Zum Inhalt springen

Die Gemälde-Galerie des Grafen Schack − Kapitel 9

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Adolf Friedrich von Schack
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Kapitel IX.
Untertitel: Landschaftsmalerei. Friedrich Preller. Franz Dreber. Albert Zimmermann. Richard Zimmermann. Joseph Koch. Franz Catel. Joseph Rebell. Karl Rottmann. Bernhard Fries. Ernst Willers. Karl Ross. Georg Köbel. Fritz Bamberger. Karl Morgenstern. Christian Morgenstern. Eduard Schleich. Karl Neubert. Karl Ludwig. Ernst Kaiser. Anton Zwengauer. A. Stademann. Max Schmidt. Ernst Schweinfurth
aus: Die Gemälde-Galerie des Grafen A. F. von Schack in München
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Dr. E. Albert
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: München
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[42]
IX.


Ich werde nun auf das Gebiet der Landschaft übergeführt. Es ist dies ein in unserer Zeit mit besonderer Vorliebe angebautes Feld; und wenn die heutige Malerei überhaupt mit derjenigen des 16. und 17. Jahrhunderts konkurriren kann, so ist es auf diesem Gebiete, auf dem die Gegenwart höchst ausgezeichnete Leistungen aufzuweisen hat. Dennoch war ich von jeher der Meinung, die Landschaft, ebenso wie das Genre- und das Architekturbild dürfe bei Bildung einer Gemäldesammlung nur in zweiter Reihe berücksichtigt werden. Alle diese Gattungen sind erst entstanden und ausgebildet worden, als die grosse Kunst in Verfall zu geraten begann; und wie auch das Beste, das in ihnen hervorgebracht worden, doch nur einen untergeordneten Rang behaupten kann, wird klar, wenn man selbst einen ausgezeichneten Claude Lorrain oder Ruysdael, den vorzüglichsten Teniers oder Jan Steen einem Rafael oder Tizian gegenüberstellt. Sogar, wenn künftige Landschafts- oder Genremaler die Vorhingenannten noch überträfen, ihre Arbeiten würden doch, neben einer sixtinischen Madonna, einer Grablegung im Louvre, nur auf einer sekundären Stufe der Kunst stehen. Indem ich dieses einräume, will ich doch sogleich hinzufügen, dass ich gute Landschaftsbilder ausserordentlich schätze und hierin mit den meisten meiner Zeitgenossen übereinstimme. Es hängt das mit der Liebe zur Natur zusammen, welche in neuerer Zeit so viel mächtiger geworden als in irgend einer früheren. Besonders ist dieses bei den nordischen Nationen der Fall, wohl deshalb weil sie wenig im Freien leben und die Entbehrung des Naturgenusses während eines grossen Teils des Jahres die Neigung zu demselben steigert. Daher haben auch die Niederlande, Deutschland und Frankreich am meisten auf genanntem Gebiete produzirt. – Als ich nun damit umging, meine Sammlung auch durch Werke dieses Fachs zu bereichern, ward ich durch die Fülle trefflicher Leistungen, die ich vorfand, förmlich in Verlegenheit gesetzt. Von vornherein erkannte ich, ich müsse darauf verzichten, auch nur die bedeutendsten Künstler sämtlich bei mir vertreten zu sehen. – Zuerst war mein Augenmerk auf die ideale, stilisirte oder sogenannte historische Landschaft gerichtet, und das Glück führte mir sogleich einige Gemälde zu, welche jene in ausgezeichnetster Weise repräsentirten. Fast gleichzeitig mit Genelli lernte ich dessen intimen Freund und begeisterten Verehrer Friedrich Preller kennen. Derselbe hatte schon einen grossen Teil seines Lebens hinter sich, als er durch die Kartons zu seinem Odyssee-Cyklus zuerst in weiteren Kreisen Aufmerksamkeit erregte. Noch waren nur einzelne derselben, und im verkleinerten Massstabe, in Farben von ihm ausgeführt worden; denn den Auftrag, dies für den ganzen Cyklus zu leisten, erhielt er erst später von seinem Landesherrn. Ich betrachtete es daher als einen doppelt schätzbaren Vorzug, dass ich der Erste war, für den er die Leukothea und den Abschied des Odysseus von Calypso – nach meinem Urteil die Perlen der ganzen Reihe – vollendete. Die beiden Kompositionen sind inzwischen so allgemein bekannt geworden, dass ich darüber nur sagen will, sie zeigen die volle Kraft des Meisters in der Darstellung des Meeres und der Landschaft sowohl, wie des Figürlichen; ich weiss nicht, was ich mehr bewundern soll, die mit dem ganzen Zauber südlicher Natur ausgestattete Ufergegend des einen Bildes, oder die vom wildesten Sturmwind aufgewühlte Flut des anderen, wo die Nymphe aus der Spitze einer Welle gleich dem aufspritzenden Schaum derselben emporschiesst. – Ein jüngerer Künstler, Franz Dreber, nun ebenso wie Preller schon dahingegangen, war mit grossem Talente auf demselben Gebiete thätig. Während vieler Jahre in Rom lebend und völlig unbekümmert um den äusseren Erfolg, hatte er in Deutschland wenig Aufmerksamkeit erregt; und ich selbst hatte nicht einmal seinen Namen gehört, als mich im Jahre 1864 ein Freund zu ihm führte, und mir einige seiner kleineren Arbeiten, die er mir zeigte, einen so hohen Begriff von seiner Kunst gaben, dass ich seitdem sein Atelier fast alljährlich wieder besuchte. Dreber war nicht abgeneigt, meinem Wunsche gemäss, eine Skizze, Sappho am Meeresstrande, in grossen Verhältnissen für mich zu malen, setzte indes hinzu, dass bis zur Vollendung des Gemäldes Jahre vergehen würden. Er war von ernstem Eifer beseelt, etwas möglichst Vollkommenes zu leisten. Nachdem er mehrere Jahre unermüdeten Fleisses der Sappho gewidmet hatte, erklärte er plötzlich, er verzweifle daran, seine Arbeit zu Ende zu führen; kein Zureden half: er that lange keinen Pinselstrich an dem Bilde. Wie achtungswert, der Leichtfertigkeit Anderer gegenüber, mir dies sein Verhalten auch erscheinen musste, so beklagte ich doch solche allzu grosse Aengstlichkeit. Um erfolgreich zu schaffen, bedarf der Künstler, neben bescheidenem Fleisse und sorgfältiger Prüfung seiner eigenen Kräfte, doch auch der rechten Kühnheit. Zum Glücke fand Dreber einige Jahre später den verlorenen Mut wieder. Preller bestimmte ihn bei einem Besuche seiner Werkstatt, die aufgerollte Leinwand hervorzuholen, und sagte ihm so viel Lobendes über sein Bild, dass seine Zaghaftigkeit wich und er es nun mit rüstiger Kraft in nicht allzu langer Zeit beendigte. Dies ist unter den günstigsten Sternen geschehen, und ich darf das Schicksal dafür preisen; denn Dreber hat hier so Vorzügliches erreicht, wie ich ihm selbst kaum zutraute, und seine Sappho wird für immer ein rühmliches Denkmal seines edlen, von Erfolg gekrönten Strebens sein. Die [43] landschaftlichen Motive hat Capri geliefert, und ich glaubte, als ich unlängst die herrliche Insel von neuem besuchte, den hochragenden Felsen zu erkennen, neben dem Sappho am Meeresstrande wandelt. Die Dichterin in ihrer ernsten Trauer ist gleichsam die Gestalt gewordene Seele dieser Uferlandschaft und dieser Klippen, die selbst im vollen Lichte des Mittags ihren düsteren Charakter nicht verlieren.

Die besten Arbeiten des in vielfacher Weise thätig gewesenen Albert Zimmermann gehören, wenn auch andere derselben beim Publikum mehr Beifall gefunden, dem Fache der historischen Landschaft an. Das Grossartigste, was er hierin geliefert, möchte Golgatha während der Kreuzigung sein. Die wirkliche Lokalität, die er doch aus Zeichnungen kennen konnte, hat er dabei nicht benutzt, aber sowohl in dem Terrain, den nackten finsteren Gebirgsmassen, wie dem von schweren Wetterwolken überdeckten Himmel, und dem unheimlichen, gespenstischen Lichte, das sich über das Ganze hinbreitet, sind die Schauer des Entsetzens, die selbst die tote Natur bei dem furchtbaren Vorgange durchzittern, vortrefflich ausgedrückt. Ein kühnes Unternehmen Zimmermanns war es, die Walpurgisnacht oder die Brockenscene aus dem Faust zu malen; mir scheint jedoch, dass er seinen Vorwurf mit Glück bewältigt hat. Bei den Figuren, namentlich denen des Faust und Mephistopheles, ist ihm Schwind behilflich gewesen, da er selbst hierin weniger Uebung hatte. Wenn für die Tüchtigkeit der Zeichnung dieser letzteren der Name des grossen Meisters Bürgschaft leistet, so ist das Landschaftliche in seinem phantastischen Charakter, sind „die alten Felsennasen, wie sie schnarchen, wie sie blasen“, in ihrer geisterhaften Beleuchtung gewiss nicht minder gelungen. Einen Scherz hat sich der Künstler erlaubt, indem er unter den zum Sabbath ziehenden Hexenmeistern und Hexen den damals noch lebenden Karl Rahl sehr erkennbar porträtirte.

Bei weitem nicht alle Landschaften meiner Sammlung kann ich hier einzeln besprechen. Mit Ausnahme weniger, z. B. einer sehr schönen Winternacht von Richard Zimmermann, dem Bruder Alberts, gehören dieselben der Gattung an, welche gewöhnlich mit dem Namen Veduten bezeichnet wird. Man versteht hierunter Aufnahmen bestimmter, wirklicher Gegenden und knüpft an den Ausdruck eine geringschätzige Bedeutung. Solche Stichworte werden oft sehr missbräuchlich angewandt. Landschaftsbilder, welche bloss die toten Formen einer Lokalität wiedergeben, können allerdings, wie viel Geschicklichkeit auch an sie verschwendet sein mag, keinen hohen Rang im Gebiete der Kunst, wenn überhaupt einen beanspruchen; sie stehen auf derselben Stufe mit den gewöhnlichen Porträts, auf denen man alle Poren und Falten eines Gesichts wahrnimmt, allenfalls auch seine Züge, doch ohne den Geist und Charakter, der sie belebt. Aber wie man die Bildnisse eines Rubens, eines Tizian, die in den äusseren Umrissen das innere Wesen eines Menschen lebendig zur Anschauung bringen, mit Recht nahezu den grössten Werken derselben anreiht, so vermag der Maler, der eine Gegend mit lebendiger Anschauung erfasst und sie so, wie sie sich in seinem Inneren spiegelt, auf die Leinwand hinzubannen weiss, auch echte Kunstwerke zu schaffen, und es ist höchst unrecht, diese als Veduten zu bezeichnen, insofern damit ein Tadel verbunden sein soll. Da jedoch der Name einmal in Umlauf gesetzt ist, will ich ihn beibehalten, ihn indes von vornherein dadurch adeln, dass ich bemerke, wie auch Claude Lorrain, z. B. in seinem Bilde Acis und Galathea mit dem Aetna im Hintergrunde, solche Veduten im höheren Sinne gemalt hat. Das Gleiche gilt von den vorzüglichsten Landschaftsmalern unseres Jahrhunderts; sie haben bestimmte Gegenden aufgenommen, aber uns in ihren äusseren Umrissen das innere Wesen der Natur zu zeigen gewusst, sich auch nicht sklavisch an die ihnen vorliegende Oertlichkeit gehalten, sondern sie so umgestaltet, wie sie hätte sein müssen, um den Bedingungen eines guten Gemäldes zu genügen. – Von dem Vater der neuern deutschen Landschaftsmalerei, dem trefflichen Joseph Koch, besitze ich eine Ansicht von Olevano, welche klar zeigt, wie eine gute Vedute beschaffen ist. Jeder, der dies wildromantische Felsendorf der Sabinerberge, welches früher der Lieblingsaufenthalt der römischen Maler war, gesehen hat, muss die Lokalität sogleich erkennen, und doch wird man umsonst einen Standpunkt in der Wirklichkeit suchen, wo sich genau diese Ansicht zeigt. Auf dem Bilde sehen wir gleichsam ein erhöhtes, potenzirtes Olevano, das so gar nicht auf der Erde vorhanden ist, das aber doch ein treueres Abbild des unvergleichlichen Dorfes gibt, als es eine Photographie thun könnte. – In ähnlichem Sinne hat Franz Catel das Theater von Taormina, mit der Aussicht auf den Aetna, dargestellt. Sein Bild hat nicht die Feinheit der Ausführung im Detail, nicht den Farbenzauber und das prangende Licht des südlichen Himmels, wie wir sie auf neueren Gemälden finden; es ist in kräftigen Umrissen hingeworfen, und auf ihnen viel mehr, als auf den Farben, beruht seine Wirkung. Gerade durch die Enthaltsamkeit in Bezug auf die Einzelheiten, durch die Verzichtleistung auf jeden blendenden Effekt, setzt der Künstler die Phantasie des Beschauers in Thätigkeit, so dass sie, wenn sie sich sonst mit dem ihr vor Augen Geführten begnügt haben würde, nun das Fehlende ergänzt und das ganze Panorama vor sich hingebreitet erblickt, wie es sich in Taormina dem Auge entfaltet. Gewiss wird es Demjenigen so ergehen, der je von einem der Steinsitze jenes Theaters den Blick über Meer und Insel hat schweifen lassen. Der Aussichtspunkt gehört zu den herrlichsten Europas und der Welt. Vor sich sieht man, in seiner ganzen gewaltigen Höhe, den schneegekrönten Aetna, an seinem Fusse von Wäldern umgürtet; weithin die üppig grünende Küste Siciliens mit blühenden Dörfern und Städten besät, bis sie fern hinter den Cyklopenfelsen am Horizonte verdämmert. Kehrt das Auge in die Nähe zurück, so gleitet es über das zerbröckelte Gestein der in ihren Umrissen noch erkennbaren Bühne, über Mandelbaumpflanzungen und [44] Orangenhaine zu der tiefblauen Meerflut hinab, welche, hier die ganze glorreiche Pracht des italienischen Himmels zurückstrahlend, um die Klippenufer wallt und schäumt. Keine Palette hätte Farben, um dies auch nur annähernd wiederzugeben; aber vielleicht hat Catel eben mit seiner bescheidenen Pinselführung mehr erreicht, als ein Virtuose des Kolorits es vermöchte.

Ein nicht minder schätzbarer Landschafter als Catel, ihm verwandt in dem heiligen Ernst und durchdringenden Scharfblick, mit dem sein Sinn sich immer auf die grossen und wesentlichen Züge in der Physiognomie der Natur richtete, war Joseph Rebell. Nur wessen Auge durch die Farbenkunststücke neuerer Virtuosen geblendet ist, kann die hohen Verdienste dieses Mannes verkennen. In seiner Ansicht von Capri hat er mit den einfachsten Mitteln eine wunderwürdige Wirkung hervorgebracht. Die ganze Magie eines italienischen Sonnenunterganges, wie das sinkende Taggestirn sein letztes glühendes Gold auf die Felsen- und Klippenwarten der Insel und auf die im leisen Windhauche des Abends plätschernden Meereswellen senkt, ist über dieses reizende Bild verbreitet. Dabei drängt sich nirgends der selbstgefällige Künstler vor, der seine Meisterschaft bewundert sehen will; es genügt ihm, dass wir in dem wonnigen Anblicke schwelgen, den er selbst mit tiefempfindender Seele genossen und so, wie er ihn empfunden, an der Staffelei reproducirt hat. Wie viele Ansichten von Capri auch aufgenommen worden sind – ich kenne keine, welche uns dieses Wundereiland so lebendig, nicht bloss vor das äussere, sondern auch vor das innere Auge stellte, welche uns mit so bestrickender Macht in seine vom Wogenschlag tönenden Grotten, auf seine sonnigen Felsvorsprünge und Halden, in die wie zum Träumen geschaffene Einsamkeit seiner Thäler lockte. – Auch das andere Bild Rebells, welches das in einem Garten des üppigsten südlichen Pflanzenwuchses gelegene Städtchen Casamicciola auf Ischia darstellt, bezeugt, wie liebevoll Rebell sich mit ganzer Seele in die Natur versenkte, wie er die empfangenen Eindrücke nicht allein treu wiederzugeben, sondern sie uns auch an das Herz zu legen wusste.

Eine ähnliche Richtung verfolgte Karl Rottmann, der wohl unbestritten als der grösste Landschaftsmaler neuerer Zeit dasteht. Da dessen Bilder sehr begehrt werden, muss ich es als eine Gunst des Schicksals anerkennen, dass meine Bemühungen, einige charakteristische Proben seines hohen Talentes zu erlangen, von Erfolg begleitet gewesen sind. Dieselben bekunden die seltene, beinahe einzige Gabe Rottmanns, eine Landschaft in ihren grossen Formen, den hervorstechenden Zügen ihrer Physiognomie plastisch aufzufassen, aber auch die andere glänzende Seite seines Genius, welcher ebenso, wie er die äusseren Gestaltungen der Natur prägnant hevorzuheben verstand, auch deren Sinn und Geist, der sich uns in gehobenen Momenten kundgibt, in lyrischer Begeisterung auszudrücken wusste. Ein kleines Bild aus seiner früheren Periode: Eine Ansicht des Kochelsees im bayerischen Gebirge, zeigt seine Kunst noch nicht in ihrer vollen Entfaltung, trägt aber doch schon das Gepräge der Hand, welche später noch so viel Herrliches schaffen sollte. Wenn Autographensammler schon ein Blatt mit den Schriftzügen eines bedeutenden Autors als ein kostbares Besitztum betrachten, wie viel teurer muss einem Kunstfreunde nicht das Erstlingswerk eines grossen Malers sein, das ihn das früheste, oft noch unsichere, oft aber schon erfolgreiche Ringen desselben sehen lässt! – Auf einer ganz anderen Höhe steht Rottmann schon in seinem Hohen Göll im Abendglühen, vom Hintersee aus gesehen. Die Abendfeier der Natur im Momente des Sonnenunterganges, wenn die verglühenden Strahlen auf einem Alpengipfel ruhen und der letztere von den tiefklaren Wellen eines Bergsees zurückgespiegelt wird, liesse sich nicht schöner zur Erscheinung bringen, als es hier geschehen ist. Rottmann selbst hat dieses Bild in grösserem oder kleinerem Formate verschiedentlich wiederholt und bis auf den heutigen Tag zahllose Nachahmer gefunden, welche dieselbe Gegend in demselben Momente zu malen versucht haben, ohne doch ihr Vorbild erreichen zu können. Noch jetzt ist in jedem Sommer und Herbste der kleine, unfern der Ramsau gelegene Hintersee an schönen Abenden von Scharen junger Künstler umlagert, die ihre Blicke nach dem Hohen Göll richten und die wechselnden Tinten, welche die sinkende Sonne auf seine Firnen schüttet, mit ihrem Pinsel festzuhalten suchen. – Das Terrain, auf dem er die höchsten Triumphe feiern sollte, betrat Rottmann erst, als er Italien und später Griechenland bereiste. Bei den unvergleichlichen Gemälden, in welchen er das erste jener Länder in allen seinen mannigfaltigen Reizen geschildert hat, wie noch kein anderer, ist höchlich zu beklagen, dass sie an den Wänden eines nur spärlich gegen die Einflüsse von Wind und Wetter geschützten [45] Arkadenganges angebracht sind und daher dem sicheren Untergange entgegengehen. Wie ist es doch nur möglich, dass man noch immer Experimente macht, in unserem Klima die äusseren Mauern von Gebäuden mit Fresken zu schmücken, da die Erfahrung schon seit Jahrhunderten gezeigt hat, dass solche, selbst unter dem italienischen Himmel, binnen kurzem von Regen und Sturm zerstört werden! Die grossen und berühmten Gemälde, mit welchen Giorgione und Tizian das Kaufhaus der Deutschen am Rialto in Venedig zierten, waren schon zu Vasaris Zeit kaum erkennbar; jetzt gewahrt nur ein bewaffnetes Auge noch spärliche Reste so grosser, unwiederbringlich verlorener Kunstwerke, und uns bleibt nicht einmal der Trost, in Holzschnitten oder Kupferstichen die Umrisse derselben bewundern zu können. Auch die neue Erfindung des Wasserglases, von welcher man glaubte, sie werde Fresken vor der schädlichen Wirkung der Witterung bewahren, scheint die Probe nicht genügend auszuhalten. – Um auf Rottmann zurückzukommen, so haben wir es gewiss zu preisen, dass er seine griechischen Landschaften, welche die schönste Zierde der neuen Pinakothek zu München ausmachen, für eine längere Dauer berechnete, und dass sie hoffentlich noch manche kommende Generation entzücken werden. Neben diese Meisterwerke dürfen sich die drei mir gehörigen Gemälde Rottmanns, die Griechenland ihre Entstehung verdanken, nicht stellen: sie nehmen jedoch an den Vorzügen derselben teil. Das Eine, ein kleines Rundbild, zeigt, wie Grosses sich mit wenigen Pinselstrichen erreichen lässt. Wir sehen eine einsam aus den Wellen aufragende Klippe des Aegeischen Meeres vor uns. Ueber die Wogen, die sich bis in unermessliche Fernen hinzubreiten scheinen, zittert eben der erste blasse Schimmer der Morgendämmerung. Der Anblick dieses Bildes erfüllt die Seele des Beschauers mit Naturandacht, als stände er einsam auf einem Schiffsverdecke inmitten des griechischen Meeres, in der ahnungsreichen Stille, welche dem Erwachen der heiligen Frühe voraufgeht. – In der Ansicht der Quelle Kalirrhoe entfaltet Rottmann seine ganze Virtuosität in Wiedergabe der Bodenformation jener vielzerklüfteten und zerrissenen Felsenschlucht, aus welcher die von den alten Dichtern hoch gefeierte Quelle in der Nähe des Jupitertempels bei Athen hervorsprudelt. Zugleich aber hat der tief empfindende Maler die Melancholie, die ihn an dieser Stelle ergriffen, über sein Gemälde ergossen und weiss sie uns mitzuteilen. Wir fühlen mit ihm die Verödung dieser Schlucht, wo ehemals ein prachtvoller Tempel geragt. Verstummt sind die Chorgesänge der Priester, die hier einst im Festzuge geschritten, und das Ohr vernimmt keinen anderen Ton des Lebens, als das Zirpen der dürstenden Cikade. – In dithyrambischer Naturbegeisterung ist unseres Malers Meeresküste im Sturm entworfen. Das Lokal ist offenbar Griechenland; doch weiss ich nicht genau anzugeben, welche Gegend desselben wir vor uns haben. Das hier vom wilden Sturmwind geballte, dort auseinanderstäubende Gewölk, durch das man in einen dunkelblauen Himmel von unergründlicher Tiefe hinausblickt, der vom Orkane gepeitschte, einsam dastehende Baum, und im Hintergrunde die rollende Meerflut zeugen von einer Meisterhand. Nur wenige andere Landschaften wirken gleich überwältigend; nur in wenigen möchte die äussere Erscheinung so lebendig aus der Anschauung und der Empfindung des Künstlers wiedergeboren sein. Wir fühlen uns bei deren Anblick wie vom Atem des Naturgeistes selbst durchschauert. – Drei kleine Bilder, welche Ausblicke auf Rom nach verschiedenen Richtungen hin gewähren, habe ich als Werke Rottmanns erstanden. Darüber, dass sie seiner vollkommen würdig sind, herrscht keine Meinungsverschiedenheit unter den Künstlern, wohl aber darüber, ob sie wirklich von ihm herrühren. Ich habe sie mit seinem grossen Namen bezeichnet und werde diese Bezeichnung nicht eher ändern, als bis mir beweiskräftig ein anderer Urheber derselben angegeben wird. Meines Bedünkens ist unter den Malern aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts, ausser Rottmann, Keiner, der im Stande gewesen wäre, sie hervorzubringen, als etwa Catel, und gegen des Letzteren Urheberschaft sprechen doch starke Bedenken.

Wie Rottmann, so holte auch Bernhard Fries die schönsten Inspirationen zu seinen Landschaften aus dem Süden. Ein jüngerer Bruder des reichbegabten, lange vor ihm verstorbenen Ernst Fries, der mit Kopisch die blaue Grotte auf Capri entdeckte, stand er diesem an Talent kaum nach; aber unglückliche Lebensschicksale nötigten ihn zu oft hastiger Produktion, und seine Leistungen sind daher sehr ungleich. Ich habe aus einem grossen Cyklus italienischer und sicilianischer Landschaften, an dem er ein halbes Leben lang gearbeitet, zwei der vorzüglichsten ausgewählt. Dieselben erinnern in manchen Eigenschaften an diejenigen Rottmanns und sind ihnen namentlich in dem hohen Stilgefühl verwandt. Auf dem einen dieser Gemälde erblicken wir die Ufer des Flusses Oreto nebst der Admiralsbrücke bei Palermo, einen üppigen Südgarten, auf den sich die ganze Seligkeit des sicilianischen Sonnenlichtes herabsenkt. Hier, etwas weiter in der Richtung nach links, lag das alte arabische Lustschloss Favara, das noch den normannischen Königen zum Aufenthalte diente und von den morgenländischen Dichtern, die an ihrem Hofe eine Stätte fanden, vielfach besungen ward, von dem aber jetzt nur noch wenige Trümmer vorhanden sind. – Auf dem zweiten der Bilder von Bernhard Fries werden wir in das Sabinergebirge geführt, das ihm oftmals zum Aufenthalte gedient, und dem er seine Motive mit Vorliebe entnommen hat. Vor uns liegen die Mamellen, jene beiden allen Malern wohl bekannten Felsrücken zwischen Civitella und Subiaco. Die Lebendigkeit und Treue, mit welcher dieser unvergleichliche Fleck Erde hier vor uns hingezaubert wird, hat mich immer an dieses Gemälde gefesselt; ich wandle bei dessen Betrachtung dieselben Pfade, auf denen ich so oft wirklich hingeschritten bin, und jedes Plätzchen erfüllt mich mit süssen Erinnerungen an einen glücklichen Sommer, den ich einst hier verbrachte.

Auch der treffliche, seinen vielen Freunden erst kürzlich in vorgerücktem Alter entrissene Ernst Willers fasste die Natur mit hohem Sinne auf. Er hatte ihr tief in das Auge geschaut und wusste ebenso ihre heiter lächelnden Scenen, wie ihr düsteres, geheimnisvolles Grauen wiederzugeben. Durch siebenundzwanzigjährigen Aufenthalt in Rom war er fast zum Italiener geworden; aber auch Griechenland hatte er auf zweimaligen Reisen genau kennen gelernt. Und selbst als er im Alter in seine nordische Heimat zurückgekehrt war, blieb sein Sinn immer diesen beiden Ländern zugewandt. Oft habe ich noch in den letzten Jahren in dem Atelier des edlen, mir unvergesslichen Mannes, während ich in seinen überschwenglich reich gefüllten Mappen blätterte, mir im Gespräche mit ihm die herrlichen Gegenden zurückgerufen, in denen ich, wie er, geweilt. Mir vergönnten günstige Sterne, noch in jedem Winter den geliebten Süden wieder aufzusuchen, während er, durch die Verhältnisse und das zunehmende Alter an den deutschen Herd gebannt, sich in hoffnungsloser Sehnsucht nach dem milderen Himmel verzehrte. Aber vielleicht ist gerade diese Entfernung von jenen ihm so teuern Ländern den Werken seiner letzten Lebensjahre zu gute gekommen. Nachdem er die Umrisse der früher geschauten Landschaften in trefflichen Zeichnungen und Farbenskizzen mit nach Hause gebracht, umkleidete die Ferne dieselben mit noch magischerem Glanze, lieh ihm die Erinnerung noch wärmere Tinten für die Ausführung. Ich habe keine von Willers’ früheren Leistungen gesehen; aber seine Freunde versichern, die Aussicht vom Parke Chigi bei Ariccia nach dem Meere zu, das letzte grössere Werk seiner Hand, gehöre zu dem Allervorzüglichsten, was er geschaffen habe. Aus dem Schatten mächtiger Bäume, die von üppigem Pflanzenwuchse umgeben sind, gleitet der Blick nach dem duftigen Vorgebirge der Circe, das in dämmernder Ferne aus den Wellen taucht

[46] und mit dem ganzen geheimnisvollen Reize umgeben ist, in welchem es früher der Wanderer auf der Reise durch die pontinischen Sümpfe vor sich liegen sah. Seitdem die Eisenbahn erbaut und die ältere Strasse verlassen ist, entgeht dem Reisenden dieser Anblick; und auch wer den schöngeformten, von dem märchenhaften Zauber der Homerischen Dichtung umflossenen Berg von der Höhe der Peterskuppel oder den Hügeln Albanos aus gewahrt, empfindet bei dem Anblicke kaum noch den süssen Schauer, mit dem er die frühere Generation durchbebte, da er ihr als Hüter eines fast unerreichbaren Wunderlandes erschien. Denn jetzt hängt es von dem Willen fast eines Jeden ab, in wenigen Stunden die Strecke zu durchmessen, die ihn von dem Platenschen „Lenz des Erdballs“, der „Parthenopeischen Flur“, trennt, während früher derjenige der römischen Künstler, dem dies vergönnt war, von den Uebrigen schon als ein Auserwählter betrachtet wurde. In solchem Sinne hat Willers sein Capo Circello aufgefasst, und der Geist seiner ersten Skizze ist auf das viel spätere Bild übergegangen. Wie er mir erzählte, vermochte er während seines Aufenthaltes in Rom viele Jahre hindurch sein Verlangen nach weiteren Reisen nicht zu befriedigen, und alsdann suchte er stets vorzugsweise die Höhen auf, von denen aus er Auge und Seele nach dem circeischen blauen Felsen hinüberschweifen lassen konnte. Wie viele Vorteile mit dem erleichterten Verkehre unserer Zeit verbunden sein mögen, so hat derselbe doch auch manches Phantasiegebilde, manche poetische Empfindung unbarmherzig zerstört. Seit der Einführung der Dampfschiffahrt ist im ganzen Bereiche des Mittelländischen Meeres kein Platz mehr für die Sagenwelt der Odyssee. Auch die süssschmerzlichen Gefühle, mit welchen Goethe am Abend vor seinem Abschiede von Rom alle Plätze der ewigen Stadt in der Gewissheit, sie zum letztenmale zu betreten, nochmals besuchte, kann sich, wenigstens in dieser Stärke, fast nur noch die Einbildungskraft vergegenwärtigen, da bei der Leichtigkeit der Reise dorthin den Meisten doch die Hoffnung des Wiedersehens bleibt. Ich selbst habe bei meinem ersten Abschiede von Rom Aehnliches empfunden, wie Goethe, bin aber seitdem noch mehr als dreissig Male wieder hingekommen. Schon einige Jahre vor dem letztgenannten Bilde vollendete Willers seine grosse Ansicht der Akropolis von Athen. Im Kolorit ist er hier wohl weniger glücklich gewesen; das überallhin verbreitete, durch keinen Schatten unterbrochene Licht erzeugt eine gewisse Monotonie, die allerdings bei der ziemlich baumlosen Umgebung der griechischen Hauptstadt schwer zu vermeiden war. Desto trefflicher sind das felsige Terrain und die Architektur wiedergegeben, und zwar mit einer Treue, mit einer sinnlichen Leibhaftigkeit, dass man bei Betrachtung des Gemäldes die Hochburg von Athen fast kennen lernen kann, wie aus der Anschauung der Wirklichkeit. Vorn sieht man die riesigen Säulen des Tempels des olympischen Zeus; über sie hinweg die Südostseite der Akropolis, deren Hauptanziehungspunkt jetzt die Reste des erst nach Willers’ Besuch von Athen aufgegrabenen Dionysostheaters bilden. Sich gegen den Hintergrund wendend gleitet das Auge nach dem Piräus, dem Meere und Salamis hin.

Ein Seelenverwandter von Willers, gleich ihm ebenso von der Herrlichkeit südlicher Landschaft, wie von der des Altertums erfüllt, war der schon zu Anfang dieser Schrift genannte Karl Ross. Als Andenken an ihn bewahre ich eine sehr schöne Ansicht des Haines der Nymphe Egeria bei Rom. Dieser Punkt ist seit lange ein Lieblingsplatz der Künstler gewesen und sehr häufig aufgenommen worden, wie ich denn noch ein anderes, dieselbe Lokalität darstellendes schätzbares Bild von Georg Köbel besitze. Auf beiden Prospekten ist die Oertlichkeit frei behandelt, indem in Wahrheit der kleine Hain (der früher vielleicht grössere Ausdehnung hatte) sich in einiger Entfernung von der Grotte befindet. Das Gemälde von Karl Ross zeichnet sich durch tiefe poetische Naturempfindung aus. In den gewaltigen Baumwipfeln, welche das Heiligtum der Nymphe überschatten, scheint ein hehrer Sturm wie in den Eichen des Haines von Dodona zu sausen, und jenseits erblickt man die wellenförmige Campagna in jenem wunderbaren Farbenspiele, das sie seit Claude Lorrain und Poussin zu einer unerschöpflichen Quelle des Studiums für die Landschaftsmaler gemacht hat.

Einer anderen, mehr modernen Richtung folgte mit ausserordentlichem Talente Fritz Bamberger, indem er, ohne die festen Linien der Zeichnung zu vernachlässigen, besonders auf das Glänzende des Kolorits ausging. Auch er hatte seine künstlerische Heimat im Süden; aber nicht Italien, das er nie gesehen, sondern Spanien war das Land, aus welchem er seine besten Inspirationen schöpfte. Er hatte die pyrenäische Halbinsel zu wiederholten Malen bereist und einen erstaunlichen Reichtum von Skizzen, die er an deren schönsten Punkten aufgenommen, heimgebracht. Ein allzu kurzes Leben hat ihm nur wenige derselben als Gemälde auszuführen verstattet. Vor etwa dreizehn Jahren traf ich in verschiedenen Gegenden Spaniens mit ihm zusammen, wo er unermüdlich vom Morgen bis zum Abend in der schon heissen Glut des Juni nach der Natur zeichnete und aquarellirte. Bald darauf ging eine rätselhafte Veränderung in dem so kräftigen, blühenden Manne vor; er begann an einem für die Aerzte unerklärlichen Uebel zu siechen, und im Zeitraume von zwei Jahren schien er um zwanzig gealtert. Doch noch bis in seine letzten Tage fand er Trost und Labsal in seiner Kunst, und ich sah ihn im Winter 1872 in seinem Atelier von Bildern des sonnigen Südens umringt, denen seine schon zitternde Hand noch die grösste Farbenpracht geliehen. Er selbst hatte, wie dieses so oft bei Schwerkranken der Fall ist, keine Ahnung von dem bedrohlichen Charakter seines Leidens und machte noch Pläne zu einer neuen Reise nach Spanien. Ich aber nahm, als ich ihn verliess, fast die Gewissheit mit mir hinweg, ihn zum letztenmale gesehen zu haben. Und wirklich empfing ich einige Monate später die schmerzliche Kunde seines Todes. Hätte er [47] länger gelebt, so würde ich meine Sammlung noch mit vielen Bildern seiner Hand bereichert haben. Das glänzendste seiner Werke, so viele deren in meiner Galerie vorhanden sind, ist die Ansicht von Gibraltar, von der Höhe hinter Algeciras aufgenommen. Nur Wenige wissen, welch reicher Born des Genusses ein schönes Kunstwerk ist. Wie die Meisten eine Dichtung, die in jedem Gedanken, Bilde und Worte durchdrungen sein will, die man laut recitiren und auswendig lernen muss, um alle ihre Schönheiten zu erkennen, nur flüchtig wie einen Tagesroman durchlesen, so gehen sie auch in einer Galerie, nach kurzem Verweilen vor einem Bilde, schnell zu dem nächsten und tragen daher nur sehr oberflächliche Eindrücke mit sich davon. Aber erst bei häufig wiederholter Betrachtung eines Gemäldes wird man mit stets erneuter Freude sich aller Vorzüge desselben bewusst; bei guten Landschaften kommt noch hinzu, dass sie, indem sie die Reize der dargestellten Gegend erhöht und konzentrirt wiedergeben, uns ein Vergnügen bereiten, in welchem sich Natur- und Kunstgenuss vereinigen. Vor diesem Gibraltar bei Sonnenuntergang kann sich Derjenige, dem der wunderbare Anblick einmal gegönnt worden ist, denselben auf das lebhafteste von neuem vergegenwärtigen, und zwar ohne dass sein Genuss durch die Zufälligkeiten beeinträchtigt würde, die diesen in der Wirklichkeit oft trüben. Zugleich sieht und empfindet er noch etwas Höheres, Geistiges, das die Seele des Malers in die äussere Erscheinung gelegt hat. Auch wer nie an Ort und Stelle war, vermag sich vor einem solchen Werke der Kunst, wenn er es gehörig auf sich wirken lässt, leibhaftig dorthin zu versetzen. So macht Bambergers Gibraltar es ihm möglich, hoch von der Felsensteile in die azurne Tiefe hinabzuschauen, wo zwei Meere an den Säulen des Herkules ineinander wallen, in die dämmernde Ferne hinauszuträumen, welche die Küste Afrikas birgt, und die letzte Sonnenglut zu sehen, wie sie sich auf die Stadt Algeciras senkt; dies Alles aber wird ihm in geläuterter, verklärter Gestalt dargeboten, so wie es sich im Innern des Künstlers wiedergespiegelt hat: es ist nicht ein Abend in Gibraltar, den er hier erlebt, es ist die Summe, die Blüte vieler Sonnenuntergänge, von denen die schönsten Züge für das Bild ausgewählt sind. – Für Solche, die mit der Betrachtung von Gegenden historische Erinnerungen zu verbinden lieben, knüpft sich an diese Lokalität noch der Gedanke, dass es hier war, wo die Araber zuerst die Fahne des Propheten auf europäischen Boden pflanzten, um sodann in stürmischem Eroberungsdrange, von immer neuen glaubensmutigen Scharen verstärkt, die ganze Halbinsel zu überfluten, bis sie nach achthundertjähriger Herrschaft wieder, wie ein Traum, verschwanden. – In zwei kleineren Gemälden hat unser Künstler die alte Gotenhauptstadt Toledo von verschiedenen Seiten dargestellt. Namentlich das eine derselben zeigt die, noch in ihrem Verfalle imposante, auf schroffem Felsen thronende Residenz des Roderich in ihrer ganzen malerischen Eigentümlichkeit: wie ihre verödeten Paläste und Häuser von der sengenden Sommersonne beschienen, und oft kaum von dem nackten Gesteine, an dem sie kleben, unterscheidbar, über dem unten vorüberschäumenden Tajo hängen. – Zu drei Bildern hat Bamberger die Motive aus der Umgebung des herrlichen Granada genommen. Zwei von ihnen entfalten abermals seine volle Meisterschaft in der Wiedergabe des Sonnenunterganges. Den wunderbaren Lichtwirkungen, welche das sinkende Taggestirn, alle Farbenüancen, vom blendendsten Strahlenglanze bis zum zartesten, dem Auge kaum noch fassbaren, Schimmer durchlaufend, an den Gipfeln der Sierra Nevada erzeugt, konnte nur ein Pinsel wie der seine gerecht werden. Auf der Ansicht des Pik von Mulhacen könnte man das dunkelrote Feuer, in dem der Gipfel leuchtet, übertrieben finden; aber ich glaube: Jeder, der südliche Gegenden, namentlich Andalusien kennt, hat dort Lichtwirkungen beobachtet, die, wenn man sie gemalt sähe, unmöglich genannt werden würden. Und neben dieser intensiven Glut auf dem Scheitel des Berges, wie fein hat der Künstler nach unten hin das Licht in allen Schattirungen abzutönen verstanden! – Auf einem anderen Bilde gewahren wir Reisende in andalusischer Tracht, die vor einer Venta in der Sierra Mittagsrast halten. Dasselbe ruft mir viele Stunden aus meinen früheren Streifzügen durch die spanischen Gebirge zurück. Aber nur Wenige werden jetzt noch in den abgelegensten Teilen Andalusiens Aehnliches erleben. Das schöne Nationalkostüm, das ich noch in vollem Glanze gesehen und das damals der Reisende selbst anzulegen pflegte, verschwindet von Tag zu Tage mehr; und auch die primitiven Ventas, an deren Herden man bei schlechter Kost doch so vergnügte Stunden verbrachte, beginnen modernen Hotels zu weichen. – Wenn Wiedergabe des warmen südlichen Kolorits den leuchtenden Vorzug der letztgenannten Bilder ausmacht, so excellirt Bamberger in seiner Ansicht des Albufera-Sees bei Valencia besonders in der charakteristischen Kraft der Umrisse, mit welchen die Felsenufer hervorgehoben sind.

Gleichfalls dem Süden, zumal aber den italienischen Seeküsten, entnimmt Karl Morgenstern seine Vorwürfe. Seine besondere Stärke ist es, das Spiel des Lichtes, das Glitzern der Wellen, den blauen Duft der Ferne, der auf den Ufern und dem Meere ruht, darzustellen. Solche, die gerne alles bemäkeln, pflegen zu sagen, seine Zeichnung sei nicht scharf und bestimmt genug; aber wenn ein Werk der Kunst einen entschiedenen Vorzug besitzt, so soll man sich daran genügen lassen und nicht verlangen, dass es alle in sich vereine. Auch Claude Lorrain lässt selbst in seinen schönsten Landschaften oft viel vermissen; seine Komposition ist bisweilen fast schülerhaft. Aber wegen der wunderbaren, ja einzigen Meisterschaft, mit welcher er das Licht in allen seinen Wirkungen beherrscht, wird er mit Recht als einer der Grössten in seinem Fach geehrt; und selbst Poussin, der ihn als Zeichner, sowie in der besonnenen Anordnung bei weitem übertrifft, muss ihm doch, als dem Genialeren, in einer Richtung noch Unerreichten, die Palme bieten. Ich bin nun zwar weit entfernt, unseren Morgenstern mit einem Claude auf die gleiche Stufe stellen zu wollen; aber ich bekenne, nur wenige moderne Bilder gesehen zu haben, auf denen die Klarheit, die durchsichtige Tiefe und der hin- und herspielende Schimmer der Meereswellen in den Strahlen der Morgensonne so zauberhaft zur Erscheinung käme, wie auf der Ansicht von Capri. – Im tiefsten dunkelsten Blau, während am Himmel die Strahlen der untergegangenen Sonne verglühen, erblicken wir das Meer auf einem anderen Bildchen, wo das Haus des Tasso in Sorrent von steilem Felsen auf die anrollende Flut hinabschaut. Denen, welche die Intensität des, bei aller Tiefe doch noch transparenten Blaues unnatürlich nennen, kann ich die Versicherung geben, dass ich oft nicht nur am Golf von Neapel, sondern selbst schon am Genfer See das Gleiche in Wirklichkeit beobachtet habe. – Eine im Städelschen Institute zu Frankfurt befindliche Ansicht von Villafranca bei Nizza, die Morgenstern in seiner Jugend gemalt, erregte mir schon vor vielen Jahren solches Wohlgefallen, dass ich den Künstler ersuchte, sie für mich zu wiederholen. Diese Wiederholung ist noch lichter und duftiger, als ihr Vorbild, und so ganz von italienischem Aether getränkt, dass sie in ihm zu schwimmen scheint.

Ein Namensverwandter des Genannten, Christian Morgenstern, hat die Alpen nicht überschritten, und vorzugsweise nordische Gegenden für seine Landschaften ausgebeutet. Besonders liebte er das von deutschen Künstlern früher wenig besuchte Elsass. Dieser herrliche Landstrich ist von ihm für unsere Kunst erobert worden, ehe das Schwert die alte Reichsprovinz den Franzosen wieder entriss; wie sehr habe ich bedauert, dass der liebenswürdige und gemütvolle Künstler das Letztere nicht mehr erleben sollte! Oft, wenn er mir von seinen Wanderungen in den Vogesen, in den Umgebungen von Kolmar und Strassburg, [48] erzählte, klagte er mir, dass er von Jahr zu Jahr wahrnehme, wie deutsches Wesen und deutsche Sitte in dem alten Reichslande täglich mehr zurückgedrängt werden. – Meine Galerie verdankt ihm eine sehr schöne, markig entworfene, und mit eben so feiner, wie fester Hand ausgeführte Küste von Helgoland bei Nacht.

Als Haupt der Landschaftsmaler Münchens ward, während fast eines halben Jahrhunderts, Eduard Schleich angesehen. Man kann ihm den Namen eines wahrhaft grossen Künstlers nicht streitig machen; und so viele Schüler und Nachahmer er auch gefunden, ist er in seiner Eigenartigkeit doch von keinem erreicht worden. Sein charakteristisches Merkmal ist, dass er durchaus subjektiv jede Gegend, die er uns vorführt, mit seiner Gemütsstimmung durchdringt und seine Landschaftsbilder gleichsam in lyrische Gedichte verwandelt. Mit Gewalt zieht er den Beschauer in diese Stimmung hinein, und selbst unbedeutende Oertlichkeiten dienen ihm dieselben hervorzurufen. Eine traurige, mit wenigen verkrüppelten Weiden besetzte Niederung, über welche schwere Regenwolken herabhängen, weiss er dadurch so interessant zu machen, wie die grossartigste Gebirgsscene. Mit erstaunlichem Glücke hat er in dieser Hinsicht die Umgebung von München malerisch verwertet. Er hat sie, die Manchen steril, ja nüchtern erscheint, mit der Macht seines Genius beseelt, so dass sie mit ihren zerrissenen Isarufern und den Durchblicken auf das ferne Hochgebirge als ein Wunderland der Poesie vor unserem Auge steht. Und doch ist keiner dieser Reize ihr bloss angedichtet; mit dem Herzen und Tiefblick des Künstlers hat Schleich Schönheiten der Natur entdeckt, die bis dahin den Profanen verborgen gewesen, und nun er sie erschlossen, liegen sie für Jeden offen da. Seit dieser seltene Maler von der Seuche, welche 1873 die bayerische Hauptstadt verwüstete, hinweggerafft worden, hat er doch seinen Geist in deren Umgebung zurückgelassen. Ich kann keinen Spaziergang in der Nähe Münchens machen, ohne dass mich diese oder jene Aussicht an Schleich gemahnte, und ich glaube oft, er müsse ihr Schöpfer sein. Denn bevor ich seine Gemälde gesehen, hatte ich keine solchen Eindrücke von dieser Natur empfangen. – Leider habe ich es versäumt, meiner Galerie so viele Werke des trefflichen Künstlers einzuverleiben, als nötig wären, um sein eminentes Talent genügend zu repräsentiren. Einen Ersatz für die Menge aber bietet es mir, dass ich ein höchst vorzügliches Bild von ihm besitze: Eine Ansicht des Starnberger Sees, die man ein wahres Wunder der Kunst nennen muss. Was ich von einem Gemälde Böcklins sagte, gilt auch von diesem: es würde unmöglich sein, es zu kopiren.

Die Mannigfaltigkeit der Farbentöne, das Spiel von Licht und Schatten, die von den ziehenden Wolken gebrochenen, hier auf die Wellen des Sees, dort auf die fernen Schneegebirge herabfallenden Strahlen würden jede auf eine etwaige Nachbildung gerichtete Mühe vereiteln. Schleich hat dieses Bild, das verdientermassen grossen Beifall fand und als eine seiner genialsten Arbeiten betrachtet wurde, später verschiedentlich wiederholt; doch bekannte er mir, in keiner dieser Wiederholungen habe er den ersten glücklichen Wurf wieder erreichen können. – In den beiden anderen Gemälden seiner Hand, welche sich noch in meiner Sammlung finden, erscheint er zwar in seiner ganzen Trefflichkeit, doch weniger in seiner charakteristischen Eigentümlichkeit. Die wahre Heimat seiner Kunst war die bayerische Hochebene; mit ihr fühlte er sich so verwachsen, dass er sich selbst unter dem leuchtenden Himmel Italiens, aus der römischen Campagna und vom Golf von Neapel nach ihrem trüben Wolkengrau, ihren Mooren und ihren kiesigen Strombetten zurücksehnte. Er hat während eines kurzen Aufenthaltes auf der apenninischen Halbinsel nur wenig gemalt und auf diesen wenigen Bildern den heiteren Scenen des südlichen Landes ein fremdartiges Gepräge geliehen, indem er den düsteren Himmel des Nordens über sie hinbreitete. So erkennt man in seinem, übrigens als Nachtstück sehr gelungenen Venedig bei Mondschein kaum die lachende Lagunenstadt mit ihren glänzenden Renaissancepalästen und über den Kanälen hängenden Terrassen, sondern glaubt eher Amsterdam oder Hamburg vor sich zu sehen. – Auch der Gebirgsansichten, deren in München so zahllose zu Tage gefördert werden, hat Schleich nicht viele producirt. Eine solche, die ich besitze, aber zeigt, wie er hierin gleichfalls Ausgezeichnetes zu leisten vermochte. Es ist eine Alpe im hinteren Zillerthal, auf welcher das fette, von einer Heerde beweidete Gras ganz von dem eben gefallenen Regen genässt zu sein scheint, und von wo der Ausblick durch einen ziehenden Nebel auf ein leuchtendes Schneehaupt eine höchst pittoreske Wirkung macht. – Wir sind immer geneigt, die grossen Künstler früherer Zeit als ausser allem Vergleiche stehend zu betrachten und es für unmöglich zu halten, dass ein neuerer sich mit ihnen messen könne; jedoch unbedingte Gültigkeit möchte diese Meinung nicht haben, und ich glaube, dass Schleich von der Zukunft als Landschafter unmittelbar an die Seite der Besten seiner Vorgänger gestellt werden, dass man noch nach Jahrhunderten seine Werke ebenso begierig suchen wird, wie heutzutage die des Ruysdael und Everdingen.

Von sonstigen Gemälden dieses Faches in meiner Galerie erwähne ich noch: eine sehr brave, an den ernsten Stil Prellers erinnernde Ansicht von Olevano von C. Neubert; eine reizende Gartenscene von Karl Ludwig, der es in Darstellung solcher Wald- und Gartenpartien zur Virtuosität gebracht hat; eine Alm am Untersberge mit ruhenden Kühen von Ernst Kaiser, die in ihrem idyllischen Charakter an Adrian Van der Velde erinnert; eine von hohem Schilfe erfüllte Bucht des Kochelsees von Anton Zwengauer; eine Winterlandschaft von A. Stademann, der, wenn er wie hier sorgfältig arbeitet, den guten Niederländern gleichgestellt werden darf; eine, von der untergehenden Sonne überstrahlte Ansicht der Meeresküste bei Smyrna, von der Karawanenbrücke aus gesehen, von Max Schmidt; eine Landschaft echt italienischen Charakters, aufgenommen in Cervara bei Rom, von Ernst Schweinfurth, einem mir befreundeten, strebsamen Künstler, den nun auch der Tod schon hinweggenommen hat; ein heiteres und sonniges Bild des Comersees von dem schon genannten Albert Zimmermann; endlich darf ich zwei Bilder von Karl [49] Millner, der in bayerischen Gebirgsscenen excellirt, nicht unerwähnt lassen. Sein Gosausee bringt diesen tiefgrünen einsamen See, auf den das Schneehaupt des Dachsteins herabschaut, ebenso schön zur Anschauung, wie ein anderes grösseres Gemälde von ihm den kleinen, weltverlassenen Obersee bei Berchtesgaden mit den schroffen mächtigen Felsenmassen, die ihn umgeben. Anderes übergehe ich. Natürlich sind nicht alle diese Landschaftsgemälde von gleichem Werte, doch befindet sich darunter, wie ich glaube, keines, das einer ausgewählten Sammlung zur Unehre gereicht.