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Jurisdictions-Vertrag zwischen den Königreichen Bayern und Württemberg vom 7. Mai 1821

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Titel: Jurisdictions-Vertrag zwischen den Königreichen Bayern und Württemberg vom 7. Mai 1821
Untertitel:
aus: Die Staats-Verträge des Königreichs Bayern in Bezug auf Justiz-, Polizei-, Administrations-, Territorial- u. Grenz-; Bundes-, Kirchen-, Militär-, Handels-, Schifffahrt-, Post-, Eisenbahn-, Telegraphen- und Münz-Angelegenheiten: von 1806 bis einschließlich 1858
Herausgeber: G. M. Kletke
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Entstehungsdatum: 1821-1825
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Friedrich Pustet
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[5]
4. Jurisdictions-Vertrag zwischen den Königreichen Bayern und Württemberg vom 7. Mai 1821.

Nach dem zwischen der Krone Bayern und Württemberg zur Beförderung der Justiz-Pflege in den beiderseitigen Staaten über Feststellung der gegenseitigen Gerichtsverhältnisse Unterhandlungen gepflogen worden; so sind von beiden contrahirenden Souverainen zu wirklicher Abschließung eines Vertrages über diesen Gegenstand als Bevollmächtigte ernannt worden

von Seite der Krone Bayern:

Der Ministerial-Rath Joseph Anton von Belli de Pino, Ritter des Königl. Bayer. Civil-Verdienst-Ordens und des Großherzoglich Hessischen Haus-Ordens;

von Seite der Krone Württemberg:

Der geheime Legations-Rath Christian Ludwig Bilfinger, Ritter des Königl. Württembergischen Civil-Verdienst-Ordens,

[6] welche nach Auswechselung ihrer beiderseitigen Vollmachten folgenden Jurisdictions-Vertrag unter Vorbehalt der Allerhöchsten Ratificationen abgeschlossen haben.

§. 1. Beide contrahirende Staaten versichern sich gegenseitiger Rechtshülfe, sowohl in bürgerlichen als peinlichen Sachen, in soweit nicht hierüber im gegenwärtigen Vertrage besondere Einschränkungen enthalten sind.

§. 2. Jeder von den beiden contrahirenden Staaten erkennt in seinem Gebiete die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit der richterlichen Erkenntnisse des andern Staates, in soferne solche Urtheile von einem nach den näheren Bestimmungen des gegenwärtigen Staatsvertrages beiderseits als competent anerkannten Gerichte ausgegangen sind.

§. 3. Ein von einem zuständigen Gerichte erlassenes rechtskräftiges Erkenntniß begründet vor den Gerichten des andern Staates die Einrede des rechtskräftigen Urtheils (exceptio rei judicatae) mit denselben Wirkungen, als wenn das Urtheil von einem Gerichte desjenigen Staates, in welchem solche Einrede geltend gemacht wird, gesprochen worden wäre, desgleichen werden solche Erkenntnisse an den in dem andern Staate gelegenen Gütern des Sachfälligen unweigerlich vollstreckt. wenn

1) durch gerichtliche Zeugnisse dargethan ist, daß in dem auswärtigen Staate selbst, von dessen Gerichten erkannt worden, keine, auch der Zeit und den übrigen Verhältnissen nach gleich bereite und hinreichende Vollstreckungs-Mittel vorhanden seien, und
2) keine eigenen Unterthanen mit Forderungen sich gemeldet hätten, rücksichtlich welcher ihnen an den zur Vollstreckung des fremdrichterlichen Erkenntnisses angewiesenen Sachen ein vorzügliches oder gleiches Recht zusteht.

Soll daher die Hülfsvollstreckung an der Substanz unbeweglicher Güter geschehen, so ist zuvörderst der Inhalt des fremdrichterlichen Erkenntnisses nebst Anzeige der Güter, auf welche die Hülfs-Vollstreckung nachgesucht worden ist, öffentlich bekannt zu machen, und sind alle Unterthanen dieses Staates, welche etwa aus dem Grunde einer Hypothek oder anderer Titel ein vorzügliches oder gleiches Recht an jenen Gütern zu haben meinen, unter Anberaumung eines bestimmten Präklusiv-Termins aufzufordern, bei dem einschlägigen Gerichte erster Instanz ihre Forderungen geltend zu machen.

§. 4. Keinem Unterthan ist es erlaubt, sich durch freiwillige Perception der Gerichtsbarkeit des andern Staates, dem er als Unterthan und Staatsbürger nicht angehört, zu unterwerfen.

Keine Gerichtsbehörde ist befugt der Requisition eines auf diese Weise gesetzwidrig provozirten Gerichts in Stellung des Beklagten, oder Vollstreckung des Erkenntnisses statt zu geben. Jedes von einem solchen Gericht [7] ausgesprochene Erkenntniß wird in dem einen, so wie in dem andern Staate als ungültig betrachtet.

§. 5. Beide contrahirende Staaten erkennen gegenseitig den Grundsatz, daß der Kläger dem Gerichtsstande des Beklagten zu folgen habe. Es wird daher das Urtheil des fremden Gerichts nicht nur sofern es den Beklagten, sondern auch soferne es den Kläger, z. B. rücksichtlich der Erstattung der Gerichtskosten u. dgl. betrifft, in dem anderen Staate als rechtsgiltig anerkannt und vollzogen.

§. 6. Die Widerklage (Reconventio) begründet die Gerichtsbarkeit des über die Vorklage zuständigen Richters, jedoch nur unter der Voraussetzung des rechtlichen Zusammenhanges (Connexität) die Widerklage mit der Vorklage.

§. 7. Die Provokations-Klagen (ex lege diffamari oder ex lege si contendat) werden erhoben vor dem persönlich zuständigen Gerichte des Provokanten, oder da, wohin die Klage in der Hauptsache selbst gehörig ist; es wird daher die von diesem Gerichte, besonders im Falle des Ungehorsams ausgesprochene Sentenz von der Obrigkeit des Provokanten als rechtskräftig und vollstreckbar anerkannt.

§. 8. Beide Staaten erkennen den Gerichtsstand des Wohnsitzes (Domicils) dergestalt an, daß bei persönlichen Klagsachen, welche keinen besonderen Gerichtsstand (forum speciale) begründen, der Unterthan des einen Staates von dem Unterthanen des andern nur vor dem Richter seines Wohnsitzes belangt werden darf, und das von diesem Richter ausgesprochene rechtskräftige Erkenntniß wird aushülfsweise an den in dem andern Staate sich befindenden Gütern des Sachfälligen vollzogen.

Jedoch können diejenigen, welche, ohne Staatsbürger zu sein, in dem einen oder in dem andern Staate eine abgesonderte Handlung, Fabrik, oder anderes dergleichen Etablissement besitzen, wegen persönlicher Verbindlichkeit, welche sie in Ansehung solcher Etablissements eingegangen haben, sowohl von den Gerichten des Landes, wo die Gewerbs-Anstalten sich befinden, als vor dem Gerichtsstande des Domicils nach den Regeln der Provokation auch außer dem Falle des Concurses belangt werden.

Auch können die Unterthanen des einen Staates, welche in dem andern begütert sind, von dem Fiscus sowohl als von den Unterthanen dieses Staates nicht nur in Real- sondern auch in Personal-Klagsachen vor den Gerichten desselben, wo nämlich die Güter sich befinden, belangt werden, jedoch nur in so weit, als diese Güter einen zureichenden Executions-Gegenstand darbieten, oder dafür angenommen werden wollen. Bei Auswanderungen hat der Auswandernde noch ein Jahr lang nach seiner Auswanderung vor den Gerichten des Staates, welchen er verlassen, wegen der Ansprüche, welche vor der Auswanderung gegen ihn erwachsen sind, zu Recht zu stehen.

[8] §. 9. Erben, die wegen einer Handlung des Erblassers mit einer persönlichen Klage zu belangen sind, werden nicht vor dem Gerichtsstande des Erblassers, sondern vor ihrem eigenen belangt, sofern nicht bereits mit dem Erblasser selbst die Streitsbefestigung geschehen ist.

§. 10. Wenn der Unterthan des einen Staates, wo er seinen Wohnsitz hat, in dem andern begütert ist, und in Concurs geräth, so wird von beiden Staaten das Gericht des Wohnsitzes des Schuldners als allgemeines Gant-Gericht, jedoch mit der Einschränkung anerkannt, daß für die Concurse des in beiden Staaten begüterten hohen und ritterschaftlichen Adels nach Beschaffenheit der individuellen Umstände, mittelst wechselseitiger Communikation der allgemeine Gerichtsstand durch ein besonderes auf den einzelnen Fall sich beschränkendes Einverständniß wird regulirt werden.

Sollte ein Einverständniß nicht zu Stande kommen, so finden in solchem Falle Partikular-Concurse Statt.

Außer diesem wird einem Partikular-Concurse nur in folgenden zwei Fällen Statt gegeben:

1) zu Gunsten der Erbschafts-Gläubiger, welche in Ansehung der Erbschaft das ihnen zustehende außerordentliche Separations-Recht geltend machen;
2) wenn der Gemeindschuldner in dem einen oder andern Staate eine abgesonderte Handlung, Fabrik oder anderes dergleichen Etablissement besitzt, weshalb zum Vortheile derjenigen Gläubiger, welche in Ansehung solcher Etablissements denselben besonders kreditirt haben, ein Particular-Concurs eröffnet werden darf.

§. 11. Alle Forderungen, sie seien auf ein dingliches oder persönliches Recht gegründet, sind allein bei dem allgemeinen Gantgericht einzuklagen und das außerhalb Landes befindliche Vermögen des Gemeinschuldners wird nach vorgängiger Veräußeruug der Grundstücke und Effecten durch den Richter der gelegenen Sache und nach vorgängiger Mittheilung des Lokations-Urtheils an diesen dem Gantgerichte abgeliefert.

§. 12. Dagegen zieht der allgemeine Gerichtsstand die bereits anhängigen Rechts-Sachen nur rücksichtlich der Lokation an sich, so, daß dergleichen Forderungen zwar vor dem Gantgerichte bei Strafe der Ausschließung anzugeben sind, und in das Lokations-Erkenntniß am gehörigen Orte eingereiht werden, die Hauptliquidation der Forderung aber vor dem Gerichte, wo sie angefangen, bis zum Schlusse fortgesetzt wird, wobei dem Gläubiger oder Contradiktor unbenommen ist, zu interveniren. Ist der Streit über die besonders verhandelte Forderung zur Zeit der Abfassung des Gant-Urtheils noch nicht beendigt, so wird dieselbe in diesem eventuell locirt.

[9] §. 13. Rücksichtlich der Rangordnung der Gläubiger entscheiden die an dem Orte des Gantgerichts geltenden Gesetze ohne irgend einen Unterschied zwischen in- und ausländischen Gläubigern. Was jedoch die auf unbeweglichen Gütern haftenden Hypotheken-Forderungen betrifft, so werden solche nach den Gesetzen des Gerichtsstandes der gelegenen Sache beurtheilt. Dasselbe gilt von den jure separationis kommenden Ansprüchen auf im Besitze des Gemein-Schuldners befindliche unbewegliche Grundstücke - wohin auch die Ewiggeld-Renten in München gehören so wie hinsichtlich der Nothwendigkeit, solche Ansprüche bei dem Concurs-Gerichte anzumelden

§. 14. Alle Real-Klagen und actiones mixtae, sie mögen eine bewegliche oder unbewegliche Sache betreffen, desgleichen alle possessorischen Rechtsmittel, wie auch die actiones in rem scriptae werden vor dem Gerichte erhoben, in dessen Bezirk sich die Sache befindet, welche den Gegenstand der Klage ausmacht, vorbehaltlich dessen, was auf den Fall eines Concurses §. 11. und 12. bestimmt ist.

Das von dem Gerichte der gelegenen Sache gesprochene rechtskräftige Erkenntniß wird von dem Richter des Wohnsitzes des Beklagten nach allen Theilen anerkannt, und an den in dem Wohnorte befindlichen Gütern in so weit vollstreckt, als die in dem andern Staate gelegenen Güter des Sachfälligen unzureichend sind.

§. 15. Erbschaftsklagen werden nicht im Wohnorte des Erben, sondern da, wo sich die Erbschaft befindet, erhoben, und zwar dergestalt, daß, wenn die Erbschaftsstücke zum Theil in dem andern Gebiete der contrahirenden Staaten sich befinden, der Kläger seine Klage zu theilen verbunden ist, ohne Rücksicht, wo der größte Theil der Erbschaftssachen sich befinden mag.

Doch werden alle beweglichen Erbschaftsstücke angesehen, als befänden sie sich an dem Wohnorte des Erblassers.

Aktiv-Forderungen werden ohne Unterschied, ob sie mit Hypothek versehen sind oder nicht, den beweglichen Sachen gleichgezählt, jedoch mit Ausnahme der in München bestehenden sogenannten Ewiggelder, als welche den Immobilien gleich geachtet werden.

§. 16. Der Gerichtsstand des Arrestes wird in beiden Staaten anerkannt, und daher das Urtheil des Arrest-Richters, so weit die arrestirte Sache nicht zureicht, von der Obrigkeit des Wohnortes vollzogen. Jedoch darf der Arrest nur alsdann, wenn eine wirkliche Gefahr, die Forderung zu verlieren , eintritt, erkannt werden.

Sobald auch der Richter des Arrests von dem ausländischen Richter des Wohnorts beurkundete Nachricht erhält, daß über den Schuldner bereits entweder die formelle Gant erkannt worden, oder sich derselbe wenigstens im Stande des materiellen Concurses befinde, der die Eröffnung [10] des formellen unvermeidlich macht, so wird der Arrest aufgehoben und die Forderung des den Arrest Impetrirenden an das Gant-Gericht verwiesen.

§. 17. Der Gerichtsstand des Contraktes findet nur dann seine Anwendung, wenn sich der Contrahent zur Zeit der Ladung in dem Gerichts-Bezirke anwesend befindet, in welchem der Contrakt geschlossen worden ist. Dieses ist besonders auf die auf öffentlichen Märkten geschlossenen Contrakte und auf den Viehhandel anwendbar.

§. 18. Die Klausel in einer Wechsel-Verschreibung, wodurch sich der Schulduer der Gerichtsbarkeit eines jeden Wechselgerichts, in dessen Gerichtszwang er zur Verfallzeit anzutreffen sei, unterworfen hat, wird von beiden Staaten als gültig, und das hiernach eintretende Gericht für zuständig, mithin dessen Erkenntniß für vollstreckbar anerkannt.

§. 19. Den Gerichtsstand der geführten Verwaltung hat der Ausländer, der sie führt, da anzuerkennen, wo entweder die bevormundete Person ihren Wohnsitz hat, oder die verwalteten Güter liegen, der Verwalter mag nun zur Zeit der Verwaltung in eben dem Staate gewohnt oder dieselbe in seinem auswärtigen Wohnsitze geführt haben.

§. 20. Jede ächte Intervention, die nicht eine besonders zu behandelnde Rechtssache in einen schon anhängigen Prozeß einmischt, sie sei principiell oder accessorisch, betreffe den Kläger oder den Beklagten, sei nach vorgängiger Streit-Verkündigung (litis denunciatio) geschehen, oder ohne dieselbe, begründet gegen den ausländischen Intervenienten die Gerichtsbarkeit des Staates, in welchem der Haupt-Prozeß geführt wird.

§. 21. Sobald vor irgend einem, in den vorhergehenden Paragraphen dieses Staats-Vertrages bestimmten Gerichtsstande eine Sache rechtshängig (pendent) geworden ist, so ist der Streit daselbst zu beendigen, ohne daß die Rechtshängigkeit durch Veränderung des Wohnsitzes oder Aufenthalts des Beklagten gestört oder aufgehoben werden könnte.

Die Rechtshängigkeit (Litis Pendenz wird durch Insinuation der Ladung für begründet erkannt.

§. 22. Alle Rechtsgeschäfte unter Lebenden und auf den Todesfall werden, was die Gültigkeit derselben rücksichtlich ihrer Form anbetrifft, nach den Gesetzen des Orts beurtheilt, wo sie eingegangen sind, soferne nicht die Handlung selbst einem verbietenden Gesetze des einen Staates entgegen ist.

Rechtsgeschäfte über Real-Rechte, als die Uebertragung des Eigenthums, Bestellung von Hypotheken und dergleichen, richten sich lediglich nach den Gesetzen des Orts, wo die Güter liegen, welche sie zum Gegendstande haben.

§. 23. Verbrecher oder andere Uebertreter von Strafgesetzen werden, so weit der nachfolgende §. 25. keine Ausnahme macht, von dem einen Staate dem andern nicht ausgeliefert.

[11] §. 24. Wenn der Unterthan des einen Staates in dem Gebiete des andern sich einer Uebertretung schuldig gemacht hat, und daselbst ergriffen und abgeurtheilt worden ist, so wird das Erkenntniß dieses Gerichts von dem Staate, dem der Verurtheilte als Unterthan angehört, an den in seinem Gebiete befindlichen Gütern desselben vollzogen.

Gleiches gilt von dem Falle, wenn der Schuldige in dem Staate, dem er als Unterthan angehört, verurtheilt worden ist, und in dem Gebiet des andern Staates Güter besitzt.

§. 25. Unterthanen des einen Staates, welche wegen Verbrechen und Vergehen ihr Vaterland verlassen, und in den andern Staat sich geflüchtet haben, werden auf vorgängige Requisition und Bescheinigung der verübten That, wie auch gegen Ersatz der Kosten an ihren Souverain ausgeliefert.

§. 26. In demselben Falle, wo der eine Staat berechtigt ist, die Auslieferung eines Verbrechers zu fordern, ist derselbe auch verbunden, die ihm von dem andern Staate angebotene Auslieferung, gegen Erstattung der Kosten, anzunehmen.

§. 27. In allen Civil- und Criminal-Fällen, wo die persönliche Gegenwart der Zeugen an dem Orte der Untersuchung nothwendig ist, wird die Stellung der Unterthanen des einen Staates vor das Untersuchungsgericht des andern zur Ablegung des Zeugnisses, zur Confrontation oder Conjection gegen vollständige Vergütung der Reisekosten, oder der Versäumniß, nicht verweigert.

Gegenwärtiger, doppelt ausgefertigter, von beiderseitigen Bevollmächtigten unterzeichneter Jurisdictions-Vertrag soll den beiden Allerhöchsten Höfen unverzüglich zur Ratification vorgelegt, und die Ratificationsurkunde längstens innerhalb zwei Monaten in München gegen einander ausgewechselt werden.

So geschehen München den 7. Mai 1821.

 ( L. S.)  ( L. S.)

 Jos. Ant. v. Belli. Chr. Ludw. Bilfinger.

Ratificirt und mit Bekanntmachung des Kgl. Bayerischen Staats-Ministeriums des Königl. Hauses und des Aeußern vom 23. September 1821 publicirt.

Reg.-Bl. f. d Königr. Bayern 1821. Nr. 33. S. 867–882.




5. Nachträgliche Uebereinkunft mit der Krone Württemberg, die Bevormundung der in Bayern und Württemberg zugleich begüterten Minderjährigen betreffend.

Da sich wegen Bevormundung derjenigen Minderjährigen, welche zugleich in Bayern und Württemberg Vermögen besitzen, einige Zweifel [12] ergeben haben, die durch den Inhalt des am 7. Mai 1821 zwischen beiden Staaten geschlossenen Jurisdiktion-Vertrags nicht ganz bestimmt zu heben waren, so ist man beiderseits über folgende Artikel nachträglich übereingekommen.

Artikel 1. Wenn jemand, der im Königreiche Bayern und im Königreiche Württemberg zugleich Vermögen besitzt (es sei ein Mann oder eine Frau, welche als Wittwe vermöge der Gütergemeinschaft in dem Vermögen sitzen geblieben war) mit Hinterlassung eines oder mehrerer minderjährigen Kinder stirbt, so ist die Vormundschaft über diese in demjenigen Staate zu bestellen, in welchem der oder die Verstorbene den Wohnsitz gehabt hat.

Artikel 2. Der andere der beiden Staaten macht sich verbindlich, alles bewegliche Vermögen, welches der oder die Verstorbene in demselben besessen hat, an diese Vormundschaft auszuantworten oder zur Verwaltung zu überlassen, und es sollen der Vormund oder die Vormünder auch in Ansehung dieses Vermögens nur allein der sie bestellenden Obrigkeit des Wohnortes Rechnung zu stellen schuldig sein.

Artikel 3. Hatte der oder die Verstorbene in demjenigen der beiden Staaten, in welchem sie nicht wohnten, unbewegliches Vermögen, so wird in Ansehung desselben für die Minorennen in diesem Staate auch noch eine Güter-Curatel (cura realis) obrigkeitlich bestellt.

Werden in der Folge diese Immobilien in gesetzmäßiger Art ganz oder zum Theile veräußert, verkauft, gegen auswärts gelegene Güter vertauscht u. dgl. so löst sich auch die Güter-Curatel in so weit auf und insbesondere sind die beweglichen Surrogate der veräußerten Güter, nach Artikel 2 zu behandeln.

Artikel 4. Derjenige der beiden Staaten, in welchem eine solche Güter-Curatel zu bestellen ist, macht sich im Voraus verbindlich, den oder die im Staate des Wohnorts ausgestellten, ihm nahmhaft zu machenden Vormund oder Vormünder, auch als Güter-Curator oder Curatoren anzuerkennen unter der Verbindlichkeit, der Ober-Curatel, über die Verwaltung der dort gelegenen Güter Rechnung zu legen, und deren Genehmigung oder Consens bei Veräußerung, Verstümmlung oder Belastung dieser Güter einzuholen. Der in dem einen Staate aufgestellte Vormund ist auf Verlangen gehalten, sich wegen Erfüllung dieser Verbindlichkeiten gegen die aufsehende Curatel-Behörde des anderen Staates an Eidesstatt zu reversiren.

Artikel 5. Wenn der Vater oder die Mutter der Minderjährigen einen Wohnsitz in einem jeden der beiden Staaten hatten, so wird die Vormundschaft in demjenigen Staate bestellt, in welchem Er oder Sie gestorben ist, oder sich, wenn der Tod in keinem der beiden Staaten erfolgte, [13] vor dem Ableben zuletzt aufgehalten hat, vorbehaltlich einer besonderen gegenseitigen Uebereinkunft in denjenigen eingetretenen Fällen, in welchen nach Bewandtniß der Umstände die Anwendung dieses Grundsatzes unbequem und für den Minderjährigen nachtheilig sein könnte.

Wegen Bestellung der Güter-Curatel in dem anderen Staate hat es jeden Falls bei demjenigen, was Artikel 2, 3, 4 festgesetzt ist, sein Bewenden.

Artikel 6. Hat endlich der oder die Verstorbene im Königreiche Bayern und im Königreiche Württemberg zwar Vermögen, aber in keinem von beiden einen Wohnsitz, so wird in jedem der beiden Staaten, ohne Rücksicht auf den andern, eine Güter-Curatel bestellt, vorbehaltlich dessen, was in Staatsverträgen mit demjenigen dritten Staate, in welchem der oder die Verstorbene gewohnt hat, solcher Vormundschaften halber verabredet ist.

Artikel 7. Vorstehende Vertrags-Artikel finden auf die Verhältnisse der zur Zeit etwa schon bestehenden und gegenseitig anerkannten Vormundschaften keine nothwendige Anwendung, vielmehr sollen dergleichen Vormundschaften auf die bisher stattgehabte Weise, wenn nicht durch besondere gemeinschaftliche Uebereinkunft eine Abänderung beliebt wird, bis zu deren Beendigung fortgeführt werden.

Gegenwärtige doppelt ausgefertigte, von beiderseitigen Bevollmächtigten unterzeichnete nachträgliche Uebereinkunft soll den beiden allerhöchsten Höfen unverzüglich zur Ratifikation vorgelegt und die Ratifikations-Urkunde längstens innerhalb zwei Monaten in München gegen einander ausgewechselt werden.

So geschehen München den 8. März 1825.

Graf v. Strohberg.  Frhr. v. Lehmitz-Goellenburg,
 Kgl. Würt. Staatsr. u. Gesandter am kgl. bayr.
 Hof als eigens dazu Bevollmächtigter.


Vorstehender nachträglichen Uebereinkunft zu dem mit der Krone Württemberg am 7. Mai 1821 geschlossenen Jurisdiktions-Vertrage ist von Seiner Königlichen Majestät die Allerhöchste Genehmigung ertheilt worden, und es werden die betreffenden Königl. Behörden zu pünktlicher Befolgung und Vollziehung derselben angewiesen werden.

München den 14. Dezember 1825.

Königl. bayr. Staatsministerium des Königl. Hauses und des Aeußeren.


Reg.- u. Intell.-Bl. f. d. Königr. Bayern f. d. J. 1825 Nr. 55 S. 1153-1158.