Ein Tag in Düsseldorf

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Autor: Ferdinand Hey’l
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Titel: Ein Tag in Düsseldorf
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aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 180–184
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Atelierbesuch im Düsseldorfer Atelier des Malers Ludwig Knaus
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Ein Tag in Düsseldorf.
Von Ferd. Heyl.


Es ist eine erfreuliche Thatsache, daß an den Ufern des „deutschen Stromes“ die bildenden Künste neuerdings eine Pflegstätte gefunden, welche neues Leben, neue Anschauungen in Kreise verpflanzt, die sich bisher in Sachen der Malerei und Sculptur allzu ablehnend verhielten. Am Niederrhein zumal, wenn auch abgeschieden von den idyllischen Schönheiten des vielbereisten Stromes, hat sich eine Pflanzstätte der edlen Malerkunst aufgethan, welche in vollster Wahrheit auf den Namen einer „deutschen Kunstschule“ Anspruch machen darf. Das freundliche Düsseldorf verbreitet in neuerer Zeit seinen Namen durch alle Welt, und mehr als sein Handel, mehr als seine Beziehungen zur rheinischen Schifffahrt, mehr als seine Fabrikate, Düsseldorfer Senfe und Düsseldorfer Punschextracte, mehr als seine Walzwerke und Maschinenfabriken trägt seinen Ruf über Länder und Meere seine Malerakademie, wenn auch die Hauptpfeiler der dortigen Kunstgenossenschaft nicht alle in bestimmter Beziehung zu der Düsseldorfer Kunstanstalt selbst stehen.

Die Gartenlaube gestattet uns wohl, eine Anzahl derjenigen Künstler hier zu registriren, welche den Ruf der Düsseldorfer Schule der Nachwelt bewahren werden. Gehören doch die meisten derselben noch heute dem Leben an, und bildet doch die Gartenlaube eine Chronik unserer Tage auch für spätere Zeiten. Da wären denn zu nennen: E. Sohn, Bendemann, Köhler, Schirmer, E. F. Lessing, Th. Hildebrandt, Rudolph Jordan, Richter, Emanuel Leutze, die beiden Achenbach, Alfred Rethel, E. Deger, Ittenbach, Carl und Andreas Müller, A. Tidemand, Hans Gude, A. Schrödter, E. Hübner, Christian Böttcher, Wilhelm Camphausen, Leu, Scheuren, Preyer, Hasenclever, Becker, Dielmann (jetzt in Frankfurt), Meyer von Bremen (jetzt in Berlin), Eduard Gesellschap, Theodor Mintrop, A. Weber, (die beiden Heß sind zwar geborene Düsseldorfer, zählen aber eigentlich zur Münchener Schule); sodann Wilhelm Sohn, J. Röting, Benjamin Vautier, Hiddemann, Litschauer, Sell, Hoff, Baur, Beckmann, von Gebhard, Carl Lasch, Kindler, Salentin, Bosch, Kessler, Alex. Michaelis, Ad. Schmitz, von Beckerath, Siegert, Deiker, Kröner, Schütz und noch viele Andere, welche sämmtlich aufzuführen unser Raum nicht gestattet. Bei einer so großen Anzahl tüchtiger Künstler scheint der Ruf Düsseldorfs als Malerschule für alle Zeiten verbürgt.

Auch unter dem jüngeren Nachwuchs wären gar manche Talente der besonderen Erwähnung werth; wir haben in unserer Zusammenstellung derselben so wenig gedacht, wie des gegenwärtig ebenfalls nach Düsseldorf übergesiedelten Ludwig Knaus, des Schöpfers der „Taufe“, der „goldnen Hochzeit“ und vieler anderer Meisterwerke, dessen Wesen und Kunstschöpfungen ihn der Düsseldorfer Schule, der deutschen Malerei so innig zugesellen, wie irgend einen der Genannten. Ihm gelte für heute unser „Tag in Düsseldorf“, indem wir uns vorbehalten, der Gartenlaube gelegentlich weitere Portraits aus der „Düsseldorfer Kunstgenossenschaft“ zu liefern.

Ein trüber Tag war es, der uns zu dem raschen Entschluß

[181]

Ludwig Knaus.

bestimmte das bei Regenwetter ziemlich unleidliche Köln zu verlassen, um den befreundeten Künstler in seinem neuen Heimwesen in Düsseldorf aufzusuchen. Unfreundlich sind die Landesstrecken zwischen Köln und der Malerstadt. Kohlenlager und Fabrikwesen kennzeichnen die dem rheinischen Auge allzu flach scheinende Strecke zwischen beiden Orten, die Wupper trägt zur malerischen Staffage der Landschaft nicht bei, und aus diesem Grunde erfreut sich Düsseldorf wohl leider seltener des Besuches der Rheinreisenden, allerdings zum Schaden der letzteren. Freundlich aber ist der Eindruck Düsseldorfs selbst. Bietet auch die Rheinseite der Stadt kein überraschendes Bild, so zeigt doch Düsseldorf inmitten seiner Straßen und Plätze ein so malerisches Aeußere, daß es den Ruf einer hellen und offenen Stadt vollständig verdient, ja, wir begreifen recht wohl, daß einzelne Partien des sogenannten Hofgartens auch dem Auge des Landschafters von Profession eine künstlerische Augenweide bieten.

In der Nähe der Stadt, bei dem durch Heinrich Jacobi, durch Sophie La Roche und Goethe bekannten Pempelfort, hat sich Knaus seinen neuen, nun wohl bleibenden Heerd gegründet. Insgemein ist es das Loos des Künstlers, unter Mühen und Entbehrungen und häufig dem ungünstigen Schicksal trotzend, seinen Weg zurücklegen zu müssen, mit Anstrengung alles Fleißes zu streben nach einem Heim. Unserem Künstler hat sich’s aufgethan, mit allen Reizen der gemüthvollen Häuslichkeit. Ehe wir ihn in seinem Atelier selbst aufsuchen, dürfen wir aber wohl einen Blick auf Knaus’ Leben werfen.

Ludwig Knaus ist am 5. October 1829 in Wiesbaden geboren, wo sein Vater, den er in seinen „Puffspielern“ verewigt hat, ein optisches Geschäft betrieb. In der Schule seiner Vaterstadt zeigte sich bereits das erwachende Talent des Knaben. Heute, nachdem der Ruf des Künstlers ein so begründeter ist, erhalten die Zeichnungen seiner Kinderjahre einen gewissen Werth für seine Lebensgeschichte, und die Stammbuchblätter der Schulgenossen unseres Knaus zeigen schon in jener Zeit selbstcomponirte Entwürfe, deren Motive dem jugendlichen Talente ebenso große Ehre machen, wie ihre geschickte Ausführung in Farben. Nicht geringen Kummer verursachte die leidenschaftliche Vorliebe für die edle Zeichen- und Malerkunst dem Knaben schon in seinen frühesten Jahren. Es verging kein Abend, an dem er nicht mit heißen Kämpfen sich seinen Platz am elterlichen Tisch erobern mußte, wenn die mütterliche Fürsorge und der väterliche Wille den emsigen Zeichner zu nächtlichen Ruhe verweisen wollten. Aber mit eiserner Consequenz, welche seine Bestrebungen auch später kennzeichnet, wußte er sich sein Plätzchen zu sichern, bis ihm vor Erschöpfung Augen und Hand den Dienst versagten.

[182] Den ersten geregelten Unterricht im Zeichnen und Malen empfing Knaus in Wiesbaden durch den Zeichenlehrer Albrecht, später durch den vormals Nassauischen Hofmaler Professor Jacoby. Knaus’ eigentliche Schule aber war das Leben, seine Vorbilder waren ihm überall gegeben, seine Empfänglichkeit für Alles, was an seinem körperlichen und geistigen Auge vorbeiflog, bildete ihn zu dem, was er geworden; seine höchste Zierde und die Grundlage seiner Meisterschaft ist – sein Gemüt, seine echt deutsche Empfindung. Knaus ist ein deutscher Maler, wie wenige, das kennzeichnet sich durch seine Stoffe. Nicht als ob Knaus in Paris nicht viel für seine Kunst gewonnen und erfahren, die Wahrheit künstlerischen Schaffens gehört indeß nicht einer Nation, sie gehört nicht einer Schule ausschließlich, sie gehört eben nur der Wahrheit an.

Knaus bezog sehr früh die Malerschule in Düsseldorf und erregte hier in kurzer Frist die allgemeine Aufmerksamkeit nicht nur des Publicums, sondern auch seiner Genossen. Professor Sohn und andere Meister der Düsseldorfer Schule glaubten Knaus zur Historie berufen, das Talent des Künstlers fand indeß seinen Weg in anderer Richtung. Dies zeigten seine Erstlingswerke. Eine durch Frische und Leben ausgezeichnete Composition: „Tanz um die Dorflinde“ überraschte durch treffliche Ausführung in Zeichnung und Colorit. Ihr folgten „Die Spieler“, gegenwärtig in der städtischen Gemäldegalerie zu Düsseldorf, wenig unterschieden von einer andern Ausführung desselben Vorwurfs, die zur Zeit das Leipziger Museum besitzt (Gartenlaube Nr. 3 1862[WS 1]). Das Bild begründete zuerst den Ruf des Künstlers, und in der That, der gewaltige Eindruck dieser Scene, so fern von aller Uebertreibung, so ergreifend und wahr und gleichzeitig so erschütternd wirkend, mußte die allgemeine Aufmerksamkeit auf den jugendlichen Autor lenken. Knaus’ Künstlerschaft war documentirt, und als das Jahr 1852 der Berliner Kunstkritik das „Leichenbegängniß im Walde“ auf der Ausstellung der Akademie vorführte, war das Urtheil allgemein, daß Düsseldorf in ihm einen Stern erster Größe besitze.

Wir können uns bei den einzelnen Werken des Meisters leider nicht verweilen und müssen, dem Wunsche der Gartenlaube entsprechend, der naheliegenden Versuchung eingehenderer Schilderung seiner einzelnen Compositionen widerstehen, zugleich voraussetzend, daß Stich und Druck die Schöpfungen unseres Künstlers der deutschen Nation schon genügend nahe gebracht haben.

Knaus hat nicht versäumt, die Welt zu sehen, seine künstlerischen Wandertage führten ihn nach Belgien, Italien, der Schweiz, Tirol, München, Holland; er streifte durch die Ebenen des hessischen Landes, wie über die Höhen des Schwarzwaldes und des Rheines, und hatte stets das Ziel im Auge, durch lebendige frische Anschauung sich selbst und sein Talent zu bilden. Im Jahre 1852 übersiedelte Knaus nach Paris, zum Glück für ihn, zum Glück für uns. An den Meisterwerken und Sammlungen der Weltstadt bildete sich des Künstlers Auge und Erfahrung; mitten in dem Getriebe der französischen Metropole verbreitete sich der Ruf seiner Meisterschaft. Fast unbekannt erschien er dort mit seinem den Franzosen fast unaussprechlichen Namen Knaus (Knos)! „Qui est ce Monsieur Knaus? C’est un Russe – un barbare!“ Und wie lange währte es, – der stille, ruhige, deutsche Knaus erschien mit seinem „Morgen nach einer Kirmeßnacht“ auf der Ausstellung und errang sich die goldene Medaille zweiter Classe als Preis. Von da ab haben sich unsere Nachbarn jenseits des Rheines zum Oefteren die Mühe gegeben, Knaus für sich zu annectiren; man sah in Paris von dem barbarischen Namen ab und stempelte in öffentlichen Berichten den Künstler ohne Weiteres zum Franzosen. Diese Annexion sollte der großen Nation indeß nicht gelingen, und der Künstler gehört nunmehr nach den politischen Veränderungen der letzten Jahre in doppelter Beziehung dem selbstgewählten Heimath- und Vaterlande Preußen an, obschon die französische Regierung durch eine Reihe von Auszeichnungen ihn an Paris zu fesseln suchte.

Das deutsche Vaterland vergaß des Künstlers ebenso wenig wie er die Heimath; was Knaus in jener Periode in Paris geschaffen, hat größtenteils auch dort bleibende Stätte gefunden.

Mit wahrhaftem Enthusiasmus wurden aller Orten die Meistergebilde begrüßt, die er 1859 und 1860 in Paris vollendete: die „Taufe“ und die „goldene Hochzeit“. Diese beiden echt deutsch empfundenen Compositionen haben Knaus zu einem Volksmaler gestempelt, denn wer hätte nicht im Kupferstich, in Photographie oder sonstiger Nachbildung das tiefe Gemüth des Künstlers und seine geniale Wiedergabe dieser innig empfundenen Familienscenen bewundert! Die Nachbildungen dieser Werke, besonders in den Goupil’schen Stichen, sind in ganz Europa verbreitet.

Im folgenden Jahre übersiedelte Knaus, nachdem er schon früher aus seiner Vaterstadt Wiesbaden eine Gattin heimgeführt, von Paris nach Deutschland und wählte zunächst seine Vaterstadt, dann Berlin als bleibenden Aufenthalt. Die Sommermonate brachte er regelmäßig in seiner Heimath zu. In Berlin entstanden in kurzen Zwischenräume der bekannte „Taschenspieler“, den Goupil in Paris ankaufte, und ferner der „Auszug zu einem ländlichen Fest“, welche Werke beide in Paris ausgestellt waren. Während des Sommeraufenthaltes in Wiesbaden schuf der Meister die „Puffspieler“, denen in Berlin dann in verhältnißmäßig kurzer Reihenfolge „Die Wochenstube“, „Die Kleinstädter in der Schenke“ (jetzt Eigenthum des Kunst-Vereins seiner Vaterstadt) und die „Passeyrer Raufer“ folgten.

Die letzten drei Jahre war Knaus fast ausschließlich seiner Geburtsstadt Wiesbaden wiedergegeben und vollendete hier vornehmlich das allgemein bekannt gewordene Gemälde „Seine Hoheit auf Reisen“, dessen Entstehen und Fortschreiten wir selbst Gelegenheit hatten zu verfolgen. Gegen die Annahme, daß der Künstler bei diesem Werke portraitirt habe, verwahrte er sich stets auf das Entschiedenste, und wir dürfen ihm um so mehr Recht geben, als seine Figuren im strengsten Sinne des Wortes eigentlich alle Portraits sind. Hierin beruht ja eben die gewaltige Wirkung der Knaus’schen Schöpfungen, seine Gebilde tragen den ewig wahren Stempel der Natur, seine Figuren sind alle vorhanden, sein Pinsel zeichnet uns immer nur – Menschen!

So sagt Friedrich Pecht in seinen Pariser Briefen bei Gelegenheit der Welt-Ausstellung: „Es möchte schwer fallen, auch nur einen einzigen Menschen bei Knaus zu treffen, den er nicht lebendig empfunden, leibhaftig vor sich herumspazieren gesehen. Es sind niemals Modellfiguren, die er bringt, sie sind alle im Leben beobachtet, mit Blitzesschnelle in jedem Zuge einem getreuen Gedächtnisse einverleibt worden. Kurz, niemals wird man von Knaus weggehen, ohne erfreut und erheitert zu sein, und man wird sich erst nachher darauf besinnen, wie groß das malerische Talent sein müsse, welches eine so unwiderstehliche Wirkung auf Alt und jung, Kenner und Nichtkenner, auf alle Nationen und Stände ausübt.“

Der Aufenthalt in Wiesbaden konnte dem Meister im Allgemeinen die Anregung nicht bieten, welche für seine Entwürfe so erforderlich war. Die innige Liebe und Anhänglichkeit an Heimath und Familie hatten den Künstler nach Wiesbaden zurückgeführt. Hier arbeitete er in beschaulicher Ruhe, gänzlich abgeschieden von dem bunten und geräuschvollen Getriebe der Badestadt. Eine aussichtreiche Garten-Anlage umgab das auf einer Anhöhe in nächster Nähe der Stadt gelegene Atelier des Künstlers, und selten nur verließ er seine freundliche Häuslichkeit, aber die Annehmlichkeiten dieses Wohnsitzes konnten Knaus auf die Dauer ebensowenig, wie die Reize der seine Vaterstadt umgebenden Landschaften, den so notwendigen und anregenden Verkehr mit den Collegen ersetzen. Die Erinnerungen an die Studienjahre wirkten mächtig in ihm, und wenn auch ungern, doch zum Vortheil seiner Kunst, sahen wir ihn im vorletzten Herbst von Wiesbaden nach Düsseldorf scheiden, wo er unterdessen sich ein neues Heimwesen selbst hergerichtet hatte. Von den Kunstgenossen dort ward er mit aufrichtiger Freude empfangen; wie Oswald Achenbach dem Schreiber dieses gelegentlich eines Zusammentreffens in Aßmannshausen versicherte: „Von Euch kann der Verlust nicht so tief empfunden werden, als uns Alle der Gewinn des Meisters für unsere künstlerischen und geselligen Kreise erfreut.“

Und in der That, Knaus ist ein frischer lieber Genosse, für seine Freunde ein Charakter so offen und ehrlich, so bescheiden und anspruchslos wie wenige. Diese Bescheidenheit bei der bewährten Anerkennung seiner Künstlerschaft thut doppelt wohl im Umgang mit ihm, um so mehr, als man sofort erkennen lernt, wie streng er in seinen Anforderungen gegen sich selbst ist. „Er ist ein Mann, nehmt Alles nur in Allem!“

Das erste größere Werk des Düsseldorf Aufenthaltes war der kürzlich in Wien ausgestellte „Katzentisch“, der noch in jüngster [183] Zeit in allen Journalen des In- und Auslandes in so ehrender Weise von dem Meister reden machte. –

Wir finden bei unserm Besuche den Künstler im Vorraum seines Hauses und dürfen aus unserm Empfang wohl schließen, daß wir willkommen sind. Mit ehrlich sichtlichem Wohlbehagen zeigt uns der Künstler die innere Einrichtung seines Tusculums. Nicht fürstliche Pracht, aber echt künstlerische Anordnung ist es, was dieses trauliche Besitzthum so anheimelnd gestaltet hat. Knaus besitzt selbst einige Kunstwerke von bedeutendem Werth, und mit unverhohlener Freude an deren Besitz zeigt er uns seine Schätze, fröhlich plaudernd von den Eindrücken des Wiener Künstlerfestes, von dem er eben heimgekehrt, noch in der Erinnerung lebend an manche frohe Stunde, welche er dort mit den Kunstgenossen verbrachte. Das Leben in Wien scheint dem deutschen Künstler ungleich anmuthender gewesen zu sein, als das bewegte, aber häufig kalte Treiben der Weltstadt an der Seine.

Während sich Knaus einen Gartensaal mit eigener Meisterhand ausgemalt, hat er sich das Ideal eines Ateliers im oberen Stockwerk eingerichtet. Die günstigste Berechnung des Lichtes wetteifert hier mit der malerischen Anordnung, ohne daß das Ganze auch nur im Geringsten den Eindruck des Gesuchten erweckte. Prächtige Gobelins schmücken die Wände, welche eine im gothischen Geschmack geschnitzte und verzierte Decke überwölbt, wie denn der gothische Stil sich in dem ganzen Raume einheitlich kennzeichnet. Eine Perle der Malerei, eine Lucrezia von Lucas Cranach, verbirgt ein verschließbarer Schrein. Mittelalterliches Mobiliar, Geräthe und Waffen zieren den Raum, dessen hohe Fenster den Blick in’s Grüne, in das malerische Gärtchen des Hauses, leiten. Wir glauben gern der Versicherung des Künstlers, daß ihm der Aufenthalt in diesen traulichen Räumen erhöhte Lust und frischen Schaffensdrang verleihe.

Und in der That, wir sehen auf der Staffelei eine Gewähr für diese Aeußerung, da der Pinsel des Meisters aus einer harmlosen und doch so innig wahren Scene ein Bild von so ergreifender Wirkung schaffen konnte! Wir dürfen immerhin aus der Schule plaudern, denn wenn unsere Zeilen der Oeffentlichkeit vorliegen, möchte des Meisters Werk schon vollendet sein, und einer Schwatzhaftigkeit machen wir uns nicht schuldig, da unserem Knaus ein Vorwurf so leicht nicht „nachempfunden“ werden kann.

Stelle sich der Leser eine Straße, etwa in Köln, zur Zeit des Carnevals vor. Ein Kinderpärchen, der Knabe als Ritter, das Mädchen als Nonne verkleidet, – Kindermaskeraden wie diese am Rhein allüberall im Fasching Sitte sind – gehen ruhig ihre Straße, etwa um sich mit kindlichem Stolze in ihrem erborgten Schmuck Verwandten oder Freunden der Familie zu zeigen. Sie werden unterwegs von anderen Kindermasken, Strolchen in schäbiger, zusammengestoppelter Gewandung, aufgehalten und in bedrohlicher Weise attakirt. Die Letzteren, die Strolche, lockt und reizt wohl weiter nichts zum Angriff, als die bessere und kleidsamere Maske der Kleinen – der kindliche Neid. Mit ritterlicher Tapferkeit stellt sich der kleine Ritter, der Beschützer der zaghaften Begleiterin, zur Wehre, und doch kann das jugendliche Heldenantlitz die Furcht und Besorgniß vor den muthwilligen und abscheulich herausgeputzten Fratzen nicht verleugnen. Heldenmut im Streite mit kindlicher Furcht!

Und das zarte jugendliche Nönnchen, wie schmiegt es sich so innig, so schwesterlich an den ritterlichen Begleiter, dem der Helmschmuck trotzig und drollig zugleich zu Gesichte steht! Man sehe das Bild, und man erwehre sich der Rührung, welche uns aufrichtig bei dessen Beschauen ergriffen. Wahrlich! die Malerkunst ist vielleicht die schwerste, aber auch die dankbarste unter den Künsten, da eine Meisterhand mit einer so einfachen Scene eine so ergreifende Wirkung zu schaffen vermag. Es ist dies Werk ein neues Blatt im Lorbeerkranze des Künstlers, und wir wollen uns gern darüber trösten, daß es uns nicht vergönnt war, den „Katzentisch“ vollendet zu sehen, der sich zur Zeit unseres Besuches leider noch in Wien befand. Wir hoffen, daß es der Gartenlaube baldigst ermöglicht sein wird, eines der besten Werke unseres Meisters ihrem großen Leserkreis vorzuführen.

Bescheiden und deshalb nie mit sich und seinen Schöpfungen zufrieden, wie dies ja zum Glück für die Kunst das Loos des echten Künstlers immer ist, fragte uns der Meister treuherzig und offen um unser Urtheil über diese neueste Schöpfung, und wir dürfen annehmen, daß unser stummer Häudedruck ihm mehr gesagt hat, als eine Beschreibung des Eindrucks in Worten es vermocht haben würde.

Scherz und heitere Mittheilungen aus Wiesbaden, der bisherigen Heimath des Künstlers, täuschten uns einige Stunden hinweg. Ein glückliches Familienleben, geschmückt durch eine Zahl blühender Kinder, gewährt dem Künstler auch nach dieser Richtung Liebe, Freiheit und Anregung zu künstlerischem Schaffen.

Knaus steht im Zenith seiner Laufbahn. Die deutsche Nation darf von ihrem ersten Genremaler noch viele Kunstschöpfungen erwarten – und jener glückliche Humor, der nicht allein in seinen Werken, der sich auch im Umgang mit ihm ungebunden fühlbar macht, sichert dem Meister eine stets andauernde Frische. Wir schieden, um gegen Abend gemeinschaftlich den „Malkasten“ zu besuchen.

Düsseldorf, die Malerstadt, besitzt eine städtische Gemäldesammlung mit trefflichen Werken, aber leider – keine entsprechende Räumlichkeit für die Ausstellung dieser Perlen der edlen Malerkunst. Eine Stadt, die ein so großartiges Gebäude zur Pflege einer verwandten Kunst, der Musik, erbauen konnte, als welches die städtische Tonhalle sich darstellt, sollte des Näherliegenden nicht vergessen. Recht wie ein verlassenes Waisenkind hat die städtische Sammlung in den obersten Räumen der genannten Tonhalle eine dürftige Stätte gefunden. Entlegen und kaum aufzufinden in dem weitläufigen Gebäude, im Sommer der Sonne ausgesetzt, so daß sich die hier entwickelte Temperatur recht wohl mit den weiland Bleidächern Venedigs messen könnte! Und doch finden sich hier Werke, wie die Weinprobe von Hasenclever, Tidemand’s Haugianer, Knaus’ Spieler, Schrödter’s Don Quixote und Meistergebilde von Lessing, Andreas und Oswald Achenbach, Röting, Schirmer, Sohn und Jordan.

Neuere Bilder wurden bisher in einer Privatausstellung bei E. Schulte dem Publicum zur Ansicht geboten, und da viele dieser Stücke verkäuflich sind, so gewinnt diese Ausstellung mehr den Anschein einer größeren Kunsthandlung. Gegen eine bestimmte Summe zum Vortheil der Künstler-Unterstützungscasse hatten sich die Maler Düsseldorfs zur Ausstellung bei Schulte verpflichtet. Dieses Uebereinkommen hat indeß durch die Entstehung eines Concurrenzgeschäftes – Bismayer und Kraus – beinahe ein Ende gefunden, denn auch die letztgenannte Firma unterhält eine permanente Ausstellung an neuen und älteren Bildwerken. Und wohl finden sich auch in den Räumen dieser Privatunternehmern treffliche Gemälde. Es sind dort alle Meister der Düsseldorfer Schule, auch einzelne der verstorbenen, vertreten. Die Stadt aber ist der Kunst die Gründung eines Ausstellungslocales, einer Kunsthalle, schuldig, in welcher sowohl der städtische Besitz als Mittelpunkt der Gesammtausstellung, als auch die etwa zum Verkauf auszubietenden neueren Bilder einen Sammelplatz finden. Auf diese Weise würde der Beschauer ein einheitliches Bild der Düsseldorfer Bestrebungen in künstlerischer Hinsicht gewinnen, und an klingendem Erfolge dürfte es sicher auch nicht fehlen. Kann sich die Stadt zu diesem Werke der ausgesprochensten Notwendigkeit nicht ermannen, nun, so stehe die in sich selbst so fest geschlossene Künstlerschaft in Ausführung dieses Planes zusammen. Zeugt doch für die herzliche Gemeinschaft der Düsseldorfer Kunstgenossen der weltbekannte – Malkasten.

Es kann unsere Absicht nicht sein, dieses Künstlervereins in ausführlicher Weise zu gedenken, umsomehr, als die gewandte Feder Wolfgang Müller’s der Gartenlaube schon eine treffliche Schilderung lieferte (Jahrgang 1863, Nr. 37). Weilen auch einzelne der Haupthelden jener Mittheilungen, wie Leutze, Michaelis und Andere, nicht mehr unter den lebenden Genossen, der Geist des Malkastens, die Zusammengehörigkeit der Mitglieder desselben, hat sich seitdem womöglich noch inniger gestaltet.

Alle Welt weiß, daß sich die Maler Düsseldorfs durch eigene Werke die ausgedehnten Räumlichkeiten und Parkanlagen des „Malkastens“ selbst erworben haben. Eine Lotterie von Gemälden Düsseldorfer Schule mußte die Mittel beschaffen, und Dank dieser Veranstaltung, das historisch interessante Besitzthum des Philosophen Friedrich Jacobi, geweiht durch den mehrmaligen Aufenthalt Goethe’s, durch die Anwesenheit Georg Jacobi’s, des Lyrikers, der Grafen Stolberg, Jung-Stilling’s, Georg Forster’s und Heinse’s, des Dichters des Ardinghello, kam nicht in profane Hände, es blieb Eigenthum der Kunst, der Musen und ihrer Jünger.

[184] Nirgends scheint uns indeß genügend betont, in welcher wahrhaft künstlerischen Weise hier der Künstler für den Künstler und dessen zuweilen bedürftige Hinterlassenen sorgt. Eine gemeinschaftliche Vorschußcasse in Fällen der Verdienstlosigkeit Einzelner, eine gemeinschaftliche Unterstützungs- und Krankencasse hat ein echt brüderliches Band um die Musenjünger geschlossen, dessen Wirkungen sich schon in tausend Fällen segenbringend und wohlthätig erwiesen.

Als wir am Abend die Räume des Gesellschaftssaales in Begleitung von Knaus und Oscar Begas aus Berlin betraten, hatten wir ein Beispiel dieser innigen Zusammengehörigkeit vor Augen. Vor Kurzem war ein „Malkästner“ in nicht gerade gesegneten Glücksumständen dahingeschieden; seine Hinterbliebenen bedurften der Unterstützung. Rasch regten sich geschäftig Hunderte der Genossen und stifteten für den Zweck einer Verloosung Werke eigener Hand und eigenen Kopfes. Der Werth von eintausendfünfhundert Thalern (nebst einem erklecklichen Betrag für sämmtliche Verloosungskosten) war an jenem Abend in den ausgestellten und gestifteten Kunstwerken erreicht und die Loose zum selben Werthe gleichzeitig innerhalb des Malkastens – dem ungefähr hundert außerordentliche Mitglieder, die geistig bedeutendsten Leute der Stadt, angehören – verkauft und abgesetzt. Eine künstlerische und klingende Unterstützung zugleich! Wahrlich, wo solch’ ein echter Geist der Kunst und Zusammengehörigkeit waltet, da wird Erfolg und treue helfende Brüderlichkeit nimmer fehlen!

Unter Plaudern und Scherzen verfliegen in jenem anregenden Kreise die kurzen Abendstunden. Nahe vor uns, auf dem Ofen, steht ein mächtiger Behälter, der wohl ungefähr einen Eimer Weins zu fassen vermag und den der Malkasten einst für sich erworben. Er stammt aus der Zeit der Goethe-Periode. Damals muthmaßlich als Weinkühler in Benutzung, wird er jetzt öfter im Malkasten als Weinbowle gebraucht. Er sollte auch heute nicht unbenutzt bleiben. – Und siehe, dem blinkenden Messingbehälter entsteigen wunderliche Gestalten! Amoretten und buntwechselnde Landschaften, Charakterköpfe und idyllische Stillleben, Hasenclever’sche Originale und rheinische Burgen, die Schneeriesen der Schweiz, Tirols und wellenbewegte Seestürme. Ueber Allem aber schwebt in lichtstrahlender Glorie der Lorbeerkranz des deutschen Künstlerruhmes, in seiner Mitte die goldblitzenden Worte „Düsseldorf“ und „Malkasten“!



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Nr. 5 1862