Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche/8. Kapitel

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« 7. Kapitel Nikolaus Hunnius
Gründliche und allgemein faßliche Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche
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Das achte Kapitel.
Der Mensch ist in der angeschaffenen Vollkommenheit nicht bestanden, sondern in die Sünde gefallen, und hat dadurch das göttliche Ebenbild sammt allen dazu gehörigen schönen Gaben verloren.
 169. In dieser Vollkommenheit und Herrlichkeit ist der Mensch nicht bestanden, sondern durch Ungehorsam gegen Gott hat er das göttliche Ebenbild verloren, und dadurch sich und alle seine Nachkommen in das äußerste zeitliche und ewige Verderben gestürzt.| Es sind nun zwei Punkte zu betrachten, 1) der Sündenfall und 2) das Unglück, welches daraus für die Menschen entstanden ist.

 170. Mit dem Sündenfalle verhält sich’s also: Gott hatte mitten im Paradiese einen Baum gesetzt, den er den Baum des Erkenntniß Gutes und Böses nannte, und den Menschen geboten, sie sollten nicht davon essen, sonst würden sie des Todes sterben, 1 Mos. 2, 17., hat also damit von ihnen gefordert, den Gehorsam dem Herrn zu erweisen, weil er ihm sonst für alle seine Wohlthaten nichts erstatten noch geben könne.

 171. Als aber der Satan aus Neid, aus dem er dem Menschen seine Seligkeit mißgönnte, durch die Schlange die Eva mit ihrer Schalkheit verführte (2 Cor. 11, 3.), daß sie vom göttlichen Gebote sich abwendete und von dem verbotenen Baume aß, auch ihren Mann gleiches zu thun vermochte, so sind sie beide in Sünden gefallen, 1 Mos. 3, 1. ff., und damit haben sie den göttlichen Bund übertreten, sich von Gott abgekehret, sind von der Gerechtigkeit abgetreten, und haben sich unter die Dienstbarkeit der Sünde begeben.

 172. Das Unglück, das auf die Sünde erfolgt ist, ist geistlich und leiblich; das geistliche Unglück ist zweierlei, denn erstlich hat der Mensch das Gute, das ihm gegeben war, verloren, und dann ist ihm Böses, davon er befreit war, widerfahren.

 173. Das Gute, um das der Mensch gekommen ist, ist erstlich das Ebenbild Gottes, denn damit hat Adam verloren

 a. die Erkenntniß Gottes und seiner Geschöpfe, das er darum nicht auf die Nachkommen| hat erblich bringen können, als die mit Blindheit und Unwissenheit geschlagen wurden. Eph. 4, 18. „Sie (die Heiden) wandeln in Eitelkeit ihres Sinnes, welcher Verstand verfinstert ist, und sind entfremdet von dem Leben, das aus Gott ist, durch die Unwissenheit, so in ihnen ist, durch die Blindheit ihres Herzens.“ Insonderheit bezeugt St. Paulus die verlorne Erkenntniß Gottes 1 Corinth. 2, 14. „Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes, es ist ihm eine Thorheit und kann es nicht vernehmen,“ und 2 Corinth. 3, 5. „Wir sind nicht tüchtig von uns selber, etwas zu denken als von uns selber.“ Weil nun Adam seine Kinder nach seinem Ebenbilde gezeuget hat (1 Mos. 5, 3.) und die Kinder solchen natürlichen Unverstand in sich haben, so folgt, daß er denselben gleichfalls an sich gehabt und auf sie geerbet habe. – Wie aber die Wissenschaft der Creaturen verloren sei, bezeugt die Erfahrung einem Jeden, indem er das, was er davon zu wissen begehret, mit großer Mühe und Beschwerde erlernen muß, und sich doch großer Mangel und große Unvollkommenheit darin findet.

 174. b. Die Heiligkeit und Gerechtigkeit. Denn wo Sünde ist, da kann weder Gerechtigkeit noch Heiligkeit bestehen.

 175. c. Den freien Willen, das Gute zu thun, und das Böse zu meiden. Denn wer Sünde thut, der ist der Sünde Knecht, Joh. 8, 34. Wer aber der Sünde Knecht wird, der ist nicht frei, das Gute zu thun und das Böse zu meiden, sondern er ist gefangen in der Sünden Gesetz. Röm. 7, 23.

|  176. d. Die Unsterblichkeit. Denn daß und wie der Mensch sterblich worden sei, beweißt die Erfahrung; es hat’s ihm auch Gott zuvor gesagt, welches Tages du von dem Baum des Erkenntniß Gutes und Böses issest, sollst du des Todes sterben, 1 Mos. 2, 17., und nachdem er die Sünde begangen, spricht Gott dieß Urtheil: „Du bist Erde, und sollst zu Erden werden,“ Cap. 3, 19. und Röm. 5, 12. „Durch einen Menschen ist die Sünde kommen in die Welt, und durch die Sünde der Tod, und ist also der Tod der Sünden Sold. Röm. 6, 23.

 177. e. Die majestätische Beherrschung der leiblichen Geschöpfe. Diese ist dermassen verloschen, daß sich nicht nur vielerlei Ungehorsam, sondern auch eine solche Widerwärtigkeit der Thiere wider den Menschen findet, daß sie einestheils seinem Gebot nicht gehorchen, anderntheils Feindschaft wider den Menschen tragen, der sich von ihnen alles Bösen und Unglücks zu versehen hat.

 178. Daraus folgt das andere Gute, welches der Mensch verloren hat, nämlich die Gnade Gottes. Denn wie Gott aus gerechtem Gerichte alle Bosheit hasset, und wie er auch dem Adam den Tod gedrohet, wenn er seinen Willen übertreten würde, so ist derselbe durch die Sünde in Gottes Gericht, Zorn und ernste Strafe gefallen, dadurch er der großen Gnade, mit welcher ihm Gott zugethan war, sich gänzlich verlustig gemacht hat.

 179. Was das Böse anbelangt, welches den Menschen widerfahren ist, ist großentheils aus dem abzunehmen, was bisher von den verlornen Gütern gemeldet| worden ist. Denn es ist ihm nach dem Sündenfalle geistlicher und leiblicher Schaden zugewachsen.

 180. Der geistliche Schaden besteht darin, daß nach dem Bilde Gottes ein abscheuliches Bild des leidigen Satans erfolgt ist, d. i. solche Unwissenheit und Unverstand in göttlichen Dingen, daß, die fleischlich gesinnet sind, eine Feindschaft wider Gott geworden sind; daß anstatt der Heiligkeit des Menschen Herz mit Sünden dermassen durchgiftet und überfüllt worden ist, daß all’ sein Tichten und Trachten nur böse ist immerdar, 1 Mos. 6, 5.; daß anstatt des freundlichen Gespräches, das Gott mit den Menschen gehalten, von Gott nichts anders, als grimmiger Zorn und schreckliches Gericht zu erwarten war, davor Adam sich versteckte, 1 Mos. 3, 8.; daß er anstatt der Freudigkeit, die er zu Gott hatte, ein böses, verwundetes Gewissen fühlte, welches ihn von Gott abgeschieden hat, Jes. 59, 2., und also ängstigte, daß er vor Gottes Angesicht nicht erscheinen durfte; endlich daß er anstatt der großen ewigen Seligkeit, der höllischen Verdammniß unterworfen wurde.

 181. Der leibliche Schaden besteht darin, daß der Mensch nach begangener Sünde aus dem Paradiese gestoßen worden, 1 Mos. 3, 23.; daß ihm auferlegt worden, das Erdreich mit seiner Mühe und Arbeit zu bauen, V. 19. 23.; daß anstatt des gesunden und von allerlei Krankheit befreiten Wohlstandes, der Leib unzählich vielen Krankheiten unterworfen worden ist, damit ihm nach Sirach’s Rede wahr geschehe, Cap. 38, 15. „Wer vor seinem Schöpfer sündiget, der fället dem Arzte in die Hände;“| daß endlich statt der Unsterblichkeit des Leibes der Tod über den sündigen Adam geherrscht hat.

 Es ist also genugsam kund, was unsrer ersten Aeltern, Adams und Eva’s Sündenfall gewesen und was für Unglück für dieselben daraus entstanden ist.





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