Die Gartenlaube (1871)/Heft 48
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No. 48. | 1871. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.
Das Haideprinzeßchen.
Es war vermessen, inmitten dieses Aufruhrs den sorgfältig gehüteten Nachlaß todter Menschen verstohlenerweise aufzuwühlen – ich dachte es zitternd und mit angstvoll klopfendem Herzen; aber ich schwieg – was vermochte meine schwache Stimme gegen die Leidenschaft und – jetzt fand ich das rechte Wort für Charlottens rasendes Gebahren – gegen diese Gier nach hoher Lebensstellung und Auszeichnung?
Die Beiden standen vor dem Schreibtisch, den ich neulich so streng respectirt, daß ich kaum den Athem darüber hatte hinstreifen lassen – jetzt waren mit Gedankenschnelle alle darauf befindlichen Gegenstände durcheinander geworfen.
„Hier Mama’s Wappen auf Petschaft, Schreibzeug und Briefbogen!“ sagte Charlotte – noch zitterte ihre Stimme; aber in ihre Haltung war die stolze Ruhe und Sicherheit zurückgekehrt. „Und da verschiedene alte Briefhülsen.“ – Sie zog die Couverts unter einem Briefbeschwerer hervor. – „An Ihre Hoheit die Prinzessin Sidonie von K. Luzern,“ las sie. „Da sieh, Dagobert, diese Briefe sind sämmtlich in der Schweiz gewesen, sie tragen alle Postzeichen. Jedenfalls war eine Vertraute an Mama’s Stelle stets auf der Reise, hat die Briefe in Empfang genommen und in die geheimnißvolle Karolinenlust geschickt.“
Dagobert antwortete nicht. Er rüttelte an dem Schloß des Tisches – der Schlüssel fehlte; nach Eckhof’s Aussage aber enthielt ja dieser Kasten, der förmlich festgemauert in seinen Fugen saß, Lothar’s Brieftasche mit den Documenten. Achselzuckend, mit finsterer Stirn wandte sich Dagobert ab, trat, den Vorhang zurückschiebend, in eine der Glasthüren und sah hinaus in das Wetter, während Charlotte die Couverts achtlos auf den Tisch warf und an das entgegengesetzte Ende des Saales schritt. Da stand ein Flügel – ich hatte ihn neulich bei meiner eiligen Flucht nicht bemerkt. Charlotte schloß ihn sofort auf und griff ohne Weiteres in die Tasten, die vielleicht nie wieder hatten berührt werden sollen – sie wenigstens wehrten sich, sie hatten ja Stimmen, in entsetzlicher Dissonanz; von dem Klirren gesprungener Saiten begleitet, schrillten die Töne so nervenerschütternd gegen die Wände, daß selbst die starke Charlotte zurückfuhr und entsetzt den Deckel zuschlug. Sie war erschrocken; aber von jener herzbeklemmenden Scheu, jenem Gefühl ängstlicher Pietät, mit denen ich allen diesen leblosen Gegenständen eine Art von empfindlicher Seele andichtete, schien nicht eine Spur in ihr zu leben. Sie griff nach den Notenheften, die auf dem Flügel lagen, und wühlte zwischen ihnen, bis sie abermals aufschrie und plötzlich mit halb unterdrückter, aber dennoch jubelnder Stimme „Già la luna in mezzo al mare“ in den Saal hineinsang.
„Dagobert, da ist’s, was Mama in Madame Godin’s Salon gesungen hat, da ist’s – hier, hier!“ unterbrach sie sich und schwenkte das Notenheft in der Luft. Ich hörte nicht, daß ihr Bruder antwortete, und wandte mich um. Er stand mit dem Rücken gegen uns und bückte sich über den Schreibtisch. Mit einigen raschen Schritten stand ich an seiner Seite.
„Das dürfen Sie nicht!“ sagte ich – ich erschrak vor meiner eigenen Stimme, so tonlos und bebend klang sie; trotzdem sah ich ihm muthig in das Gesicht.
„Ei, was darf ich denn nicht?“ fragte er spöttisch, ließ aber doch die Hand sinken, in welcher er irgend ein Instrument hielt.
„Das Schloß erbrechen,“ versetzte ich fester. „Ich bin schuld, daß Sie hier sind hinter den Siegeln, ich habe Sie dazu verleitet; es ist ein großes Unrecht, ich sehe das sehr wohl ein. … Mehr aber darf nun auch nicht geschehen, ich leide es nicht!“ brauste ich auf, als ich sah, daß er trotzdem die Hand wieder hob.
„Wirklich?“ lachte er. Das war seltsam – seine Augen irrten über mich hin und entzündeten sich in einem Feuer, wie ich sie nie gesehen. „Wie wollen Sie denn das anfangen, Sie zerbrechliches, quecksilbernes Geschöpfchen?“ fragte er spottend und steckte rasch das Instrument in das Schloß – ich hörte es drinnen knistern und knacken. Angstvoll, aber auch zornig ergriff ich mit beiden Händen seinen Arm und suchte ihn zurückzuziehen – da fühlte ich in demselben Augenblick meine Taille umschlungen und heftig gepreßt, und Dagobert flüsterte mir in das Ohr: „Kleine wilde Katze, berühren Sie mich nicht und sehen Sie mich nicht so an – es ist gefährlich für Sie! Ihre berauschenden Augen haben mir’s schon in der ersten Stunde angethan! Gerade Ihre wilde Bosheit reizt mich, und wenn Sie wieder nach mir schlagen, wie heute auf der Treppe, dann ist’s erst recht um Sie geschehen – reizende, geschmeidige Eidechse!“
Ich schrie auf, und er ließ mich los.
„Was treibst Du denn für Possen, Dagobert!“ schalt Charlotte herbeieilend. „Das Kind lässest Du mir in Ruhe – ich bitte mir’s aus! Das ist nichts für Eure Lieutenantslaunen. … Lenore steht unter meinem Schutz und damit basta! … Uebrigens hat sie Recht, die kleine Unschuld! Was wir hier verschlossen finden, dürfen wir nicht gewaltsam öffnen. … Was nützen uns [794] auch die Papiere, wenn wir dabei sagen müßten, daß wir sie nach Spitzbubenart unter den Gerichtssiegeln hervorgeholt haben? … Sie liegen einstweilen gut aufgehoben, bis sie eines Tages mit Eclat an das Licht treten werden. Selbst für Onkel Erich sind sie unerreichbar geworden durch die Siegel, die er auf die Thüren hat klecksen lassen. Und wir brauchen nicht mehr hineinzusehen – so gewiß ich athme, so gewiß weiß ich nun, daß wir hier geboren sind, daß wir in dem Hause unserer Eltern, auf unserm eigenen, ererbten Grund und Boden stehen!“ sagte sie feierlich. Hörst Du? Der Sturm sagt Amen dazu!“
Ja, das war ein Stoß, der den Boden unter unsern Füßen zittern machte, der die Glastür, die ich neulich im Schrecken nur zugeworfen und nicht geschlossen hatte, schmetternd aufstieß und im Nu den Schreibtisch mit Wasserfluthen überschüttete.
„Ha, ha, er sagt Amen dazu und will uns zeigen, wie wir’s machen müssen!“ lachte Dagobert und schloß die Thür wieder. „Er faßt diesen inhaltsvollen Schreibtisch nicht mit Handschuhen an, wie Du siehst – da heißt es ‚Gewalt wider Gewalt!‘ … Wenn es nach Deinem und Eckhof’s Sinn gehen soll, dann muß ich bei Onkel Erich um jeden Groschen betteln und Vorwürfe über meine Schulden hören, bis ich graue Haare habe, und Du wirst in der verhaßten Abhängigkeit eine alte Jungfer!“ –
„Die werde ich so wie so,“ sagte sie, während eine leichte Blässe ihr Gesicht überlief. „Ich würde mich nie anders als standesgemäß verheiraten – diese Hofgecken sind mir aber in den Tod zuwider. … Ich will auch nicht lieben, ich will nicht! … Ich habe ein ganz anderes Ziel – Aebtissin in einem Damenstift will ich werden – da kömmt Manche unter mein Scepter, die mich getreten hat … sie mögen sich hüten! … Uebrigens begreife ich Dich nicht, Dagobert,“ sagte sie nach einem tiefen Athemholen weiter. „Wir haben doch längst ausgemacht, daß die Sache erst im Januar, wenn Du hierher versetzt bist, zum Austrag kommen darf, daß wir unterdeß schweigen und so viel wie möglich Material sammeln wollen. Es wird mir schwer genug werden, allein hier auszuharren – kostet es mich doch jetzt schon die größte Ueberwindung, dem Onkel in die Augen zu sehen und nicht sagen zu dürfen: ‚Betrüger, der Du bist!‘ – mit der Fliedner verkehren zu müssen, die das friedfertigste und harmloseste Gesicht macht und uns systematisch bestehlen hilft – die boshafte Katze! Und ich habe sie wirklich gern gehabt! … Es geht fast über meine Kräfte, aber es hilft nichts, es muß sein! Eckhof hat Recht, wenn er uns unausgesetzt die möglichste Ruhe und Vorsicht predigt.“
Sie wischte mit ihrem Taschentuch die Nässe vom Tisch und drückte den aufgerüttelten Kasten wieder fest in seine Fugen.
Was sie nun trieben und erforschten, ich betheiligte mich nicht mehr daran. Ich hatte mich zwischen die Glasthür und den Schreibtisch geflüchtet und stand da als Schildwache. … Ich meinte, das Zittern des Bodens unter mir daure fort, aber es war in meinen Füßen. Nie in meinem ganzen Leben war mir so entsetzlich zu Muthe gewesen, als in dem Augenblick, wo es sich urplötzlich wie lebendige Klammern um mich gelegt hatte. Wäre ich in einen dunklen Abgrund gestoßen worden, ich hätte mich nicht mehr fürchten können, als vor diesem heißen Flüstern einer halberstickten Stimme, das ich zum Theil gar nicht verstand, und das mir doch das Blut in Wangen und Schläfen trieb. … Am liebsten hätte ich Alles hinter mir gelassen und wäre gelaufen, so weit mich meine Füße tragen konnten; allein die Furcht, daß der Schreibtisch schließlich doch noch erbrochen werden könne, hielt mich fest.
„Das ist unser Wappen, Kleine, sehen Sie sich’s an,“ sagte Charlotte endlich wieder heraustretend zu mir. Sie hielt mir einen Siegelring mit einem geschnittenen Stein hin. „Papa hat zwar nie Ringe getragen, wie heute Ihre Hoheit versicherte, trotzalledem existirt dieser und ist augenscheinlich oft als Petschaft benutzt worden – er lag auf Papas Schreibzeug; ich nehme ihn mit, als das Einzige, was ich mir vorläufig aneigne.“ Sie ließ den Ring in ihre Tasche gleiten.
Ich war erlöst. Wir gingen hinab, und der Schrank wurde wieder an seine Stelle gerückt.
Als die wohlberechtigten Erben des Freiherrn Lothar von Claudius, als die Seitensprossen des herzoglichen Hauses waren die Geschwister wieder aus dem dunklen Treppenschacht hervorgegangen, den Charlotte noch unter den Qualen banger Zweifel betreten hatte. Sonnenklar lag die Lösung des Räthsels da – auch für mich – wie war es Herrn Claudius möglich gewesen, mit reiner Stirn und so fester Stimme die Wahrheit zu verleugnen? Und trotzdem, mochte die Sache liegen, wie sie wollte – er hatte doch nicht gelogen! …
Charlotte griff nach ihrem Shawl, aber sie ließ ihn erschreckt wieder sinken, lief an das Fenster und riß es auf.
„Was giebt’s, Herr Eckhof?“ rief sie hinaus.
Der alte Buchhalter rannte quer über den Kiesplatz nach dem Hause. Er war ohne Hut und sein sonst so beherrschtes Gesicht sah verstört aus – er war augenscheinlich tief alterirt.
„In Dorotheenthal ist ein Wolkenbruch niedergefallen!“ rief er athemlos herüber. „Mindestens vierzigtausend Thaler Verlust für die Firma Claudius! Alles ersäuft und verwüstet, was wir seit Jahren draußen mühsam angelegt und gepflegt haben! … Hören Sie den Nothschuß? … Auch Menschen sind in Gefahr!“
Dorotheenthal war eine Besitzung der Claudius, ein alterthümliches, einst adeliges Herrenhaus, das, sammt einem Dorf, sehr tief auf ziemlich enger Thalsohle lag. Die Firma stützte ihren Betrieb weit mehr noch auf die Ländereien in Dorotheenthal, als auf die Gärten zu K. Die Holzsämereien waren ganz auf diesen District verwiesen und besonders hatten kostbare Coniferen-Exemplare Dorotheenthal eine Art Ruf verschafft. Die einzelnen Blumengattungen waren hier ackerweise vertreten, und Ananas-, Orchideen- und Cactushäuser umkreisten in bedeutender Anzahl das Schlößchen. Einige kleine Seen und ein ziemlich reißender Fluß, der das Thal durchschnitt, erleichterten den kolossalen Betrieb ungemein; aber in diesem Augenblick war das hülfreiche Element zum teuflischen Feind geworden – die Seen waren übergetreten, und der Fluß hatte sich, einen Damm durchsprengend, mit ihnen vereint, wie Eckhof noch herüberrief, ehe er in der Halle verschwand.
„Welch ein Unglück!“ rief Charlotte mit todtenblassem Gesicht und schlug die Hände zusammen.
„Ah bah – was brauchst Du da zu erschrecken?“ sagte Dagobert achselzuckend. „Was sind vierzigtausend Thaler für Onkel Erich? Er kann’s verschmerzen – und schließlich, was geht’s uns an? Das ist seine Sache – unser Erbtheil schmälert es um keinen Pfennig! … Er wird freilich saure Gesichter machen, und die Wegzehrung, die er mir übermorgen mitgeben wird, mag schmal genug ausfallen. … Na meinetwegen – ich habe mir’s ja auch gefallen lassen müssen, wenn der Kram in Ordnung war.“
Die letzten Worte hörten wir kaum noch. Charlotte lief hinaus, und ich mit ihr. … Menschen waren in Gefahr? Wie das beängstigend klang! Ich wollte mehr wissen; ich hielt es nicht aus allein in der Karolinenlust. Chalotte hatte mir ihren Arm gereicht, und so rannten wir, unausgesetzt bestäubt vom Regen, über den schäumenden Fluß, durch die schwimmenden und triefenden Gärten nach dem Vorderhause.
Hie und da lief uns ein Gärtnergehilfe mit erschrecktem Gesicht über den Weg, und schon von ferne hörten wir über die Hofmauer her den Lärm durcheinander rufender und klagender Stimmen. Beinahe das ganze Arbeiterpersonal war im Hofe versammelt, als wir eintraten, und vor der Hausthür hielt Herrn Claudius’ Equipage. … Er selbst trat eben, in einen Regenmantel gehüllt und den Hut in der Hand, heraus auf die Thürschwelle. … Es war, als gehe von seinem vollkommen ruhigen Gesicht eine beschwichtigende Kraft aus – das Lärmen verstummte sofort. Er ertheilte einige Befehle; nicht die mindeste Hast oder Ueberstürzung beeinträchtigte seine langsam edlen Bewegungen – man sah, der blonde Kopf dort mit dem ernsten Ausdruck behauptete die Herrschaft in allen Lagen des Lebens.
Bei unserem Erscheinen traten die Leute zurück und ließen uns vorüber; ich hing noch an Charlottens Arm. Da sah uns Herr Claudius über den Hof kommen – schien es doch fast, als erschrecke er; wie ein Blitz fuhr ein Ausdruck des Zorns über seine unbedeckte Stirn; er zog die Brauen zusammen, und unter ihnen hervor traf mich ein langer, finster strafender Blick. … Ich schlug die Augen nieder und zog meinen Arm aus dem meiner Begleiterin.
[795] „Onkel Erich, das ist ein schwerer Schlag!“ rief Charlotte, während sie zu ihm auf die Schwelle trat.
„Ja,“ sagte er einfach ohne jede weitere Bemerkung. Dann wandte er sich in die Hausflur zurück, wo Fräulein Fliedner stand.
„Liebe Fliedner, sorgen Sie dafür, daß Fräulein von Sassen sofort in trockene Kleider kommt – ich mache Sie verantwortlich dafür!“ befahl er in seiner gewohnten gelassenen Weise und zeigte auf meine beschmutzten, kläglich geweichten Atlasstiefelchen und mein regennasses Kleid. … In das Gesicht sah er mir nicht mehr.
Er bestieg rasch den Wagen und ergriff die Zügel.
„Nimm mich mit nach Dorotheenthal, Onkel!“ rief Dagobert, der eben in Begleitung des nunmehr mit Hut und Mantel versehenen Buchhalters aus dem Garten trat.
„Es ist kein Platz, wie Du siehst,“ versetzte Herr Claudius kurz und deutete auf mehrere Arbeiter zurück, die mit angsterfüllten Mienen nach Eckhof einstiegen – sie waren aus Dorotheenthal.
Der Wagen brauste hinaus, und Fräulein Fliedner ergriff meine Hand und führte mich in ihr Zimmer. Charlotte kam nach.
„Sie sind aber auch naß wie ein gebadetes Kätzchen!“ sagte sie zu mir, während Fräulein Fliedner trockene Kleider herbeitrug.
„Merkwürdig, daß der Onkel in diesem Moment, wo seine Schacherseele Tausende verliert, Augen dafür hatte!“
„Daran können Sie eben sehen, daß er keine Schacherseele ist,“ versetzte Fräulein Fliedner. Ihr mildes Gesicht war noch blaß vom Schrecken, und jetzt glitt auch ein bitterer, herber Zug um ihren Mund. „Ich habe Sie schon oft gebeten, Charlotte, dergleichen harte und ungerechte Bezeichnungen vor meinen Ohren nicht laut werden zu lassen – ich kann das wirklich nicht ertragen.“
„So – aber Sie schweigen und finden es ganz in der Ordnung, wenn der Onkel mir in Ihrem Beisein den Text liest und in seiner grausam kalten Ruhe durchaus nicht glimpflich mit mir verfährt!“ rief sie heftig. „Wenn er noch ein ehrwürdig alter Mann wäre, dann ertrüge sich’s leichter – aber mein Stolz bäumt sich auf gegen diesen Mann mit den Feueraugen, der vor meinem Bruder und mir weniger die Erfahrungen der Jahre, als die äußere Macht voraus hat. Er mißhandelt uns!“
„Das ist nicht wahr,“ sagte Fräulein Fliedner entschieden.
„Er wehrt nur den Neigungen, die er nicht dulden darf. … Wenn Sie freilich eigenmächtig und rücksichtslos handeln, dann müssen Sie sich auch eine Zurechtweisung gefallen lassen, Charlotte. … Es hat heute wieder Etwas gegeben, was Sie vermeiden konnten. Während Herr Claudius mit der Prinzessin im Glashause war, hat unser Haustischler an sämmtlichen Fenstern Ihrer Wohnung Maß genommen – Sie hätten Jalousien bestellt, sagte er –“
„Nun ja – ich habe lange genug die Sonne geduldig auf meine unglückliche Haut scheinen lassen,“ unterbrach sie Charlotte trotzig. „An die Sonnenseite gehören Läden –“
„Ganz recht; aber es war nicht mehr als billig, daß Sie Herrn Claudius darum befragten – es ist sein Haus und sein Geld, über welches Sie dabei verfügen.“
„Gott im Himmel, einmal wird noch die Zeit kommen, wo ich diese Ketten nicht mehr werde klirren hören!“ rief Charlotte in ausbrechender Leidenschaft.
„Wer weiß, ob sie Ihnen dann nicht eines Tages wieder wünschenswerth erscheinen,“ sagte Fräulein Fliedner sehr gelassen.
„Meinen Sie, liebe, gute Fliedner?“ – Der lächelnde Hohn in der Stimme der jungen Dame klang mir geradezu fürchterlich. „Eine niederschlagende Prophezeiung! … Trotzdem bin ich so kühn, zu hoffen, ja ganz gewiß zu erwarten, daß es die Vorsehung denn doch ein klein wenig besser mit mir im Sinne hat.“
Sie schritt nach der Thür.
„Wollen Sie nicht den Thee bei mir trinken?“ fragte Fräulein Fliedner so freundlich und friedfertig, als sei nicht ein bitteres Wort gefallen. „Ich werde ihn sogleich besorgen – ich bin ja für Fräulein von Sassen’s Gesundheit verantwortlich gemacht und muß der möglichen Erkältung vorbeugen.“
„Ich danke!“ sagte Charlotte in der offenen Thür mit kaltem Tone über die Schulter zurück. „Ich will mit meinem Bruder allein sein. … Schicken Sie mir die Theemaschine hinauf, aber die kleine silberne, wenn ich bitten darf – ich mag nicht mehr aus Messing trinken, und wenn es Dörte auch noch so ‚goldblank‘ putzt … Adieu, Prinzeßchen!“
Sie ließ die Thür in’s Schloß fallen und eilte mit dröhnenden Schritten die Treppe hinauf. Fast unmittelbar darauf rauschten grelle Clavieraccorde durch das stillgewordene Haus.
Die alte Dame schrak sichtlich zusammen. „Mein Gott, wie rücksichtslos!“ murmelte sie vor sich hin. „Mir fällt jeder Ton wie ein Schlag auf mein geängstigtes Herz.“
„Ich will gehen und sie bitten, aufzuhören!“ sagte ich, nach der Thür springend.
„Nein, nein, das thun Sie nicht!“ hielt sie mich ängstlich zurück. „Das ist nun einmal so ihre Gewohnheit, wenn sie sich im Groll zurückzieht, und wir lassen sie darin auch stets gewähren. Aber heute, gerade in diesen Stunden voll Angst und Sorgenqual – was mögen die Leute im Hause davon denken! Sie gilt ohnehin für viel herzloser, als sie ist,“ setzte sie bekümmert hinzu.
Sie drückte mich in die Federkissen des Sophas und begann den Theetisch herzurichten. Zu jeder andern Zeit wäre es sicher urgemüthlich in dem altfränkischen Zimmer der alten Dame gewesen. Die Theemaschine sang; draußen durch die menschenleere Straße strich seufzend der Wind, und der Regen schlug in gleichmäßigem Tempo gegen die Scheiben. Befriedigt nickte das stilllächelnde Gesicht des Pagoden hinter dem Glas in das leise dämmernde Zimmer herein, und der kleine, jähzornige Pinscher lag faul, in sichtlichem Wohlbehagen des Geborgenseins, auf dem Polster. … Aber Fräulein Fliedner strich die Butterbrödchen mit zitternden Händen – ich sah es wohl – und Dörte, die alte Köchin, die einen Teller voll Gebäck hereinbrachte, fragte unter beklommenem Aufseufzen: „Wie mag’s denn draußen stehen, Fräulein Fliedner?“
Mir schlug das Herz in einer unerklärlichen Angst. Ich empfand einen brennenden Schmerz, wenn ich daran dachte, daß Herr Claudius gerade jetzt zürnend von mir gegangen war – und ich mußte, zu meiner Qual, unausgesetzt daran denken. … Wie kindisch eigensinnig und widerspruchsvoll mußte ich ihm erschienen sein, als ich an Charlottens Arm dahergekommen war! …
Trotzdem hatte er Besorgniß um mich gezeigt – Besorgniß für mich kleines, unbedeutendes Wesen in einem Moment, wo ein schweres Mißgeschick über ihn hereinbrach! … Leise schlugen mir die Zähne zusammen, und unter Nervenschauern drückte ich mich tiefer in die weiche Sophaecke. … Auf Fräulein Fliedner’s dringende Bitten schluckte ich eine Tasse heißen Thees hinunter – die alte Dame selbst genoß nichts – still saß sie neben mir.
„Ist Herr Claudius auch in Gefahr da draußen?“ rang es sich endlich von meinen Lippen.
Sie zuckte die Achseln. „Ich fürchte es – gefährlich mag’s schon sein – Wassersnoth ist fast schlimmer, als Feuersgefahr, und Herr Claudius ist nicht der Mann, der in solchen Augenblicken an sich selbst denkt – aber er steht in Gottes Hand, mein Kind!“
Das erleichterte mein Herz gar nicht. … Wie oft hatte ich von Menschen gelesen, die ertrunken waren – unschuldige Menschen, die nichts verbrochen hatten und er sollte ja einen Mord auf dem Gewissen haben! … stand der Mörder auch in Gottes Hand? Das Angstgefühl, unter welchem ich litt, trieb mich unwillkürlich, das auszusprechen.
„Er ist ja schuld an dem Tode eines Menschen,“ sagte ich gepreßt, ohne aufzusehen.
Die alte Dame fuhr zurück, und zum erstenmal sah ich ihre sanften Augen im Ausdruck tiefster Empörung auflodern.
„Abscheulich – wer hat Ihnen das schon gesagt? Und in einer solchen schonungslosen Weise?“ rief sie erregt. Sie stand auf und trat für einige Secunden in eines der Fenster; dann setzte sie sich wieder zu mir und nahm meine beiden Hände in die ihrigen.
„Wissen Sie auch Näheres darüber?“ fragte sie ruhiger.
Ich schüttelte den Kopf.
„Nun, dann mag sich Ihre junge, in Welt und Leben so unerfahrene Seele allerdings ein grauenhaftes Bild machen – ich kann mir das lebhaft deuten – armer Erich! … Es ist freilich die dunkelste Stelle in seinem Leben; aber, mein Kind, er war damals ein junger Mann von kaum einundzwanzig Jahren, ein leidenschaftlich und enthusiastisch empfindender Mann. … Er hat [796] eine Frau lieb gehabt, so lieb – nun das mag ich Ihnen nicht des Breiteren schildern. Weiter besaß er einen Freund, dem er sein ganzes Vertrauen geschenkt, und für welchen er sich vielfach aufgeopfert hatte. … Eines Tages nun muß sich der Ahnungslose überzeugen, daß die Frau und der Freund ihn betrügen, daß sie beide treulos sind. … Es ist zu einer heftigen Scene gekommen, und es sind Worte gefallen, die, wie es die abscheuliche Sitte unter Männern verlangt, nur durch Blut gesühnt werden konnten. – Sie haben sich duellirt, der verrätherischen Frau wegen; der Freund –“
„Der junge Eckhof?“ warf ich hastig dazwischen.
„Ja, der Sohn des Buchhalters – er hat einen Schuß in die Schulter bekommen, und Herr Claudius ist ziemlich schwer am Kopfe verletzt worden – seine Augenschwäche stammt aus jener Zeit. … Die Wunde Eckhof’s ist an sich nicht gefährlich gewesen, aber seine bereits sehr zerrüttete und geschwächte Constitution hat ihn im Stiche gelassen – nach mehrwöchentlichem Krankenlager hat er sterben müssen, trotz aller Bemühungen der ausgezeichnetsten Aerzte –“
„Und die Frau, die Frau?“ unterbrach ich sie.
„Ja, die Frau, mein liebes Kind, die hatte Paris längst verlassen, als Herr Claudius von seinem Schmerzenslager aufstand, sie war mit einem Engländer abgereist.“
„Sie war schuld an seinen Leiden und ist nicht gekommen, abzubitten und ihn zu pflegen?“
„Mein kleines Mädchen, sie war eine Dame vom Theater – sie hat dieses Blutopfer als eine Huldigung ihrer gefährlichen Schönheit hingenommen und sich durchaus nicht verpflichtet gefühlt, abzubitten, noch weniger aber die Wunde mit ihren verwöhnten Händen zu heilen. … Damals, kurze Zeit nach seiner Genesung, kam Herr Claudius hierher – sein Bruder war – gestorben und hatte so manche Anordnung in die Hände seines Erben niedergelegt. … Nach langer Trennung sah ich ihn zum ersten Mal wieder – ich habe nie in meinem ganzen Leben einen Menschen so furchtbar leiden sehen, als diese junge, aus allen Fugen gerissene Männerseele.“
„Er hatte Gewissensbisse?“ –
„Das weniger – er konnte die Frau nicht vergessen. … Wie wahnsinnig lief er stundenlang durch die Gärten, oder raste mit den Händen über die Tasten –“
„Der ernsthafte, ruhige Herr Claudius?“ fragte ich athemlos vor Ueberraschung.
„Das war er eben damals nicht. … Er suchte Ruhe und Beschwichtigung in der Musik, und wie spielte er! Ich begreife sehr wohl, daß ihm Charlottens Trommeln oft geradezu zur Qual wird. … Er hielt nicht lange hier aus. Ein Jahr noch reiste er ziellos durch die Welt, dann kam er zurück, völlig umgewandelt, und nahm als der ernste, strenge, schweigsame Mann, als den Sie ihn kennen, das Geschäft in die Hand. … Ich habe ihn nie wieder eine Taste berühren sehen, ich habe nie wieder ein leidenschaftliches Wort von ihm gehört, eine heftige Bewegung an ihm bemerkt. Er hatte anders überwunden, als sein Bruder, der an seinem Seelenschmerz zu Grunde gegangen war – sein starker Geist hat ihn das richtige Beschwichtigungsmittel, die Arbeit, finden lassen. Und so ist er das geworden, was er heute noch ist, ein Arbeiter im strengsten Sinn des Wortes, ein stahlharter Charakter, der in Ordnung und Thätigkeit den Gesundbrunnen für die Menschenseele sieht, und sie überall angewendet wissen will.“
Fräulein Fliedner hatte mit einer Lebhaftigkeit gesprochen, wie ich sie an der zwar immer anmuthig liebenswürdigen, aber auch stets sehr zurückhaltenden alten Dame noch nicht gesehen – sie hatte sich offenbar hinreißen lassen. Und ich saß an ihrer Seite und sah mit zurückgebaltenem Athem in eine ungekannte Welt – ein Wunder war sie für mich, die leidenschaftliche Liebe des Mannes zum Weibe! Meine geliebtesten Zaubergeschichten erblaßten und verloren ihren Glanz und Reiz neben dieser Erzählung aus der Wirklichkeit. … Und der Mann, der die treulose Frau nicht vergessen konnte, den der Schmerz um ihren Verlust wie wahnsinnig durch die Gärten gejagt hatte, es war Herr Claudius gewesen – er konnte sich wirklich Etwas so tief zu Herzen nehmen? …
„Liebt er wohl die Frau noch immer?“ unterbrach ich mit leiser Stimme das plötzlich eingetretene tiefe Schweigen.
„Mein Kind, darauf kann ich Ihnen nicht antworten,“ sagte lächelnd die alte Dame. „Meinen Sie wirklich, es wisse irgend ein Mensch, was in Herrn Claudius’ Innerstem vorgeht? … Sie kennen ja sein Gesicht und Wesen und nennen es selbst ernsthaft und ruhig – seine Seele ist für Alle ein zugeschlagenes Buch. … Uebrigens kann ich mir kaum die Möglichkeit denken; er muß ja die Frau verachten.“
Es war dunkel geworden. Fräulein Fliedner hatte vorhin ein Fenster geöffnet, weil es schwül im Zimmer war, der plätschernde Regen hatte aufgehört. In der abgelegenen Mauerstraße war es still, aber fern, von den frequenten Plätzen, dem Knotenpunkt der Stadt her, drang in an- und abschwellendem Summen das Getöse des lebendigsten Menschenverkehrs. An der gegenüberliegenden Straßenseite hüpften die Gaslichter eines nach dem anderen auf – sie spiegelten sich in den trüben Regenlachen des Pflasters und zeigten, wie schwarz und dräuend der Himmel noch über der Stadt hänge. … Auch in das Zimmer herein, wo wir lautlos schweigend nebeneinander saßen, fiel ihr schwacher Schein, und ich bat Fräulein Fliedner, keine Lampe anzuzünden, es sei hell genug – ich fürchtete mich, in das Gesicht der alten Dame zu sehen, weil ich wußte, daß es angstvoll und tiefbesorgt aussehen müsse.
Da kamen schallende Schritte das Trottoir entlang, und im Vorübergehen, unter dem offenen Fenster, sagte eine hastig erzählende Stimme: „Eine gelähmte Frau, die sich nicht hat retten können, ist ertrunken! … Es soll schrecklich draußen sein!“
Wir fuhren empor, und Fräulein Fliedner begann rastlos im Zimmer auf- und abzugehen. … Nun erscholl auch lebhaftes Sprechen in der Hausflur. „Noch keine Nachricht aus Dorotheenthal?“ hörten wir Charlotte über das Treppengeländer herabrufen, als Fräulein Fliedner die Thür öffnete.
„Von unseren Leuten ist noch keiner zurück,“ antwortete der alte Erdmann. Er stand inmitten der dienstbaren Geister des Hauses und seine rauhe Stimme zitterte. „Aber Andere erzählen, es sei zu schlimm draußen,“ fuhr er fort, „und unser Herr ist der erste Mann beim Retten – daß Gott erbarm, er fragt viel danach, ob solch eine Nußschale umkippt! … Dafür sind doch auch andere Leute da! … Der Herzog soll auch draußen sein.“
„Wie, Seine Hoheit selbst?“ rief Dagobert herab.
Erdmann bejahte. Die Thür droben wurde zugeschlagen, aber gleich darauf kam der Herr Lieutenant die Treppe herab – er ließ sich sein Pferd vorführen und jagte davon – der schöne Tancred – wie erbärmlich erschien er mir jetzt!
Ich kauerte mich wieder in die Sophaecke, während Fräulein Fliedner tief aufseufzend in die Fensternische trat. … Ich mußte an das Wasser denken, wie es wüthend über die Erde hin tobte und die Menschen erstickte, die sich nicht retten konnten! Es mußte schrecklich sein, in den trüben tosenden Wassern umzukommen! Aber „Herr Claudius fragte viel danach, ob die Nußschale umkippte“, wie der alte Erdmann sagte, er hatte die Welt und die Menschen und das eigene Leben wohl nicht mehr lieb, und er hatte auch Recht. Die Frau, die er nicht vergessen konnte, war falsch gewesen, und die Geschwister und der alte Buchhalter waren es auch, und ich, für die er so viel Güte zeigte, ich hatte vor wenig Stunden erdrückende Beweise gegen ihn und sein Handeln an das Tageslicht gebracht. … Nur Fräulein Fliedner hielt zu ihm – ich sah mit einer Art von Neid nach der kleinen zierlichen Gestalt hinüber, die regungslos im Fenster verharrte; sie hatte ein gutes Gewissen, sie hatte ihm nie etwas zu Leide gethan, sie brauchte sich mit keinem Vorwurf zu quälen, wenn – die Wasser über den edeln blonden Kopf hinweggingen. Fast hätte ich aufgeschrieen bei dieser Vorstellung, aber ich biß die Zähne zusammen, und begann von Neuem angstvoll auf jeden Schritt, jedes ferne Räderrollen zu horchen.
So verrann Stunde um Stunde. Mein Vater war auch noch nicht heimgekommen – auf Fräulein Fliedner’s Befehl hatte Erdmann in der Karolinenlust nachsehen müssen. … Ganz beschwichtigt hatte sich der Lärm der aufgeregten Stadt noch nicht, aber es war stiller geworden – Mitternacht kam heran. … Da bog ein Wagen in die Mauerstraße ein – mit einem leisen Aufschreien, einem Gemisch von Angst und Freude, fuhr die alte Dame empor, und ich flog durch die Hausflur und riß die Hofthür auf. Ein fast greifbares Dunkel lag über der Erde, aber ich lief blindlings hinein, dem daherbrausenden Wagen entgegen.
„Sind Sie es selbst, Herr Claudius?“ rief ich mit bebender Stimme über das Rädergerassel hinweg.
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„Ja,“ scholl es vom Kutschersitz herab.
Gott sei Dank! … Ich drückte die Hände auf die Brust – ich glaubte, mein angsterlöstes Herz müsse sie im Aufathmen zersprengen.
Nun kamen auch von allen Seiten die Leute des Hauses gestürzt und umringten den Wagen. Herr Claudius stieg herab.
„Steht’s wirklich so schlimm, Herr Claudius?“ fragte der alte Erdmann. „Wirklich vierzigtausend Thaler Verlust, wie Schäfer sagt?“
„Der Schaden ist größer – es ist Alles verwüstet; wir müssen in Dorotheenthal ganz von vorn anfangen. Mich schmerzen nur meine jungen Coniferen – nicht eine steht mehr,“ sagte er bewegt. „Nun, das läßt sich wohl Alles mit der Zeit ersetzen; aber hier“ – er brach ab und öffnete den Wagenschlag.
[798] Er half Jemand sorglich über den Tritt herab. Das Licht mehrerer herbeigebrachter Lampen quoll jetzt durch die Hofthür und fiel auf ein junges Mädchen, das, halb in Herrn Claudius’ Armen hängend, auf das Pflaster glitt. Ein krampfhaftes Schluchzen erschütterte die zarte, tief vornübergebeugte Gestalt, und das unbedeckte Haar hing unordentlich und aufgelöst um ein schönes, aber in verzweifeltem Schmerz verzogenes Gesicht.
„Ihre Mutter ist ertrunken,“ flüsterten die Leute, die mitgekommen waren.
Herr Claudius schlang seinen Arm fester um ihre Taille und führte sie die Stufen hinauf. Er strich im Dunkeln dicht an mir vorüber – seine Kleider waren schwernaß.
Auf der obersten Stufe stand Fräulein Fliedner und streckte ihm die Hände entgegen; was er ihr sagte, konnte ich nicht verstehen – eine plötzliche Scheu und ein unerklärliches Wehegefühl hatten mich von den Menschen fort, tiefer in den Hof hinein gescheucht aber ich sah, wie die alte Dame sanft den Arm der Weinenden in den ihren legte und sie hinwegführte. Herr Claudius verweilte noch einen Augenblick droben in der Flur und sprach mit Charlotte. Es entging mir nicht, daß er dabei suchend umherblickte – hatte er doch vorhin meine Stimme erkannt und wollte sich nun überzeugen, ob ich, der er zürnte, es wirklich gewesen sei? … Was für thörichte Gedanken! Er hatte jetzt Wichtigeres zu denken – wie viel Unglück hatte er heute mit ansehen müssen, und was für schwere Aufgaben lagen nun auf seinen Schultern! … Und hatte er nicht eben ein tiefgebeugtes, verwaistes Mädchen in sein Haus eingeführt – eingeführt mit zärtlicher Sorgfalt und tiefem Mitgefühl? Sie war nicht so undankbar wie ich; sie stieß die Hand nicht zurück, die sie stützen wollte – vertrauensvoll hatte sie sich dem Arm hingegeben, der sie umschlang. … Und da sollte er sich noch des tolltrotzigen Menschenkindes aus der Haide erinnern? … Ganz gewiß nicht.
Er kam die Stufen wieder herab, blieb in der Hofthür stehen und sah angestrengt in das Dunkel hinaus. Unterdeß war auch ein Herr aus dem Wagen gestiegen, der zu ihm trat – ich erkannte meinen Vater. Verwundert sah ich, wie er Herrn Claudius, dem mißachteten „Krämer“, in herzlichster Weise die Hand bot und sich unter warmen Dankesworten von ihm verabschiedete. Im Garten schlüpfte ich neben ihm hin und hing mich an seinen Arm. Er war sehr überrascht und konnte sich nur schwer in die Thatsache finden, „sein kleines Mädchen zu so später Nachtzeit noch im Freien auflesen zu müssen“. Er hatte den Herzog nach Dorotheenthal begleitet und dann, der Kürze wegen, die Rückfahrt in Herrn Claudius’ Wagen angenommen. Während wir nach der Karolinenlust schritten, erzählte er und sprach auch von Herrn Claudius.
„Was für ein Mann!“ rief er stehenbleibend. „Der Herzog ist entzückt von dieser Ruhe und Kaltblütigkeit, von der stillen Würde, mit der er sein Mißgeschick hinnimmt. … Ich habe den Mann für ein lebendiges Rechenexempel gehalten – das muß ich ihm abbitten! … “
Ja, was für ein Mann! … „Nun, das läßt sich wohl Alles mit der Zeit ersetzen, aber hier“ – mit diesen wenigen einfachen Worten hatte er seine enormen pecuniären Verluste dem Unglück des jungen Mädchens gegenüber abgewogen und das war der Zahlenonkel, der eiskalte Geldmensch? … Nein, „der Arbeiter im strengsten Sinne des Wortes“, der aber nicht lediglich um des Erwerbs willen wirkte, sondern weil er „in Ordnung und Thätigkeit den Gesundbrunnen seiner Seele sah“ … Ach, jetzt verstand ich ihn schon besser! …
In dieser Nacht ging ich nicht mehr zu Bett. Ich setzte mich in die Fensterecke und wartete auf das Morgenlicht. – Mit dem Tage, der so blaß hinter den Bäumen aufglomm, wollte ich ein neues Leben anfangen.
Vor vielen Reminiscenzpoesien von größerer oder geringerer Erbärmlichkeit, die der letzte große Krieg wie Pilze aufschießen ließ, zeichnete sich vortheilhaft ein prächtiges Soldatenlied aus, welches zuerst, so viel ich mich entsinne, im „Hannoverschen Courier“ veröffentlicht wurde. Den meisten unserer Leser ist es bekannt. Wer hat sich nicht erbaut an dem Urkräftigen:
Haut sie, daß die Lappen fliegen,
Daß sie all’ die Kränke kriegen
In das klappernde Gebein,
Daß sie, ohne auszuschnaufen,
Nach Paris und weiter laufen,
Und wir ziehen hinterdrein!
Der Verfasser wurde bald entdeckt in der Person des praktischen Arztes Kreußler aus dem Waldeckschen, der „auch einen Jungen dabei hatte“. Der tapfere Dichter, wackere Vater und gute Patriot nennt sich den Nachkommen einer uralten Fechtmeisterfamilie. Wenn er es nicht sagte, würde man es an seinen Versen merken können. Es liegt etwas darin, was an die eiserne Fechtmeisterfaust erinnert.
Als ich den Namen des Verfassers las, der sich selbst zu seinem Werke bekannte, da gingen meine Gedanken weithin wandern vom kühlfeuchten Ostseestrande nach dem milden Saalthale, nach dem alten tollen Jena, wo ich mich Studirens halber so lange Zeit aufgehalten, da stand ich wieder vor dem Johannisthore mit seinem alten Thurme, den Kirchhof mit dem Kirchlein auf sonniger Höhe zur Rechten, zur Linken eine grüne Gasse mit kleinen Häusern und Gärten. Aus dem größten Hause tönt Waffengeklirr und Commandoruf. Ich trete ein und stehe auf dem akademischen Fechtboden, der hohen Schule der edlen Fechtkunst.
Der schlanke Studiosus, der soeben seine Lection im Säbelfechten nimmt, wird sichtbar matter, die Hiebe fallen bleiern die Paraden werden schwächer. Der Meister wirft den schweren Pallasch in den Winkel und greift nach dem Hiebrappier, um schon nach zehn Minuten, wenn der neue Schüler sich für impotent erklärt, dasselbe mit dem deutschen Stoßrappier zu vertauschen. Jetzt kommt Leben auf die Bude! – Quart über den Arm. – „Quart parirt! Terz nachgestoßen!“ tönt das Commando. „Donnerwetter, nicht liegen bleiben! Zurück!“ – Es geschieht. – „Ausfallen! In Quart fintiren!“ – Wir thun’s, lassen aber dem Wütherich unsere Klinge den Bruchtheil einer Secunde; er faßt sie mit der seinigen, und klirrend fliegt die Waffe gegen die übertünchte Wand, daß eine Kalkwolke uns überpudert.
Wir reiben den schmerzenden Zeigefinger, kratzen uns hinter den Ohren und lesen unsern Spieß vom Boden auf. – „Das heißt ligirt, lieber Herr, echt deutsche Manier, – großer Vorzug unserer deutschen Vorfechtkunst vor der lumpigen französischen!“ – Folgt die Anweisung, wie „man’s macht“, nebst kritischer Vergleichung beider Stockfechtkünste. Bei dieser Beleuchtung zog die französische Waffe und ihre Führung stets den Kürzern.
„Bloß flüchtige Stöße, bei denen Klinge und Arm eine gerade Linie bilden, haben diese Franzosen. Keine Idee von unseren ‚festen‘ Stößen. Das Bischen Fintiren ist bei ihnen die Hauptsache. Und ligiren können sie bei ihrem erbärmlichen Fleuretchen mit der schäbigen Acht erst recht nicht! kein Stichblatt, keine Parirstange, wo man wie bei uns den Finger ordentlich durchstecken und das Spießchen festhalten könnte. Unmöglich, mit dem elenden französischen Dinge die Waffe des Gegners ordentlich zu fassen und vernünftig zu ligiren.“
Und so ging’s weiter bis zu dem großen Jenenser Fechtmeister, dem Kreußler, dem Vater der deutschen Stoßfechtkunst und, fügen wir hinzu, dem Urgroßvater unseres neuen deutschen Kriegsbarden.
Nach der Fechtstunde stieg ich drüben die sonnige Höhe hinan, um die Gräber der berühmten Fechtmeister zu besichtigen. Die Gräber fand ich nicht, wohl aber ihre kolossalen Leichensteine, aufrecht an die Kirchhofsmauer gelehnt. Vater, Sohn und Enkel in lebensgroßen fast quadratischen Gestalten in den Stein gemeißelt, die Inschriften nur mit Mühe erkennbar. Sind aber auch die Schriftzüge auf dem Steine fast erloschen, so lebt doch eine Erinnerung an den großen Fechter noch heute im Gedächtnisse der Jenenser. Ich erzähle die Geschichte, wie sie mir an Ort und Stelle mitgetheilt wurde.
[799] Es war um’s Jahr 1712, als den starken August, Kurfürsten von Sachsen und König von Polen, einen leidenschaftlichen Liebhaber der edlen Fechtkunst, die Lorbeern des Fechtmeisters Kreußler in Jena nicht schlafen ließen. Kreußler sollte eine neue Waffe erfunden haben, die der bisher gebräuchlichen französischen weit überlegen sei. Der starke Kurfürst wollte sich mit dem erfinderischen Fechtmeister messen; er kam allein und incognito nach Jena. – Kreußler war leider abwesend; und der Kurfürst suchte sich in Erwartung baldiger Rückkehr des heißersehnten Gegners die Zeit zu kürzen, indem er in Stadt und Umgegend umherspazierte. Der Zufall führte ihn im Saalthale hinauf zur Rasenmühle, welche auch damals schon zur Studentenkneipe diente.
Kaum hatte der Fremdling in dem Locale an einem Tische Platz genommen und begonnen, einer vor ihm aufgepflanzten Weinflasche zuzusprechen, als ein Musensohn von der schlimmen Sorte, die man Renommisten nannte, eintrat, Kanonen mit Pfundsporen an den langen Beinen, auf dem Haupte den riesigen Federhut, an der Seite den kolossalen Raufdegen mit tellergroßem Stichblatte.
Mochte ihm nun der Fremde überhaupt nicht gefallen, oder hielt er es für Frevel, daß ein Philister in die geweihete Stätte, wo Musensöhne zechten, einzudringen wagte: kurz, er schleuderte – bei der Rohheit jener Zeiten nichts Ungewöhnliches – seinen wuchtigen Ziegenhainer nach der Flasche des ungebetenen Eindringlings, so daß dieselbe am Boden in Stücke zersprang. Die Ruhe des Fremden, der nach einer andern Flasche rief, entflammte das Ungethüm zur größten Wuth. Die zweite Flasche theilte das Schicksal der ersten. – Da erhob sich der Fremde, legitimirte sich als kursächsischen Officier und forderte den Unhold. Secundanten und Arzt waren alsbald zur Stelle, und die Sache ward in einem Wäldchen bei dem nahen Lichtenhain bierseligen Angedenkens ausgefochten.
Daß die Mensur, einige Schrammen abgerechnet, einen unblutigen Ausgang nahm, mag wohl weniger in der Gewandtheit des Studiosen als in der Mäßigung des Fürsten, der dem rauflustigen jungen Herrn eine andere Lection zugedacht hatte, seinen Grund gehabt haben.
Beide Theile erklärten sich für befriedigt, die übliche Versöhnung fand statt.
Der starke August bot dem Gegner die Hand, die furchtbare Hand, welche frisch geschmiedete Hufeisen zerriß und Reichsthaler krumm bog. Der junge Raufbold schlug in die dargebotene Rechte, welche die seinige wie in einem Schraubstock festhielt und trotz seines verzweifelten Ringens fester und fester einklammerte, bis das Knochengerüst der Hand krachend zerbrach und Blut an den hervorragenden Fingerspitzen zur Erde hinablief. Das war wenigstens grob zu nennen!
Nachdem der Fürst die für immer verkrüppelte Hand losgelassen, konnte er es sich nicht versagen, aus seinem Incognito herauszutreten und die ohnehin schon bestürzten Zeugen seiner Kraftprobe vollkommen starr und stumm zu machen. Er warf sodann dem halb ohnmächtig daliegenden Unglücklichen einen Beutel mit hundert Ducaten zu und entfernte sich stolz und kalt, um schon eine Stunde später seinen Rückweg nach Dresden anzutreten.
Als Papa Kreußler wenige Tage später nach Hause zurückkehrte und von dem Vorgefallenen Kunde erhielt, regte sich etwas von verletzter Standesehre in ihm. Die Jenenser Fechterei war in seinen Augen beleidigt. Er mußte Revanche haben und machte sich sogleich auf den Weg nach Dresden. Mit dem Schüler war der starke Kurfürst – so oder so – leicht fertig geworden: lass’ sehen, ob auch mit dem Meister.
Kaum hätte einer seiner eigenen Schüler den alten Kreußler wieder erkannt, wenn er ihm nach seiner Ankunft in Dresden täglich in den späten Morgenstunden in der Nähe des kurfürstlichen Schlosses begegnet wäre. Die sonst so stattlich in Allongeperrücke, bordirtem Rocke und Stoßdegen daherschreitende Gestalt war hier in die verkümmerte Figur eines unter Sorge und Aerger zusammengeschrumpften Dorfschulmeisterleins metamorphosirt. Der abgegriffene Dreispitz, der kümmerlich dünne Haarbeutel, das fadenscheinige schwarze Röcklein, die schwarzgewesenen wollenen Strümpfe nebst den plumpen Schuhen machten die Täuschung vollständig. Der linkische Gang und die gebückte Haltung trugen das Ihrige dazu bei, den berühmten Fechter mit einem undurchdringlichen Incognito zu umgeben.
Auf welche Weise es nun nach einigen mißlungenen Versuchen dem Rächer der Jenaischen Fechterehre endlich gelungen sei, in die Nähe des Kurfürsten zu gelangen, haben wir nicht in Erfahrung bringen können. Vielleicht hat ein gutes Trinkgeld seine Dienste gethan. Für gewiß ist uns versichert worden, daß Kreußler am dritten Tage nach seiner Ankunft vor der offenstehenden Thür des kurfürstlichen Fechtsaales sich befand und mit sichtbarem Interesse den Fechtübungen des Kurfürsten und mehrerer Herren seines Hofes zuschaute.
Während einer Pause bemerkte man den Gaffer vom Saale aus. Seine kurfürstlichen Gnaden geruhten unter die Thür zu treten und den Fremdling zu fixiren. Die mundaufreißende Bewunderung, welche derselbe ob der nie gesehenen Wunderdinge an den Tag legte, und die ihn fast die schuldige tiefe Reverenz vergessen ließ, schmeichelte dem fürstlichen Herrn ein wenig. Er winkte dem Fremden, in den Saal zu kommen, und ertheilte ihm seine gnädige Erlaubniß, die Fechterkünste in aller Bequemlichkeit in der Nähe anstaunen zu dürfen.
In die Ecke gedrückt, den Dreispitz zwischen den Knieen, stand das Schulmeisterlein und blickte unverwandten Auges nach der imposanten Gestalt des Fürsten hinüber, der soeben antrat, um an einem neuen Gegner seine Geschicklichkeit zu erproben. – Das also war der starke August, der ihn, den Kreußler von Jena, in höchsteigener Person aufgesucht hatte, um sich mit ihm zu messen! Dieser Wunsch konnte erfüllt werden!
Wer den Schulmeister in der Ecke beobachtet hätte, würde durch den scharfen, verständnißvollen Blick, mit welchem er den blitzschnellen Bewegungen der fürstlichen Klinge folgte und sie kritisirte, an seiner Identität irre geworden sein; doch nahm sich Niemand der hohen Herren diese Mühe. Erst als die Waffen wieder ruhten, wandte sich irgend ein hochgeborener Herr an den in Bewunderung aufgelösten Zuschauer mit der Frage, ob er auch das Fechten verstehe. Kreußler verneinte. Ob er es nicht versuchen wolle? Eine entsetzt abwehrende Bewegung war die Antwort, welche laute Heiterkeit hervorrief. Dies war der Mann, mit dem man sich einen gnädigen Spaß erlauben konnte. Auch der Kurfürst schien Geschmack an der Sache zu finden.
Ein übermüthiger Junker drückte dem Schulmeister ein Rappier in die zitternde Rechte und begann ihm eine Lection zu ertheilen. Seine Bemühungen schienen auf unfruchtbaren Boden zu fallen. Knickbeinig, die Fußspitzen nach innen gekehrt, die Brust eingezogen, mit dem Rücken den schönsten Kreisabschnitt bildend, setzte der ungelenke Schüler allem Schieben und Drücken, Ermahnen und Spötteln des eleganten Lehrmeisters einen unüberwindlichen passiven Widerstand entgegen. Das Rappier führte er zum Ergötzen der Umstehenden, als ob es eine Gabel gewesen wäre.
Dem Junker riß der Geduldfaden, er griff nach seiner Waffe und machte Miene, den ungeschickten Novizen zum allgemeinen Vergnügen mit schulgerechten Stößen zu bearbeiten. Doch was war das? Seine Stöße wurden ja parirt, wenn auch auf die ungeschickteste Weise! Es war doch wohl Zufall? Nochmals angegriffen! Umsonst! Die anwesenden Herren lachten immer ausgelassener, diesmal auf Kosten des Junkers, der sich durch das unbändige Gelächter bis zur Wuth erhitzte und mit aller ihm zu Gebote stehenden Kraft und Gewandtheit seine Fechterehre zu retten suchte. Umsonst! Seine Finten, einfache und doppelte, seine Cavaden, Battüden, und wie die Fechterkniffe sonst noch heißen, scheiterten an der eisernen Ruhe des linkischen Naturalisten; ja er mußte es sogar erleben, daß dieser mit beispielloser Frechheit, den bocksteifen rechten Fuß hurtig vorgeschoben, zur Offensive überging und, blitzschnell nach einem Ausfalle des Gegners dessen Klinge an der Spitze niederdrückend, die seinige sehr unsanft unter den Arm des Junkers schob, so daß derselbe zurückspringend die getroffenen Rippen mit den Fingern rieb.
Jetzt wurde man stutzig. Das Lachen verstummte. Der Schulmeister war demüthig zurückgetreten und hatte seinen Hut vom Boden aufgenommen, als ob er sich entfernen wollte. Der Kurfürst folgte ihm mit den Augen; es mochte eine Ahnung in ihm aufdämmern. Jetzt winkte der hohe Herr; Kreußler näherte sich.
„Schulmeister,“ sprach der Fürst, „man sieht Euch nicht an, was für ein Kerl in Euch steckt. Ihr versteht mehr von der Sache, als Ihr scheinen machen wollt. Hier, nehmt das Fleuret und stellt Euch mir gegenüber. Ich fühle mich berufen, das Fechter-Renommée meines Hofes zu salviren!“
[800] Von Widerstreben gegen diesen fürstlichen Befehl konnte nicht die Rede sein. Kreußler sprach etwas Weniges von hoher Ehre und eigenen fehlenden Meriten und stellte sich auf den ihm angewiesenen Platz. Der Wettkampf begann.
Wer dieses in seiner Art einzige Paar einander gegenüber gesehen, der hätte sich selbst bei nur oberflächlicher Sachkenntniß doch einen deutlichen Begriff von dem Unterschiede deutschen und welschen Fechtens machen können.
Kreußler war wieder ganz er selbst. Keine Spur mehr von dem plumpen Naturfechter. Das linke Knie mit dem schräggestellten Fuße ein wenig gebogen, das rechte gestreckt, den Unterleib leicht einwärts gezogen, die gewaltige Brust ausgedehnt und trotzig dem Feinde dargeboten, das Gesicht mit seinen festen Zügen stolz erhoben und unverwandt auf seinen berühmten starken Gegner gerichtet, dessen Bewegungen er keine Secunde aus den Augen verlor, – so stand er da. In der ausgestreckten Rechten hielt er, des Angriffs gewärtig, mit festem Griffe das Rappier, die Spitze in Augenhöhe des Feindes, während die Linke in der Schultergegend der Brust ruhte, jeder Zoll ein Fechter. Erstaunt waren alle Blicke auf die fremde und in ihrer ruhigen Festigkeit doch so imponirende Erscheinung gerichtet.
Der Kurfürst musterte die Haltung des räthselhaften Fremdlings mit einem schnellen Blicke. Der Mann schien ihm zu gefallen. Sodann begrüßte er den Gegner durch die bei den Welschen übliche tanzmeisterhafte Verbeugung, während seine Waffe den Boden berührte, und ging sofort zum Angriff über.
Seine Gewandtheit war nicht geringer als seine Kraft. Doch wie er auch sich abmühen mochte, den Fremden zu treffen, – seine Mühe war fruchtlos. Seine schnellen, kräftigen Stöße trafen auf ebenso schnelle, kräftige Paraden. Vergeblich änderte er die Stellung; bald begann er sogar, hitziger geworden, den Gegner zu umkreisen. Nach französischer Art führte er Parade und Angriff mit gekrümmtem Arm aus; die linke Hand gesticulirte hoch emporgestreckt in der Luft umher; er retirirte, er avancirte in wilden Sprüngen: Alles umsonst. Kreußler avancirte allerdings nicht, doch retirirte er auch nicht – nicht einen Zoll. Wer nach den Grundsätzen seiner Schule auf der Mensur auch nur eines Strohhalms Breite hinter sich weicht, ist infam.
Da seine wüthenden Anfälle und schnellen Rückzüge nicht zum Ziele führten, versuchte es endlich der Fürst, den Gegner zum Ausfall zu verlocken, und hielt Stand. Dies hatte Kreußler erwartet. Mit kaltem Blute wußte er den günstigen Moment so gut wahrzunehmen, daß bereits nach wenigen Augenblicken die fürstliche Klinge von der seinigen in der ungünstigsten Lage überrascht, unwiderstehlich gefaßt und der riesenstarken Hand, welche sie führte, entwunden wurde. Weithin über die Köpfe der Zuschauer geschnellt, fiel sie klirrend zu Boden. Was noch kein Mann vollbracht zu haben sich rühmen konnte, hatte der Fechtmeister von Jena vollbracht. Der stärkste Mann seiner Zeit war entwaffnet und besiegt.
Augenblicklich schien sich zwar Etwas wie Zorn in dem Kurfürsten regen zu wollen, wenigstens wechselte er schnell die Farbe und starrte wie abwesend seinen Gegner an, der eine Anrede zu erwarten schien. Bald jedoch siegte seine natürliche Gutmüthigkeit, und er machte der allgemeinen Verlegenheit ein Ende, indem er an Kreußler mit den Worten herantrat: „Entweder seid Ihr der Beelzebub selbst, oder – der Kreußler von Jena!“
Kreußler verbeugte sich: „Das Letztere, Kurfürstliche Gnaden!“
Der Kurfürst war erfreut und äußerst huldvoll; er streckte seinem Sieger zum Willkommen die Hand entgegen. Der Fechtmeister schien zweifelhaft zu sein, ob er einschlagen solle; doch überwand er seine Bedenken, reichte dem Fürsten seine Rechte und bemerkte nur trocken: „Doch wenn ich Eure Kurfürstlichen Gnaden unterthänigst bitten dürfte: keinen Händedruck, wie den auf der Rasenmühle!“
Der Kurfürst lachte gnädig und ließ sich sodann vom Jenenser Meister einen Vortrag über die Vorzüge der von diesem verbesserten Fechtkunst halten, von welcher Seine Kurfürstlichen Gnaden sehr erbaut gewesen sein sollen, so daß sie selbige später selber sich anzueignen und zu cultiviren beschlossen haben. Kreußler aber wurde zur Tafel befohlen und mit allen Zeichen der höchsten fürstlichen Gnade entlassen. Jedenfalls konnte er nach Jena mit dem erhebenden Bewußtsein zurückkehren, einem deutschen Fürsten, der als der größte Freund gallischen Wesens bekannt war, eine sehr eindringliche Lection über das Thema ertheilt zu haben, daß nicht alles aus Gallien Eingeschleppte das Beste zu sein braucht.
Du aber, deutscher Jüngling, kommst Du Studirens Halber nach dem alten, tollen Jena: nimm die gute Gelegenheit wahr! Schöpfe die echte deutsche Stoßfechtkunst nach den Kreußler’schen Grundsätzen aus der Quelle, die noch am lautersten fließt. Ein scharfes Auge und eine sichere Faust kommen Dir wohl noch zu statten, wenn das Vaterland Dich ruft. Diese beiden und ein Herz, das auf dem rechten Flecke sitzt, werden uns nicht nur auf dem Fechtboden, sondern auch auf dem Schlachtfelde, wenn es noth thun sollte, gegen welsche Finten und Tigeraffensprünge zum Siege verhelfen. Infam Derjenige, der einen Schritt hinter sich weicht! – „Haut sie, daß die Lappen fliegen!“ soll dann mit Kreußler’s Urenkel unsere Devise sein.
Könnt’ ich beschreiben dir den Klang
Der Stimme, die mit süßem Ton –
Wie ist es her so lang, so lang –
Einst zu mir sprach: „Geliebter Sohn!“
Kein Laut auf weiter Welt ist gleich
Dem Wort aus meiner Mutter Mund;
Noch macht es glücklich mich und reich,
Noch klingt es fort zu jeder Stund’.
Als ich geeilt war Nacht und Tag
Und dann an’s Bett der Mutter trat –
O, nimmer ich’s vergessen mag,
Wie ich um dieses Wörtlein bat.
Und eh’ aus Fieberphantasie
Ihr Geist zum ew’gen Licht entflohn,
Das Wort, das eine Wort sprach sie
Im Tod zu mir: „Geliebter Sohn!“
Hinein nun in mein Leben hallt
Der süße Klang zu jeder Zeit,
Liebkosend sanft und mahnend bald,
Bald hell voll Lust, bald leis voll Leid.
Er segnet mich am Morgen früh
Und sagt mir Abends: „Gute Nacht!“
Er hilft mir tragen jede Müh’,
Der süße Klang voll Zaubermacht!
Wer ward beweint wie du, so heiß,
Und doch, wie gönn’ ich dir die Ruh!
Mein einsam Herz voll Hoffnung weiß:
Einst, Mutter kehrest wieder du;
Dann sterbend ist es mir bewußt,
Daß du mir nahst, verkläret schon;
Du nimmst mich lächelnd an die Brust
Und sprichst zu mir: „Geliebter Sohn!“
[801]
An der Küste von Chili kreuzend, waren wir mit einem anderen Walfänger zusammengetroffen, welcher von einem Freunde unseres Capitains befehligt wurde. Denselben begleitete, ein keineswegs seltener Fall, seine junge Frau auf der mehrere Jahre dauernden Reise, und die Anwesenheit der liebenswürdigen Amerikanerin hatte einen ungewöhnlich regen Verkehr zwischen beiden Schiffen zur Folge. Es wurde endlich beschlossen, für einige Zeit in Gesellschaft zu segeln und zunächst Juan Fernandez anzulaufen, um von dem bekannten Fischreichthum der Insel unsere Speisekammer neu zu versorgen.
So wendeten wir uns denn nach Westen und steuerten bei überaus günstigem Wetter gemächlich entlang, bis nach mehrtägiger Fahrt eines Nachts der erwartete langgedehnte Ruf erscholl: „Land voraus!“
Vor uns am Horizonte hing eine dunkle Masse in ungewissem Licht verschwimmend wie eine Wolkenbank, aber mit jeder Stunde höher und deutlicher hervortretend. Dort hatte der Schotte Alexander Selkirk, der Held unserer Robinsonaden, gelebt. Er war Matrose auf dem Schiffe „Cingue Ports“ und wurde, in Folge eines Streites, von seinem Capitain Stradling im September 1704 auf dieser Insel ausgesetzt, wo er einsam hauste bis zum Februar 1709, in welchem Jahre Capitain Wood Rogers ihn auffand und nach England zurückbrachte. Die Erzählungen von Selkirk’s Abenteuern veranlaßen den Engländer Daniel Defoe seinen berühmten Roman „Robinson Crusoe“ zu schreiben, welcher durch seinen großen Erfolg im Laufe der Zeit so zahlreiche Nachahmungen hervorgerufen hat.
Juan Fernandez, von den Chilenen auch Masatierra genannt, liegt im Stillen Ocean, unter dreiunddreißig Grad südlicher Breite und neunundsiebzig Grad westlicher Länge, ungefähr neunzig deutsche Meilen vom Festlande entfernt; die Insel ist über eine Meile breit und vier Meilen lang, sich in ihrer größten Ausdehnung von Osten nach Westen erstreckend. Ganz nahe dabei, im Süden, liegt das Eiland Santa Clara und zwanzig Meilen westlich die von einigen Chilenen bewohnte Insel Masafuera. Für uns hat Juan Fernandez neuerdings noch ein ganz besonderes Interesse gewonnen, da die Insel von einer Gesellschaft unserer Landsleute, unter Leitung des Ingenieurs Wehrhan, der Republik Chili zu Ende des Jahres 1868 abgekauft und besiedelt wurde[2] und von nun an ein neues Stückchen Deutschland im fernen Weltmeere repräsentirt.
Ein kurzer geschichtlicher Rückblick wird deswegen den Lesern der Gartenlaube nicht überflüssig erscheinen, um so weniger, als Selkirk weder der erste Europäer war, der diese Insel betrat, noch der erste Robinson, welcher sie bewohnte.
Die Insel Juan Fernandez wurde nach ihrem Entdecker benannt, einem Spanier, welcher, auf einer Fahrt von Lima nach Valdivia begriffen, im Jahre 1563 dort landete. Er fand sie unbewohnt und, von ihrer Schönheit angezogen, faßte er den Entschluß, sich auf ihr niederzulassen. Jedenfalls war er es, welcher die Ziegen aussetzte, die noch heute zahllos und scheu wie die Gemsen sich vorfinden. Die Flibustier, welche ihr Unwesen sehr bald auch an der Westküste Südamerika’s trieben, besuchten späterhin zuweilen diese Insel, erholten sich von ihren Strapazen und unternahmen von dort aus neue Raubzüge.
William Dampier, ein Engländer und der kühnste Seefahrer des siebzehnten Jahrhunderts, welcher selbst eine Zeit lang unter den Flibustiern lebte, erzählt, daß ein Mann von seinem Schiffe, ein Mosquito-Indianer, im Jahre, 1681 auf Juan Fernandez zurückgelassen wurde und daselbst blieb bis 1684, in welchem Jahre [802] ihn Dampier selbst wieder mit sich hinwegnahm. Dieser Mosquito-Indianer war also der erste Robinson, welcher auf der Insel lebte und sich gleich Selkirk von den wildlaufenden Ziegen ernährte.
Da die Letzteren sich ungemein vermehrt hatten und den Flibustiern jederzeit Fleisch in Menge lieferten, so gedachten die Spanier ihren kühnen und gefürchteten Feinden durch Ausrottung der Ziegen in erfolgreichster Weise zu schaden, indem sie mächtige Bluthunde hinüberführten und dort freiließen. Letztere scheinen aber ihre Aufgabe nur unvollkommen erfüllt zu haben, denn als ein anderer berühmter Seefahrer, Lord George Anson, der spätere britische Admiral, im Jahre 1741 daselbst landete, fand er zwar viele Hunde, aber auch noch sehr viele Ziegen vor.
Von seiner während der Umsegelung des Cap Horn durch einen Sturm getrennten Flotte hatten sich nur drei Schiffe, Centurion, Trial und Gloucester in jämmerlichem Zustande wieder zusammengefunden. Die Mannschaften litten am Scorbut und anderen bösen Krankheiten und Lord Anson blieb mit ihnen nothgedrungen auf der schönen Insel, wo sie sich überraschend schnell von ihren Leiden erholten. Nichts war natürlicher, als daß die genesenen Seeleute nach ihrer Ankunft in England diesen Aufenthalt in den verlockendsten Farben schilderten. Die Spanier, welche davon hörten und nicht mit Unrecht fürchteten, die immer auf Landerwerb bedachten Engländer würden die Insel in Besitz nehmen, beeilten sich nun auf ihr im Jahre 1751 eine Niederlassung zu gründen. Bald darauf wurde dieselbe aber durch ein Erdbeben heimgesucht und in Folge dessen aufgegeben. Juan Fernandez blieb nun wieder unbewohnt bis 1819, in welchem Jahre Chili eine Strafcolonie dort anlegte; diese bestand bis 1835, dann wurde die Insel abermals verlassen.
Zwei Jahre später ließ sich ein Chilene von Valparaiso freiwillig dort nieder, ihm folgten bald noch mehrere Männer und Frauen, und diese und ihre Nachkommenschaft lebten zur Zeit unseres Besuches, im Februar 1866, auf der Insel. Die kleine Gemeinde zählte damals fünfzehn Köpfe, mehrere junge Leute waren auf Walfängern abwesend. –
Wir näherten uns mit einer leichten Brise von Südosten und bei Sonnenaufgang lag die Insel in ihrer ganzen Schönheit vor uns. Von entschieden vulcanischem Charakter trug sie jenes wilde bizarre Gepräge, welches ein gewaltsames Schaffen der Naturkräfte immer verleiht; die starren Formen waren jedoch mit freundlichem Grün geschmückt und gewährten so von Weitem einen überaus lieblichen Anblick. Im Westen von uns tauchte das kleine Eiland Santa Clara aus dem Meere auf; es erschien uns kahl und öde.
Juan Fernandez selbst besteht aus einem einzigen Gebirgsstock. In der Mitte desselben erhebt sich bis zu dreitausend Fuß die höchste Kuppe, ihrer seltsamen Gestalt wegen „der Ambos“ genannt; westlich von derselben drängt sich Berg an Berg. Die meisten derselben sind vom Fuß bis zum Gipfel mit Vegetation bedeckt, dunkle Schluchten ziehen sich zwischen ihnen nieder und bilden kleine lauschige Thäler, welche sich nach der See zu öffnen.
Oestlich vom Ambos dagegen dehnt sich ein großes Plateau, welches mit geringen Unebenheiten nach Süden, Osten und Norden geneigt ist, aber in einer Höhe von vielleicht zweitausend Fuß an diesen drei Seiten plötzlich und senkrecht nach dem Meere zu abstürzt. Es ist mit Gras und Gebüsch bewachsen. Schon von Weitem sahen wir es sich dort oben bewegen wie Ameisen, und mit Hülfe des Fernrohrs erkannten wir die berühmten wilden Ziegen. Wenn wir die Zahl der gleichzeitig gesehenen auf einige hundert schätzten, so machten wir uns sicherlich keiner Uebertreibung schuldig. Das Plateau schien ihr Lieblingsaufenthalt zu sein, an keinem andern Punkte der Insel bemerkten wir so viele dieser Thiere beisammen. Sie stiegen an den grünen Hängen auf und nieder, oder zogen in geschlossenen Rudeln umher, während einzelne von ihnen unmittelbar am äußersten Rande des Abgrundes standen und niederschauten. Mit einem Sprunge hätten sich diese von der schwindelnden Höhe in das Meer hinabwerfen können.
In sicherer Entfernung fuhren wir an den ungeheuren Felsenwänden entlang und blickten mit Staunen an ihnen hinauf; wir konnten uns des Gefühls nicht erwehren, daß sie niederstürzen müßten und uns zermalmen, so drohend war ihr Aussehen. Niemals sah ich gewaltigere Formen. Unten schäumten und tosten die Wogen des Oceans und brachen sich mit dumpfem Donnern; rastlos nagten sie am Grunde der Felsenmauern, sie unterhöhlend, bis die freischwebenden Massen sich lösten und in die Tiefe hinabschmetterten. An verschiedenen Stellen zeigte das Gestein frische Spuren solcher Niederbrüche.
In Folge dieser Einwirkung des Wassers hat die ganze Ostseite der Insel die Gestalt einer riesigen Bastion erhalten. Die mächtigen Wälle derselben wurden eben von der Morgensonne beschienen und alle Vorsprünge traten im Wechsel von Licht und Schatten auf das Schärfste hervor. Die horizontalen Schichtungen waren von klaffenden Spalten durchsetzt, von welchen dünne Wasserfäden niederflatterten und sich in Millionen Tropfen zertheilten, ehe sie das Meer erreichten. Ein Wasserstrahl namentlich gewährte einen prachtvollen Anblick, indem er in einer Höhe von vielleicht tausend Fuß kühn aus dem Gestein heraussprang und in weitem Bogen herabsinkend und zerstäubend wie ein duftiger Schleier vor dem dunkeln Felsengrunde hing. Als einer unserer Officiere im Jahre vorher hier passirte, war von diesem „Brautschleier“, wie die schöne Frau des Capitains in der Erinnerung an eine süße Stunde erröthend ihn nannte, noch nichts zu sehen gewesen; ein Beweis, in wie kurzer Zeit bemerkenswerthe Veränderungen hier vorgingen.
Den nördlichen Punkt der Bastion umfahrend erblickten wir Cumberland-Bai. Der Uebergang vom Ernsten, Gewaltigen zum Anmuthigen konnte nicht überraschender sein. Vor uns lag eine nur wenig ausgerundete Bucht mit flachem Strande, von welchem ein liebliches Thal, sich in mehrere kleine Seitenthäler verzweigend, landeinwärts zog. Im Hintergrunde desselben thronte der Ambos; von ihm zweigte sich rechts ein hoher und steiler Bergzug ab, bis in die See hinaustretend und Bucht und Thal nach Westen zu abschließend. Links wurde dasselbe in gleicher Weise von dem oben erwähnten Plateau begrenzt, an welches sich ganz im Vordergrunde ein nackter Felsen wie ein Strebepfeiler lehnte, dem zwei glatte sich verjüngende Seiten genau das Aussehen einer halbverschütteten Pyramide gaben. An seinem Fuße schlängelte sich ein rauher Pfad aufwärts nach der Höhe der Klippen. Mit Ausnahme dieses sofort in die Augen springenden Felsens waren die zurückliegenden Berge theilweise mit Wald und Buschwerk bedeckt. Das auf diese Weise umschlossene Thal ist nach Norden, also hier nach der Sonnenseite zu, offen; es ist das günstigst gelegene und geräumigste der Insel, dennoch aber wohl kaum tausend Schritte lang und breit. In ihm auf der rechten Seite und nicht weit vom Meere befand sich die kleine Ansiedlung.
Während die Schiffe in sicherer Entfernung vom Lande kreuzten und verschiedene Boote mit Angelleinen zum Fischfang ausgesandt wurden, segelten wir nach dem Innern der Bai. Der flache Strand erlaubte unser leichtes Fahrzeug auf das Trockne zu ziehen, bei welcher Arbeit uns einige herbeigeeilte Inselbewohner halfen. Ihr Aeußeres ließ erkennen, daß sie nicht in zu häufige Berührung kamen mit den Segnungen der Civilisation. Weiber und Kinder hatten ein recht ungewaschenes Aussehen und machten keinen übermäßig günstigen Eindruck auf uns. Desto größer aber war ihre Bewunderung für die schöne Dame, welche mit uns gekommen war und welche mit ihrem rosigen Gesicht und schneeigen Kleidern der jüngeren Generation wie eine gute Fee erscheinen mußte, wenigstens folgten ihr die Kinder auf Schritt und Tritt.
Die Gebäude der Ansiedlung sahen sehr altersschwach aus und waren einer durchgreifenden Reparatur bedürftig; es gab Hände genug, diese Arbeit vorzunehmen, aber Niemand schien es nothwendig zu finden, obgleich der nächste Sturm Dach und Wänden offenbar gefährlich werden mußte. Für die vorhandenen Boote war schon besser gesorgt, indem für dieselben eine Art Hafen hergestellt war.
Nicht weit von demselben reckten sich einige italienische Pappeln einsam und steif in der Nähe eines dichten Myrthengebüsches, schöne Kirsch- und Pfirsichbäume wuchsen allenthalben. Aus den Früchten der ersteren wußten die Ansiedler einen recht schmackhaften Wein zu bereiten. Nur wenig Land war urbar gemacht; Kartoffeln, Kraut, Rüben, Mais, Melonen wuchsen in großer Ueppigkeit auf demselben. Der Besuch eines Blumengartens zeigte, daß auch diese Menschen das Bedürfniß hatten, ihre Umgebung und ihr Leben zu verschönern.
Die Felder waren sorgsam eingefenzt, wahrscheinlich um sie gegen die Uebergriffe einiger grunzenden Vierfüßler zu schützen [803] welche mit den Kindern und einigen Hunden sehr vertraut zu sein schienen. Einige Hühner gackerten irgendwo in der Nähe und mehrere eingepferchte Ziegen begrüßten uns meckernd. Rinder sah ich nicht, vergaß auch zu fragen, ob dieselben überhaupt auf der Insel gehalten würden. Abseits weideten halbwilde Pferde und Esel; die letzteren namentlich waren so flink und schlau, daß jeder Vergleich mit unseren einheimischen Langohren für sie eine Beleidigung sein würde. Auf den Höhen zeigten sich hier und da wilde Ziegen; gleich den Gemsen schienen sie sehr wachsam zu sein, denn einige standen auf kahlen Graten und äugten in das Thal herab. Hoch über ihnen im Aetherblau kreisten mehrere Raubvögel, wilde Tauben schwärmten in Menge umher, ebenso gab es Strandvögel mancherlei Art und Größe.
Das Thal war mit hohem Grase und Kräutern bedeckt und wurde von mehreren winzigen Wasserläufen durchzogen, deren Ufer hier und da mit Gebüsch bestanden waren. Das letztere zog sich auch in dichten Massen an den Berglehnen aufwärts und ließ nur an einzelnen Stellen das nackte graue Gestein durchblicken. An einem Hügel hinter der Ansiedlung entdeckten wir die Reste einer Fortification, deren Geschütze die Bai vollständig beherrscht haben mußten; ebenso fanden sich in der Mitte der Bucht noch Spuren eines kleineren Erdwerkes, einer ehemaligen Wasserbatterie. Mehrere sehr alte und gänzlich verrostete Geschützrohre lagen halb vergraben umher; sie und einige Gräber und die ehemaligen Zellen der Deportierten waren die einzigen historischen Ueberreste im Thale.
Es geht eine Sage unter den Walfängern, daß auf dem Grunde der Bai große Reichthümer verborgen liegen, und wie die meisten derartigen Ueberlieferungen entbehrt sie nicht ganz der Begründung. Das englische Kriegsschiff „Speedwell“ nämlich hatte im Anfange des Jahres 1720 während einer Kreuzfahrt an den damals noch spanischen Küsten Südamerikas große Beute gemacht und ankerte Ende Mai in dieser Bai, um frisches Trinkwasser einzunehmen, wurde aber plötzlich von einem Sturme überfallen und ging mit allen seinen Schätzen zu Grunde. Die Mannschaft rettete sich größtentheils an das Land und baute mit den Trümmern ihres Schiffes und dem Holze, welches auf der Insel wuchs, unter Leitung ihres Capitains Shelviocke, ein neues Fahrzeug, und als dieses durch einen unglücklichen Zufall zerstört wurde, nochmals ein zweites kleineres Schiff. In diesem verließen die kühnen Männer im October die Insel und eroberten mit dem Muthe der Verzweiflung wenige Tage später eine große spanische Bark, mit welcher sie endlich nach vielen wunderbaren Leiden und Abenteuern einen sichern Hafen erreichten.
Schon ehe wir landeten, hatten wir in der Böschung eines kleinen Hügels die dunkeln Oeffnungen mehrerer Erdlöcher bemerkt und sie natürlich für die einstige Residenz Selkirk’s gehalten; doch hatten wir uns arg getäuscht, da es nur die sehr einfachen Keller der Ansiedler waren. Diese erzählten uns dagegen, daß es zwei Höhlen gebe, in welchen Robinson gelebt habe; die eine liege auf der Südseite der Insel gegenüber dem Eiland Santa Clara, die andere westwärts von Cumberland-Bai in einem kleinen Thale und an einer Bucht, „Englische Bai“ genannt. Die Entfernung letzterer sollte zu Wasser nicht groß sein und wir beschlossen, den bezeichneten Punkt mit unserem Boote aufzusuchen.
Nach einer angenehmen Fahrt im Schatten dunkler Klippen entlang und an grünen Schluchten vorüber, erreichten wir ein niedliches Thal, welches eng und traulich zwischen den Bergen lag. Wir landeten und eilten nach der nicht fern liegenden Höhle. Sie erschien trocken und wohnlich, in ihrer Form an einen Backofen erinnernd, ungefähr zwölf Fuß hoch, fünfzehn Fuß tief und zwanzig Fuß weit am Eingang. An den Wänden, welche mit Inschriften von früheren Besuchern versehen waren, hingen Spinneweben; von Robinson’s Aufenthalt aber fanden wir keine Spur.
Die Umgebung war wunderschön. Gras, Kräuter, bunte Blumen und dichtes Gebüsch wuchsen überall, ein kleiner geschwätziger Bach kam von einer bewaldeten Schlucht und durchrieselte das Thal der Länge nach. Vor uns lag das blaue Meer, hinter uns traten die Berge zusammen und die steilen Felsenwände mit ihrem grünen Schmuck gaben dem Ganzen eine reizende Abgeschlossenheit. Das Brausen des Oceans, welches nur dumpf und verworren zu uns drang, vermischte sich mit dem Murmeln des Baches, sonst störte nichts die feierliche Stille. Schweigend standen die altersgrauen Klippen, kein Echo hallte von ihnen wieder und nicht einmal der Schrei eines Vogels war zu hören. Und hier in dieser Einsamkeit hatte sich ein armer Verlassener lange Monate und Jahre hindurch nach dem süßen Laut einer Menschenstimme gesehnt, hier vielleicht war er verzweifelnd zusammengebrochen, wenn ein nahendes Schiff ihm Rettung zu bringen schien und diese Hoffnung ihn wieder und wieder betrog! Der Ort war wohl geeignet, die Phantasie anzuregen und auch Seeleute ernst zu stimmen; wir fühlten uns bald seltsam bang und beklommen und suchten schweigend unser Boot wieder auf. Die ziemlich weite Fahrt um die Insel zu vollenden und die auf der Südseite liegende Höhle zu besuchen gestattete leider die vorgerückte Zeit nicht.
Das Klima der Insel ist angenehm und gesund, Wasser ist überall vorhanden und fast jeden Morgen fallen Regenschauer. Die Myrthe wächst mit beispielloser Ueppigkeit und bildet ganze Wälder und undurchdringliches Gebüsch; viele Obstarten gedeihen vortrefflich und köstliche Erdbeeren giebt es im Ueberfluß. Schlangen und giftiges Gewürm kennt man nicht und nur eine Art Raubthiere, verwilderte Katzen, sollen sich in den Bergen aufhalten; der Beschreibung nach müßten sie fast so groß wie Panther sein. Einen Schädel oder ein Fell derselben konnte man uns leider nicht zeigen.
Cumberland-Bai bietet Schiffen guten Ankergrund, doch ist sie zu wenig geschlossen, darum hohem Seegang und allen nördlichen Winden ausgesetzt; daß diese nicht ohne Gefahr sind, beweist das Schicksal des „Speedwell“ und bewies uns ferner das Wrack eines Schooners, dessen Rippen am Strande faulten. Walfänger laufen die Insel gern an, zumal in der Nähe derselben sich häufig Wale zeigen. Den neuen Ansiedlern wird die Jagd dieser wertvollen Thiere einen vielleicht unerwarteten und bedeutenden Gewinn abwerfen. Der Reichthum des Meeres scheint überhaupt fast unerschöpflich zu sein, Robben sonnen sich am Gestade, Seekrebse hausen in Menge zwischen dem Gestein und Fische aller Art, von allen Größen und Farben drängen sich auf den Untiefen zusammen. Die von uns ausgesandten Boote waren in wenigen Stunden fast zur Hälfte mit den Bewohnern der Tiefe gefüllt. Eins derselben hatte im Nordosten der Insel Kabeljaus gefunden; bei dem bedeutenden Werthe, welchen diese als Stockfische für den Weltmarkt haben, dürfte den Deutschen, für welche Juan Fernandez jetzt eine Heimath geworden ist, sich leicht noch eine neue Quelle des Reichthums eröffnen. Ob die Chilenen um das Vorhandensein der Kabeljaus wußten, konnten wir nicht mehr erfahren, da wir schon wieder zu unserem Schiffe zurückgekehrt waren.
Bei anbrechendem Abend standen wir unter vollen Segeln nordwärts und verloren bald Cumberland-Bai aus dem Gesicht, während die Strahlen der Sonne noch die Gipfel der Berge beleuchteten, von welchen in Zukunft wohl kein Robinson mehr nach einem rettenden Fahrzeuge ausschauen wird.
Als im denkwürdiger Jahre 1866 die Vorahnungen und Stürme des damaligen Entscheidungskampfes durch alle deutschen Gemüther brausten, fühlten sich zugleich Unzählige von einem milden Seelenstrahl berührt, der aus zwei hellen blauen Augen in alle finstere Sorge und bange Wirrniß dieser heißen Tage fiel. Ein liebliches Frauenbild, ein goldhaariges deutsches Mädchen hatte ein Wunder gewirkt und die zerstreuten Blicke einer wankenden, von leidenschaftlicher Gährung und blutigem Streit erfüllten Welt auf den schlichten und stillen Glanz ihrer anmuthvollen Erscheinung gelenkt. Wie eine frisch entfaltete Blüthe war das Bild aus dem idealen Lande der Dichtung gekommen, aber es ergriff mit allem bluterwärmenden Zauber einer holdseligen Wirklichkeit; es trug nicht die erhitzten Züge des politischen Tageskampfes, aber aus dem rosigen Antlitz und von der reinen
[804] und sinnigen Stirn dieser Jungfrau sprach doch anheimelnd der stolze Kampf des Jahrhunderts, das heitere Siegesbewußtsein der ringenden Zeit- und Volksgedanken. Viele Tausende unserer Leser werden den Eindruck nicht vergessen haben, sie wissen noch, daß es Marlitt’s „Goldelse“ gewesen, die in jener eisernen Zeit großer Wendungen ihnen Stunden des Glückes bereitet und wie ein erquickender Sonnenblick durch ihre Herzen und Häuser geleuchtet hat. Freudiger, herzlicher und begeisterungsvoller kann eine menschliche Schöpfung nicht begrüßt werden, als diese junge Erzählung weit und breit in Hütten und Palästen sich begrüßt und aufgenommen sah, da sie zum ersten Mal auf den Schultern der „Gartenlaube“ durch die Welt getragen wurde.
Was wir hier sagen, ist kein Urtheil über das Werk, sondern nur Bestätigung einer zweifellosen Thatsache. Die strenge ästhetische Kritik mag ja an diesem und jenem Punkte den vollen Kunstwerth des Werks durch diesen oder jenen Mangel beeinträchtigt finden; aber die lebendige Aesthetik des Volksgemüths hatte über dieses Werk schon entschieden, das Werk hatte schon einen festen Platz im Urtheil und Herzen des Volkes erobert, war schon wie eine fromme Sage und ein beliebtes Märchen in das Fühlen und Denken großer Volksmassen verwoben, ehe sein Einfluß durch die Stimme der Kritik gehemmt oder gefördert werden konnte. Und als die Kritik endlich ihr Urtheil zu sprechen begann, da äußerte sie doch auch im Ganzen nur Lob für das Werk und nur Freude über den Sinn, der es bereits aus eigener Machtvollkommenheit erkannt und gewürdigt hatte. Das nennt man Instinct des Volkes, und von einem solchen Instincte sprechen wir, wo wir die Gesammtheit einer öffentlichen Meinung oder Stimmung ohne jede Hülfe der Reclame, ohne vorherige Ueberredung oder Verabredung in so durchschlagender Weise einer neuen Erscheinung sich zuwenden sehen. Ist die Erscheinung eine gute und gesunde, so kann mit Sicherheit angenommen werden, daß auch der Instinct, von welchem ihr Werth sofort erspürt, der sofort in besonderem Grade von ihr bewegt und angezogen wird, einem gesunden geistigen Boden entsprossen ist. Von einem sichtlichen Begehren nach schlechten und verwerflichen Producten, von einem offenen Beifall und einer unzweideutigen Empfänglichkeit für dieselben wird dagegen mit Recht auf eine Verderbniß und Verirrung des öffentlichen Geschmacks und auf einen Verfall seiner sittlichen Grundlagen geschlossen. Steht es also fest, daß die Geschichte von der Goldelse gleich bei ihrem ersten Erscheinen eine unleugbar große und ungewöhnlich ausgedehnte Theilnahme gefunden, so müssen wir doch weiter fragen, ob die Masse unseres deutschen Publicums auch hier richtig gefühlt und geurtheilt, ob es sich mit dieser offenkundigen Hinneigung ein Zeugniß gesunden und unverdorbenen Sinnes ausgestellt.
Wir glauben das und sind durch eine unbefangene Prüfung zu dieser beruhigenden Ueberzeugung geführt worden. Zunächst hat das große Publicum mit seinem Beifall den Beweis geliefert, daß es durch den Glanz berühmter Namen sich nicht bestechen läßt. Eine fast noch gänzlich unbekannte Verfasserin, deren wahrer Name sogar der schriftstellerischen Welt noch lange nachher ein emsig bewahrtes Geheimniß blieb, hatte aus tiefster Zurückgezogenheit die Gabe gespendet. Und die Gabe war kein sogenannter Sensationsroman, der mit aufreizenden Effecten blasirten Nerven zu genügen, durch scharf gewürzte Stoffmassen und spannende Abenteuerlichkeit der Verschlingungen die nimmersatte Gier eines fieberhaften Unterhaltungsdurstes zu stillen weiß. Ebensowenig bot sie Nahrung für das unklare Bedürfniß einer weichlichen Empfindsamkeit und Gefühlsschwelgerei, die gern von dem Dichter über die harten Conflicte der Gegenwart sich hinwegtragen und in eine romantische Traumwelt versetzen läßt. Und auch für eine dritte krankhafte Neigung großer heutiger Leserkreise fehlte dem neuen Roman jede Anziehungskraft: er war vor Allem nicht „pikant“ im undeutschen Sinne dieses zweideutigen Wortes, er hat keiner Frivolität, keiner Abweichung von der ernsten Pflicht geschmeichelt, nicht die Leidenschaften einer angefressenen Sittlichkeit mit brillantem Farbenschmelz umschleiert, nicht in den übelriechenden Schmutz des eleganten Lasters ein Rosen- und Veilchenparfüm gemischt.
Aus reifer Lebensanschauung und wärmster Gemüthstiefe stieg hier vielmehr ein ebenso einfaches als zartes Kunstgebilde vor den Seelen der Leser auf. Dasselbe kann vielleicht in Bezug auf Stoff oder Composition, auf Inhalt oder Form dem Widerspruche Einzelner begegnen, aber Niemand wird bestreiten können, daß es aus edlem Stoffe geschaffen und eine durchaus reine und keusche Gestaltung ist. Edel, rein und keusch nicht blos in den Vorgängen und Situationen, sondern auch in der Beseelung und Haltung des [805] Ganzen, im Geiste und in den Gedanken, den poetischen, künstlerischen und sittlichen Motiven, aus denen es erzeugt und geboren wurde. Mag das wechselnde Scenengefüge der Erzählung dem Leser schon an sich eine fesselnde Unterhaltung bereiten, mag sie ihn beleben und erfreuen durch die trauliche Eigenart liebenswürdiger Menschengestalten, durch das leuchtende Grün und den erfrischenden Sommerhauch ihres thüringischen Berg- und Waldlebens, so hat sie das mit anderen Darstellungen unserer besten Erzähler gemein. Ihr bestrickender und bezeichnender Hauptreiz dagegen liegt, unserem Eindrucke nach, nur in dem unbeschreiblichen Duft jener sauberen Idealität, die nicht wie ein künstlich gemachter Anhauch über das Bild sich breitet, sondern gleichsam aus ihm hervorblüht, als ein gesundes Blut, eine vollkräftige Lebenswärme durch alle seine Züge und Adern schimmert. Auch häßlicher Unsinn, auch ererbte und verlogene Schnödigkeiten heutiger Gesellschaftsclassen werfen verhängnißvoll ihre breiten Schatten in das kleine Gemälde. Den Sieg jedoch über diese Gewalten vermoderten Dünkels und anmaßender Scheinheiligkeit erringt der harmlose Sinnesadel, das stolze und doch so bescheidene Würdegefühl einer jungfräulichen Weiblichkeit, die still und züchtig auf dem stillen Boden des kleinen deutschen Bürgerhauses, der deutschen Sitte und Bildung gewachsen und ihre Kraft zum Widerstande gegen Hochmuth und frömmelnde Heuchelei nicht aus der gedunsenen Weisheit verschollener Emancipations-Romane und ihrer zweifelhaften Heldinnen gesogen hat.
Wenn also für ein derartiges Literaturerzeugniß, das weder einer hausbackenen Alltäglichkeit zusagen, noch irgend einer geistigen oder sinnlichen Extravaganz genügen dürfte, in den weitesten Kreisen unseres Volkes eine so lebendige Empfänglichkeit sich zeigte, so konnte das immerhin in den mannigfach unklaren Gährungsjahren, welche unserm letzten Kriege vorhergingen, und im Hinblicke auf die gleichzeitige französische Literatur als ein trostreiches Cultursymptom erscheinen. Und in der That bietet denn auch die äußere Geschichte des Romans dem tieferen Beobachter solcher Vorgänge ein gewisses culturhistorisches Interesse dar. Nachdem „Goldelse“ bereits in der Gartenlaube, einer Durchschnittsberechnung nach, wohl von anderthalb Millionen Menschen mit unverkennbarer Theilnahme gelesen und in den verschiedensten, freilich meistens sehr schlechten dramatischen Bearbeitungen auch über unzählige große und kleine Bühnen gegangen war, stellte sich der Roman auf eigene Füße und erschien in selbstständiger Buchform. Von diesem Buche aber (wie auch von den späteren Romanen der Verfasserin) sind gleich im ersten Jahre zwei und bis zu diesem Augenblicke sechs für einen Roman ganz ungewöhnlich starke Auflagen vollständig vergriffen worden. Wer irgend von den Verhältnissen des Büchervertriebes nur eine oberflächliche Kenntniß hat, wird nicht behaupten wollen, daß solche Erfolge, solche dauernde Begünstigungen künstlich erzeugt oder gemacht werden können. Wo sie vorhanden sind, spricht sich in ihnen immer ein selbstständiger Antrieb, ein gänzlich unabhängiges Urtheil der Leser aus. Gebildete Damen haben uns denn auch zu unserer eigenen Ueberraschung gestanden, daß sie und viele ihrer Freundinnen „Goldelse“ bis jetzt fünf- oder sechsmal mit immer erneuertem Genusse gelesen, ja sogar in der französischen und englischen Uebersetzung gelesen haben. Daß es vornehmlich nur die Frauen und zwar die jüngeren sind, denen das gesunde Ideal, die keusche, innige und doch lebensfrohe Poesie des Buches so besonders zum Herzen spricht, soll hiermit nicht gesagt sein. Gewiß aber ist, daß es im Laufe des Jahres in Tausenden von zarten Händen ruht, daß es in die lieblichsten Kreise sich gezogen sieht und fort und fort als willkommenes Geschenk auf unzähligen Fest- und Geburtstagstischen liegt. Sollte es für eine solche Gesellschaft und für solche Zwecke nicht endlich sein schlichtes Gewand ablegen und in einem angemessenen Festschmucke sich zeigen dürfen?
So dachte mit Anderen auch Meister Thumann in Weimar und nahm seinen Griffel zur Hand, um die Gestalten und Scenen Goldelse’s so leibhaftig und lebendig vor die Leser zu stellen, wie er sie mit eigenem Künstlerauge im schönen Thüringerlande gesehen und beobachtet hat. Es ist eine gar herrliche und mannigfaltige Reihe herzig-charakteristischer, sinn- und poesievoller Bilder geworden, und zwei davon haben wir mit Bewilligung des Künstlers hier zur Anschauung gebracht. Sammt und sonders jedoch sind diese schönen Originalzeichnungen Thumann’s als werthvoller Illustrationskranz durch eine neue Ausgabe Goldelse’s geflochten, welche jetzt von der Verlagshandlung durch besondere Eleganz der Ausstattung zu einer wirklichen Fest- und Prachtausgabe für den nächsten Weihnachtstisch gestaltet wurde.
Dem ausdrücklichen Wunsche vieler Verehrer und der Pietät gegen ein berühmtes und gefeiertes Lieblingsbuch ist hiermit in
[806] gebührender Weise genügt. Der Lebenslauf des Romans aber wird sicher mit dieser Prachtausgabe nicht abgeschlossen sein. Wir glauben vielmehr, daß er im schlichten wie im festlichen Kleide weiter blühen und den Reiz einer jugendfrischen Erscheinung bewahren wird, so lange in den deutschen Frauenherzen noch jene Regungen tiefer Innerlichkeit und hohen und reinen Edelsinnes nicht erstorben sind, an die er so erfolgreich sich gewendet hat.
Auf dem Straßburger Münster. Mit lebhaftem Interesse durchblätterte ich im Wächterhäuschen des Straßburger Münsterthurms den zweiundzwanzigsten und den dreiundzwanzigsten Band des großen Fremdenbuches. Diese gewaltigen Folianten tragen die Spuren einer Völkerwanderung. Welch ein Contrast zwischen den Gasconnaden der französischen Freiwilligen und den gemüthlichen Ergüssen der Landwehrmänner, zwischen der deutschen Häuslichkeit und dem flotten Wesen des afrikanischen Lagerlebens! Hier, an geweihter Stätte unterzeichnet ein Fallstaff’scher Held das mephistophelische Urtheil: „Toutes les femmes sont infâmes!“ während ein biederer Frankfurter der Nachwelt mittheilt, daß sein Weib ein Engel sei.
Am verhängnißvollen 19. Juli 1870, im Augenblick, als der unheimliche Imperator das gallische Schwert in die Wagschale des Krieges warf, wiederholte ein Prätorianer das Feldgeschrei: „Nieder mit Preußen! Es lebe das sechsundneunzigste Regiment!“ Umsonst hatten die elsässischen Dichter gewarnt:
Mit Hohn die Klinge wetzen
Ist nicht des Starken Art.
Auch ein Schlettstadter jubelt über die bevorstehenden Niederlagen der deutschen Reißausarmee. Noch am 4. August, während die eisernen Würfel an den Weißenburger Linien fielen, schrieb ein eifriger Chauvinist: „Wehe, dreifarbige Fahne, auf dem deutschen Ufer!“ Dieser Inschrift folgt eine lange, bedeutsame Lücke. Plötzlich, am 28. September 1870, erscheinen deutsche Namen auf dem denkwürdigen Blatte, und nun folgen in endlosen Reihen sechszigtausend Besucher aus allen Gauen des neuerstandenen Reichs. Im Siegesjubel melden Einige, daß sie „zu Straßburg auf der Schanz“ mitgestritten und mitgelitten hätten. Hinter ihnen schwören Andere mit Nachdruck: „Deutschland über Alles! Hurrah Germania!“ Einzelne Touristen erinnern an die Worte der Wehmuth und des Zornes, welche sie in früheren Jahren in diesem Stübchen niedergeschrieben hatten. Desto freudiger lassen sie Straßburg und die so herrlich gewonnenen Reichsländer hochleben. Auch ein Professor aus Wien stimmt in diesen Jubel ein:
während ein Particularist aus Frankfurt betheuert: „Auch wir theilen das Leid der Einwohner Straßburgs.“
An Improvisatoren darf es in einer deutschen Volksarmee nicht fehlen, wie denn ein Patriot mit ungeübter Hand schreibt:
Auf das Land errungen wieder
Geht rings mein Blick mit Freud’ hernieder.
Andere denken mit gemischten Gefühlen an die wechselvolle Vergangenheit. Ein Baumeister aus Berlin bringt seinem „genialen Obercollegen“ Erwin von Steinbach ein begeistertes Hoch, während ein Ghibelline im Hinblick auf die Statuen der Mönche und der römischen Kaiser versichert: „Der deutsche Kaiser wird nie nach Canossa pilgern.“
Wir lesen in den Blättern dieses Fremdenbuchs wie in den Falten des Menschenherzens. Ein Vater bemerkt mit zitternder Hand, daß er bei Wörth die Grabstätte seines Sohnes gefunden. Ein Anderer widmet eine Zeile dem Andenken seines gefallenen Bruders. Ein treuer Sohn feiert in diesen höheren Regionen den Geburtstag seiner Mutter, und ein Lächeln beschleicht uns, wenn wir die Grüße lesen, die ein Glückskind an die Geliebte in der Heimath schickt.
Im April 1871 finden wir unter den Namen einiger würtembergischen Soldaten die Randbemerkung in correcter französischer Sprache: „A notre retour de la captivité.“ Mit Unwillen betrachte ich die orthographischen Fehler und die pöbelhaften Witze in den Einzeichnungen meiner ehemaligen Landsleute, der französischen Kriegsgefangenen. Wie einst die Emigranten, haben sie in den Mußestunden der Verbannung nichts gelernt und nichts vergessen.
Durch das Zusammentreffen von französischen Soldaten und deutschen Besuchern entstehen selbst hier in luftiger Höhe homerische Kämpfe, welche mit flammenden Worten und geharnischten Liedern zu Gunsten des deutschen Reichs ausgefochten werden. Mit dem Feldgeschrei: „Es lebe Deutschland hoch!“ warf eine pfälzische Velleda den Zankapfel zwischen beide Nationen. Sogleich drängten und drückten sich unter diese Inschrift ganze Gruppen von Namen, als wollten sie fest und treu Wacht an diesem Palladium stehen oder den trotzigen Feind durch die Wucht ihrer Flankenumfassungen zu einer schimpflichen Capitulation zwingen. Allein mit dem Rufe: „Vive notre France bienaimée!“ nahmen die Stimmführer des französischen Häufleins den Fehdehandschuh auf. Eifrig gesellten sich die Elsässer zu ihren fränkischen Waffenbrüdern und selbst Jungfrauen setzten neben ihre deutschklingenden Namen das herausfordernde Wort Française. Von bonapartistischen Aeußerungen fand ich keine einzige Spur. Desto lauter ließen die Tribunen der einen und untheilbaren Republik ihren Schlachtruf ertönen: „Es lebe die Freiheit! Vivre libre ou mourir!“ Ein Schalk in französischer Uniform begleitet die patriotischen Wünsche der elsässischen Bürgerinnen mit den wohlgemeinten Worten: „Es leben auch die Gänschen, die Solches geschrieben!“ Die unedeln Bemerkungen der garibaldianischen Schützen erinnerten mich lebhaft an die Prahlereien der Jäger in Wallenstein’s Lager.
Mit Wohlgefallen ruht mein Blick auf den letzten Zeilen, welche meiner so schwer geprüften Vaterstadt gewidmet sind.
„Gegrüßt seist du, die nach so manchen Stürmen
Zurückgegeben nun dem Vaterland!
Bald reichst von deines Münsters stolzen Thürmen
Versöhnten Sinns du uns die Bruderhand.“
Mit diesem Wunsche und einem leisen „Das walte Gott!“ verlassen wir das historisch gewordene Wächterstübchen und begeben uns auf die herrliche Plattform,
wo Goethe
Im Jugendmuth gehaust,
Im Herzen seine Grete,
Im Kopfe seinen Faust.
Hier wurde Straßburg vor einem Jahrhundert auf dem Gebiete des Sprachenkampfs dem deutschen Volke zurückerobert. Hier versammelten sich die oberdeutschen Dichter an schönen Sommerabenden, „um mit gefüllten Römern die scheidende Sonne zu begrüßen“. Oefters noch kehrten sich ihre Blicke nach Norden, wo ihnen Friedrich, der Polarstern, leuchtete, um welchen sich Deutschland, Europa, ja die Welt zu drehen schien.
Noch bemerken wir auf der südöstlichen Seite des Thurmes die gefeierten Namen der deutschen Dichter Goethe, Klopstock, Schubart etc. Durch den Humor des Zufalls ist der Name ihres Nebenbuhlers Voltaire, den wir auf der rechten Seite des Uhrenblattes lesen, vom Blitzstrahl verstümmelt worden. Die Sylbe VOL wurde weggeschlagen, so daß nur das bedeutsame Wörtlein TAIRE übrig blieb. Diesem Omen zum Trotz ließen die freisinnigen Straßburger den Namen ihres weltberühmten Gastes wieder herstellen. – Im Innern der schlanken Pyramide, der Uhr gegenüber, betrachten wir die Inschrift, welche vor einem Jahrhundert die Straßburger Freunde als ein Denkmal ihres schönen Zusammenlebens in den Stein hauen ließen. Ueber der historisch gewordenen Stelle prangt der Name der Stadt Leipzig. Hier diese wortgetreu abgeschriebene Inschrift:
G. & F. COMITES DE STOLBERG.
GOETHE. SCHLOSSER. KAVF-
MANN. ZIEGLER. LENZ.
WAGNER. V. LINDAV. HERDER.
LAVATER. PFENNINGER.
HAEFELIN. BLESSIG. STOLZ.
TOBLER. ROEDERER. BAS-
SAVANT. KAISER. EHRMANN.
M. M. ENGEL. 1776.
Mit Recht bemerkt Uhland in seiner Münstersage, daß der alte Dom erdröhnen mußte, als der jugendkecke Goethe die schwindelnde Höhe der Pyramide bestieg. Bei diesem Denkmale der mittelalterlichen Kunst erhielt der damals noch für Voltaire begeisterte Dichter die Gewißheit, daß einst das deutsche Volk ein großes gewesen. Auf den Jugendbildern des Straßburger Studenten und des Gastfreundes von Sessenheim ruht ein Gefühl des Heimwehs, welches an der Sehnsucht der deutschen Schriftsteller nach dem verlorenen Bundeslande großen Antheil hatte.
Auch für die elsässischen Dichter wurde der breite Altan des Münsters eine deutsche Oase mitten in der romanisirten Garnisonsstadt. In dieser Erinnerungshalle gelobten sie, das Familienkleinod der Muttersprache treu zu bewahren, um die politische Abtrennung nicht zu einer nationalen Entfremdung ausarten zu lassen. Der Name „Erwinia“ wurde das Losungswort der elsässischen Sängergilde, welche dem verehrten Bannerträger das Zeugniß gab:
„Strahlt nicht der Münster sinniger und reiner,
Seit du ihn deutetest, den deutungsreichen?“
In den „Deutschen Stimmen aus dem Elsaß“ finden wir mehrere Gedichte, welche auf der Münsterkrone, im Hinblick auf das stammverwandte Deutschland, entstanden sind.
Als man vor einigen Wochen die Einweihung der neuen Straßburger Bibliothek mit dem hundertjährigen Gedächtnißfeste der Doctorpromotion Goethe’s verband, da traten wir mit bewegtem Herzen vor die oben erwähnten Inschriften und wiederholten die Worte unseres Altmeisters:
„Die Stätte, die ein guter Mensch betrat,
Ist eingeweiht; nach hundert Jahren klingt
Sein Wort und seine That dem Enkel wieder.“
Eine Kriegserinnerung. Im Städtchen P., kaum eine deutsche Meile von dem nicht viel größeren, aber bekannteren und belebteren Lonjumeau entfernt, waren an einem Januarabende dieses Jahres eine zahlreiche Menge deutscher Soldaten in einem der größeren Cafés versammelt. Vornehmlich machten sich eine Anzahl Baiern durch lautes, häufig von munterem Lachen unterbrochenes Gespräch bemerklich. Sie waren feldmarschmäßig ausgerüstet, denn es fehlte nicht mehr viel zu der Zeit, wo sie Vorposten beziehen sollten. Wiewohl das Campiren in der kalten Winternacht keine sonderlichen Annehmlichkeiten versprach, war ihre frohe Laune doch hinlänglich motivirt: sprach man ja schon lebhaft von der nahe bevorstehenden Capitulation der Hauptstadt, nach deren Fall der Rückkehr in die Heimath nichts mehr im Wege zu stehen schien.
[807] Während der Cognac ihre Zungen gesprächig machte, glitten ihre Augen öfters mit unverhohlener Bewunderung zu der schönen Wirthstochter, welche sich um so mehr allgemeiner Huldigungen zu erfreuen hatte, als die übrigen Jungfrauen in der Umgegend von Paris aus Angst vor den grausamen „Prussiens“ zumeist geflüchtet waren. Und in der That verdiente Melanie die ungetheilte Aufmerksamkeit; kaum den Mädchenjahren entwachsen, vereinigte sie mit einer nicht großen und desto üppigeren Gestalt, mit den glühendsten schwarzen Augen und tiefdunklem Haar die volle Grazie und unnachahmliche Anmuth der Französin. Ueber ihr ganzes Wesen war jedoch eine Art von Schwermuth gehaucht, und nur selten verklärte sich ihr Gesicht zu einem gewinnenden Lächeln. War es die Trauer um’s Vaterland, welche aus ihrem frischen Gemüthe die Freude verbannt und ihr Haß gegen die fremden Krieger eingeimpft hatte? Nicht doch; ein weibliches Herz ist international, es kennt in der Regel keine anderen Feinde, als die ihm von vornherein Abneigung eingeflößt haben oder ihm nahe getreten sind.
Durch freundliches Zureden sollte ich die Ursache ihrer augenscheinlichen Traurigkeit erfahren; dieselbe bestand darin, daß ihr Bräutigam, den der unerbittliche Krieg aus ihren Armen gerissen hatte, schon vier Monate in Paris mit eingeschlossen war, ohne ihr ein Lebenszeichen von sich geben zu können. Vielleicht war er todt, im günstigsten Falle den größten Entbehrungen und Gefahren ausgesetzt! Ihre Thränen mußten Mitleid mit dem armen Kinde einflößen, an dem ich nur bewunderte, mit welcher sichern, jedoch jede Unart ausschließenden Bestimmtheit es die Galanterien Derer abwies, welche es ja mit als Störer seines unschuldigen Glückes ansehen mußte. Konnte doch die Kugel der kriegerischen Gäste, welche dem Mädchen sich gefällig zu beweisen bestrebten, den Gegenstand ihrer Liebe in den nächsten Stunden aus dem Leben fördern. …
Baierns Söhne waren indeß, je näher die Stunde des Abmarsches nahete, immer aufgeräumter geworden. Einer derselben gab endlich das Zeichen zum Aufbruch, nahm sein Gewehr und drohete dem Mädchen scherzend, es zu erschießen.
„Immer schießen Sie zu, mir liegt nichts am Leben,“ erwiderte Melanie furchtlos, – dem Baiern jedenfalls hinlänglich verständlich, denn er setzt dem Mädchen das Gewehr auf die Brust, zieht auf und drückt dreimal hintereinander ab.
„Seh’n Sie wohl, Mamsell, es beißt nicht!“ ruft er lachend, indem er den Kolben etwas heftig auf die Erde stößt; doch in demselben Moment ertönt ein lauter Knall, Pulverdampf füllt das Zimmer, Kalk und Mörtel fallen auf die Gäste: der Schuß, von dessen Existenz der Soldat keine Ahnung gehabt und welcher dreimal durch einen fast wunderbaren Zufall versagt, hatte sich entladen.
Dem früheren Gelächter folgt lautlose Stille; Alle stürmen sodann hinaus, um ihres wie sinnlos sich geberdenden Cameraden habhaft zu werden und ihn zur Ruhe zu bringen. Denn der plötzliche Schuß aus seinem Gewehr nach dem Vorangegangenen hat diesen offenbar jeder Besinnung beraubt, und den Ausbrüchen seiner Verzweiflung nach scheint er zu glauben, daß er das Mädchen wirklich getödtet habe.
Nachdem sie sich von der ersten Bestürzung erholt hatten, kehrten die Baiern zurück in das Café; mechanisch folgte der von Gewissensbissen Gepeinigte. Wie erstaunt aber waren Alle, als Melanie, welche ihren Schreck schnell überwunden, ihm, wie wenn nichts geschehen wäre, freundlich lächelnd die Hand reichte mit den Worten: „Sie hätten mich zu Dank verpflichtet, wenn Sie mir wirklich ein Leben genommen hätten, das mir keine Freude bietet!“
An demselben Abende spät, sowie in der frühen Morgenstunde des nächsten Tages machte ein heftiger Geschützdonner die Erde beben; es war ein neuer Ausfall versucht und wiederum zurückgeschlagen worden. Lange Gefangenenzüge bewegten sich, von Baiern escortirt, um die Mittagsstunde durch die Straßen von P. In abgerissenen, schmutzigen Uniformen, wahre Bilder des Elends, zogen sie dahin, die Repräsentanten der einst „unüberwindlichen“ Armee, neben dem ziemlich sorglos umherblickenden Jüngling und Knaben der ergraute Krieger lautlos und mit niedergeschlagenen Blicken, als schämte er sich vor den in den Straßen zahlreich versammelten Landsleuten und siegreichen Fremden, den Zeugen seiner und all seiner Cameraden Schande.
Ein lautes Freudengeschrei lenkte jetzt unsere Blicke nach der Richtung, woher er kam; es war Melanie, – sie hatte ihren Verlobten wiedergefunden. Was kümmerte sie es, daß er gefangen war und einem ungewissen Loose entgegenging, – er lebte ja. … Nur wenige Worte, Begrüßung und Abschied zugleich, vermochte sie mit ihm zu wechseln, – dann verschwand allmählich der lange Zug, dem sich eine Anzahl einspänniger Wagen oder Karren anschlossen, besetzt mit Officieren, welche die Spuren von Krankheit und Entbehrungen deutlich im Gesichte trugen.
Bald darauf verließen auch wir P., um nie dahin zurückzukehren. Ich habe Melanie nie wiedergesehen. Doch wünsche ich ihr nur, daß sie, über deren Leben die Vorsehung zu walten schien, vom Geschick dafür aufbewahrt gewesen sein möge, ihren Geliebten aus der Kriegsgefangenschaft heimkehren zu sehen und in seinem Besitze den Lohn ihrer Liebe zu genießen!
Zu gönnen ist es ihr von ganzem Herzen!
Das japanische Papier. Der heutige Verkehr von Volk zu Volk ruft interessante und eigenthümliche Erscheinungen hervor. In kurzer Zeit werden wir Papiergeld haben, zu dessen Herstellung Japan den Stoff geliefert hat. Die Druckerei von Naumann in Frankfurt am Main ist bereits damit beschäftigt, mittelst japanischen Papieres japanisches Papiergeld herzustellen, dessen Nachahmung hoffentlich allen Künsten der Fälscher spotten wird und das vor unserm Papier zugleich den Vorzug größerer Dauerhaftigkeit besitzt.
Unsere Papiermüller benutzen in der Hauptsache noch immer Lumpen, wenn auch die ungeheure Zunahme des Papierverbrauchs sie gezwungen hat, zu Holz, Stroh, Esparte als Aushülfen zu greifen. In Japan kennt man die Benutzung von Lumpen nicht und arbeitet auch mit den plumpsten mechanischen Vorrichtungen. Trotzdem wird ein Papier hergestellt, mit dem das unsrige sich nicht vergleichen kann. Dem Fremden, der in Jeddo seine Einkäufe macht, muß die große Mannigfaltigkeit der Papiersorten auffallen. Man hat Papier jeder Farbe, Papier für Gesuche an den Hof, und für Regierungsdepeschen, Papier für Einladungsschreiben und Glückwünsche, Papier für Dichter und Maler, Packpapier jeder Art, von welchem eine Sorte blos für Geschenke, eine andere für Weihrauch, eine dritte für Zahnpulver, eine vierte für Kuchen verwendet wird. Zahllos sind die für häusliche oder technische Zwecke bestimmten Papierarten. Da giebt es Papier, welches die Stelle unserer Tapeten vertritt, Papier als Bekleidung für Schränke und Thüren, als Ueberzug für Sonnen und Regenschirme, als Ersatz des Glases bei Laternen und Fenstern, Papier zur Herstellung von Börsen, Fächern, Masken und Tabaksdosen. Der japanische Papiermacher weiß dem Papier die Härte des Holzes zu geben und es in einen Stoff zu verwandeln, welcher fast jede Form anzunehmen im Stande ist. Manschetten und Halskragen von Papier sind bei uns nicht mehr ganz unbekannt, aber zu Hüten und Regenmänteln von Papier haben wir uns noch nicht verstiegen. Die japanischen Soldaten tragen Papierhüte, die sich zusammenschlagen lassen, bei den höheren Classen findet man zwei Kopfbedeckungen von demselben Stoffe. Die eine ist sehr dauerhaft und mit einem Firniß überzogen, die andere ist leicht und sieht wie ein Strohhut aus. Neben dem Regenmantel von Papier ist der vornehme Japaner noch mit einem Taschentuch von Papier ausgestattet, und die Damen tragen Haarbänder, Haarnadeln, Sandalenschnüre und sogar Krepptücher von Papier.
Der Rohstoff wird von vier Bäumen oder Sträuchern gewonnen. In der Regel wird die Rinde des Papier-Maulbeerbaums (Broussonclia Papyrifera) benutzt. Dieser Strauch gedeiht in neuaufgebrochenem Lande am besten und verlangt eine sorgfältige Pflege. Man pflanzt ihn in einem Thale oder am Abhang eines Hügels und düngt ihn nicht zu stark. Im Herbst des ersten Jahres gräbt man die Wurzel aus, schneidet sie in Stücke von drei Zoll Länge und pflanzt sie dann wieder so, daß jede Wurzel einen halben Zoll über den Boden hervorragt. Jedes Jahr wird der Strauch bis zu den Wurzeln abgeschnitten und erreicht im vierten Herbst eine Höhe von sechs bis neun Fuß. Er bildet nun einen großen dichten Busch und liefert im fünften Jahre dem Papiermacher, was dieser braucht.
Der Proceß beginnt damit, daß man die Stengel in zwei Zoll lange Stücke zerschneidet und diese in einem Gefäß von Stroh über einen Kessel mit kochendem Wasser aufhängt. Bemerkt man an den Schnittenden, daß der Wasserdampf die Rinde zu lösen beginnt, so nimmt man das Gefäß ab, streift die Rinde mit der Hand ab, und trocknet sie ohne Zeitverlust. Man legt sie nun zwölf Stunden lang in laufendes Wasser, worauf die äußere Rinde mit einem Messer abgeschabt wird. Die letztere geht übrigens nicht verloren, denn nachdem man sie noch einmal gewaschen, gekocht und tüchtig geklopft hat, benutzt man sie zu einer geringeren Papiergattung. Die innere Rindenschicht (der Bast) wird nun noch einmal im Flusse gewaschen, in Gefäßen eingewässert und schließlich mit schweren Steinen beschwert, damit alle Feuchtigkeit entfernt wird. Man kocht sie darauf mit einem Zusatz von Buchweizenasche und rührt die Mischung fortwährend um, damit ein gleichmäßiges Kochen erfolgt. Sie hat nun ihre ganze Zähigkeit verloren und ist nach einem nochmaligen Waschen, durch das sie von jedem fremdartigen Stoff befreit wird, zum Gebrauch fertig. Die Japaner sind aber so unermüdliche Wäscher, daß sie ihre Faser in der Nacht, die dem Papiermachen vorhergeht, noch einmal einer Reinigung unterwerfen. Sie setzen dabei etwas Hausenblase oder Reisstärke zu und reiben die Mischung auf einem Eichentische.
Die Werkzeuge des Arbeiters sind sehr einfacher Art. Sie bestehen aus einem länglichen Kasten, das Boot genannt, von sechs Fuß Länge, drei Fuß Breite und mit einer aufrechtstehenden Stütze am einen Ende, aus zwei Rahmen von der Größe der Papierbogen, von denen der eine in den andern, welcher letztere mit einem beweglichen Boden von geflochtenem Bambus versehen ist, hineingesetzt wird, aus einem Siebe, einer Bürste, einem Trockenbrett und einem Rührstabe von fünfzehn Zoll Länge. Die Papiermasse wird in das Boot geschüttet und so lange umgerührt, bis der Rührstab beim Hindurchgehen durch dieselbe ein leichtes Geräusch macht. An diesem Zeichen erkennt man, daß der Brei die gehörige Festigkeit gewonnen hat. Nun stellt man den Doppelrahmen in das Boot und läßt so viel Masse hinzu, daß der Bambusboden bedeckt ist. Der innere Rahmen hält die Masse fest, doch kommt natürlich Alles auf die Geschicklichkeit des Arbeiters an. Man lehnt nun die Form an die Stütze, füllt eine zweite und fährt damit fort, bis alles Wasser abgelaufen ist. Jetzt wird die Masse auf das Trockenbrett gebracht und mit der Bürste gleichmäßig vertheilt. Im Sommer hilft die Sonne, im Winter muß man Feuer machen. Nach dem Trocknen werden die Bogen zu Hundert auf einander gelegt, mit Steinen beschwert und beschnitten.
Macht man Banknotenpapier, so setzt man je fünfundzwanzig Pfund Rinde, zwölf Pinten feinen Kies und Wasser, dritthalb Pinten Reisstärke und neun Pinten gepulverter Weizenhülsen hinzu. Dieses Papier wird dreimal gewaschen und beim zweiten Male mit dem Wasserzeichen versehen. Krepppapier, das bei den japanischen Damen sehr in Gunst steht, macht man so, daß man das Papier in feuchtem Zustande zwischen zwei Brettern preßt, auf denen ein Muster eingeschnitten ist. Bei wasserdichtem Papier zu Regenmänteln verwendet man Oel vom Samen der Inpflanze (Celtis Wildenawiana), mit dem die Masse gesättigt wird. Dasselbe Oel benutzt man bei Papier, das wie Leder aussieht.
Außer dem Papiermaulbeerbaum liefert der Kajibaum eine Rinde, aus der sich ein ebenso schönes Papier gewinnen läßt. Der Kaji gleicht unsrer Weide und verlangt einen feuchten Boden und ein mildes Klima. Ein deutscher Winter würde ihn tödten, aber in den englischen, namentlich irischen Gegenden, wo keine Pfirsich reift, aber der Lorbeer im Freien überwintert, ließe sich der nützliche Baum vielleicht einbürgern. In der That denkt man in England lebhaft daran und wünscht, daß im Pflanzengarten von Kew Versuche angestellt werden.
[808] Eine Reiterstatue des deutschen Kaisers. (Mit Abbildung.) Es liegt in der Natur des Menschen, für alle Ideen, welche neu und überwältigend zugleich in den Kreis seiner Auschauungen treten, sich auch nach einem äußerlichen bildlichen Symbol umzusehen, und die unmittelbare Gegenwart beweist uns fortwährend, daß sich dazu für Viele am leichtesten und wie von selbst die Gestalten eben der Männer bieten, welche zu jenen Ideen den schöpferischen Anstoß gegeben oder unter deren Augen sich die großen, eben jene Ideen manifestirenden Ereignisse vollzogen haben. Zu einem solchen Symbol ist für Viele gegenwärtig auch die Gestalt des Königs von Preußen geworden, seitdem das Geschick auf sein Haupt die ehrenvolle Aufgabe gelegt hat, fortan als Kaiser von Deutschland auch äußerlich die Würde und die Einheit zu repräsentiren, welche beide der große Preis unserer letzten Kämpfe waren. Das Porträt Kaiser Wilhelm’s ist schon in zahllosen künstlerischen und unkünstlerischen Abbildungen verbreitet. Im Augenblick lenkt eine trefflich gelungene Reiterstatue desselben die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, die aus einem Berliner Atelier hervorgegangen und bereits von Sachverständigen, wie zuerst von L. Pietsch in der Vossischen Zeitung, dann von Alfred Dove im Neuen Reich u. A., der rühmendsten Besprechung unterzogen worden ist.
Herr Pohlmann, ein jüngerer Bildhauer aus der trefflichen Berliner Schule, die sich von Rauch, dem großen Meister historischer Plastik, her durch Drake vornehmlich fortgepflanzt, hat sich seiner anziehenden Aufgabe mit Begeisterung unterzogen, und sie, wie unsere Leser aus dem in unserer heutigen Nummer enthaltenen Holzschnitt erkennen, mit gediegenem Fleiße durchgeführt. Pohlmann ist bereits in Berlin durch Arbeiten der letzten Jahre, wie die allegorischen Darstellungen der Borussia und der Germania auf dem neuen Münzgebäude, die Portraitbüsten des Sängers Niemann und andere mehr, rühmlich bekannt geworden. Für die Vollendung der Kaiserstatuette haben sich Vogel von Falckenstein und Wrangel besonders interessirt, die Kaiserin hat sie mit Beifall begrüßt und ihren Gemahl zu seinem Geburtstage mit einem Abguß beschenkt. Der Künstler hat sein Werk zunächst in mäßiger Größe ausgeführt (zwei Fuß neun Zoll mit Postament), um die Anschaffung in Bronze- oder bronzirtem Zinkgusse Privaten wie Corporationen möglich zu machen; ja selbst eine Ausführung in größerem Maßstabe dürfte nicht ausgeschlossen sein, vielmehr scheint die Statue gerade hierzu in stimmungsvoller Weise geeignet. Kaiser Wilhelm reitet auf muthig ausgreifendem Rosse – eins der Leibpferde des Marstalls hat zum Muster gedient – in voller Uniform eines preußischen Generals der Infanterie, darüber den prächtigen Kaisermantel, in der Rechten den Commandostab. Die Vorderfläche des Postaments zeigt die bewehrte Germania, die feindliche Schlange mit Speer und Fuß bewältigend. An den Seitenflächen ist rechts die Krönung Borussia’s durch Genien des Sieges und des Friedens, links die Wiedergewinnung von Elsaß und Lothringen dargestellt: mit Schwert und Schild schirmt Germania die ihr zu Füßen sitzenden Töchter gegen künftige Gewalt. Die Rückfläche trägt Namen und Daten der Hauptschlachten des großen Krieges. Am umlaufenden Fries sind die Wappen der Mitstreiter, der zweiundzwanzig deutschen Fürsten und der drei freien Städte angebracht, vorn prangt das große Reichswappen. Die abgeschrägten Ecken tragen in der Frieslinie das eiserne Kreuz, darunter sind Palmen- und Lorbeerzweige aufgerichtet. Im Uebrigen spricht das Kunstwerk, von dem wir leider nur eine Ansicht wiedergeben konnten, für sich selbst.
Druck- und Sinnfehler. In einem frühern Jahrgange der Gartenlaube wurde ein merkwürdiger, stereotyper sinnentstellender Druckfehler berichtigt, indem es in einem Platen’schen Gedichte statt „Pleiße“ lauten muß: „Plesse“ (alte Burgruine und Vergnügungsort bei Göttingen). Einen ähnlichen Fall erlaubt sich Einsender allen Interessenten der Franz Schubert’schen Muse (und deren ist Gottlob Legion) mitzutheilen. Op. 93 dieses Liedersängers (Heft 55 bei Holle) enthält zwei Gedichte, componirt aus dem „Poetischen Tagebuch“ von Ernst Schulze: „Im Walde“ und „Auf der Brücke“. Nun lautet aber, wie sich Jeder überzeugen kann, die letztere Ueberschrift im Schulze’schen Original nicht „Brücke“, sondern „Bruck“ (bekannter Aussichtspunkt in waldig-bergiger Umgebung nicht sehr weit von Göttingen nach Osten zu). Sollte der österreichische Ausdruck für Brücke (vergleiche. „Er ließ schlagen einen Brucken“) durch eine komische Verwechselung im Kopfe des Noten-Verlegers oder gar unseres Schubert selbst zu diesem allgemeinen Druckfehler Veranlassung gegeben haben?
Silber. Als König Wilhelm den verflossenen Finanzminister v. d. Heydt fragte, wodurch sich eigentlich ein so bedeutendes Deficit im Staatshaushalte herausgestellt habe, antwortete derselbe: „Majestät, das liegt am Silber!
Da kommt der Selchow (Landwirthschaftsminister),
Da kommt der Itzenplitz (Handelsminister),
Da kommt der Leonhardt (Justizminister),
Da kommt der Bismarck,
Da kommt der Eulenburg,
Da kommt der Roon –
und Jeder will Geld von mir haben!“
L. in Frb. Da Ihnen die übrigen Ausgaben der Schiller’- und Goethe’schen Werke bereits bekannt sind, so können wir Sie nur noch auf die ganz neuerdings bei Prochaska in Teschen in zehn Bänden erschienene und mit zehn prachtvollen Photographien geschmückte verweisen, die, sehr geschmackvoll gebunden, so viel wir erfahren, nur neun Thaler kostet. Es ist diese Ausgabe übrigens die erste in lateinischer Schrift gedruckte. – Als wirklich illustrirte Ausgabe der Goethe’schen Werke können wir nur die bei Grote in Berlin erschienene bezeichnen, sie ist reich mit guten Abbildungen von den besten deutschen Künstlern wie P. Thumann, P. Meyerheim, E. Bosch, Piloty etc. geschmückt und in ihrer sonstigen Ausstattung eine durchaus anständige. Der Preis von sechs Thaler ist ein sehr billiger.
K. in Fck. Marlitt’s „Haideprinzeßchen“ beginnt bereits im dritten Quartal und zwar in Nr. 31. Exemplare des dritten Quartals sind noch vorhanden.
- ↑ Der Verfasser obigen Originalgedichts veröffentlichte bereits vor zwei Jahren einen Band Poesien unter dem Titel „In stiller Stund’“. Die Redaction.
- ↑ S. Gartenl., Jahrg. 1869.