Die Strohmanufaktur Sachsens

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Titel: Die Strohmanufaktur Sachsens
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aus: Album der Sächsischen Industrie Band 2, in: Album der Sächsischen Industrie. Band 2, Seite 99–103
Herausgeber: Louis Oeser
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Louis Oeser
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Erscheinungsort: Neusalza
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[99]
Die Strohmanufaktur Sachsens.


Zu den ältesten Industriezweigen Sachsens gehört auch die Strohwaarenmanufaktur, denn schon seit vielen Jahrhunderten gingen von hier aus eine Menge Strohhüte, und nebenbei andere Stroharbeiten, nach allen Gegenden Deutschlands und zuweilen selbst noch weit über dessen Grenzen hinaus, und diese Stroharbeiten gaben Tausenden Verdienst, verhalfen Vielen selbst zu Reichthum. Allerdings war das letztere nicht bei den Arbeitern selbst der Fall, deren Verdienst in früheren Zeiten sich noch kümmerlicher herausstellte als jetzt, sondern bei den Händlern, welche für den Vertrieb der Waaren in weitesten Kreisen sorgten, und dadurch nicht selten rasch zu Wohlstand gelangten, ganz so wie dieses bei den erzgebirgischen Spitzenherren auch der Fall war und noch ist, welche sich bedeutendes Vermögen erwarben, während die von ihnen beschäftigten Klöpplerinnen arm blieben, wie vorher, und manchmal kaum das nothdürftigste Brod hatten.

Immer aber blieb die Strohmanufaktur in Sachsen auf eine gewisse Gegend beschränkt, die sich in einem Umfang von sechs Quadratmeilen – während der Blüthezeit dieses Industriezweiges selbst noch weiter – von der Umgebung Dresdens an der Elbe hinauf und bis an den Fuß des Erzgebirges erstreckt. Die Dörfer dieses Bezirks nennt man in der Regel Strohdörfer – doch wird diese Bezeichnung mehr von denen in der Nähe Dresdens gebraucht – und die Hauptsitze dieser Industrie sind wie ehemals so noch jetzt das Städtchen Dohna, die Dörfer Kreischa, welches oft als einziger Hauptsitz und Mutterort der gesammten Strohmanufaktur dieses Bezirks bezeichnet wird, Lockwitz und Possendorf.

Die Ursache der Concentrirung dieses Industriezweiges auf diese eine Gegend ist in dem zu verarbeitenden Material selbst zu suchen, denn nicht überall gedeiht das zum Flechten taugliche Stroh. – Es wird fast allein Waizenstroh verarbeitet, und dieses muß sehr weiß, recht geschmeidig und ohne alle Flecke sein. Die Gegend, wo jetzt der Sitz der sächsischen Strohflechterei ist, hat nach allen Erfahrungen dazu den besten Boden und man ist darüber einig, daß hier ein weit schöneres Material erzeugt wird, als anderswo. Das Stroh des Erzgebirges z. B. ist für feinere Arbeiten nicht zu benutzen, da es gewöhnlich fleckig ist und zu wenig Geschmeidigkeit hat, was man dem feuchten, moorigen Boden zuschreibt. Ueberhaupt verträgt das Waizenstroh nicht viel Nässe, da schon anhaltender Regen dem Halme braune Streifen und Punkte giebt, wodurch er zu dergleichen Arbeiten verdorben ist. Es ist dieses ein Umstand, welcher in nassen Jahren das Flechtstroh selten machte und den Preis der Flechtarbeiten ganz ungewöhnlich steigerte.

Aus diesem Grunde sind auch alle Versuche, die Strohindustrie in noch mehreren Dörfern in anderen Gegenden Sachsens einzuführen gescheitert. Es wäre diese Einführung für sehr viele Ortschaften schon deshalb wünschenswerth gewesen, weil die Stroharbeit für zahlreiche Hände einen zwar nicht gewinnreichen, aber doch willkommenen Nebenverdienst abgegeben hätte, und dabei das Material das billigste von Allen ist, da man die Strohhalme verwerthen kann, die man sonst unbeachtet auf den Düngerhaufen wirft, allein nirgends fand man das Stroh von gehöriger Weiße und Geschmeidigkeit.

Allerdings giebt es jetzt auch in vielen anderen Orten unseres Vaterlandes Strohwaarenfabriken, namentlich in größeren Städten, doch wird dort entweder nur schon in den Strohdörfern gefertigtes Geflecht zu Hüten zusammengefügt, oder wenn ja dort auch Flechtwerk geliefert wird, so ist das Material von anderwärts, oft aus dem Auslande, wie das Reisstroh, bezogen.

[100] Die Strohflechterei hat – wie schon gesagt – bereits in alter Zeit in derselben Gegend geblüht, wo sie heut noch ihren Sitz hat; wann sie entstand, dieses ist nicht mehr zu ermitteln, doch so viel ist gewiß, daß sie schon im sechszehnten Jahrhundert hier bekannt war und es dürfte ihre Einführung vielleicht in das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts anzunehmen sein. – In den achtziger Jahren des siebzehnten Jahrhunderts wurde ein Schullehrer aus Lockwitz nach Trebitz im damaligen Wittenberger Kreise versetzt, dessen Frau eine geübte Strohflechterin war, und diesen Erwerbszweig nach ihrem neuen Wohnorte verpflanzte, als „eine in der Gegend von Dohna seit uralten Zeiten her bekannte und einträgliche Arbeit.“ Beiläufig sei erwähnt, daß die Strohflechterei in Trebitz lange Zeit schwunghaft betrieben wurde, und in ihrer besten Zeit fünf- bis sechshundert Arbeiter beschäftigte, dann aber rasch wieder verfiel, da sie schon wegen mangelhaftem Material auf die Länge die Concurrenz mit den Waaren aus der Dresdener Gegend nicht aushalten konnte.

In den älteren Zeiten dieser Industrie fertigte man nur sogenannte Kappen, Kiepen oder Pferdeköpfe und Tyrolerhüte von ungeheurem Umfange, mit herabhängendem Rand, welche im Inlande von der ländlichen Bevölkerung stark getragen, und dann auch, in große Säcke zu hundert und mehr Stück verpackt, vorzüglich nach dem Brandenburgischen, Braunschweigischen und Niedersächsischen ausgeführt wurden; doch gingen auch nach anderen Provinzen Deutschlands starke Sendungen und durch Hamburgische Schiffe gingen Hüte von hier selbst über das Meer.

Diese Manufaktur hatte in früheren Zeiten den großen Vortheil, daß sie nicht, wie es heute geschieht, durch die allmächtige Göttin Mode tyrannisirt wurde, denn die Mode wechselte damals nicht so oft und auch dann waren in diesem Artikel nur langsame Uebergänge, also kamen die Händler auch nicht in Gefahr, daß ihre Vorräthe entweder um die Hälfte des Werthes verschleudert werden mußten, oder ganz liegen blieben, blos, weil die Form plötzlich aus dem Reich der Mode verbannt war; sie konnten immer große Lager halten und die zahlreichen großen Bestellungen in der Regel sofort ausführen. Dadurch wuchs der Wohlstand dieser Männer fast täglich, denn durch die Waare selbst entstand ihnen fast nie ein Verlust.

Anders war es freilich mit den Arbeitern und Arbeiterinnen, deren Arbeit so wenig lohnte, daß, wer andere Arbeit hatte, die Strohflechterei nur als Nebenerwerb trieb, so waren es namentlich die Wintermonate, wenn die Feldarbeit ruhte, die Feierabende, wenn die lohnendere Arbeit des Tages besorgt war, wo dann Mann und Weib, Greis und Kind, Bursche und Mädchen nach dem Strohhalme griff, um noch Etwas zu verdienen, was mit wirthschaften half. – Dieses war wenig genug, denn die fleißigste und geschickteste Nähterin oder Flechterin verdiente bei rastloser Arbeit täglich nicht über zwei Groschen.

Diesem Umstände ist es zuzuschreiben, daß wohl Alle grobe und mittelfeine Waare gut herzustellen wußten, aber, da nur Wenige andauernd Jahr aus Jahr ein bei dieser Arbeit verblieben, auch nur Wenige im Stande waren, wirklich feine und kunstreiche Arbeit zu liefern, und dem zufolge der Strohhut allein von dem Landbewohner, der unter dem breiten Rand Schutz vor Sonnenstrahlen suchte, nicht aber von den höheren Ständen getragen wurde; nur bis weilen verirrte sich eine besonders feine Flechtarbeit auf einen aristokratischen Kopf, weiteren Eingang wollte die Strohwaare aber nicht finden.

Da klagte denn der ehrliche Mag. Gerber, der zu Anfang des vorigen Jahrhunderts Pfarrer in Lockwitz war, in seiner 1711 erschienenen Schrift: „Unerkannte Wohlthaten Gottes“ gar bitter: „der Luxus der heutigen Tage setzt den Frauenzimmern lieber Gold und Seide, als Stroh auf den Kopf, und dadurch kommt das nützliche Geschäft der Stroharbeit immer mehr im Verfall.“

Trotz dieses Uebelstandes belief sich der Ertrag der Stroharbeit im Dorfe Lockwitz allein zu jener Zeit auf jährlich fünf bis sechstausend Thaler, und es war der Preis eines „klaren“ Hutes zehn bis zwölf Groschen, der eines extrafeinen höchstens einen Thaler.

Bis zu den letzten Jahren des achtzehnten Jahrhunderts blieb es mit diesem Industriezweige so ziemlich bei dem alten Gange, aber mit 1797 begann eine neue Epoche für ihn durch die Thätigkeit der Geschwister [101] Engelhardt in Dresden, welche in Nacheiferung der italienischen Strohflechtarbeiten begannen, auch im Inlande die feinsten Stroharbeiten für Putz- und Luxusartikel ins Leben zu rufen, um in Bezug auf diese Gegenstände, für welche damals namhafte Summen aus Sachsen nach fernen Ländern flossen, von dem Auslande unabhängig zu werden.

Die Geschwister Engelhardt betrieben nun die Strohflechtereien fabrikmäßig, und gaben ihr alle für damalige Zeit, wo man noch keine der heute gebräuchlichen Maschinen kannte, mögliche Vollkommenheit. Die Halme wurden aufgeschlitzt, geglättet, gefärbt; man leimte den Halm auf Papier, auf Seide u.s.w., fertigte zugleich zahllose Formen von Hüten, Häubchen, Körbchen, Vasen, Blumen, Federn u.s.w., und die neuen geschmackvollen Fabrikate fanden so großen Beifall, daß trotz Verdoppelung der Arbeitskräfte das Etablissement doch nicht im Stande war, die eingehenden Bestellungen jedes Mal auszuführen. Die Fabrik erwarb sich in den weitesten Kreisen großen Ruf.

Gezwungen, immer mehr Arbeiter für die feinen Arbeiten anzuwerben, welche sehr gut bezahlt wurden, wurde dadurch die Engelhardtsche Fabrik der Impuls zur neuen Thätigkeit in dem gesammten Distrikt der Strohmanufaktur, die Landleute waren durch die Erfolge gleichsam elektrisirt. – Das gröbste Stroh, das man sonst als unbrauchbar wegwarf, war jetzt zum Aufschlitzen und Glätten grade am unentbehrlichsten; allein aus dem Abgange eines Bundes Stroh löste man noch sechszehn bis zwanzig gute Groschen. Da war nun Alles Leben und Regen, und Alles begann zu flechten, zu nähen und mit Stroh und Strohwaaren zu handeln, die Manufaktur nahm einen Aufschwung, den man vorher nie geahnt und die Zahl der Arbeiter und Händler stieg binnen kurzer Zeit auf das Doppelte; Dörfer, wo man vorher nur spann, vertauschten den Rocken mit dem Strohhalm und standen sich gut dabei.

Das Engelhardtsche Etablissement war auch Veranlassung, daß sich ein Theil der Strohmanufaktur von den Dörfern weg nach Dresden zog, wo schon 1804 über tausend Personen mit Strohflechten und Nähen beschäftigt waren. Mädchen, welche bisher mit Nähen und Sticken ihr Brod erworben, wendeten sich der Stroharbeit zu, welche mehr eintrug.

Auf dem Lande geschah dieser Aufschwung der Strohmanufaktur freilich sehr auf Unkosten der Landwirthschaft; lebhafte Klagen wurden laut, daß die Landbesitzer kaum für hohen Lohn Arbeiter zur Feldbestellung finden könnten und sie gezwungen wären, ihr Gesinde von auswärts kommen zu lassen, da in den Dörfern selbst keine Dienstboten mehr sich finden ließen.

Die steigenden Erfolge der sächsischen Strohflechtereien veranlaßten in Dresden bald noch mehrere Kaufleute, dem Beispiele des Engelhardtschen Etablissements zu folgen und statt daß sie sonst nur die fertige Waare zum Handel kauften, selbst fabriciren zu lassen, wodurch starke Concurrenz entstand, die aber das Gute hatte, daß, indem Einer den Anderen übertreffen wollte, die Waare selbst an feiner und geschmackvoller Arbeit immer mehr Vervollkommnung erhielt, dieses, sowie der Umstand, daß die sächsischen Strohwaaren die wohlfeilsten waren, machte es ihnen möglich, daß sie die zwar weit feineren aber auch weit theurern englischen Strohhüte verdrängten und sie selbst nach Italien verführt werden konnten, obgleich die italienischen Strohhüte berühmt, damals schon sich gleich großen Rufes wie noch heute erfreuten.

Im Jahre 1804 fing man auch an, in diesem Industriezweige die ersten Maschinen einzuführen, vorerst solche, welche den Halm in vier bis sechs Theile zerlegten.

Der jährliche Ertrag, welchen Dresden und die Strohdörfer aus diesem Industriezweige zogen, wurde auf durchschnittlich 130,000 Thaler berechnet; eine Summe, welche bis 1830 noch bedeutend stieg.

Gegenwärtig ist zwar dieser Industriezweig in Folge der starken Concurrenz in dem Distrikt der „Strohdörfer“ etwas zurückgegangen, allein er hat dadurch nichts von seiner Wichtigkeit verloren, indem er daselbst immer noch über sechstausend Menschen beschäftigt. In diesem Distrikt sind die Städte Dohna, Lauenstein, Bärenstein, Dippoldiswalda (seit 1837) Glashütte, Berggieshübel, Liebstadt, und höher hinauf Altenberg und Alt- und Neugeising, welche sich nebst den sie umgebenden Dörfern mit diesem Industriezweig stark beschäftigen.

[102] Unter den Dörfern nennen wir außer den schon erwähnten noch Maxen und Reinhardsgrimma.

Außerdem sind in vielen Städten Sachsens zum Theil sehr bedeutende Strohwaarenfabriken entstanden, welche theils selbst flechten lassen – größtenteils mit Hilfe von Maschinen – theils auch schon fertiges Geflecht verarbeiten. Solche giebt es in Dresden, wo einige sechszig mehr oder minder bedeutende Strohwaarenfabrikanten vorhanden sind, unter denen besonders das Etablissement von Julius Adelbert Urban, als das Bedeutendste, Erwähnung verdient, Leipzig zählt achtzehn derartige Etablissements; desgleichen beschäftigen sich z. B. in Buchholz, Freiberg, Johann-Georgenstadt, Oberwiesenthal und Zwickau einzelne Fabrikanten damit.

Die Etablissements in den genannten Städten liefern hauptsächlich Modeartikel, während in dem Strohdistrikt noch sehr häufig die alte praktische Waare gefertigt wird, die der Mode wenig oder gar nicht unterworfen ist und wo man deshalb auf Lager arbeiten kann, ohne befürchten zu müssen, der Vorrath könne über Nacht plötzlich seinen ganzen Werth verlieren. Hier ist immer noch der gute alte Bauerhut an der Tagesordnung, mit seinen Unterabtheilungen, dem „plattverwandten“, dem „nestverwandten“, jener einst stark in das Brandenburgische, dieser in das Niedersächsische begehrt, dem spitzen Tyrolerhut und dem „Tellerhut“. Die beiden ersten Sorten nennt das Volk überhaupt „Kappen oder Kiepen“. Doch ist dabei der „Modehut“ nicht ausgeschlossen.

Die Stroharbeit von dem rohen Halme bis zu dem fertigen Geflecht theilt sich in das Rüffeln, das Schöben, das Ausschneiden, Schwefeln, Verlesen, Flechten, Verschneiden, Weifen und Nähen.

Das Rüffeln besteht darin, daß man den geschnittenen Waizen zwei Mal durch ein rechenähnliches Instrument mit dicht neben einander stehenden eisernen Zähnen zieht, erst mit den Aehren, damit die Körner herausfallen, dann mit den ganzen Halmen, um sie von Unkraut zu befreien.

Nun beginnt das Schöben, d. h. das leere und gereinigte Stroh wird in Gebunde oder Schöben gebunden, jedes zu zwölf Männchen, oder so viel, als man mit beiden Händen fassen kann. Ein solcher Schob war früher um vier Groschen zu haben, jetzt aber ist der Preis auf das Drei- und Vierfache gestiegen, und sie sind dabei jetzt viel schwächer als ehemals. Dieses „Schöben“ bringt manchem Feldbesitzer weit über hundert Thaler jährlich ein.

Bei dem nun erfolgenden Ausschneiden wird der Halm nach Maßgabe der Knoten gewöhnlich in drei Theile geschnitten, von dem der oberste und feinste Theil ehemals weggeworfen, jetzt die werthvollste Waare liefert.

Von der Scheere geht der Halm, etwas gefeuchtet, in das Schwefelfaß, das in der Mitte einen doppelten durchbrochenen Boden hat, unter dem ein Gefäß mit brennendem Schwefel steht. Hier werden die Halme gebleicht. Zuweilen bedient man sich auch größerer Schwefelkasten, in welchen mehrere Dutzend Hüte auf einmal geschwefelt werden können. Fleckige Halme aber, sowie ganz alte Hüte können nie bleichen.

Nun werden die Halme verlesen, nämlich in Grobes, Mittles und Klares sortirt. Jede Sorte fällt wieder in mehrere Gattungen, welche die Feinheit und also auch den Werth des Geflechtes bestimmen.

Jetzt beginnt das Flechten selbst, eine ebenso mühsame und langweilige als oft schmerzhafte Arbeit, denn bei grobem Stroh arbeiten die Flechterinnen sich oft blutig; das häufige Einbrechen und Niederdrücken der harten Ecken verwundet die Haut und reißt oft selbst das Fleisch auf, so daß die fleißigste Flechterin von den heftigsten Schmerzen gezwungen, mitten in der Arbeit aufhören muß. – Zu einem Geflecht werden drei bis zwölf Halme genommen.

Da, wenn ein Halm zu Ende ist, man immer einen neuen einlegen muß, so stehen an dem Geflecht überall Spitzen hervor, die man, wenn einige Ellen fertig sind, verschneidet.

Das Geflecht wird sodann in Mandeln geweift. Jede Mandel soll fünfzehn Klaftern oder fünf und vierzig Ellen halten, hat aber gewöhnlich nur vierzig Ellen.

[103] Nun endlich beginnt das Nähen, wo das Geflecht zu Hüten u.s.w. umgewandelt und somit die Waare fertig gemacht wird, daß sie jetzt in die Hände des Händlers übergehen kann.

So einfach auch das Flechten in der Regel aussieht, so kann namentlich in den feineren Flechtarten eine lohnende Fertigkeit nur durch Uebung von früher Jugend auf gelernt werden. Deshalb giebt es mehrere Flechterinnen, ja noch ganze Dörfer, welche immer nur die alte Art von groben und mittleren Geflechten liefern, weil sie feineres mit Nutzen flechten zu lernen sich nicht getraun. Wer erst in späteren Jahren das Flechten beginnt, dem fällt das Erlernen überaus schwer. Ja manche, die von Jugend auf dazu angehalten sind, lernen doch nie recht fein, dicht und gleich flechten.

Und gleichwohl beginnt in den Strohdörfern das Flechten noch frühzeitiger, als in dem Gebirge das Klöppeln, Kinder von drei bis vier Jahren lernen es ganz spielend, indem sie, den Erwachsenen nachahmend, die Halme zum Zeitvertreib in einander brechen. So bedarf es dann nur noch einer kleinen unterweisenden Nachhilfe, und das Mädchen, welches auf diese Art flechten lernt, wird in der Regel die geübteste und geschickteste Flechterin. So sieht man denn häufig schon Kinder von fünf Jahren mit arbeiten und zu dem Verdienst der Eltern das Ihrige beitragen.

Bei einem Gange durch die Strohdörfer sieht man sehr häufig die Wahrzeichen dieses Industriezweiges, denn an allen Fenstern und Thüren sieht man Strohgeflecht und Halme und an schönen Sommerabenden sitzt Alles vor den Thüren, unter heiterem Geplauder, Scherzen, Lachen und Singen, mit Ausschneiden, Auslesen, Zusammenbinden, Flechten, Weifen oder Nähen beschäftigt. – An langen Winterabenden aber versammeln sich die „Strohmädchen“, um in heiterer Geselligkeit ihrer Arbeit obzuliegen.

So hat das Leben in den „Strohdörfern“ trotz des prosaischen Namens immer noch seine poetische Seite.