Nachtrag zur Nachricht vom Alexandersbad oder dem Sichersreuter Sauerbrunnen bey Wunsiedel
Jedes Arzeneymittel, so wie jedes Heilwasser, kann in seiner Art gut seyn, nur muß es am rechten Ort angebracht werden. Man hat zwar nicht Erfahrungen, die in die Tausende gehen; es werden auch keine Krücken vorgezeiget oder Geschichten aufbewahret, die Wundercuren vom Sichersreuter Brunnen verkündigen: und doch hat er seinen bleibenden Wehrt.
Der Herr Geheime Hofrath Delius hat in seiner Nachricht von diesem Brunnen, welche 1774 zu Bayreut im Druck heraus| kam, Resultate aus den Versuchen und Erfahrungen gezogen. Er saget S. 17:„Es erhellet, daß ausser dem eigentlichen Wasser und der Menge elastischen Luft in unserm Brunnen vorzüglich eine Meer- oder Kochsalzsäure, ein entzündbares bituminöses Wesen, in welchem allenfalls einige Vitriol- oder Schwefelsäure mit anzunehmen und welches zusammen den Brunnen-Geist ausmacht, dann auch einiges mineralisches alkalisches Salz, und eine alkalische und thonigte oder Bittersalz Erde, die mit einigen glimmerichten Theilen gemischt ist, befindlich sey; welche einfachere Bestandtheile nun eine solche Mischung verursachen, daß das Wasser nun nicht mehr sauer bleibt, sondern sich eine Art eines fixen amoniakalischen Salzes und ein eisenartiger Stof unter gehöriger Mischung bildet.“
Hieraus läßt sich einigermassen bestimmen, in welchen Krankheiten dieses Wasser anzurathen ist. Das Urtheil hierüber von gedachten Herrn Geheim. Hofrath, was die Erfahrungen allerdings bestättigen, stehet vielleicht hier am rechten Orte. Er fähret S. 18 fort:
| „Die mineralischen Wasser kommen in mancher Rücksicht miteinander überein, sind aber allerdings in Absicht des Verhältnisses ihrer Mischung, somit auch in Absicht ihrer Wirkung und Wahl derselben sehr unterschieden. Sie erhalten indessen von ihrer Mischung ihre sich auf die Receptivität des Cörpers gründende Wirksamkeit, und diese kann allerdings beträchtlich seyn, wenn die Quantität der Bestandtheile groß ist. Indessen rührt doch nicht alle Kraft dieser Wasser von der Menge der Bestandtheile selbst her, wie ich denn auch z. E. von einem Pfund des Spaa-Wassers nur 5 Gran beynahe ähnlichen Sediments erhalten habe. Eben so viel und etwas drüber fixen Gehalts liefert dann auch das Sichersreuter Wasser, und so viel, kann man annehmen, trinkt man in einer halben Maas oder in einem Pfund Wassers. Es ist aber der angezeigte spirituöse Theil, in Gesellschaft vieler elastischen Luft, welcher sowohl, in so ferne solcher einigermassen frey ist, als auch in so ferne er andere Materien eben auflöset, bey dem Trinken besonders wirksam, indem derselbe die empfindlichen Theile des Körpers reizet, solche in eine schickliche Bewegung setzet, wodurch denn| auch in den Eingeweiden, in dem Blut und Absonderungs-Gefäßen eine mehrere Bewegung entstehet.“Wären aber auch die Versuche dieses würdigen Gelehrten nicht bekannt, so kann sich jeder an der Quelle überzeugen, daß das Sichersreuter ein sehr angenehm zu trinkendes, reines, mit vieler Luftsäure und mit Eisentheilen geschwängertes Wasser sey. Freylich ist letzteres nicht nach Untzen anzutreffen, aber doch hinlänglich, um es da anrathen zu können, wo man mineralische und eisenhaltige Wasser als stärkend oder sonst anzurathen vermüßiget wird.
Wenn es richtig ist, daß nach den Versuchen des Doctor Rhedes in der Mischung des menschlichen Bluts das Eisen im Durchschnitt den 480ten Theil ausmachet; wenn man ferner mit den meisten Physiologen annimmt, daß ein ausgewachsener Mensch 25 Pfund Blut im Körper habe: so möchten in der ganzen Masse nicht gar 7 Quentchen Eisen anzutreffen seyn. Hieraus ist leicht zu begreifen, daß eine zu große Menge Eisentheile in den Körper gebracht, vielen Schaden anrichten und die Blutmasse ganz aus ihren natürlichen Verhältnissen bringen müßte: überdem würde eine zu große Menge und am| Ende der Gesundheit nachtheilige Luftsäure erfordert werden, um viele Eisentheile aufgelöst zu erhalten: denn nach Bergmann sind 25 Cubiczoll dergleichen Luftart nöthig, um nur 1 Gran Eisen zu binden. Es ist wohl nicht zu viel behauptet, wenn man in einem Pfund des Sichersreuter Wassers 25 Cubiczoll Luftsäure und 1 Gran Eisen annimmt, welches wohl hinreichend seyn möchte, es bey Krankheiten mit Nutzen zu empfehlen, wo Eisentheile im Blut fehlen, wo dieses zu schleimicht und zu aufgelöst, und folglich eine Schlappheit und Schwäche in soliden Theilen vorhanden ist. Daher beweist es sich in kachektischen Krankheiten so wirksam. Nur eine Geschichte von vielen zum Beweis.So gute Wirkung man sich in dergleichen Krankheiten versprechen kann, so wirksam ist dieses Wasser in veralteten Rhevmatismen, bey irrender Gicht und deren Folgen. Die ihm beygemischten Salze, verbunden mit elastischer Luft und Eisen, durchdringen die kleinsten Gefäße, heben Stockungen, beleben die vesten Theile und machen das Nervensystem thätiger. Auch hier fehlt es nicht an Erfahrungen.
Eine Dame von 66 Jahren von vielsäftigem und schwammichtem Körper litt viel an einer lang daurenden Gicht, die die ganze Maschine zu zerrütten drohete, unendliche Schmerzen verursachte und den Gebrauch der Füße ganz unthätig gemachet hatte. Nachdem so manche Jahre hindurch vieles vergebens von Kunstverständigen und Laien gerathen worden, wurde der Kranken ein entferntes Bad um deßwillen vermuthlich angerathen, weil man glaubte, fremde Waare sey besser, als einheimische. Da bey dieser Dame der Sichersreuter Brunnen indicirt war; so wurde natürlicher Weise der| Bequemlichkeit willen und um unnöthigen Aufwand zu ersparen, von einem Wunsiedler Arzt gerathen, solchen an der Quelle zu trinken. Die Kranke kam in dem bedauernswürdigsten Zustand zur Quelle. Diese Dame war nicht im Stande, auch nur im Seßel einen Fuß zu bewegen. Nach Verlauf von 14 Tagen wurde sie theils durch Trinken, theils durch das Bad so gestärkt, daß sie den Brunnen, man kann sagen, ganz gesund verließ, und nie mehr einen Rückfall, so lange sie noch lebte, zu erleiden hatte. Der Brunnen wirkte hier vorzüglich auf Schweis und Urin, schaffte durch diese Wege die gichtische Schärfe weg, und verschaffte den so sehr geschwächten Theilen ihre Stärke in der Maaße wieder, daß nicht nur die Krankheit für jetzt, sondern auch für die Zukunft verjaget hat.Eben so allgemein wird er in manchen Fiebern mit Nutzen von Kranken getrunken, besonders da, wo entweder eine zur Fäulung geneigte Galle nebst andern stockenden und schleimichten Theilen - oder eine katharrhalische Constitution gegenwärtig ist. Seines überaus angenehmen und erfrischenden Geschmacks wegen trinken solchen die Kranken ungemein gerne, ja man muß sagen, sie fordern ihn mit Sehnsucht.
Selbst in Folgen bösartiger Pocken hat man schöne Erfahrungen, da wo beym Abdörren Pockeneiter zurückging, oder wo die Natur diese nicht gehörig gegen die Haut absetzte und ein anhaltendes dem abzehrenden sehr nahe kommendes Fieber zurück blieb. Er führte, mit Milch getrunken, diese zurückgebliebene Schärfe durch Urin ab, stärkte den während der Krankheit so sehr geschwächten Körper, brachte die verlorne Eßlust zurück und heilte manches schon dem Anschein nach verloren gewesene Kind.
| Man könnte noch mehrere Bemerkungen, wo dieses Wasser sich wirksam erwies, z. E. bey Magen-Beschwerden, bey Flechten und veralteten Hautausschlägen, in Wechselfiebern etc. anführen, wenn hier der Ort wäre, sich weitläuftiger zu erklären. Dieß vielleicht bey einer schicklichern Gelegenheit.[2] Hier nur noch so viel für den Auswärtigen. Für Bequemlichkeit und für jede Anstalt ist gesorget, die man an dergleichen Orten suchen und fordern kann. Man darf hieran um so weniger zweifeln, da Alexander der Erneuerer dieser zu wenig bekannt und bald vergessen gewesenen Quelle ist. Dieser Fürst hat sich durch diese Erneuerung und durch die vortreffliche innere Einrichtung des schönen Brunnenhauses ein immer bleibendes Denkmahl um so mehr errichtet, da er viel zu erhaben denkt, als aus dieser fürstlichen Einrichtung Einkünfte ziehen zu wollen. Des Fürsten Absicht war, hier sich befindlichen Kranken einen bequemern Aufenthalt zu verschaffen, und dafür hat ihn schon mancher Genesene geseegnet.