Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche/24. Kapitel
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598. Bisher ist davon gehandelt worden, durch welche Handlung und Wirkung Gott den in Sünden gefallenen Menschen wieder aufrichte. Jetzt ist noch übrig, zu sehen, ob Gott solches verrichte ohne Mittel oder durch Mittel, damit nicht Jemand die von Gott verordneten und ihm gewöhnliche Mittel ausschlage, und ohne Mittel auf Gottes Wirkung warte, oder zu andern Mitteln sich wende, durch welche Gott nicht wirkt, da er denn auf beiden Theilen der göttlichen Wirkung sich verlustig machen würde.
599. Um in einer Summa von dieser Sache zu reden, sagen wir: Gott thut zwei Dinge, nämlich er wirket den Glauben und bekräftiget denselben.| Den Glauben wirkt und stärket Gott entweder in alten Leuten, oder in Kindern. Das Wort, oder die äußerliche mündliche Lehre, erweckt den Glauben in alten Menschen, in Kindern aber thut’s die h. Taufe, die (sowie auch das h. Abendmahl) den Glauben der Alten, den sie aus dem Worte empfangen, stärkt und mehrt.600. Die Lehre oder das Wort betreffend, haben wir zu handeln: a) wie uns Gott nicht lehren wolle? b) wie er uns lehre?
601. a) Nicht lehrt er uns ohne Mittel, als z. B. durch Offenbarung, Gesichte und heimliches Einsprechen. Im Alten Testamente hat Gott zwar auch ohne Mittel die Menschen unterrichtet, wenn er von Angesicht zu Angesicht geredet hat, z. B[.] mit Abraham 1 Mos. 20, 3.; mit Mose 2 Mos. 33, 1., von dem Gnadenstuhl, als er 2 Mos. 25, 22. versprochen hat, „von dem Ort will ich dir zeigen und mit dir reden u. s. w.;“ durch des Hohenpriesters Leibrock, 1 Sam. 23, 9. ff.; in angenommener menschlicher Gestalt, 1 Mos. 18, 2. ff.; durch Gesichte und Träume, 1 Mos. 28, 12. 13. Jerem. 1, 11. 13. u. s. w.
602. Dabei ist aber zu merken, daß Gott nicht mehr auf so vielerlei Art und Weise mit uns rede, Hebr. 1, 1.; daß Gott niemals durch Offenbarungen, als durch eine außerordentliche Weise, sein Volk von den, ihren Glauben und ihre Seligkeit betreffenden Stücken gelehrt, sondern dazu das ordentliche Lehramt durch Propheten, Priester und die h. Schrift geführt habe. Darauf haben wir also nicht zu merken, daß Gott uns ohne Mittel lehre.
| 603. b) Gott lehrt uns auch nicht durch das Licht der Natur, als ob in dieser Alles gleichsam eingeschrieben stünde, was wir zu wissen bedürfen. Dennα) ist das, was wir von uns selbst wissen, lauter Finsterniß, Unwissenheit und Blindheit, Ephes. 4, 18.: „Der Heiden Verstand ist verfinstert, und sind entfremdet von dem Leben, das aus Gott ist, durch die Unwissenheit, so in ihnen ist, durch die Blindheit ihres Herzens.“ 1 Corinth. 1, 21.: „Die Welt durch ihre Weisheit erkannte Gott nicht in seiner Weisheit.“
β) Alle göttliche Erkenntniß muß von göttlichen Offenbarungen herkommen. Joh. 1, 18.: „Niemand hat Gott je gesehen, der Eingeborne Sohn, der in des Vaters Schooß ist, der hat es uns verkündigt,“ Matth. 11, 27.: „Niemand kennet den Sohn, denn nur der Vater, und Niemand kennet den Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren.“
γ) Die menschliche Weisheit ist der göttlichen Erkenntniß zuwider, Röm. 8, 7.: „Fleischlich gesinnet sein, ist eine Feindschaft wider Gott.“ 1 Cor. 2, 14.: „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes, es ist ihm eine Thorheit, und kann es nicht erkennen.“ Daher konnte die Jungfrau Maria nicht verstehen, wie sie einen Sohn gebären würde, da sie von keinem Manne wußte, Luc. 1, 34. Nicodemus konnte nicht vernehmen die Lehre von der Wiedergeburt, Joh. 3, 4. 9. Die Apostel verstanden nicht die Verkündigung des Leidens Christi, Luc. 18, 34. Matth. 16, 22. Thomas mochte nicht verstehen, wie Jesus von den Todten hätte auferstehen können, Joh. 20, 25. Ist nun das natürliche Licht des Menschen den| göttlichen Geheimnissen zuwider, so will uns Gott diese durch das Licht der Natur nicht lehren.604. Gott lehrt uns auch nicht durch die heil. Engel, weil diese zum ordentlichen Lehramt von Gott nicht bestellt worden sind, Gott uns auch gewarnet hat, vorzusehen, daß wir unter der Engel Namen nicht verführt werden, 2 Corinth. 11, 14. „Der Satan verstellet sich in einen Engel des Lichts.“ Gal. 1, 8. „So auch ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen, anders, denn das wir euch geprediget haben, der sei verflucht.“ Coloss. 2, 18. „Laßt euch Niemand das Ziel verrücken, der nach eigener Wahl einhergeht in Demuth und Geistlichkeit der Engel.“ So geben es auch die Exempel des Papstthums, der Wiedertäufer, und aller Andern, die sich auf der Engel Lehre in der letzten Zeit berufen haben, mehr als zu viel, wie sie allenthalben durch Engel-Erscheinungen betrogen worden sind.
605. c) Gott lehrt uns auch nicht durch traditiones oder durch ein ungeschriebenes Wort, welches von den Aposteln an bei der christlichen Kirche bis auf diese Zeit von einem Lehrer auf den andern fortgepflanzt worden wäre, wovon in der heil. Schrift nichts zu finden sei. Denn
α) kann Niemand erweisen, daß Gott uns auf ein solches ungeschriebenes Wort gewiesen habe, weßwegen wir auf dasselbe unsere Seligkeit nicht setzen können; β) wenn ein solches Wort uns vorgelegt wird, können wir durch kein unfehlbares Mittel gewiß sein, daß dasselbe von den Aposteln herkomme, und nicht von falschen Lehrern erdichtet sei. So ist auch γ) die heil.| Schrift so vollkommen, daß wir einer andern Lehre nicht bedürfen, weil sie uns unterrichten kann zur Seligkeit, 2 Timoth. 3, 15. „Sie kann einen Menschen Gottes vollkommen machen, zu allen guten Werken geschickt“; V. 17. Sie bringt uns dahin, „daß wir glauben, Jesus sei der Christ, der Sohn Gottes, und daß wir durch den Glauben das Leben haben in seinem Namen.“ Joh. 20, 31. Darum sind wir keines ungeschriebenen Wortes benöthigt. Endlich609. Es ist also aus diesem Allem gewiß, daß Gott lehre und die Menschen zu seinem Reiche berufe durch die Dienste der Menschen, die er dazu gebrauchen will, sofern als dieselben ihnen das geschriebene göttliche Wort vorstellen, und nach diesem einzig und allein lehren, davon weder zur Rechten noch zur Linken abweichen, nach des Herrn Christi Anordnung, Matth. 28, 20. „Lehret sie halten Alles, was ich euch befohlen habe.“
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