeit Ludwig Philipp’s dies heiße Amt bekleidete und der ganz trostlos sein soll über die Gleichgültigkeit, welche der Kaiser für die edle Kochkunst an den Tag legt. Neulich noch soll der dicke Koch in komischer Verzweiflung die Hände ringend ausgerufen haben: „Die Kochkunst geht in Frankreich [520] an und gar zu Grunde! Ich wette, daß der Kaiser selbst ein Huhn aus dem Mans nicht von einem Huhn aus der Bresse unterscheiden kann!“ (Zwei feine Hühnerarten, die den Gourmands wohl bekannt sind.) Nach aufgehobener Tafel bleibt der Kaiser in der Regel noch eine Zeit lang mit seiner Familie und mit seiner Umgebung zusammen. Der Kaffee wird servirt und es werden häufig Gesellschaftsspiele gespielt; alle Kartenspiele aber sind in den Tuilerien streng verpönt. Oft beschäftigen sich Ihre Majestäten auch mit sehr ernsten und wichtigen Tagesfragen. Da ist z. B. eine Idee, die jetzt dem Kaiser viel Kopfzerbrechens macht, er möchte gern in Paris zweckmäßige, gesunde und billige Arbeiterwohnungen schaffen. Bei der jetzt hier herrschenden ganz unglaublichen Höhe der Miethzinsen wäre dies ein sehr großer Vortheil für die arbeitenden Classen; es sind auch bereits in diesem Sinne schon alle möglichen Versuche angestellt worden, die aber noch immer kein günstiges Resultat herbeigeführt haben. Der Kaiser hat nun kleine Holzblöcke, Pappstücke etc. anfertigen lassen und construirt daraus mit eigenen Händen Modelle zu Arbeiterwohnungen, wie er sich dieselben am zweckmäßigsten und angemessensten vorstellt; die Kaiserin hilft ihm bei diesen Bauten im Kleinen, die Umgebungen geben auch ihr Wort dazu; die Pläne werden discutirt, es werden Aenderungen, praktisch erscheinende Verbesserungen angedeutet etc. und bei der großen Weltausstellung, die bekanntlich im nächsten Jahre hier in Paris stattfinden soll, wird der Kaiser selbst unter der Zahl der Aussteller figuriren, da er sehr ernstlich entschlossen ist, die von ihm entworfenen Modelle für Arbeiterwohnungen der öffentlichen Begutachtung vorzulegen. Mit derartigen anerkennenswerthen und segensreichen Beschäftigungen beschließt der Kaiser in gewöhnlichen Zeiten sein Tagwerk; gegen zehn Uhr zieht er sich wieder in sein Cabinet zurück, verbringt daselbst noch eine kurze Zeit lesend oder schreibend, bis zum Augenblick, wo er sich zur Ruhe begiebt, was in der Regel pünktlich um elf Uhr geschieht, da er dem guten alten Grundsatze huldigt, daß der Schlaf vor Mitternacht der beste sei.




Die Pflege der Verwundeten. Von der großartigen Organisation, der kolossalen Ausdehnung des Sanitätswesens im letzten amerikanischen Kriege kann man sich in der Entfernung erst eine deutliche Vorstellung machen, wenn man das soeben (bei Gustav Weise in Stuttgart) über diesen Gegenstand erschienene in jeder Beziehung ausgezeichnete Werk eines hochgestellten russischen Arztes, des Generalinspectors des Sanitätswesens der russischen Marine Dr. H. v. Haurowitz gelesen hat, der vom Kaiser im Jahre 1865 nach Amerika gesandt wurde, um dort sechs Monate hindurch die betreffenden Einrichtungen und Anstalten einem gründlichen Studium zu unterwerfen. Nöthigen uns die überreiche Fülle und treffliche Zweckmäßigkeit derselben schon ein Gefühl der Verwunderung ab, so steigt unser Erstaunen, wenn wir hören, daß von allen diesen so imponirenden Schöpfungen der Humanität und des wissenschaftlichen und technischen Erfindungsgeistes vor dem Kriege so viel wie gar nichts vorhanden war, daß sie also erst mitten in den gewaltigen Stürmen und Erschütterungen eines Staates geschaffen wurden, dessen Volk sich selber seine Schritte dictirt und die mit denselben verbundenen Opfer auferlegt. Während die reguläre Armee der Union vor dem Ausbruche des Krieges kein einziges großes Militärhospital besaß, sind in einem amtlichen Berichte vom Jahre 1864, die große Menge der Feldlazarethe, Kranken-Depots und Ambulanz-Stationen abgerechnet, allein 207 solcher Hospitäler mit 125,533 Betten aufgeführt, von denen 91,525 belegt und 34,008 vacant waren. Dr. v. Haurowitz hat verschiedene dieser bewunderungswürdigen Musteranstalten besucht und denselben eine ebenso ausführliche wie gründliche Schilderung gewidmet. Wie großartig, ja luxuriös diese Einrichtungen zur Krankenpflege sind, ersieht man schon aus einzelnen nebensächlichen Einzelnheiten. So hat z. B. das Lincoln-Hospital in Washington seine eigene Druckerei, in der alle Befehle, Reglements und Anzeigen gedruckt werden, so wie alle Blanquets für die vielen Rapporte und Rechnungsberichte, die alsdann nur ausgefüllt zu werden brauchen. Ein bei dem Hospitale eigens angestellter Photograph beschäftigt sich mit der Aufnahme besonders interessanter chirurgischer Fälle. Ein eigenes Postbureau besorgt den Briefwechsel der Kranken, der sich oft auf viele Tausend Briefe monatlich beläuft. Das Hospital hat seine eigene sechszehn Mann starke Musikbande, die bei schönem Wetter zur Unterhaltung der Kranken täglich von vier bis sechs Uhr Nachmittags heitere Musikstücke ausführt.

In einem anderen Hospital in Washington, in welchem 1400 Betten und von diesen 1120 belegt waren, war im bedeckten Corridor, der von der Küche um das Ganze läuft, eine Eisenbahn angebracht, auf der kleine Wagen die Speisen zu den Krankenpavillons führten. Jeder von diesen kleinen Wagen hatte einen doppelten Boden, in dem eine Spirituslampe brannte, um die Speisen warm zu erhalten. Mit der Ausnahme, daß bei einigen heißes Wasser statt der Spirituslampe gebraucht wird, findet sich diese Einrichtung bei allen Generalhospitälern; sie trägt wesentlich zur Ordnung und Reinlichkeit bei und bringt zugleich eine große Ersparniß an Leuten mit sich, indem nur ein Mann zum Fortschieben mehrerer Wagen erforderlich ist. Das Abfahren von der Küche, sowie das Zurückbringen des leeren Geschirres geschieht auf ein bestimmtes Signal, wodurch die Speisezeit streng eingehalten und Unordnung und Unreinlichkeit vermieden wird. – Noch interessanter ist, daß in der Druckerei des Mowet-Hospitals bei Philadelphia, dessen Aufbau und innere Einrichtung 223,000 Dollars gekostet hat, bei dem 1695 Beamte und Diener angestellt sind und das durch den Verkauf der Küchenabfälle monatlich 900 Dollars einnimmt, ein eigenes Wochenjournal gedruckt wird, welches der Geistliche redigirt und den Kranken unentgeltlich zustellen läßt. Einzelne Kranke betheiligen sich an der Ausgabe durch kleine Aufsätze über ihre Erlebnisse im Kriege, oft auch durch kleine poetische Erzeugnisse.




Die Mecklenburger in Leipzig. Leipzig, die Wahlstatt so mancher großen Kämpfe, hat diesmal abseits gelegen vom großen Kriegstheater; außer einer verhältnißmäßig geringen preußischen Besatzung und den Durchmärschen einzelner Abtheilungen des preußischen Heeres hat es vom hochbewegten militärischen Leben der letzten Monate wenig gesehen, wenn ihm auch in seinen Lazarethen die Kehrseite des Schlachtenruhmes schmerzlichst genug nahe gebracht worden ist. Unter jenen Truppendurchzügen aber haben vor allen die Durchmärsche des zu dem jetzt in Baiern operirenden zweiten preußischen Reservecorps gehörenden mecklenburgischen Contingents die Aufmerksamkeit des Publicums auf sich gelenkt. Meist hochgewachsene, kräftige Männer, nahmen sich diese Truppen überaus stattlich aus. Ganz besonders erregten die Cavalerie und Artillerie mit ihren vortrefflichen Pferden und ihrer ausgezeichneten Bespannung und Ausrüstung die allgemeine Bewunderung. Bekanntlich hat der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin in Person den Befehl des erwähnten Corps übernommen, trotzdem ein Theil der Mecklenburger Ritterschaft, die, österreichisch gesinnt, durch eine Verbindung mit Preußen ihre junkerlichen Prärogative bedroht sieht, sich nicht scheute, ihn um Niederlegung des Commandos anzugehen, das mit der Stellung eines souveränen Fürsten unvereinbar sei.




Kleiner Briefkasten.


J. D. in L. Friedrich Gerstäcker wohnt nicht mehr in Gotha; er ist in diesen Tagen nach Dresden übergesiedelt.

G. B…r in B…n. Ein Feuilleton von politischen und literarischen Neuigkeiten, wie Sie es wünschen, kann die Gartenlaube, welche, wie schon öfters erwähnt, für jede ihrer einzelnen Nummern immer die Zeit von drei Wochen zur Herstellung in Anspruch nimmt, nicht geben; alle dergleichen Neuigkeiten würden ja immer total veralten. Dagegen finden Sie ein sehr mannigfaltiges und reichhaltiges politisch-literarisches Feuilleton in den ursprünglich als Beiblatt zur Gartenlaube gegründeten „Deutschen Blättern“, die jetzt von dem bewährten Journalisten Dr. Albert Fränkel redigirt werden.




Für die Verwundeten und Hinterlassenen der Gefallenen


gingen wieder ein: Gemeinde Lichte bei Wallendorf, durch den Ortsvorstand J. Schmidt 50 Thlr., nebst einem Packet Charpie und Verbandzeug. – Eine Frau aus Asch in Böhmen durch Otto Strauß in Chemnitz 5 Thlr. – Cäcilie und Marie 3 Thlr. 10 Ngr. – W. Streubel in Wolkenburg 1 Thlr. – Frau Oberpost-Räthin Paulsen in Schleswig 5 Thlr. – Familie D. in A. 3 Thlr. – Ertrag eines Concerts zum Besten verwundeter Krieger vom Gesangverein Lichte durch Lehrer Lapp 17 Thlr. 10 Ngr. – A. F. in Saalfeld 2 Thlr. – Sparcasse meines kleinen verstorbenen Lieblings Helene 7 Thlr. 10 Ngr. – Von den Arbeitern der Cigarrenfabrik von Päßler u. Sohn in Freiberg 2 Thlr. 18 Ngr. – C. R. und C. M. in Zschopau 2 Thlr. – Eine Gesellschaft aus Meura durch O. R. R. Jahn 8 Thlr. – Von einem Holsteiner 2 Thlr. – Schneider in Pomßen 3 Thlr. – Aus der Sparbüchse der dreijährigen A. aus R. 2 Thlr. – H. S. in Gotha 3 Thlr. – Ort und Turnverein Hauscha mit dem Wunsche, daß aus der jetzigen blutigen Saat ein einiges starkes Deutschland entstehen möge, 30 Thlr. 2 Ngr. – Kegel-Verein Dampfer in Freiberg 5 Thlr. – L. S. 4 Thlr. – Ertrag einer Sammlung unter deutschen Schweizern in Chur durch L. J. Mandel 40 Thlr. – W. G. in Meißen 2 Thlr. – Mathilde V. in Leipzig 4 Thlr. und zwei Packete Verbandszeug. – Aus Frankfurt am Main mit dem Motto: „Im Glück ist Mäßigung, im Unglück Geistesstärke die größte Tugend,“ 4 Thlr., nebst Verbandzeug. – Frauenverein in Rbg. 10 Thlr., nebst Verbandzeug. – Chemnitz: Aus einer Mädchenhand, die sich die Gabe erst verdienen mußte, 2 Thlr. – R. A., L. A. und E. A. in Pirna 10 Thlr. – Ungenannter aus Rudolstadt 1 Thlr. – Aus Wunstorf: Dr. G. 1 Thlr. – F. L. 1 Thlr. – L. L. 4 Thlr. – Aus Sayda: Gz. 5 Thlr., P. G. 1 Thlr., B. G. 1 Thlr, O. G. 15 Sgr. – Aus der Sparcasse eines jungen Mädchens in Coburg 3 Thlr. – L. und A. in Neustadt. 1 Thlr. – W. S. in Hildburghausen 12 Thlr. – E. S. in Chemnitz 3 Thlr. – Eine ursprünglich zu einer Vergnügungsreise bestimmt gewesene Scat-Casse von 6 Thlr. 6½ Ngr. und die Strafcasse der „Eisenhütte“ in Erla 1 Thlr. 8 Ngr. 1 Pfg. – Wilhelmine B. in St. Petersburg „für brave Preußen“ 75 Thlr. – E. Marlitt in A. 3 Thlr. – Emilie in Eibenstock 1 Thlr. – Dr. R. in Rdbg. 8 Thlr. – Eine Abonnentin in Plauen 2 Thlr. und Charpie. – Alb. Traeger 5 Thlr. – Agnes in Pirna 2 Thlr. – F. L. T. in Plauen 10 Thlr. – Eine fröhliche Abendgesellschaft in Eisenach 4 Thlr. – Aus Gotha 1 Thlr. – J. W. R. in Runkel 3 Thlr. – B. Günther 2 Thlr. – Glückliches Wiedersehen 1 Thlr. – Rauch-Club Concordia in Neustadt a. O. 5 Thlr. – Zweite Mädchenclasse der zweiten Bürgerschule in Plauen 2 Thlr. – Lesekränzchen in K. und L. 2 Thlr. – E. Wt. nebst Schwiegermutter in Donaueschingen 20 Gulden – E. Götze nebst Kindern in Neustadt a. O. 8 Thlr. Herzlichen Dank für die liebenswürdige Theilnahme und Fräulein A. zugleich die Mittheilung, daß schon in den nächsten Nummern eine neue Erzählung von L. Schücking beginnen wird. – Personal der Schriftgießerei von Rühl in Reudnitz 2 Thlr. 15 Ngr. – Ausland, ohne weitere Bezeichnung: eine goldene Halskette. – Winckler u. Comp. in Buchholz: Sendung Charpie und Verbandzeug. – G. und M. in Zwickau: Sendung Verbandzeug. – Bertha Klauflügel: Charpie – Postzeichen Buttstedt: Ein Paar goldene Ohrringe. – Charl. Lämmerhirt-Rückoltt in Weimar: Sendung Verbandzeug. – Aus Bautzen: Goldene Brosche und Ohrglocken. – Hilde M. in N.: Ein Paar Ohrglocken und ein Ring. – C. B. in Freiberg 1 Thlr. – Emma T. in Dresden 1 Thlr., die Hälfte meines monatlichen Lohnes. Ja, Gott segne diese Gabe, aber Gott erhalte uns auch Mädchenherzen mit dieser seltenen Opferfreudigkeit!

Außerdem sind für den „Strauß des armen Blumenmädchens“ Gebote eingegangen: Aus Stavenhagen 1 Thlr. – von E. S. aus Bremen 1½ Thlr. – von Frau E. S. in Dresden 3 Thlr. – von W. H. in Leipzig 5 Thlr. – von H. in Meuselwitz 5 Thlr. – von Sch. in Braunschweig 5 Thlr. – Der Versteigerungstermin bleibt noch bis Ende nächster Woche offen.
Die Redaction.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Sie
  2. Magnus Gottfried Lichtwer, „Die Katzen und der Hausherr“
  3. Vorlage: Seaton Crees