RE:Karten/II

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C. Karten der Oikumene (Weltkarten).

§ 18. Wenn wir uns wie billig auf gezeichnete K. beschränken und daher auch Homer mit den anderen allgemeinen Darstellungen der Oikumene und des Erdkörpers samt seinen Beziehungen zum Weltall weglassen, steht Anaximandros von Milet (s. Wellmann o. Bd. I S. 2085), ein jüngerer Zeitgenosse und Landsmann des Thales, am Anfang der ganzen Reihe. Das ist das Urteil des Eratosthenes (Strab. I 1, 11 C 7: τὸν μὲν οὖν ἐκδοῦναι πρῶτον γεωγραφικὸν πίνακα) und dann überhaupt Gemeingut der Literar- und Fachhistoriker; vgl. Agathemeros bei Müller Geogr. gr. min. II 471 πρῶτος ἐτόλμησε (über diese Wendung vgl. Berger Gesch. d. Erdk.² 25, 2) τὴν οἰκουμένην ἐν πίνακι γράψαι; Eustath. ebd. 208 und die Scholien zur Periegese des Dionysios ebd. 428; dazu Diog. Laert. II 1, 2. Die merkantile Bedeutung seiner Vaterstadt hat Anaximandros gewiß als eine starke Förderung seines Unternehmens empfunden; der Anreiz dazu war gerade damals dort wohl leichter als anderwärts gegeben. Auf seiner Erd-K. ,war das Mittelmeer bereits richtig als geschlossenes Becken gezeichnet, während er den Rand der Erde rings [2047] von Meer umgeben sein ließ, wohl ebensosehr in Anlehnung an die mythischen Vorstellungen vom Okeanos, wie durch geniale Generalisation der Nachrichten von dem äußeren Meer jenseits der Säulen des Herakles und des Isthmus von Suez. So wurde Anaximandros der Begründer der Geographie‘ Beloch Griech. Gesch. I 1² 437f. - Vgl. Müllenhoff-Roediger Deutsche Altertumskunde I 237. H. Berger Fragmente des Eratosthenes 41. 59 und Gesch. Erdk.² 25ff.

Mag nun Anaximandros wirklich zuerst versucht haben, eine wissenschaftlichen Anforderungen seiner Zeit entsprechende Erd-K. zu zeichnen, oder war er doch nicht der erste (denn es ist nicht wahrscheinlich, daß es so lange Zeit gebraucht habe, bis sich jemand angeregt fand, das Verkehrs- und Interessengebiet einer Handelsstadt, wie z. B. Milet es gewesen ist, in irgend eine Gesamtvorstellung der bewohnten oder überhaupt der gesamten Erde, im Geiste zunächst und dann bildlich, zu fügen), jedenfalls haben wir aus den folgenden Jahrhunderten kein greifbares Zeugnis dafür, daß dieser oder jener Grieche eine Erd-K. konstruiert habe. Freilich ist das eigentlich selbstverständlich, daß das K-Zeichnen nicht wieder unterlassen worden sei, und diese Kontinuierlichkeit wird noch wahrscheinlicher durch das, was wir von der kritischen Beschäftigung mit der K. des Anaximandros - oder nennen wir sie, von Anaximandros absehend und seine ionischen Landsleute als seine Nachfolger, Kritiker oder Verteidiger berücksichtigend so: - mit der ionischen K.[1] ermitteln können.

§ 19. Es würde also, das müssen wir uns eingestehen, unseren entwicklungsgeschichtlichen Erfahrungen widersprechen, wenn die K. Anaximanders den Anfang der griechischen K.-Reihe bedeutete. Es genügt vollkommen anzunehmen, daß die Kunde von noch älteren K. nur etwa deshalb sich nicht erhalten hat, weil überhaupt zuerst der Entwurf Anaximanders eine gewisse Publizität erlangte oder weil dieser die Ansprüche des Publikums aus irgend einem Grund mehr befriedigte als die vorausgegangenen Versuche.

Ein gewisses Aufsehen hat eine Entdeckung hervorgerufen, die W. H. Roscher in einer dem hippokrateischen Corpus einverleibten Schrift περὶ ἑβδομάδων (vgl. über sie Gossen o. Bd. VIII S. 1825) gemacht und in einer Anzahl von Aufsätzen vertreten hat: Die Hebdomadenlehre der griechischen Philosophen und Ärzte (= Abh. Sächs. Gesellsch. XXIV 6, 1906) 9ff.; Über Alter, [2048] Ursprung und Bedeutung der hippokrateischen Schrift von der Siebenzahl (= XXVIII 5 1911), Die neuentdeckte Schrift eines altmilesischen Naturphilosophen des 6. Jhdts. v. Chr. (Memnon V. 1911) 149ff. und Das Alter der Welt-K. in ,Hippokrates‘ περὶ ἑβδομάδων und die Reichs-K. des Darios Hystaspis (= Philol. LXX 1911) 529ff. Die ersten Kapitel dieser Schrift haben ,einen überaus wertvollen Abschnitt aus einem philosophischen Werk der altmilesischen Schule‘ (Memnon a. O. 151) uns erhalten. Wie Kapitel 11 (Harder Rh. Mus. XLVIII 1893, 644. Roscher Memnon V 166) sagt, ,zerfällt auch die ganze Erde in 7 Teile:

  • 1. sie hat als Kopf und Gesicht die Peloponnesos, den Wohnort wohlgesinnter Männer;
  • 2. den Isthmos, entsprechend dem Rückenmark (? Hals?)
  • 3. Ionien als Zwerchfell [also als Sitz aller Intelligenz und Kultur]
  • 4. den Hellespont als Schenkel
  • 5. den thrakischen und kimmerischen Bosporos als Füße
  • 6. Ägypten und das ägyptische Meer als [oberen] Bauch
  • 7. Pontos Euxeinos und Maiotis als unteren Bauch [vesica?] und Mastdarm‘.

Das ist eine bildliche Vorstellung, ein Vergleich, und kann erst auf dem Weg über eine gezeichnete K. entstanden sein, sowie z. B. der Vergleich Europas mit einer Frau im Reifrock, an der ein Hund (Skandinavien) emporspringt, uns als Kindern nur aus der Betrachtung einer Land-K. Europas einfallen konnte. Soweit werden wir Roscher Recht geben müssen und uns auch mit seiner Datierung jener K. einverstanden erklären, die älter sein müsse als die Anaximanders, weil sie sicher weniger als diese enthalten habe. Sie ignoriere nämlich völlig Athen und das persische Reich, ebenso die westlichen Ansiedlungen der Griechen auf Sizilien und in Italien, ,wo bekanntlich die Milesier sehr wenig verkehrten‘, hebe ,dagegen das besondere Kolonial- und Handelsgebiet der Milesier, nämlich die Küsten des Hellespontos, der beiden Bospori, des Pontos Euxeinos und der Maiotis, endlich Ägyptens (Naukratis) sehr energisch hervor‘; in diese Zeit vor dem Aufstieg Athens und vor der Bezwingung und Zerstörung Milets durch die Perser passe es recht gut, daß Sparta (Peleponnes) und Megara (Isthmos) noch blühen. Sind schon Roschers Schlüsse ex silentio auf Inhalt und Umfang jener K. revisionsbedürftig, so ist sicher seine Vorstellung von der Verrenkung des Körpers (doch wohl der Ge oder der Oikumene) unhaltbar, die er durch Vergleich mit einer ägyptischen Darstellung des Erdgottes Qêb (im Tempel von Philai; ,wie ein Jongleur auf dem Boden, mit hinterwärts gekehrten Beinen liegende männliche Gestalt‘, Brugsch Rel. und Myth. d. alten Ägypter S. 218, abgebildet S. 211) zu stützen versucht; unhaltbar, auch weil sie dem hellenischen Gefühl von Natürlichkeit und Einfachheit zuwiderläuft. Ohne den 7. und letzten Teil dieser Einteilung könnte der Typus vollkommen dem später geläufigen Bild einer auf dem Boden sitzenden oder gelagerten Erdgottheit entsprechen; in der Charakterisierung dieses 7. Teils als vesica? und [2049] longabo (so schreibt Roscher beharrlich) wird wohl irgend ein Fehler stecken.

§ 20. Hingegen wird die Reichs-K. des Dareios I., deren Existenz aber nicht etwa damit prinzipiell geleugnet werden soll, nicht aus der Inschrift und dem Relief des Dareiosgrabes zu entwickeln sein. Die 28 Vertreter der von Dareios unterworfenen Landschaften sind dort zwar in geographischer Folge gezeichnet; eine derartige Anordnung führt aber noch lange nicht auf ,eine förmliche, vom altpersischen Standpunkt aus entworfene Erd-K.‘; ebensowenig klingt es überzeugend, daß diese angebliche, zwischen den Jahren 500 und 486 gezeichnete ,Reichs-K. des Dareios größtenteils denselben Inhalt wie die περίοδος γῆς des Hekataios‘[2] gehabt habe, und daß Hekataios sie für sein Werk mitverwendet habe, ,worauf schon die Zahlen der Parasangen hinweisen‘ (Philol. a. O. 536); daß auf einer so alten K. Straßenzüge, noch dazu mit Entfernungsangaben, eingezeichnet worden seien, klingt so unwahrscheinlich als möglich; es ist vielmehr weit wahrscheinlicher, daß die Entfernungsangaben der großen Königstraße von Ephesos nach Susa, Herodot V 52-54 (nur auf diese bezieht sich Herodot ausdrücklich), entsprechend der gewöhnlichen Annahme, so auch z. B. in Stein’s Kommentar, von Herodot aus einem Buchitinerar abgelesen worden sind.

§ 21. Stellen, an denen Herodot[3] Kritik an [2050] der ionischen Welt-K. übt, zählt Berger² 35, 3 und 4 auf. Die Hauptstelle, welche auch auf Aristoteles meteor. II 5, 13 (vgl. dazu Berger² 36, 1, aber auch Berichte a. a. O. 129) bestimmend eingewirkt hat, ist IV 36: γελῶ δὲ ὁρέων γῆς περιόδους γράψαντας πολλοὺς ἤδη καὶ οὐδένα νόον ἐχόντως ἐξηγησάμενον· οἳ ὠκέανόν τε ῥέοντα γράφουσι πέριξ τὴν γῆς ἐοῦσαν κυκλοτερέα ὡς ἀπὸ τόρνου (= wie auf der Drehscheibe, oder wie mit dem Zirkel) καὶ τὴν Ἀσίην τῇ Εὐρώπῃ ποιεύντων ἴσην. Daß die ,πολλοί‘ diese ihre Meinung gerade durch Zeichnung und nicht, sowie Herodot seine geographischen Ansichten vertritt, bloß durch das geschriebene Wort (wenigstens bei der Veröffentlichung ihrer Werke[4] zum Ausdruck gebracht haben, geht freilich aus der zu allgemein gehaltenen Fassung der Stelle nicht hervor.

Nur daß K. der Erde in Herodots Jahrhundert bereits in größerer Zahl verbreitet waren, muß für uns außer Zweifel stehen. Sokrates führt (Aelian. var. hist. III 28) den Alkibiades ἔς τινα τῆς πόλεως τόπον, ἔνθα ἐνέκειτο πινάκιον ἔχον γῆς περίοδον, und heißt ihn zunächst Attika und dann seinen eigenen Grundbesitz darauf suchen. - Aristophanes verspottet und höhnt den Unterricht der Sokrateischen Schule, in der der naiv-unwissende Strepsiades sich von einem Schüler des Hauses eine Erd-K. vorweisen läßt (Wolken 206 ff.): αὔτη δέ σοι γῆς περίοδος πάσης· ὁρᾷς· αἵδε μὲν Ἀθῆναι. Der schon erfahrene Schüler zeigt auf Attika, das lang hingestreckte Euboia und auf Lakedaimon; daß diese Namen auf der K. standen, bezw. daß diese Annahme den Zuschauern zugemutet werden durfte, kann uns nicht weiter wundernehmen; freilich daß auch des Strepsiades Dorfgenossen, Κικκυνῆς δημόται, auf der K. verzeichnet waren, während auf jener früheren der Ackerbesitz des Alkibiades nicht ausgewiesen war, ist scherzhafte Übertreibung des Autors. Zur Zeit der Aufführung der Wolken muß also der größeren Zahl der attischen Bürger eine K. nicht mehr etwas ganz Ungewohntes und Fremdartiges gewesen sein. Während also für Athen, das übrigens in dieser Zeit, wenigstens soviel wir sehen, auf die Entwicklung der Kartographie keinen Einfluß ausübt, zwei K. von unserer Überlieferung genannt oder erdichtet werden, war eine dritte angeblich nach Sparta gebracht worden (um 500 v. Chr.), und zwar von einem Milesier; Aristagoras nämlich flüchtet nach Sparta und verhandelt mit König Kleomenes, ὡς Λακεδαιμόνιοι λέγουσι, fügt Herodot seinem Bericht V 49 bei, ἔχων χάλκεον πίνακα ἐν τῷ τῆς γῆς ἁπάσης περίοδος ἐνετέτμητο καὶ [2051] θάλασσά τε πᾶσα καὶ ποταμοὶ πάντες. Bestimmteres über den Inhalt der K. erfahren wir ein paar Zeilen weiter, da Aristagoras dem Spartaner den Angriffsplan gegen das persische Reich entwickelt, δεικὺς ἐς τῆς γῆς τὴν περίοδον, τὴν ἐφέρετο ἐν τῷ πίνακι ἐντετμημένην. Er weist mit dem Finger auf die Wohnsitze der Ioner, Lyder, Phryger, Kappadoker, Kiliker und das angrenzende Meer, weiter auf die Insel Kypros, dann auf die Armenier, die Matiener, das kissische Land, dann auf den Fluß Choaspes und endlich auf die Residenz des Großkönigs, Susa.

In das Zeitalter Alexanders d. Gr. und die folgenden Jahrzehnte führen zwei Erwähnungen von K., die gleich hier angefügt werden können; die eine bei Aristoteles meteor. I 13 δῆλον δ’ ἐστὶ τοῦτο θεωμένοις τὰς τῆς γῆς περιόδους, ταύτας γὰρ ἐκ τοῦ πυνθάνεσθαι παρ’ ἑκάστων οὕτως ἀνέγραψαν, ὅσων μὴ συμβέβηκεν αὐτόπτας γενέσθαι τοὺς λέγοντας (dazu bemerkt Müllenhoff Deutsche Altertumsk. 1² 226: ,eine andere Auffassung läßt der Ausdruck θεωνέβιθς τ. τ. γ. π., wenngleich darauf λέγοντας folgt, kaum zu, als daß dem Text der alten γῆς περίοδοι regelmäßig bildliche Darstellungen oder K. beigegeben waren‘), die andere im Testament Theophrasts, Diog. Laert. V 2, 14, wo angeordnet wird ἀναθεῖναι δὲ καὶ τοὺς πίνακας, ἐν οἷς αἱ τῆς γῆς περίοδοί εἰσιν, εἰς τὴν κάτω στοάν.

§ 22. Die ionische K. scheint bestimmend gewesen zu sein für Ephoros und Dikaiarchos. Sie muß innere Vorzüge besessen haben, die ihre Verwendbarkeit auch in noch späterer Zeit und selbst nach der reformatorischen Tätigkeit des Eratosthenes, die für die Gestaltung des Erdbildes in großen Zügen auf grund eines reicheren und weit über die Kenntnisse der früheren Jahrhunderte hinausgreifenden Materials große Fortschritte erzielt hatte, so daß Hipparchos, der strenge Kritiker, angeblich oder anscheinend aus Verdruß über Eratosthenes’ Zurückbleiben hinter den Anforderungen der Astronomie, lieber die weitere Verwendung der alten K., d. i. der K. nach dem alten unmathematischen System empfiehlt (κελεύει ἡμᾶς τοῖς ἀρχαίοις πίναξι προσέχειν), die doch einer sehr viel stärkeren Durchbesserung bedürfen, als die K. des Eratosthenes (ὁ Ἐρατοσθένους πίναξ; Strab. II 1, 38 C 90; vgl. Berger Gesch. Erdk.² 109.

§ 23. Daß Ephoros seiner Darstellung eine K. beizufügen genötigt gewesen wäre, ist nicht anzunehmen. Über die geographischen Vorstellungen des Ephoros, die vor allem im 4. und 5. Buch seiner Ἱστορίαι niedergelegt waren, hat Schwartz o. Bd. VI S. 4f. und 13 gehandelt, über Dikaiarch Martini o. Bd. V S. 559ff.; über beide vor allen Berger Gesch. Erdk. 237 und 370ff. (vgl. auch sonst sein alphab. Verz.).

Anders liegt es bei Dikaiarch, der technisches Können bewiesen hat und also auch eher sich mit der Aufgabe des K.-Zeichnens befreunden mochte; ferner haben seine Erdmessungen geradezu zu einer Umzeichnung der Land- und Meerkonturen herausgefordert. Es ist aber nicht nötig, daß seine Neuzeichnung des Erdbildes etwa die bisherigen K.-Versuche überflüssig gemacht habe; Dikaiarchs K. brauchte bloß davon abzusehen, den Inhalt der früheren Versuche ganz [2052] oder auch nur großenteils aufzunehmen; und je höher wir den Mann einzuschätzen lernen, umso weniger ist anzunehmen, daß er seinen Versuch mit dem - auch noch etwa ungeprüften oder für die der Forschung neu gewonnenen Landgebiete noch gleichmäßig zu ergänzenden - Ballast des Details der früheren K. belastet habe. Ich bin daher nicht in der Lage, eine ausdrückliche Berufung auf diese K. in den Worten Ciceros ad Att. VI 2, 3 zu erkennen: Peleponnesias civitates orrmes maritimas esse hominis nonnequam, sed etiam tuo iudicio probati, Dicaearchi, tabulis credidi, meine vielmehr, daß die tabulae Listen seien, auf die das fast unmittelbar darauf folgende τῷ τῶν νέων (nämlich νεοκτίστων) καταλόγῳ hinweist.

Wichtig für die Zeichnung des Dikaiarch ist
a) die gerade Linie, die er durch das Mittelländische Meer und weiterhin durch das Asien angeblich durchquerende Gebirge legt, Agathem. 1, 5 bei Müller Geogr. gr. min. II 472 Δικαίαρχος δ’ ὁρίζει τὴν γῆν οὐχ ὕδασιν, ἀλλὰ τομῇ εὐθείἁ, ἀκράτῳ ἀπὸ Στηλῶν διὰ Σαρδοῦς, Σικελίας, Πελοποννήσου, Ἰωνίας (?) Καρίας, Λυκίας, Παμφυλίας, Κιλικίας καὶ Ταύρου ἑξῆς ἕως Ἰμάου ὄρους· τῶν τοίνυν τόπων τὸ μὲν βόρειον τὸ δὲ νότιον ὀνομάζει. Diese Linie, das sonst sog. διάφραγμα (Boll o. Bd. V S. 341f.), übernimmt dann Eratosthenes in sein System. Von dieser Linie entfallen (Strab. II 4, 2 C 105) auf das Stück von den Säulen bis zum Peloponnes 10 000 Stadien (von der sizilischen Meerenge bis zum Peloponnes 3000); über die Bedeutung dieser Maße (Berger² 374. Über die glückliche Wahl und wissenschaftliche Bedeutung dieser Linie stellt Urteile zusammen S. Günther Gesch. d. Erdk. (= Die Erdkunde, herausg. von M. (Klar I 1904) 24, 3. Sie bildet fortan die Hauptlinie der antiken Geographie, vgl. Ptol. I 21, 2 τὸν διὰ Ῥόδου γραφησόμενον (παράλληλον), ἐφ’ οὗ καὶ τῶν κατὰ μῆκος διαστάσεων αἱ πλεῖσται γεγόνασιν ἐξετάσεις.

b) daß er die von Demokritos aufgestellte Proportion von Länge zu Breite der Oikumene wie 3 : 2 billigte, Agathem. I 2 bei Müller a. O. 471, so daß also die Nordsüdlinie 2/3 der Ostwestlinie betrage.

c) Sehr ansprechend ist die Vermutung Bergers (Eratosth. S. 173f. und ausführlicher dargelegt Gesch. Erdk.² 370ff.), daß die von Kleomedes I 8 p. 42f. Balfour (78 Ziegler) ohne Gewährsmann überlieferte Messung des durch Syene und Lysimacheia laufenden Meridians auf Dikaiarch zurückgehe; daß also schon Dikaiarch das von Strab. II 5, 16 C 120 geforderte Verfahren eingeschlagen habe, zwei einander rechtwinklig schneidende Haupt- oder Richtlinien in das Erdbild zu fügen. - Nach Bergers Vorschlag entspricht der Meridianbogen Lysimachia-Syene mit 20 000 Stadien 4/60 des größten Erdkreises; vom Meridianbogen Syene-Äquator würde das Stück bis Meroe 1/60 Erdkreis = 5000 Stadien betragen und weiter und im unbewohnbaren Teil der Tropen 3/60 Erdkreis ausmachen, Lysimacheia-Polarkreis 3/60 Erdkreis = 15 000 Stadien, endlich das wegen der Kälte unbewohnbare Gebiet noch 4/60 Kreis = 20 000 Stadien; die Oikumene wäre also (Meroe-Polarkreis) 40 000 Stadien breit, 60 000 lang.

[2053] § 24. Was Eratosthenes, der Dikaiarch zeitlich ablöst und in Fragen der Erd-K. trotz aller Selbständigkeit in diesem Belange doch auf dessen Schultern zu stehen scheint, für die Frage des Erdbildes zu bedeuten habe, ist von Knaack o. Bd. VI S. 366-375 scharf umrissen; dort auch die Literatur, zu der das Wichtigste Berger Die geograph. Fragmente d. Eratosthenes (1880) und einzelnes weiter ausführend Gesch. Erdk.² 384ff. beigetragen hat. Das K.-Bild hat Knaack a. O. 368-374 ausführlich erörtert und die Urteile der folgenden Geographen und Astronomen dazu gefügt, so daß hier nicht gut mehr als eine Rekapitulation der Hauptpunkte der Einteilung seiner K. der Oikumene gegeben werden kann:

a) Rechtwinklig schneiden einander auf Rhodos die beiden Hauptlinien, der Meridian durch Syene und der Parallelkreis durch Alexandria. Der Meridian mißt von Meroe bis Alexandreia 10 000 Stadien, bis zum Hellespont 8100, bis zum Borysthenes 5000, bis zum Kreis von Thule 11 500; und andererseits südwärts von Meroe bis zur Zimtküste 3400; zusammen 38 000 Stadien (Strab. I 4, 2 C 63). Das (heute sog.) Diaphragma [5] mißt durch Indien bis zur Indusmündung 19 000, bis zu den Kaspischen Toren 14 000, bis zum Euphrat 10 000, bis zum Nil 5000, bis zur kanobischen Nilmündung 1300, bis Karthago 13 500, bis zu den Säulen 8000, also zusammen 70 800 Stadien, nicht gerechnet eine jenseits der Säulen noch auf Westeuropa entfallende Strecke von mindestens 3000 Stadien (Strab. I 4, 5 C 64). Dazu schlägt Eratosthenes noch, der Grund wird uns von Strabon nicht recht klar gemacht, im Westen und im Osten je 2000 Stadien; somit insgesamt 77 800 Stadien. Also ein Verhältnis der Breite der Oikumene zur Länge rund wie 1 : 2.

Parallel zu diesen beiden Hauptlinien zieht Eratosthenes noch durch die oben angezeigten Punkte, also durchaus nicht in gleichen Entfernungen, eine kleine Zahl von Meridianen und Parallelkreisen[WS 1]. Eratosthenes ist also noch sehr entfernt von einem geometrischen K.-Netz, und daß sich seine Meridiane und Parallelkreise als gerade Linien unter rechten Winkeln treffen, muß der Richtigkeit seiner Zeichnung, wie er sie sich dachte, starken Eintrag machen. Ebenso war das Bestreben des Eratosthenes, die Richtlinien durch bedeutende Namen zu führen, also vielleicht mnemotechnische Stützen zu schaffen, nur auf Kosten der Genauigkeit möglich, wie er denn z. B. Rom und Karthago auf den nämlichen Meridian legte (Strab. II 1, 40 C 93).

Auf die σφραγίδες des Eratosthenes brauche ich hier überhaupt nicht einzugehen, dann hat auch Knaack o. Bd. VI S. 370ff. über sie gehandelt. Nur zum Terminus möchte ich eine Bemerkung machen, weil Knaack 370, 45 ebenso wie Berger Fragm. Eratosth. 223, 3 und Gesch. Erdk.² 346, Günther Gesch. Erdk. 24, 5 und tutti quanti, die sich mit seiner Entstehung befaßt haben, etwas übersehen haben oder vielmehr nach dem Stande unseres Wissens [2054] nicht leicht erkennen konnten: Es handelt sich nämlich nicht um einen ,poetisch gefärbten Vergleich, dessen Grund und Sinn schwer zu erraten ist‘, sondern um einen nüchternen Ausdruck des Geschäftslebens in Ägypten, dem wir in den Papyri nicht selten begegnen. Das Wort bedeutet nämlich, in Fortbildung seines ursprünglichen Sinnes, einen durch Grenzsteine abgemarkten Acker und weiterhin auch eine mehr oder minder große Zahl zusammenliegender einzelner Grundstücke, ,welche durch einander Privateigentum oder Staatseigentum sein könnten‘, gleich bedeutend mit μερίς ,Dorfflurbezirk‘; vgl. Preisigke Straßburger Papyri I 90f. und 14. Mitteis Chrestomathie nr. 149, 10. Croenert in Wesselys Studien zur Pal. und Pap.-Kunde IV (1905) 91. Auch die Durchzählung der σφραγῖδες ist im Alltagsleben bezeugt.

Rekonstruktionen seiner K. sind mehrmals versucht worden, so von Ukert Geographie der Gr. und R. I 2 (1816) Tf. 2, Forbiger Geographie I (1842) Taf. 4. Ch. Müller im Anhang zur Didotschen Ausgabe des Strab. (1858) Tf. 1, von Vivien de St. Martin im Atlas zu seiner Histoire de la Géographie (1874) Tf. 2, 5, von Spruner-Sieglin Atlas ant Taf. I 2; vgl. auch die Skizze bei Berger Gesch. Erdk.² 400 Fig. 9.

Die Bedeutung seines Werkes für die Zeitgenossen und die folgenden Geschlechter geht sowohl aus seiner starken Benützung wie aus den Entgegnungen hervor, die in größerer Zahl nachweisbar sind; u. a. hat Polybios sich mit der Prüfung Dikaiarchs und des Eratosthenes (τὸν τελευταῖον πραγματευσάμενον περὶ γεωγραφίας, Strab. II 4, 1 C 104) befaßt, und Strabon hat so oft in seiner Geographie Stellung zu Eratosthenes genommen, daß wir aus ihm uns einen guten Teil seiner Ansichten, freilich, wie es bei Strabons Art und Selbständigkeit nicht anders zu erwarten ist, nicht ausreichend rekonstruieren können.

§ 25. Die schwache Seite des Eratosthenes hat Hipparchos (s. Rehm o. Bd. VIII S. 1666ff. und besonders über seine Stellung zur Geographie 1677ff.), einer der größten, wenn nicht der größte Astronom des Altertums, erfaßt, indem er immer und immer wieder auf den Mangel einer astronomischen Fundierung seiner Geographie hinwies; durch diese Kritik hat Hipparch der Kartographie den größten Dienst erwiesen, allerdings zunächst ohne durchgreifenden Erfolg.

Er lehrte, niemand solle sich mit Geographie befassen (Strab. I 1, 12 C 7) ἄνευ τῆς τῶν οὐρανίων καὶ τῆς τῶν ἐκλειπτικῶν τηρήσεων (Beobachtungen von Finsternissen) ἐπικρίσεως. Denn ob Alexandreia nördlich oder südlich von Babylon liege und welcher Längenunterschied zwischen beiden Orten sei, könne man nicht beurteilen χωρὶς τῆς διὰ τῶν κλιμάτων ἐπισκέψεως, und die Entfernung zweier Orte nach West oder Ost könne nicht genauer bestimmt werden πλὴν εἰ διὰ τῶν ἐκλειπτικῶν ἡλίου καὶ σελήνης συγκρίσεων. Er verlangt dementsprechend die Sammlung und Feststellung der astronomischen Bestimmungen von Breite und Länge wichtiger Orte; für die Ermittlung der Länge solle eine Art Nachrichtendienst organisiert werden; über [2055] das Technische dieser Forderungen Berger Die geogr. Fragmente des Hipparch (1869) 29-32. Er sieht von einer speziellen Einteilung der Oikumene, wie sie noch Eratosthenes vorgenommen hat, ab und teilt den Meridianbogen vom Äquator bis zum Pole, damit auf die von der babylonischen Astronomie aufgestellte Einteilung des größten Kreises in 360° gestützt, in 90° ein; ,er verzeichnete nämlich, wie er selbst auseinandersetzt, die verschiedenen Stellungen der Gestirne am Himmel für jeden einzelnen Punkt der Erde, wie sie sich auf unserem Meridianviertel, d. h. vom Äquator bis zum Nordpol, bieten‘; ,wenn nun jemand den größten Erdkreis in 360 Abschnitte teilt, so entfallen 700 Stadien auf jeden einzelnen Abschnitt; mit diesem Maß berechnet er die Entfernungen auf dem genannten Meridian von Meroe; er beginnt bei den Bewohnern des Äquators, schreitet weiterhin zu je 700 Stadien die Wohngebiete auf dem genannten Meridian ab und versucht nun die Himmelserscheinungen (φαινόμενα) jedes einzelnen Wohngebietes aufzuzählen‘ (Strab. II 5, 34 C 132). Also ist sein größter Erdkreis mit 252 000 Stadien gerade so bemessen wie durch Eratosthenes; also hat er sich hierin diesem angeschlossen (Strab. II 5, 7 C 113 ὑποθέμενος τὸ μέγεθος τῆς γῆς ὅπερ εἶπεν Ἐρατοσθένης), aber nur vorläufig; denn die Verhältnisse der (φαινόμενα zu jedem einzelnen Wohngebiete werden durch die Messung der Landstrecke nicht berührt[6].

Aus einer wichtigen, aber nicht klar genug vorgetragenen Bemerkung eines Zeitgenossen des Kaisers Arcadius, des Bischofs Synesios de dono astrolabii p. 310 B Petav. = Migne LXVI 1584 σφαιρικῆς ἐπιφανείας ἐξάπλωσιν [die Entfaltung, Aufrollung der Kugelfläche] ταυτότητα λόγων ἐν ἑτερότητι τῶν σχημάτων τηροῦσαν (die Erhaltung des gleichen Verhältnisses bei Anwendung einer anderen Schreibfläche) ᾐνίξατο μὲν Ἵππαρχος ὁ παμπάλαιος καὶ ἐπέθετό γε πρῶτος τῷ σκέμματι, welche Stelle sich allerdings nicht auf eine Erd-K., sondern eine Stern-K. bezieht, aber begreiflicherweise das nämliche Problem betrifft, hat Gosselin Recherches sur le Système de la géographie d’Hipparche (1798) 48f.[7] die Gradteilung einer Kugelfläche durch Hipparch zu einem Gradnetz ausgestaltet sehen wollen, was Berger Frgm. Hipp. 35 und Gesch. Erdk.² 477 bedingt gelten läßt; vgl. Günther Gesch. Erdk. 24 und [2056] wieder einschränkend) 19, 4[8]; anders Rehm o. VIII S. 1678. Hipparch hat keine neue Erd-K. gezeichnet (richtiger würde man sagen: veröffentlicht), Berger a. O. 73ff.; damit soll aber nicht prinzipiell in Abrede gestellt werden, daß er seine Ausführungen durch irgendwelche Skizzierung faßlicher gemacht hat, und daß eine solche Skizze ungefähr soviel enthalten haben mag, als Vivien de St. Martin in seinem Atlas dressé pour l’hist. de la géogr. (1874) Taf. 2, 6 (in zwei Übersichten) zusammengestellt hat. Wenn er trotzdem in dieser kurzgefaßten Darstellung der Geschichte der Erd-K. einen Platz erhalten hat, so liegt das daran, daß Hipparchs Prinzipien der K.-Zeichnung auf Marinos und Ptolemaios den größten Einfluß gehabt haben. Hipparch selbst hat es mit diesen Forderungen so ernst genommen, daß er des Eratosthenes zwischen der Überzeugung des Mathematikers und der Praxis der Geographen vermittelnde K. als halbschlächtig verwarf und direkt aufforderte, bevor astronomische Fixpunkte in genügender Anzahl dem Geographen zur Verfügung stünden, auf die Herstellung einer neuen Erd-K. zu verzichten und sich auf τοὺς ἀρχαίους πίνακας zu beschränken (Strab. II 1, 5 C 69. 12 C 71); vgl. o. § 22.

§ 26. Die beiden letzten Jahrhunderte v. Chr. haben die Kenntnis der Oikumene, insbesondere im ganzen Westen, in den Donaulandschaften, im armenisch-pontischen Bergland, in Mesopotamien und jenseits desselben, in den syrisch-arabischen Gebieten und in den hinter den alten Kulturgebieten auf dem afrikanischen Kontinent gegen Süden gelagerten Strichen erweitert und vertieft. Typisch ist dafür, was wir an Fortschritten der geographischen Kenntnis über den Donaulauf ermitteln können. Es sei nur erwähnt,

a) was auch Brandis o. Bd. IV S. 2121, in dem besten bisher über den Danubius geschriebenen Aufsatz, deutlich auseinandersetzt, daß die Gabelung des Ister in einen gegen das Schwarze Meer strebenden Lauf und einen zweiten Arm, der in die Adria führt, erst durch Diodor IV 56, 8 und dann durch Strabon bekämpft wird [9]. Offenbar mit Recht pflichtet Brandis Diodors Auffassung bei, daß die Aufhellung dieses Irrtums aus den Kriegen der Römer gegen die Istrer gewonnen worden sei.

b) Was Brandis noch nicht bemerkt hat, so daß seine Interpretation des von Gell. X 7, 1 erhaltenen Sallustfragments mißlungen ist (a. O. 2106), nicht einmal noch Caesar hat erkannt, daß Danuvius und Hister Teile desselben Stromlaufes sind. Wie ahnungslos Caesar der Sache [2057] gegenübersteht, ist zwar eigentlich nicht aus seinen Worten bell. Gall. VI 25, 5 zu erkennen gewesen, wohl aber aus Diod. V 25, 4, der Donau und Rhein εἰς τὸν Ὠκεανόν laufen läßt. Erst die schwierige und umfassend organisierte Expedition des Augustus vom J. 35/4 v. Chr. kann den richtigen Aufschluß gebracht haben, wie jetzt auch F. G. de Pachtere Salluste et la découverte du Danube (in den Mélanges d’arch. et hist XXVIII 1908) 79ff. erkannt hat.

Mindestens ebensowichtig als die vielen länderkundlichen Entdeckungen dieser beiden Jahrhunderte, die zur Ergänzung und dichteren Ausfüllung der älteren K. verwendet worden sein müssen (eine ausdrückliche Bestätigung fehlt, jeder Zuwachs begegnet uns vorläufig bloß für die Schilderung durch Wort und Schrift, nicht auch durch die K.-Zeichnung), war das allgemeine Interesse, das die geographische Literatur seit Eratosthenes und der an ihn anknüpfenden Literatur in weiteren Kreisen gewonnen hatte. Eratosthenes hatte zu Hipparch geführt, und dieser zur Erkenntnis der mathematischen und astronomischen Zusammenhänge, die wir auch heute als maßgebende Regel für die Zeichnung von Erd-K. ansehen. Auf diesem Wege war ein Haltmachen nicht möglich, so lange die hellenische Wissenschaft freie Pflege fand. Der neue Weg war zur Diskussion gestellt, und zwei Erscheinungen bezeichnen ihn, Marinos von Tyros und Claudius Ptolemaios aus Alexandreia. Was wir von dem erstgenannten wissen, verdanken wir ausschließlich letzterem Mann, der als ein wahrer König der Wissenschaft uns erscheint, Jahrhunderte lang bis in die neuere Zeit über den Bestand der kartographischen Disziplin dort wo sie gepflegt wird herrscht, und dessen Bezeichnung als rex Macedonum in späterer Zeit, wenn sie auch auf einem Irrtum beruht, die hohe Achtung bekundet, die die untergeordneten Skribenten vor seiner Erscheinung empfunden haben mögen[10].

§ 27. Allerdings blieb der Widerstand gegen die mathematische Richtung der Geographie, die durch Dikaiarchos und Eratosthenes inauguriert und durch Hipparchos so wesentlich gekräftigt worden war, seitens jener nicht aus, die diesen Weg für zu schwierig und als aussichtslose Theorie ansahen und die die Aufgabe der Geographie in der Verarbeitung der durch die Zeitverhältni8se neu gewonnenen Elemente der Länder- und Völkerkunde und überhaupt in der Verbreitung allgemeiner Kenntnisse von den Wohnsitzen und den Kulturbedingungen der Menschheit erblickten. Da die Vertreter dieser Reaktion nicht zur Entwerfung neuer Erd-K. gelangten, und da wie gesagt für diese meine Darstellung das wenn auch eigentlich äußerliche Erfordernis maßgebend erscheint, [2058] daß die faktisch ausgeführten K. uns auch wirklich bezeugt seien, soll ihrer nur im Vorbeigehen gedacht werden. Ihr bedeutendster Vertreter ist Polybios (vgl. seine Würdigung als Gegner des mathematischen Neuaufbaus der Kartographie bei Berger Gesch. Erdk.² 514ff.), dessen Stellung uns allerdings umso merkwürdiger vorkommt, als seine mathematische Schulung und seine praktische Tätigkeit als Techniker ihm eher als manchem seiner unmathematischen Nachfolger das Eingehen auf die neue Tendenz hätten ermöglichen müssen. Die wichtigsten seiner Nachfolger sind Artemidoros aus Ephesos (s. Berger o. Bd. II S. 1330 und Gesch. Erdk.² 527ff.), Poseidonios der ,Rhodier‘ aus dem syrischen Apameia, dieser schon stark einlenkend (vgl. Berger a. O. 551ff.), endlich unsere Hauptquelle für die Kenntnis dieser ganzen Entwicklung, Strabon aus Amaseia (Berger 539ff.), der wie Poseidonios auch als Historiker an Polybios anknüpfte. Die polybianische Richtung der Geographie ist aus dem starken Einfluß des römischen Staatsgedankens abgeleitet worden und aus den praktischen Bedürfnissen des Lebens. Als typisch kann angesehen werden, daß ein vornehmer Herr wie Cicero, der sowie von anderen Disziplinen auch von der Geographie kosten und sie am liebsten in gefälliger und allgemein verständlicher Form, sowie das bei Dilettanten in allen möglichen Fächern auch heute der Fall ist, darstellen möchte (ad Att. II 6), durch das Studium der mathematisch-wissenschaftlichen Literatur abgeschreckt wird; von Serapions geographischem Buch, das ihm Atticus zugeschickt hatte, schreibt er diesem (H 4, 1) offenherzig: millesimam partem vix intelligo. Am schärfsten hat diesen Gegensatz zwischen der durch Eratosthenes, Hipparchos und Ptolemaios vertretenen Richtung und dem römischen Betriebe der Geographie J. Partsch in dem oft zitierten Satz (Darstellung Europas in dem geographischen Werk des Agrippa 1875, 80) formuliert: ,Der gewaltige Unterschied zwischen einem Eratosthenes, der die Maße der Erde in den Sternen las, und einem Agrippa, der aus den Ziffern der Meilensteine berechnete, wie lang und breit jede Provinz sei, ist nichts Anderes als der Typus des Gegensatzes des hellenischen und des römischen Geistes‘.

§ 28. Das allgemeine Interesse des Publikums an Erd-K. muß damals groß gewesen sein. Wir erkennen dies ebensowohl für die römische wie für die griechische Kulturhälfte der damaligen Zeit. Für die erstere s. u. S. 2100ff., für die griechische bezeugt es der Plural, den Ptolemaios sowohl von οἱ ἀκριβέστεροι πίνακες neben Marinos’ K. (I 19) als auch dort gebraucht, wo er von jenen (νῦν οἱ πλεῖστοι) spricht, die bei der Bearbeitung des kartographischen Nachlasses des Marinos (ἐπὶ τοῦ κατὰ τὸν Μαρῖνον πίνακος) sich abgemüht hatten (I 18, 3). Es soll nie vergessen werden, und insbesondere bei technischen Dingen, daß wir nur zufällige und abgerissene Sätze und Zeugnisse über die Entwicklung des antiken Lebens und meist ebenso über die der antiken Wissenschaften besitzen. Vgl. Kubitschek Num. Ztschr. Wien XLVII (1914) 212.

§ 29. Die Zeit des Marinos aus Tyros (s. d.) bestimmt [2059] stimmt sich ungefähr daraus, daß Ptolem. I 6, 1 ihn als ὕστατος τῶν καθ’ ἡμᾶς bezeichnet, und daraus, daß von zwei durch ihn benützten Expeditionen eines Septimius Flaccus, der στρατευσάμενος aus dem Lande der Garamanten nach Aithiopien gelangte, und eines Iulius Maternus, der von Leptis magna aus mit einem Könige der Garamanten nach Agisymba im Lande Aithiopien zog (I 8, 4 und 10, 2), die erstere vielleicht unter die Regierung Domitians zu setzen ist (Feldzug eines Flaccus gegen die Nasamonen Zonar. XI 19 P. 587, vgl. Synkellos P 343 d zum J. 75 seit der Geburt Christi). Leider lassen sich die etwa sonstigen jüngsten Schriftsteller und Reiseberichte, die Marinos benützt hat, mit unseren Mitteln ebensowenig bestimmen als jener Μάης ὁ καὶ Τιτιανός, ἀνὴρ Μακεδὼν καὶ ἐκ πατρὸς ἔμπορος (Ptolem. Ι 11, 6), der einen Karawanenhandel ins Land der Serer unterhielt; vgl. über diesen Mann und seine Erkundungen A. Herrmann Die Seidenstraßen vom alten China nach dem Röm. Reich (Mitt. der Geogr. Ges. Wien LVIII 1915) 480ff.

Marinos hat ein Erdbild in mehreren Auflagen, so nimmt man an (s. darüber u. S. 2060f.), zu entwerfen unternommen und diesen Versuch durch längere Auseinandersetzungen (συντάξεις) unterstüzt, in denen er sein Material (ebensowohl Reiseberichte als astronomische Beobachtungen und mathematische Erwägungen) darlegte. Ptolemaios billigt im großen und ganzen das Verfahren dieses seines nächsten Vorgängers (I 19), äußert aber einerseits gegen die Vollständigkeit und Zuverlässigkeit seines Materials verschiedene Bedenken und beklagt andererseits, daß das Verständnis seines Buches durch Mangel an Ökonomie, durch Kompliziertheit und Zusammenhangsrisse (τὸ πολύχουν καὶ ποικίλον τῶν συνταξέων I 15, 1 und τὸ πολύχουν καὶ τὸ κεχωρισμένον τ. σ. 17, 1) sowie durch Widersprüche in seinen Ansätzen leide. Es ist nun freilich eine alte Erfahrung, daß Leute, die selbst nicht gut imstand sind mit der Feder umzugehen (vgl. über die stilistische Kunst des Ptolemaios A. J. Letronne Oeuvres choisies II. Ser. Bd. I 1883 S. 129 und die ausführliche, aber nicht bis zu einem scharfumschriebenen Urteil verdichtete Würdigung der Sprache und Ausdrucksmöglichkeit des Ptolemaios durch F. Boll N. Jahrb. Suppl. XXI 1894, 170ff.), am ehesten über die Ungelenkigkeit der anderen sich aufhalten; aber sein Tadel ist ja vielleicht berechtigt, nur schließlich für diesen Zusammenhang gleichgültig, wichtiger sind die sachlichen Einwände des Ptolemaios.

Marinos ist der erste gewesen, der das in seinen Anfängen auf Dikaiarch und Eratosthenes (§ 23f.) zurückgehende Koordinatensystem ganz regelmäßig über die den Alten bekannte Erdfläche ausdehnte. Das Liniennetz, das Strab. II 5, 10 C 116 vorschwebt, ist davon verschieden. Ihrer Länge nach veranschlagte Marinos die Erdfläche zu 15 Stunden, also 225° des Vollkreises von 360° nach babylonischer Rechnung; Ptolemaios hat diese Länge zu groß gefunden und auf 12 Stundenabschnitte = 180° angesetzt, dabei aber immer noch um 40° die Wirklichkeit überschätzt. Die Breite der Oikumene mißt Marinos vom südlichen Wendekreis (Ptolem. I 7, 2) bis zum Kreis von Thule, [2060] 63° nördl. Br.; Ptolemaios schließt den Süden schon um 7° früher (weiter nördlich) ab; es sieht fast so aus, als ob ein Bedürfnis nach Symmetrie ihn veranlaßt hätte, die Entfernung des durch Meroe laufenden Parallelkreises südlich vom Äquator aufzutragen, um an die Grenzen der Oikumene zu gelangen. Marinos hat durch Meridiane die Stundenabschnitte auf seiner K. sinnfällig gemacht, also 16 Meridiane in gleichen Abständen gezogen und somit wohl auch die Parallelkreise nur nach Gruppen, acht nördlich und zwei südlich vom Äquator, in Abständen von je einer Stunde Unterschied in der Dauer des längsten Tages (Ehrenburg Über die K.-Einteilung des Marinos von Tyros, in Gerland’s Beiträgen zur Geophysik III 1896, 476ff., angeführt von Th. Schöne Die Gradnetze des Ptol. im ersten Buch seiner Geographie, Osterprogr. des kgl. Gymn. zu Chemnitz 1909, 11; vgl. Vital Kartenentwurfslehre [1903] 15. 61).

Meridiane und Parallelkreise schneiden einander rechtwinklig, die K. des Marinos war also eine rechteckige Platt-K. ,Ihre Projektionsfläche‘, sagt Schöne a. O. anschaulich, ,ist zu denken als der Mantel eines geraden Zylinders, der die Kugelfläche im Parallel von Rhodus (wo der längste Tag 14½ Stunden dauert) schneidet.‘ Der Parallel von Rhodos (36° Breite) wird so abgeteilt, daß die Stunden-Meridiane, die ihn treffen, um je 4/5 eines Meridiangrades voneinander abstehen; da dann natürlich auch die anderen Paralellen von diesen Meridianen unter rechten Winkeln und also mit der gleichen Teilung getroffen werden, verzerrt sich das K.-Bild gegen Norden bin, wo die Quoten der Parallelen immer kleiner werden sollten, und gegen Süden, wo sie wachsen sollten. Also ist, obzwar die zylindrische Projektion für kleinere Landflächen ebensowenig von Ptolemaios als von anderen verschmäht worden ist, die Vorstellung, daß das K.-Bild der Oikumene, von der Erdkugel abgehoben, so in zureichendem Verfahren auf die platte Fläche übertragen werden könne, nicht aufrecht zu halten; dieser Forderung kann, wie Ptol I 20, 8 bemerkt, nur dann entsprochen werden, wenn sowie auf der Erdkugel selbst so im reduzierten Abbild, gleichviel ob auf einer Kugel oder auf einer flachen Tafel, die Bogenstücke der Parallelkreise sich ἔγγιστα für den Äquator auf 115, für Rhodus auf 93 und für Thule (63°) auf 52 Teile beziehen.

Τῶν ἐκδόσεων αὐτοῦ τῆς τοῦ γεωγραφικοῦ πίνακος διορθώσεως πλειόνων οὐσῶν sagt Ptolem. I 6. Somit ist der Titel der Begleitschrift Ἡ τοῦ γεωγρ. πίνακος διόρθωσις und nicht ὁ γεωγρ. πίναξ. Das hat schon Letronne a. O. 140 richtig erkannt. Dann ist aber die Frage erlaubt, ob bloß die Begleitschrift erschienen ist oder auch die K.; Berger z. B. Gesch. Erdk.² 615 interpretiert Ptolem. I 17, 1: οὐκ ἐπέστησει τούτοις μὲν καὶ τοῖς τοιούτοις (n. durch die in den vorausgehenden Kapiteln des Ptolemaios aufgedeckten Widersprüche des Marinos) ὁ Μαρῖνος, ἤτοι διὰ τὸ πολύχουν καὶ κεχωρισμένον τῶν συντάξεων ἢ διὰ τὸ μὴ φθάσαι καὶ κατὰ τὴν τελευταίαν ἔκδοσιν, ὡς αὐτός φησι, πίνακα καταγράψαι, δι’ οὖ καὶ τὴν τῶν κλιμάτων (Parallele oder vielmehr Parallelzonen) καὶ τὴν τῶν ὡριαίων [2061] (Meridiane) μόνως ἐποιήσατο διόρθωσιν, so ,daß bei der endgültigen Zeichnung der K., die den ersten Ausgaben beigefügt waren, manche Schwierigkeiten und Mißverhältnisse erst zu Tage kamen und solche Widersprüche zwischen Text und K. entstehen ließen, wie sie Ptolemaios . . . gesammelt hat‘.. Aber ,wie Ptolemaios ausdrücklich hervorhebt, er hatte selbst gesagt, er habe die K. zur letzten Ausgabe seiner Berichtigungen nicht fertig bringen können. Nur die Grundlagen für diese letzte Karte, die wahrscheinlich wie der vorausgehende Text wieder neue und wichtige Änderungen bringen sollte, konnte er noch vollenden, die von Ptolemaios berichtete Berechnung der größten Länge und Breite und die auch von diesem erwähnte Berichtigung der Klimata und der Stundenabschnitte, der Parallele, und der Meridiane mit den wichtigsten geographischen Punkten der Länge und Breite‘, und dazu die Beweisführung in der Anm. 4; richtiger hat Grashof in der Wilbergschen Ausgabe S. 55 δι’ οὖ auf πίνακα bezogen und zu ἐποιήσατο ein ἄν dazugedacht. Was Berger gegen Grashof einwendet, ist kaum verständlich, seine Ansicht: ,das ungewöhnliche Wort μόνως sei als schärfer gewählter Ausdruck für die Herausgabe der Tabelle ohne K. erträglich‘ abzuweisen, und meiner Meinung nach beziehen sich die Worte ὡς αὐτός φησι bloß auf τελευταία: Marinos hatte diese Ausgabe seiner Διόρθωσις ausdrücklich als letzten Versuch bezeichnet, bevor er an die Vollendung der geplanten K. sich mache; diese K. hätte den Beweis für die Richtigkeit des Ganzen unter Berücksichtigung des neuen, allgemein umfassenden Gradnetzes und der einzelnen Berichtigungen und Bereicherungen aus den Erfahrungen der letzten Decennien erbringen müssen; das wäre eine K. so gedacht, wie sie Strab. II 5, 10 C 116 sich denkt, der für eine Platt-K. zum mindesten 7 Fuß (τὴν διάμετρον aus dem Vorhergehenden hieher zu denken, gemeint sind also 7 Fuß Breite, s. u. S. 2146 Anm. *) fordert. Da wäre das Material dann übersichtlich zusammen verarbeitet gewesen, das man sich damals an verschiedenen Stellen der συντάξεις des Marinos zusammensuchen mußte; Länge und Breite desselben Ortes sei aus zwei verschiedenen συντάξεις zu vereinigen, deren eine die Meridiane, die andere die Parallelen erörtere; eigentlich müsse man für jeden einzelnen Punkt alle Kapitel des ganzen Werkes heranziehen (I 18, 4). Daher gehen die meisten, wenn sie (offenbar: für irgend eine Landschaft, irgend einen geographischen Zusammenhang) aus den ὑπομνήματα des Marinos sich eine Skizze selbst zusammenstellen (ἀπσχεδιάσασι), ganz in die Irre, wenn sie kein παράδειγμα auf Grund seines Werkes (οὐκ ἐπιτυχοῦσι μὲν ἀπὸ τῆς ὑστάτης συντάξεως παραδείγματος, συντάξεως ist nicht identisch mit ἐκδόσεως, die ein paar Zeilen früher erwähnten πρότερα und ὕστερα παραδείγματα sind K.-Entwürfe aus der Zeit vor Marinos) aufgefunden haben. Ich denke, Privatfleiß wird das eine oder das andere παράδειγμα auf Grund der Διόρθωσις des Marinos genau so geschaffen haben, wie später einmal Agathodaimon (§ 52) K. nach des Ptolemaios Ὑφήγησις entworfen hat.

§ 30. Claudius Ptolemaeus (s. Ptolemaios) hat in seiner Μεγάλη Σύνταξις, dem Almagest, [2062] dessen Abfassungszeit ungefähr durch sein spätestes Beobachtungsdatum, 8. September 150[11] gegeben wird, II 13 p. 188 Heiberg das Kapitel von den ,Tabellen der Winkel und Bogen von Parallel zu Parallel‘ mit den Worten geschlossen (umschreibende Übersetzung von Manitius Handb. I 129): ,Nun fehlt an den nötigen Unterlagen nur noch die Feststellung der geographischen Lage der namhaftesten Städte (ἐπισημίας ἀξίων πόλεων) jeder Provinz nach Länge und Breite zur Berechnung der für ihren Horizont eintretenden Himmelserscheinungen. Die Tabelle mit den hierauf bezüglichen Angaben werden wir aber erst als Anhang eines besonderen geographischen Werkes (ἔκθεσιν ἐξαιρέτου καὶ γεωγραφικῆς ἐχομένην πραγματείας) veröffentlichen, und zwar im engen Anschluß an die Forderungen der Männer, die sich ganz besonders durch wissenschaftliche Leistungen um dieses Gebiet verdient gemacht haben. Dieses Verzeichnis soll die nötigen Angaben enthalten, wieviel Grade jede Stadt auf dem durch sie gehenden Meridian Abstand vom Äquator hat, und wie viele Grade dieser Meridian von dem durch Alexandria gezogenen nach Osten oder Westen auf dem Äquator entfernt ist‘.[12] In seiner γεωγρ. ὑφήγησις wird allerdings der Nullmeridian nicht durch Alexandria gezogen, diese Stadt liegt vielmehr 60° 30’ (IV 5, 4). Aber im letzten Buch dieser Geographie c. 3–28 gibt er, worauf er c. 2, 1 vorbereitet hat, für eine größere Zahl von διάσημοι πόλεις den längsten Tag, aus dem mit Hilfe eines Verzeichnisses der Klimata wenigstens ungefähr [13] und mit der Formel im Almagest II 3[14] genauer die Entfernung [2063] vom Äquator berechnet werden kann, und die Entfernung vom Meridian, der durch Alexandria läuft, z. B. für Elaius und Sestos c 11 Ende, El. ἔχει τξν μεγίστην ἡμέραν ὡρῶν ιε (= 15 Standen) καὶ διέστηκεν Ἀλεξανδρείας πρὸς δύσεις μιᾶς ὥρας τρίτῳ, und Sestos hat einen längsten Tag von 15½ Stunden und die nämliche Entfernung von Alexandreia, wie Elaius.

Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß das 8. Buch entweder so wie es heute vorliegt oder in nicht wesentlich anderer Form damals bereits abgefaßt war. So wird es gekommen sein, daß die Angaben dieses 8. Buches sich oft genug nicht mit denen der früheren (d. h. voranstehenden, aber später abgefaßten) Bücher decken (Berger Gesch. Erdk.² 644 beruft sich auf die von A. Roscher Ptolem. und die Handelsstraßen in Zentralafrika 1857, 13f. 16. 21 vorgetragene Erklärung, diese Verschiedenheiten ließen sich ,aus dem Zwang der Schwierigkeiten‘ ableiten, ,die bei der Konstruktion der großen Karte zu überwinden waren‘) oder ihnen gegenüber nur Näherungswerte bezeichnen. Um auf das oben angeführte Beispiel von Elaius und Sestos zurückzugreifen, so bietet Ptolemaios im eigentlichen Text seiner Geographie III 11, 9

für Elaius 54° 30’ Länge und 40° 45’ Breite
für Sestos 54° 55’ Länge und 41° 15’ Breite

Der längste Tag von 15 Stunden für Elaius entspricht nach der Tafel in der Geographie des Ptolemaios einer Breite von 40° 55’; der von 15½ Stunden für Sestos würde gar auf eine Breite von 45° führen, also viel zu weit nördlich; somit muß hier die Überlieferung irgendwie richtig gestellt und jedenfalls aufgehellt werden[15]; hier spielt wieder die Unsicherheit der hsl. Überlieferung mit, ein Umstand, der die Benützung der ptolemäischen Geographie ja auch sonst sehr erschwert. Die Differenz gegenüber dem Meridian von Alexandreia: 1/3 Meridianstunde = 5°, für beide Städte gleichartig angegeben, würde
auf 55° führen, wenn man sich an die Angabe des 8. Buches hält (15, 10), daß Alexandreia vier Stunden vom Nullmeridian, der διὰ τῶν Μακάρων νήσων läuft, gegen Osten entfernt sei, und
auf 55° 30’, wenn man IV 5, 4: Alexandreia 60° 30’ berücksichtigt

§ 31. Es wird also wohl geraten sein, mit Berger (a. O. 616) den nach Mannert von Forbiger I 417f. empfohlenen Gedanken abzulehnen, Ptolemaios habe durch ,dieses recht umsichtige und weise Verfahren‘ ,eine Kontrolle der [2064] frühern Bücher zur Entdeckung aller Abweichungen und Fehler in den Zahlen‘ ermöglichen wollen; für uns allerdings dient dieses VIII. Buch ,gleichsam‘ (Forbiger I 417) zu einer solchen Kontrolle; ,man schmeichelt sich wohl gar mit der seltsamen Idee, als sei dasselbe zum Besten späterer Kritiker hinzugefügt‘ (Roscher 14). Wenn Forbiger dann, Mannert folgend, den ,trostlosen Zustand‘ beklagt, ,in welchem gerade das 8. Buch in Bezug auf die Zahlen uns überliefert worden sei‘, der also ,die Sache immer noch bedeutend erschwere, so daß hier vor allen Dingen eine Berichtigung des Textes durch genaue Vergleichung der Hss. Not tue‘, so möge man beachten, daß diese Klage heute gerade noch so zutrifft wie vor 76 Jahren; und es bleibt die Frage wieder offen, ob nicht etwa Krankheit oder der Tod des Ptolemaios die Vollendung des ganzen Werkes und die Ausgleichung der Differenzen behindert oder (was, falls an eine solche Ausgleichung nicht zu denken war, doch rätlich erscheinen mußte), den Leser über die mit der gleichzeitigen Publikation dieses Abschnitts verbundene Absicht des Verfassers aufzuklären, etwa nach c. 2, 1. So wie es der Nachwelt überliefert worden ist, sieht es sich ganz als ein älteres, stehen gebliebenes Elaborat an, das nur nicht mehr durch eine den Büchern II–VII entsprechendere Fassung ersetzt worden ist.

Berger (644) wollte ,einen ersten geographischen Plan‘ darin erkennen, ,der später bei den Vorarbeiten für die Erdkunde durch die notwendig gewordene, bis ins einzelne durchgeführte Anlehnung an die Arbeit des Vorgängers Marinos zurückgedrängt wurde und auch bei der Wiederaufnahme zu dem besonderen Zwecke der Entwerfung von Spezialkarten Änderungen erlitten habe‘. Ob das aber gerade einen ,geographischen Plan‘ verraten soll, und ob diese Listen nicht vielmehr Handtafeln waren, wie sie der Astronom brauchte?

§ 32. Die πρόχειροι κανόνες des Ptolemaios sind uns verloren (vgl. Heiberg Ausgabe des Ptolem, II p. 191 der Proll.); erhalten ist nur ihre διάταξις καὶ ψηφοφορία, an denselben Syros [16] gerichtet wie der Almagest; was aber in solchen Handtafeln sich finden konnte, erkennen wir aus den unter Ptolemaios’ Namen überlieferten an Theons Nachlaß anschließenden, unter denen wir selbst eine Regententafel finden, die allerdings dem Astronomen gute Dienste erweisen mußte[17] [2065] Nun heißt es in jener διάταξις c. 1 p. 159 Heiberg: περιέχουσι δὲ οἱ μὲν πρῶτοι κανόνες τῆς καθ’ ἡμᾶς οἰκουμένης ἐπισημοτέρων πόλεων τὰς κατὰ μῆκος καὶ πλάτος ἐποχάς. Ob dem nun die Form des oben (§ 31) nach Hudson zitierten Verzeichnisses der πόλεις ἐπίσημοι oder die des 8. Buches der Geographie mehr entspricht, wüßte ich nicht zu entscheiden.

§ 33. Die acht Bücher der Geographie sind uns ein kostbares Vermächtnis des Altertums, das der Gegenwart als Quelle der historischen Geographie dient, vorangegangenen Zeitläuften als praktisches Handbuch zum unmittelbaren Gebrauch gegolten hat. Selbst seine Fehler sind nützlich geworden. Es ist bemerkt worden (z. B. Mannert I 134 und H. Berger Ber. Ges. Wiss. Leipzig L 1898. 87ff.), daß die Entdeckung Amerikas durch Columbus direkt auf einen Fehler des Ptolemaios, auf die übergroße Ausdehnung der Länge (§ 42) zurückzuführen sei. Man hat in der Zeit der Renaissance und der großen geographischen Entdeckungen so und so oft die Geographie in Verbindung mit den Erfahrungen der eigenen Zeit neu herausgegeben und damit eigentlich, wenn auch nicht buchstäblich, den Wunsch des Verfassers respektiert: man möge, wenn vollere Erkundung Verbesserungen ermögliche, entsprechende Zusätze ἐν τοῖς ἐχομένοις διαλείμμασι τῶν σελιδίων II 1, 3 machen. Es dürfte also das Urexemplar der Geographie, deren Text sich ach so sehr auch sonst von jenem entfernt hat, ähnlich wie die Regententafeln und Stadtverzeichnisse der πρόχειροι κανόνες eingerichtet gewesen sein: von Ornamenten eingefaßte Tafeln, deren unterster Teil – je nach Größe des Kapitels mehr oder minder – von Schrift freigelassen war.

§ 34. Die Geographie des Ptolemaios ist aber gar nicht einmal eine Geographie, sondern ausschließlich Begleitschrift etwa eines K.-Werkes. Ptolemaios definiert 11, 1 die γεωγραφία als zeichnerische Nachahmung (μίμησις διὰ γραφῆς) der Oikumene und unterscheidet sie von der χωρογραφία, die nicht das Ganze, sondern nur Ausschnitte aus dem Ganzen wiedergebe (ἐκτίθεται), so ziemlich alles und auch die kleinsten Objekte (zeichnerisch) darstellend (συναπογραφομένη), vergleichbar dem Verhältnis des zeichnerischen Nachahmens (μιμεῖσθαι) eines menschlichn Kopfes einerseits and andererseits bloß von Ohr oder Auge; die χωρογραφία kann niemand ausüben, εἰ μ}η γραφικὸς ἀνήρ, während der Geograph der Zeichenkunst eher entraten kann, da er durch bloße Linien (διὰ ψιλῶν τῶν γραμμῶν) und durch Zeichen (παρασημειώσεις) die Situation und die gesamte Konfiguration (τοὺς καθόλου σχηματισμούς) zur Darstellung bringen kann; wenn Ptolemaios so von der Geographie denkt, dann ist seine ὑφήγησις γεωγραφική nicht eine Anleitung, die Erde zu beschreiben, sondern sie zu zeichnen; sie ist kein Handbuch der Geographie[18], sondern der K.-Lehre. [2066] So sehr ist Ptolemaios von diesem Gedanken beherrscht, daß er bei der Begehung der Landschaften (ταῖς τῶν σατραπειῶν ἢ ἐπαρχιῶν περιγραφαῖς) den bunten Kram von Charakterisierung der berührten Völker sich verbittet (παραιτησάμενοι τὸ πολύχουν τῶν περὶ τὰς ἰδιοτροπίας τῶν ἐθνῶν ἱστορηθέντων II 1, 7) und als Gewinn für die Benutzer voraussieht, sie würden richtige Zeichnungen einer oder mehrerer Landschaften entwerfen können (κατὰ πίνακας ἀπογράφεσθαι τὰ μέρη τῆς οἰκουμένης ἀνὰ μίαν ἢ καὶ πλείους ἐπαρχίας ἢ σατραπείας, ὡς ἂν ἐφαρμόζωσι ταῖς συμμετρίασις τῶν πινάκων, μετὰ τοῦ προσήκοντος λόγου τε καὶ σχηματισμοῦ τῶν ὑφ’ ἑκάστου πίνακος περιλαμβανομένων πρὸς ἄλληλα usw.). So sehr steht er als Zeichner seiner Aufgabe gegenüber, daß er das lebendige Verhältnis der Flüsse zueinander gewissermaßen absichtlich verkennt und die Nebenflüsse aus den Strömen ableitet und gegen ihre Quelle hinaufführt; manches Unheil ist durch Gelehrte und Lokaltopographen, die sich bloß etwa mit einem einzelnen Kapitel seiner Geographie befaßten und nicht diese wunderliche Art des Verfassers erfaßt hatten, entstanden. Eine sonst tüchtige Arbeit von A. Buchner, Einwohner Deutschlands (München 1839), deren erster Teil ,des Ptolemaios Germanien, Vindelicien, Noricum und Pannonien‘ behandelt, ist dadurch zu wüsten Konjekturen gezwungen worden, und obwohl schon Ukert II 2, 167, 81 auf das Verfahren des Ptolemaios aufmerksam gemacht hatte, mußte Zangemeister Westd. Ztschr. III (1884) 321, 1 auch noch Bergk in der gleichen Richtung belehren; vgl. auch Berger Gesch. Erdk.² 642, 2[19]. Stürenburg Flußufer (1897) S. 5f. 33f.

§ 35. Eigentlich könnte man schon aus dieser Stellung des Ptolemaios zu den üblichen Erdbeschreibungen des Altertums, als deren vornehmste und anmutigste Vertreterin innerhalb des uns erhaltenen Materials die des Strabon erscheint, einen [2067] Schluß auf das Interesse des Ptolemaios an geographischer Forschung und seine Schulung auf diesem Gebiete sich erlauben. Sein Interesse braucht auf diesem Gebiete nicht größer gewesen zu sein als auf dem historischen; der Königskanon in den nicht direkt unter seinem Namen laufenden πρόχειροι κανόνες, den wir doch wohl auf seinen Namen buchen dürfen, ist ein vorzügliches Elaborat, aber, wie wir immer deutlicher erkennen, tralatizisches Gut, das wenigstens unter den Ptolemäern und noch mehr unter der römischen Herrschaft auch durch das Bedürfnis des praktischen Lebens in bestimmter und prägnanter Form sich fortentwickelt hat. Eine solche Tabelle gehörte zum Handwerkszeug des Astronomen gerade so wie eine Erd-K., diese, um die Beobachtungen siderischer Vorgänge und Verfinsterungen verwenden zu können. Je besser die Erd-K. geraten war, um so wertvoller mußte sie dem Astronomen sein; also war es für ihn angezeigt, ein sicheres Urteil über ihren Wert und ihre Zuverlässigkeit zu gewinnen, und auch dies mußte für die Astronomen immer wieder einen besonderen Anreiz bilden, aus der eigenen Disziplin heraus zu ihrer Verbesserung beizutragen. Sowie einst Eratosthenes und dann Hipparchos, so hat auch Ptolemaios Stolz darein setzen dürfen, seine eminente Meisterschaft als Astronom bei der Ausgestaltung der Erd-K. zu betätigen, für die die Kräfte der eher für kulturgeschichtliche, politische und ethnographische Geographie gerüsteten und mit einer gewissen Neigung zum Weltbummler oder zum Cicerone behafteten Schriftsteller nicht ausgereicht hatten; man merkt dem ,unmathematischen‘ Strabon an, wie wenig Freude ihm im Gefühl seiner unzulänglichen Beherrschung der astronomischen Grundfragen die Anerkennung der geometrischen Richtung der physischen Geographie bereitet hat, und versteht dann umso besser die Reaktion durch (Marinos und) Ptolemaios.

Wenn die Tetrabifelos, wie Boll doch wohl erwiesen hat, wirklich von dem Verfasser der ptolemaischen Geographie geschrieben worden ist, so haben wir in ihr einen früheren Zustand der geographischen Kenntnisse des Ptolemaios anzuerkennen, die von dem, was der Almagest und die Geographie bedeuten, um Jahrhunderte zurückzuliegen scheint. ,So paradox es scheint‘, sagt Boll 204: ,der berühmte Bearbeiter der Geographie des Marinos hat sich in der Tetrabiblos dabei beruhigt, ohne jedes Hinzutun neuerer Kenntnis ein Weltbild zu wiederholen, das ungefähr der K. des Strabon entspricht‘. ,Daß diese Tatsache unter den Historikern der alten Geographie meines Wissens niemand, selbst Berger[20] nicht, verzeichnet und ebensowenig ein Philologe von der doch nicht ganz unbedeutenden Ethnographie Kenntnis genommen hat, ist nur ein Beweis mehr für die Vergessenheit, in der die astrologischen Werke der Alten so lange geruht haben‘; vgl. Boll a. O. 204–214, der auf die aus der Kreuzung eines Hauptmeridians durch das eratosthenische Diaphragma (dieses läuft [2068] ἀπὸ τοῦ Ἡρακλείου πορθμοῦ μέχρι τοῦ Ἰσσικοῦ κόλπου καὶ τῆς ἐφεξῆς πρὸς ἀνατολὰς ὀρεινῆς ῥαχείας, jener ὑπὸ τοῦ Ἀραβικοῦ κόλπου διὰ τοῦ Αἰγαίου πελάγους καὶ Πόντου καὶ Μαιωτίδος λίμνης II 2, die Stelle ist bei Boll 195 ganz ausgeschrieben) entstandene Vierteilung der Oikumene als Grundlage der astrologischen Geographie und [213, 1] vielleicht auch der Vierteilung bei Iulius Honorius (s. Kubitschek o. Bd. X S. 622f.) hinweist und (übrigens nach meiner Meinung unwahrscheinlich) die Abfassung der Tetrabiblos zwischen die des Almagest und die der Geographie verlegen will.

§ 36. Steht Ptolemaios also in der Tetrabiblos noch auf einem durch die Wissenschaft damals längst überholten Standpunkt, so muß er dann die Fortschritte der geographischen Studien erst in späteren Jahren kennen und würdigen gelernt haben; es erscheint nur etwas unheimlich, daß ein junger begabter Astronom die Reformgedanken Hipparchs nicht schon in einem früheren Stadium eingesehen und zu würdigen verstanden haben sollte. Aber sei dem wie immer, dann hat Ptolemaios es jedenfalls vermocht, bei Fortsetzung seiner Studien nicht nur andere Quellen in sich aufzunehmen und zu verarbeiten, sondern auch auf dieser Grundlage in magistralem Vordringen den Höhenpunkt der antiken Kartographie zu erreichen. Daß Hipparch, der als Astronom dem Ptolemaios überlegen war, auf die Entwicklung der physischen Geographie und der Kartographie keinen größeren Einfluß sichtbar genommen hat, wird doch wohl seinen Grund darin haben, daß er seiner Zeit in gewissem Sinn vorangeeilt war und das geographische Material zu wenig ausgestaltet vorgefunden hatte. Und es würde mit unserer Auffassung des Ptolemaios sich ganz gut vereinen lassen, daß Ptolemaios die intensive Beschäftigung mit den Fragen der K.-Zeichnung einer Gelegenheit zu verdanken hatte, die ihn mit den Studien des Marinos und mit den Bemühungen jener, die nach Marinos’ Nachlaß eine Erd-K. zu entwerfen unternommen hatten, bekannt machte. Auf jeden Fall war Ptolemaios, soviel wir urteilen können, der richtige Mann, um des Marinos Ideen zu erfüllen und zu verbessern, soweit nämlich die mathematische Eignung dafür in Betracht kam; inwieweit bei der Verarbeitung von Reiseberichten und Kriegszügen, können wir nicht ebenso sicher beurteilen, schon aus dem Grund; weil wir in dieser Hinsicht in die Arbeitsweise auch des Marinos keinen Einblick haben.

Ptolemaios erklärt (119) als sein Programm:

1. generell sich an die Anschauung des Marinos zu halten (τὴν γνώμην τοῦ ἀνδρὸς δἰ ὅλης τῆς συντάξεως τηρήσωμεν), abgesehen von gelegentlichen Corrigenda,

2. τὰ μὴ παρ’ αὐτοῦ δῆλα γενόμενα d. i. also wohl: was Marinos nicht genügend klar ausgeführt hatte[21], soweit möglich, in gehöriger [2069] Weise einzutragen (ἐφ’ ὅσον εὔπορον ἦν δεόντως ἐγγραφῇ), und zwar mit Hilfe von Berichten Ortskundiger (διὰ τῆς ἀπὸ τῶν ἐντυγχανόντων ἱστοριίας) und von genaueren K. Aber er nennt dann nirgends die Quellen, die er zur Vervollständigung des von Marinos übernommenen Materials herangezogen hat, und bezeichnet auch nicht die Stellen, an denen er solcher Quellen nicht entraten zu können gemeint hat; so dürfen wir wohl, ohne Ptolemaios damit Unrecht zu tun fürchten zu müssen, behaupten, daß Ptolemaios auch nicht entfernt eine richtige Vorstellung von den Aufgaben historischer und aktenmäßiger Quellenforschung gehabt habe; in dieser Beziehung steht er tief unter Strabon, um uns nur auf Geographen zu beschränken, und ohne daß wir vergessen, daß Strabon in seiner senilen Nörgelei einen Zug offenbart, der des Ptolemaios anscheinend vornehmer Art vollkommen fremd ist und auch nirgend in des Ptolemaios Verhalten gegen Marinos zutage tritt. – Vgl. auch Berger Gesch. Erdk.² 617f. über diesen Grundmangel des Ptolemaios im ganzen Bereich seiner Schriftstellerei. Boll a. O. 202 zum Volk der Amazonen Ptolem. V 8, 13: ,für Ptolemaios merkwürdig genug, da doch schon der nüchterne Strab. XI 5, 3 sich gegen die alten Märchen sehr lebhaft aufgelehnt hat‘. Das schärfste Urteil über die Quellenforschung des Ptolemaios hat Müllenhoff Deutsche Altertumskunde III (1892) 95 gefällt: ,Die einfache verständige Methode, von der Eratosthenes das erste glänzende und für alle Zeiten giltige Beispiel gegeben hat, die auch noch Strabons größtes Verdienst ausmacht, zuerst die verhältnismäßig bestunterrichteten, neuesten Zeugen nach sorgsamer Prüfung auszuwählen und auf sie seine Darstellung zu gründen, alles Fremdartige aber und mit ihnen Unvereinbare fern zu halten, existierte für Marinus nicht. Altes und Neues galt ihm ungefähr gleich. Unbedenklich verband er beides, um nur keine Lücken zu lassen und den Schein der Vollständigkeit und der Vollkommenheit der Kunde überall zu wahren. Schlimmer als Poeten und Prunkredner stellte er als K.-Zeichner die Dinge auch da noch als genau ermittelte, nach Maß und Zahl bestimmte Tatsachen hin, wo jede Kunde aufhörte und er nicht die geringste Gewißheit haben konnte. Den Mathematiker Ptolemaios, der sein Werk in die uns vorliegende Gestalt brachte, trifft dann wenigstens der Vorwurf gedankenloser, handwerksmäßiger Arbeit, die sich jeder Nachprüfung des Einzelnen entschlug. Diese Systematiker sind erst die wahren Sudelköche der alten Geographie, und alles was der Admiral Plinius etwa Ähnliches geleistet hat, ist gegen sie nur ein Kinderspiel‘. Diese auch heute noch lesenswerte (1866 geschriebene) Kritik war veranlaßt durch den Unmut über die Behandlung des Gebietes zwischen dem Schwarzen Meer und dem Uralgebirge: ,Die volle Klarheit und Sicherheit entgeht uns durch die gewissenlose Willkür, mit der der Geograph das ihm vorliegende, wertvolle Material behandelt hat‘ (S. 100).

§ 37. Es kann nicht Aufgabe eines Artikels dieser R.-E. über die antiken K. sein, die Art und den Umfang der Erweiterung des geographischen Wissens in den beiden Jahrhunderten vor Ptolemaios [2070] (oder richtiger vor Marinos) zu skizzieren, [22] wie er auch für die früheren Stadien der Kartographie solchen Erörterungen aus dem Weg gegangen ist. Aber einen Punkt hier zu berühren, scheint rätlich zu sein: nämlich die Frage, ob Ptolemaios [23] zuzutrauen sei, daß er das Material für das freie Germanien selbst zusammengetragen und nicht vielmehr aus irgendwelchen Darstellungen der germanischen Feldzüge des Augustus und Tiberius geschöpft habe (s. § 40). Man hat nicht weniger als 93 Ansiedlungen im sog. freien Germanien bei ihm gezählt, darunter viele Orte, deren Namen wir nur bei ihm begegnen [24]. Dagegen ist zunächst zu halten, daß er z. B. in Kleinasien, also einem Lande, das räumlich nicht so entfernt von seiner Heimat und kulturell ihm verständlicher sein mußte, uns immer wieder in Verlegenheit setzt. Statt daß er uns mehr oder minder einwandfrei über die Lage der Örtlichkeiten zueinander unterrichtet, müssen wir, sobald wir nur sonst in den Besitz genauerer topographischer Vorstellungen einer Gegend gelangt sind, uns immer wieder nach Möglichkeiten umsehen, unter denen des Ptolemaios Angaben entschuldbar wären; man hilft sich dann meist mit der Annahme, Ptolemaios habe die Örtlichkeiten nach bestem Wissen und Gewissen auf Grund von Itinerarien so oder so angeordnet, und wird ja bei solchen Versuchen, die Unebenheiten bei Ptolemaios zu erklären, sich sicherlich meist auf dem richtigen Wege finden. Freilich, wären diese Unebenheiten nicht bemerkbar, so verfiele man ja überhaupt nicht auf den Gedanken, Erklärungen für den Besitzstand des Ptolemaios zu suchen. So hat denn z. B. William Ramsay The historical geography of Asia minor (1890) 68–70. 73. 95. 195. 258 sehr skeptisch das Verständnis des Ptolemaios bei Benützung seiner Quellen für die Positionen der einzelnen Örtlichkeiten und ihre Einordnung in die Verwaltung und Landeseinteilung behandelt, seine Autorität unter Umständen für eher gefährlich als nützlich erklärt und die Verbindung seiner Quellenzeugnisse als ,unintelligent and self-contradictory‘ bezeichnet, und angesichts seiner eigenen Erfahrungen in Kleinasien (S. 96) als Regel ausgesprochen: ,Während die Benützung des Ptolemaios so schwierig fällt und trotz Aufwand der äußersten Vorsicht zu Mißgriffen verleitet, kann Strabon kaum allzuhoch gepriesen werden. Dieses Mannes Zeugnis ist natürlich für Kleinasien vielleicht noch höher einzuschätzen als für irgend eine andere Landschaft. Seine kurzen Beschreibungen sind wunderbar genau und, wenn man als Augenzeuge sie prüft, wunderbar klar. Ich bin kaum jemals in die Versuchung gekommen, ihnen den Fehler der Unbestimmtheit anzumerken‘.

§ 38. Für das Heimatland des Ptolemaios, Ägypten, [2071] ten, hat W. Schwarz Der Geograph Claudius Ptolemaeus, Rh. Mus. XLVIII (1893) 258–274 die Positionen überprüft und dabei den starren Formalismus aufgedeckt, der das Verfahren des Ptolemaios beherrscht. So wird erklärlich, daß das Bild des Landes (vgl. den Entwurf von G. Parthey Zur Erdk. des a. Ägyptens [= Abh. Akad. Berl. 1858 S. 515/7] Taf. 4) sich fortwährend verzerrt. Sebennytos z. B. (im Delta) wird um 20 Bogenminuten südlicher als Bubastos angesetzt, während es in Wirklichkeit 25’ nördlicher liegt[25]. Hierasykaminos liegt mit 23° 40’ und ebenso der kleinere Katarakt mit 23° 45’ nördlicher als Philai 23° 30’, während in Wirklichkeit Philai der nördlichste dieser drei Punkte ist. Nun hat zwar Schwarz die Sache damit mildern oder bessern wollen, daß er die Reihenfolge der Namen bei Ptolem. IV 5, 33 durch Verschieben des ersten Ortsnamens abänderte, die Reihenfolge der Positionen selbst aber beließ.

Überlieferte Folge:       nach Schwarz zu ordnen:
Ἰερὰ Συκάμινος 61° 45’ Länge 23° 40’ Breite Φίλαι
Φίλαι 61° 40’ Länge 23° 30’ Breite Μετακομψώ und Ψέλκις
Μετακομψώ
und0diesem0gegenüber0am0l.0Nilufer
Ψέλκις
61° 40’ Länge 23° 05’ Breite

61° 30’ Länge 23° 05’
Ἰερὰ Συκάμινος

Wenn wir diese Änderung der Namen, die übrigens auch schon Grashof (bei Wilberg S. 290, 7) vorgeschlagen hat (anders haben Müller-Fischer Ausg. S. 727f. und Wilberg die Stelle erklärt), akzeptieren, wobei wir uns aber nicht verhehlen dürfen, daß sie nicht aus der handschriftlichen Überlieferung, sondern bloß aus einem Mißgriff des Ptolemaios oder seiner direkten oder indirekten Quelle erklärt werden kann, also nicht als eine Verbesserung unseres Ptolemaiostextes angesehen werden dürfte, so würden wir Syene mit 23° 50’ und Philai mit 23° 40’ nördl. Br. bestimmt sehen; also würden beide Orte in der Luftlinie, wenn sie genau nördlich übereinander lägen, um 10 Bogenminuten von einander entfernt sein, also um rund 83 Stadien = etwa 15,4 km; da außerdem Ptolemaios die Länge Syenes mit 62°, die von Philai (wenn wir den Vorschlag von Schwarz annehmen) mit 61° 45’ bemißt, beträgt die Längendifferenz 15 Minuten eines allerdings kleineren Bogens, die direkte Entfernung beider Orte somit ungefähr 14 Minutenbogen des größten Kreises, d. i. 116 Stadien oder 21,5 km. Und nun liegen sie faktisch nur etwa 8 km auseinander, also um 5 Bogenminuten, um nach Art des Ptolemaios und mit seinem geringsten Maß zu rechnen[26]. Es kann also Ptolemaios sich kaum einer besonderen Kenntnis seines eigenen Heimatlandes rühmen. Er wird einen dem Strabons ähnlichen Bericht, der XVII 1, 50 C 818 ,in einem Wagen (ἀπήνἡ) durch eine sehr flache Gegend mit etwa 100 Stadien‘ gelangt ist und vielleicht die Dauer des Weges, längs dem er sich für Granitfindlinge interessierte, überschätzt hat, benützt und nicht weiter nachgeprüft haben.

Starres Schematisieren tritt in der Behandlung [2072] des Nilstromes in der Strecke von seinem Eintritt ins Delta bis zum sog. kleinen Katarakt hervor; der Strom bildet innerhalb dieser Strecke etwa ein ς, obendrein mit einer starken Ausbeugung ostwärts (südlich von der Mitte dieser Sichellinie). Aber Ptolemaios setzt nach Schwarz, dessen Aufstellungen allerdings zum Teil wenig begründet sind und daher einmal im ganzen Zusammenhang nachgeprüft werden müßten, Orte, die am Ostufer liegen, unter 62° an, solche am Westufer unter 61° 50’, und veranschlagt Krümmungen, die nicht einfach ignoriert werden konnten, mit den kleinsten Größen, die ihm zur Verfügung standen, also mit 5 und 10 Gradminuten. So kommt es, daß die große Krümmung des Nil in der Thebais und Heptanomis (die Krümmung des oben Z. 21 verwendeten Sichelzeichens ς) so wenig Einfluß auf das Kartenbild hat, daß Ptolemaios beispielsweise mit 62° bis 62° 15’ die Länge für Orte bemißt, welche wie Babylon, Akoris, Antinoupolis, Panopolis, Kainepolis in jener Sichelkrümmung liegen, deren Pfeilhöhe ungefähr mit anderthalb Graden zu bemessen gewesen wäre.

§ 39. Was man dem älteren Plinius für die geographischen Bücher seiner Naturgeschichte vorhalten darf, daß er seine Kollektaneen in allzu großer Eile aus den ihm am leichtesten zugänglichen Quellen gezogen habe, mochten diese auch schon längst durch den Gang der politisch-administrativen oder kulturellen Entwicklung überholt worden sein, und daß er sie nur sehr unvollkommen und ungleich mit den Zuständen zu seiner eigenen Zeit ausgeglichen habe, statt sich einmal eine vollständige Übersicht über die Verhältnisse der Gegenwart etwa aus amtlichem Material zu verschaffen, eben dasselbe gilt für Ptolemaios. Soweit ich die Literatur überblicke, glaube ich eigentlich bei so ziemlich jeder Partie seiner Geographie den Verdacht geäußert gefunden zu haben, daß Ptolemaios Berichte benütze, die mehr oder minder hinter seiner Zeit zurückliegen. Man ist überrascht zu sehen, daß Dacien bei ihm so etwa dargestellt wird, wie es vor der römischen Okkupation bestanden haben mag, also nach einer damals schon mindestens seit einem halben Jahrhundert veralteten Vorlage; daran ändert die Modernisierung durch Einfügen neu hinzugekommener Ansiedlungen wie Ulpianum und Praetoria Augusta III 8, 4 nichts weiter. Man wundert sich, daß bei Ptolemaios die Grenzen der Provinzen ohne genügende Rücksicht [2073] auf die wirkliche Ordnung seiner Zeit, die ja doch nicht durch Belieben und Willkür, sondern aus den praktischen Forderungen der Zeit erwachsen war, gezogen werden; eine zusammenfassende Darstellung der Provinzeinteilung bei Ptolemaios fehlt leider.

Dabei weiß Ptolemaios und verlangt es selber (z. B. I 5), daß der Geograph auch auf die neuesten Berichte achten solle (ταῖς ὑστάταις τῶν καθ’ ἡμᾶς παραδόσεων ὡς ἐπίπαν προσέχειν). Über diesen Widerspruch zwischen Einsicht und ihrer Betätigung sich zu entrüsten, wäre aber wahrlich unbillig. Ptolemaios ist zwar, wie wir aus seinem Namen erkennen, römischer Bürger; aus dieser Rechtsstellung aber den Schluß zu ziehen, daß amtliches Material ihm leicht zugänglich gewesen sei, wäre verfehlt, wie wieder das Beispiel des älteren Plinius zeigt, der trotz seiner amtlichen Laufbahn offenbar nicht leicht erreichen konnte, was wir wünschten, daß er es kennen gelernt hätte; dann wohnte Ptolemaios in Ägypten, einem Land, das immer noch in Sonderstellung verharrte, und dessen Leben, die dort wohnenden römischen Bürger und selbst die römischen Legionare mit eingeschlossen, wie uns die Papyri zeigen, eine besondere Färbung zeigt. Man hätte auch nie verlangen dürfen, daß Ptolemaios, ein zur Zeit der Abfassung seiner Geographie gewiß schon bejahrter Mann, durch Reisen oder durch Archivstudien zuverlässiges geographisches Material hätte gewinnen sollen. Nicht das Sammeln des Materials, sondern seine Verarbeitung vom Standpunkt des astronomisch geschulten Mathematikers, der die Verteilung der einzelnen Örtlichkeiten auf die Oberfläche der Erdkugel nachweisen wollte, war seine Aufgabe und sein Ziel; es darf endlich nicht außer acht gelassen werden, daß, wenn Ptolemaios unsere Bedenken geteilt hätte, wir nicht in den Besitz dieses größten und bedeutendsten geographischen Apparats gelangt wären, den wir aus dem Altertum kennen.

Wenn wir aber nun auch immer wenigstens erführen, woher Ptolemaios sein Material bezogen hat! Oder dort, wo er dasselbe etwa in Bausch und Bogen aus Marinos genommen hat, woher dieser oder dessen nächste Quelle (denn auch Marinos hat, wie wir aus seinen verschiedenen ἐκδόσεις erraten dürfen, mindestens ebensosehr das Verarbeiten als das Aufsammeln des geographischen Materials betrieben) ihren Stoff gezogen hat. Wir erkennen deutlich, und auch Ptolemaios deutet dies an, daß der ihm zur Verfügung stehende Stoff verschiedenartig und verschiedenwertig sei: großenteils Reisebeschreibungen, Kriegszüge, Periplen, und nur zum geringsten Teil astronomische Beobachtungen und Schätzungen, und unter diesen letzteren sind natürlich die wenigsten – vielleicht nicht einmal alle aus Ägypten – durch Ptolemaios selbst ermittelt worden. Was wir an Ptolemaios gewinnen, wenn wir das von ihm verarbeitete Material wenigstens gliedern und auf die einzelnen Gewährsmänner zurückführen können, haben A. Roscher Ptolemaeus und die Handelsstraßen in Zentralafrika, ein Beitrag zur Erklärung der ältesten uns erhaltenen Weltkarte (1857) und neulich Ad. Schulten Eine neue Römerspur in Westfalen, [2074] in den Bonner Jahrb. CXXIV (1918) 92ff. gezeigt; vgl. auch den methodisch wichtigen Aufsatz von K. Zangemeister Drei röm. Meilensteine aus dem 1. Jhdt., in der Westd. Ztschr. III (1884) 320ff.

Die Aufgabe des Geographen ist es, sagt Roscher in seiner trefflichen Einleitung S. 3, die Messungen der Ingenieure oder die Itinerare der Reisenden zur Welt-K. zu kombinieren. ,Seine Aufgabe ist leicht in dem Fall, wo über bekannte Gegenden eine genügende Menge von Spezial-K. vorliegen; dieselben verschmelzen ohne Schwierigkeit zu einem Ganzen, dessen einzelne Teile auch das kundige Auge nicht mehr herauszufinden vermag. Wo dagegen über einen wenig bekannten Erdteil nur unzulängliches Material zu Gebote steht, da ist es fast allemal der Geograph, welcher die Irrtümer hervorruft, und nicht der Chorograph‘. Er sieht es daher als seine Aufgabe an, ,das Material nachzuweisen, welches Ptolemaios beim Entwurf seiner K. von Afrika benutzte, zu erklären, wie dasselbe hätte kombiniert werden müssen, und aus was für Gründen dies nicht in einem einzigen Fall auch nur halbwegs richtig geschehen ist‘. Die Situation war für Ptolemaios besonders bei Ländern schwierig, aus denen zu seiner Zeit nicht mehr oder nur wenig regelmäßig Verbindungen aufrecht erhalten wurden, und für die seine Zeitgenossen kein weiteres Interesse zeigten. Das gilt ebenso wie für Zentralafrika so auch für das sog. freie Germanien.

§ 40. Gerade dieses Kapitel hat die modernen Forscher und vor allen die Lokalantiquare beschäftigt. War das Volk, das dem Zusammenleben in geschlossenen Ansiedlungen so abhold war, nun doch schon zur Bildung von Städten gelangt? Für welche Zeit gilt das von Ptolemaios entworfene Bild? Bei jeder Stadt erscheinen Länge und Breite in bestimmten Zahlen, und vor diesen Zahlenkolumnen scheint alle Kritik ersterben zu müssen. Aber, wenn Ptolemaios schon im Lande, in welchem er wohnte, oder im nahen Kleinasien mit seinen Ortsbestimmungen in die Irre gehen konnte, was wir ihm so und so oftmal mit Hilfe von Inschrift- oder Münzfunden oder an der Hand anderer Schriftsteller nachweisen können [27], wird es dann wohl besser um die Richtigkeit seiner Geographie im fernen Deutschland stehen, für das nur unsere übrige Überlieferung so viel ärmer und einseitiger erscheint? Man gewinnt heute leicht für das Germanien des Ptolemaios die Empfindung, daß weniger doch vielleicht auch hier mehr gewesen wäre. Aber man steht einer so bedeutenden wissenschaftlichen Persönlichkeit gegenüber, daß man mit Tadel und Kritik sich vorsehen muß, um nicht selbst zu straucheln. Ptolemaios sagt es zwar nirgends, aber er kann doch das alles nur mit einer gewissen Reservatio mentalis geschrieben [2075] haben, etwa so: ,Wenn das, was ich an Daten vorgefunden habe, richtig ist, so ist es nach meinen Grundsätzen so und so in das Erdbild hinein zu verarbeiten‘.

Sehr wichtig ist der zuerst von Herm. Müller Marken des Vaterlandes I (1887) geäußerte Verdacht, daß Ptolem. II 11,12 das gleich hinter Φλημούμ mit 28° 45’ Länge und 54° 45’ Breite folgende Σιατουτανδα mit 29° 20’ Länge und 54° 20’ Breite trotz der Positionsangabe direkt aus Tac. ann. IV 72 stammt, wo Apronius . . . exercitum Rheno devectum Frisiis intulit, soluto iam castelli (n. Flevum, Ptolem. Φλημούμ mit Positionsangabe) obsidio et ad sua tutanda digressis rebellibus. Dieser Verdacht war trotz aller Leugnungs- und Verteidigungsversuche nicht mehr zu entkräften gewesen und ist jetzt durch eine treffliche Untersuchung Schultens, die einen bedeutenden Fortschritt in der Geographie Germaniens zu augusteischer Zeit bezeichnet, soweit unterstützt worden, daß wir nun klarer zu sehen beginnen (Bonner Jahrbücher 1917).

Schulten sieht, worin ihm K. Müller in der Ptolemaeusausgabe vorgearbeitet hatte, in den drei Orten Βογάδιον, Στερεόντιον, Φεύγαρον und in dem gewiß mit dem Flußnamen zusammenhängenden Λουππία (II 11, 12) vier Kastelle, welche zum Schutz der an der Lippe von Vetera aus gezogenen Straßenlinie angelegt worden waren. Aus demselben Abschnitt holte Schulten fünf andere Orte von der Etappenstraße an der Weser und zeigt, daß also die K. des Ptolemaios ,mit vollkommener Deutlichkeit die beiden Operationslinien der Germanenkriege unter Augustus und Tiberius und ihre Lager verzeichnet‘. Was dann noch in diesem κλίμα Germaniens übrig bleibt, darunter auch Μουνίτιον, das nun dem lat. munitio ganz verzweifelt ähnlich sieht, und Ναυαλία, das ja doch wohl als castra navalia zu erklären sein wird, ist sehr wenig und vermehrt nicht die aus der Sachlage sich ergebende Beobachtung: ,Ptolemaios verzeichnet also zwischen Rhein, Nordsee, Lippe, Weser nur die römischen Lager, welche in den germanischen Kriegen vorkommen. Man erkennt, daß er die Namen aus den Berichten über jene Feldzüge schöpft‘ (S. 93). ,Es hat sich also aus der bisher so wenig beachteten K. des Ptolemaios eine ganze Reihe römischer Lager aus der Zeit der Germanenkriege unter Augustus und Tiberius I feststellen lassen. Wahrscheinlich nennt die K. alle Lager, welche damals erbaut worden sind. Ptolemaios oder vielmehr Marinus hatte keinen Grund, sein einziges Material für das Innere Germaniens zu verkürzen‘ (99f.).

Das Versehen, das im taciteischen sua tutanda einen Ortsnamen erblickte, braucht nicht einmal unbedingt aus mangelhafter Beherrschung des Lateinischen erklärt zu werden. Und selbst wenn in solcher Mangelhaftigkeit seine Ursache zu erkennen sein sollte, so ist noch lange nicht nötig, den Ptolemaios eher als den Marinos mit ihr zu belasten. Ist es aber schon dem Marinos passiert, so wird damit, wenn man nicht annehmen will, daß Tacitus einen so gesuchten Ausdruck aus irgend einem älteren Bericht unverändert herübergenommen hat, das späteste Lebensdatum für Marinos konstruiert. Aber ob nun Marinos [2076] oder Ptolemaios mit dem Mißverständnis des taciteischen sua tutanda zu belasten sein wird, jedenfalls gibt die Pedanterie, die durchaus beim Übertragen dieses Satzes auf den Globus nach Länge und Breite fragt und beide Zahlen aus dem Nichts greift, ernsthaft zu denken.

In diesem Fall mag ja also Ptolemaios durch Marinos gedeckt sein. Aber im Buch VIII ist er, so meinen wir alle, unbestritten Hausherr; die Breitenbeobachtungen hat er doch jedenfalls nicht von Marinos herübergenommen; es ist ja wie gesagt (o. S. 2064) möglich, daß das Verzeichnis der πόλεις ἐπίσημοι in Buch VIII der Kern und der älteste Teil der Geographie des Ptolemaios ist. Diese Gruppe müßte freilich, was bisher nicht geschehen zu sein scheint, einmal näher gewürdigt werden; weniger wegen dessen, was sie enthält, als wegen jener Namen, die in ihr fehlen.

§ 41. Wie weltfremd scheint doch der Mann gewesen zu sein, der um die Mitte des 2. Jhdts. unserer Zeitrechnung

α) für die Landschaften an der oberen und mittleren Donau bis einschließlich Dalmatiens 15 πόλεις ἐπίσημοι feststellte:

in Raetien Brigantium
     Vindelicien Augusta Vindelicorum
     Noricum Arela[p]e und Iulium Carnicum
     Oberpannonien Poetovio, Scarbantia und Emona
     Unterpannonien   Σέρβινον, Murs[a], Sirmium
     Illyrien Iader, Σιδρῶνα, Salona, Nar[o]na, Scardona

[Von den hier aufgezählten Orten gehören übrigens Iulium Carnicum und Emona überhaupt nicht in diesen Rahmen, sondern nach Italien; Σέρβινον ist von Müller wohl richtig in Σερβίτιον umgewandelt worden (vgl. seine Anm. zu II 15, 4), und die Identifikation von Σιδρῶνα beschäftigt uns noch, vgl. Müller zu Ptolem. II 16, 6 und Jelić 194f.; wir vermögen gar nicht, uns von irgend einer besonderen Bedeutung von Städten wie Sidrona und Servitium eine zustimmende Vorstellung zu bilden!]

β) für Italien gar bloß 10, selbst für Ägypten nur 11, für Kleinasien aber 44 Namen eben solcher πόλεις kannte!

Man hat diese Ungleichheit der Behandlung von Stadtwerten verschiedener Ländergebiete so zu erklären gesucht, daß man in ἐπίσημος einen Sinn legte, der dem Worte eigentlich ganz fern liegt, aber vom Standpunkt des Sprechenden, für den nur das bemerkenswert zu sein braucht, was gerade ihn als Astronomen interessierte, begreiflich scheinen kann, nämlich daß für diese Orte Breitenbeobachtungen dem Ptolemaios vorgelegen seien. So Rοscher S. 14. Freilich ist eine Prüfung dieser Annahme bisher nicht in größerem Zusammenhang erfolgt, und bei Einzelbehandlung solcher Daten können Bedenken durch den Hinweis auf das Fehlen einer kritischen Ausgabe oder auf Verderbnisse der Überlieferung gewöhnlich zum Verstummen gebracht werden. Rοscher hat allerdings auch hier gleich vorgebaut und, ohne durch Einzelheiten einen Beweis zu versuchen, angenommen, daß ,die ursprünglichen Beobachtungen uns jedoch [2077] nicht immer unverfälscht überliefert seien‘; er konstruiert Fälle, in denen Ptolemaios die ihm vorliegenden astronomischen Beobachtungen für falsch gehalten und sie nach seinen K. verbessern zu sollen gemeint habe, und will ,echte‘ und ,untergeschobene‘ Beobachtungen unterscheiden. Eben das ist wohl der allerschwerste Vorwurf, der einem Forscher gemacht werden kann, nämlich daß er sein Beobachtungsmaterial mit Rücksicht auf seine Beweisführung ummodelt. Freilich hat auch Berger² 415 durch Hipparch sich bestimmen lassen, ,bei jeder Breitenangabe des Eratosthenes zu unterscheiden, ob sie selbständig aufgefaßt und darum so scharf als möglich angegeben war, oder ob sie im Zusammenhange der allgemeinen K.-Konstruktion auftrat und sich darum der notwendigen Abrundung fügen mußte, welche die parallele und meridionale Verbindung naher und entlegener, bald besser, bald schlechter, bald gar nicht astronomisch zu bestimmender Orte unausbleiblich mit sich brachte‘. Es kann mir nicht beifallen, die fehlenden Untersuchungen hier in aller Eile nachzutragen, und ich will daher nur anhangsweise darauf hinweisen, daß z. B. die von der übrigen Überlieferung abweichende Notiz, Ptolemaios stamme aus Ptolemais Hermeiu, schon aus dem Grund in Zweifel gezogen worden ist, weil die Breitenbestimmung (richtiger 26° 20’)

Geogr. IV 5, 31 (vgl. I 23) 27° 10’ Breite  – (vgl. Geogr. I 23, 7: Parallel)
Almag. II 6 p. 108 27° 12’ Breite, längster Tag 133/4 Stunden
Geogr. VIII 15, 13 längster Tag 133/4 Stunden

um fast einen Grad in die Irre gehe, also nicht von Ptolemaios, der doch gewiß nicht unterlassen haben würde (?), die Breite seiner Vaterstadt festzustellen, herrühren könne.

§ 42a. Eine stärkere Beleuchtung verträgt der Ort Andriake, der Hafen der Stadt Myra (Μυρέων ἐπίνειον Appian. bell. civ. IV 82). Er ist mir aufgefallen, weil ich dieser Tage mich mit einer Inschrift seines Kornspeichers beschäftigt habe (Wien. Num. Ztschr. LI 1918). Von Myra aus ist er in einer Gehstunde auf ziemlich ebenem Alluvialboden leicht zu erreichen; was aus ihm werden konnte, verdankte er der Stadt Myra. Also war seine eigene Bedeutung gewiß nur sehr untergeordneter Art (vgl. Hirschfeld o. Bd. I S. 2140f.). Und nun weiß Ptolemaios aus Lykien, auf das von den 44 πόλεις ἐπίσημοι nicht weniger als 4 entfallen, keine andere Auswahl zu treffen, als folgende [ich füge zum Vergleich sowohl die Belege aus dem (leider etwas verworrenen) Kapitel V 3 der Geographie und aus dem z. B. von Hudson, s. o. § 30, publizierten Sonderheft der Πόλεις ἐπίσημοι an]:

Tag-
länge
die Entfernung vom Meridian
(60° 30’) von Alexandreia
Breite Länge Breite Länge
VIII 17, 22 Πάταρα 14½ ὑπὸ τὸν αὐτόν V 3, 2 36° 60° 30’ Πόλ. ἐ. 36° 60° 30’
VIII 17, 23 Μύρα 145/12 μικρόν gegen Osten       3 36° 40’ 61° 36° 20’ 61°
VIII 17, 24 Ἀνδριάκη 145/12 ἔγγιστα       2 36° 35’ 60° 50’? 36° 25’ 60° 10’
VIII 17, 25 Λίμυρα 145/12 βραχύ gegen Osten       3 36° 35’ 61° 25’? 36° 35’ 61° 25’

Also war die Breitenbestimmung, ob sie nun in Myra oder in Andriake ausgeführt worden ist, im Material des Ptolemaios zweimal verzeichnet, einmal für Myra, das anderemal für seine Vorstadt, und Ptolemaios behält die Dublette. Si magna licet componere parvis, denkt man an Athen und seinen Hafen im Peiraieus, der übrigens weiter von der Hauptstadt entfernt ist als Andriake von Myra; aber man würde vergeblich den Peiraieus neben Athen im Verzeichnis der πόλεις ἐπίσημοι des Buchs VIII suchen, während er sowie auch Munychia sich in der eigentlichen Geographie (III 14, 7) neben Athen finden.

§ 42b. Die K. der Oikumene, die Ptolemaios vor sich gleichviel ob ganz oder bloß in ihren Hauptzügen ausgeführt sieht, umfaßt (I 23f.) 12 Stundenabschnitte, also 180°, und erscheint (I 24, 1) auf einer Fläche, die nahezu doppelt so breit (lang) als hoch genommen worden int. Marinos hat den Grad des größten Erdkreises mit 500 Stadien berechnet, was Ptolemaios einfach akzeptiert, weil diese Schätzung der bisherigen Praxis entspricht, ὅ τι ταῖς ὁμολογουμέναις ἀναμετρήσεσι συμφωνόν ἐστι (I 11, 2; Vgl. VII 5, 12, ὅπερ ἐκ τῶν ἀκριβεστέρων ἀναμετρήσεων κατελήφθη [28]; [2078] daher wird auf dem Parallel von Rhodos, der 4/5 des größten Kreises ausmacht, der Grad mit [2079] 400 (τετρακοσίους ἔγγιστα σταδίους) Stadien gemessen (ebd.), und das auf der K. erscheinende Bogenstück dieses Parallels ist auf 72 000 Stadien (I 24, 5) in veranschlagen; diese Einschätzung des Bogengrades auf Rhodos möge etwas ungenau sein, aber ,was infolge des Verhältnisses der Parallelen darüber hinausgeht, kann wegen seiner Geringfügigkeit bei der das Ganze umfassenden Berechnung unberücksichtigt bleiben‘ (I 11) 2.

Besondere Schwierigkeiten fand Ptolemaios in den Längenbestimmungen. ,Die Verfinsterungen des Mondes, sagt Peschel-Ruge Gesch. Entd.² (1877) 644f., ehemals das brauchbarste Mittel, den Unterschied der örtlichen Tageszeiten oder die geographischen Längen zu finden, hatten selbst einem Kepler zwischen Portugal und Konstantinopel der Wahrheit sich nur auf drei Grade zu nähern erlaubt. Außerdem aber erwarben sich solche Ermittelungen niemals das Vertrauen der K.-Zeichner. Zwei Beobachter, die neben einander den Mond im Fernrohr überwachten, stimmten gewöhnlich über den Zeitpunkt des Beginnes wie des Endes der Verfinsterung nicht überein.‘ Ptolemaios führt Klage darüber, daß nicht mehr Mondesfinsternisse zur selben Zeit an verschiedenen Stellen der Erde verfolgt und berichtet worden seien (τὸ μὴ πλείους τῶν ὑπὸ τὸν αὐτὸν χρόνον ἐν διαφόροις τόποις τετηρημένων σεληνιακῶν ἐκλείψεων ἀναγραφῆς ἠξιῶσθαι) außer τὴν ἐν μὲνἈρβήλοις πέμπτης ὥρας φανεῖσαν, ἐν δὲ Καρχηδόνι δευτέρας, usw. (I 4); vgl J. G. Cuno Forsch. im Gebiete der alten Völkerkde. I (1871) 169ff. und Peschel-Ruge² 48, 2. Dem entsprechend hat Ptolemaios offenbar - er selbst verliert über die Sache weiter kein Wort -

Geogr. IV 3, 2 die Länge Karthagos mit 34° 50’
VI 1 die Länge Arbelas mit 80°      
bestimmt; der Unterschied von mit 45° 10’

entspricht einer Zeitdifferenz von 3 Stunden 1½ Minuten; der Minuten-Überschuß, der in Längenmaß ausgedrückt etwa 160 Stadien = 32 km ausmacht, muß wohl ausreichen, um die Entfernung (Pt. VI 1, 5) von Arbela nach Gaugamela, wo doch eigentlich die Schlacht und wohl auch die Mondbeobachtung stattgefunden hat, zu decken (und hätte daher o. Bd. VII S. 862 von Streck angezogen werden können). Peschel bemerkt, daß vielmehr zwischen Karthago und Arbela (h. Erbil) 34° 2’ liegen, also der Zeitunterschied nicht 3 Stunden, sondern bloß 2 Stunden 16 Minuten 8 Sekunden ausmachen könne. Vgl. jetzt die Berechnungen von F. Ginzel Spezieller Kanon d. Sonnen- u. Mondfinsternisse (1899) 184 zum 20. Sept. 331 v. Chr.

Dieselbe Finsternis berichtet Plinius n. h. II 180 (apud Arbilam magni Alexandri victoria luna defecisse noctis secunda hora est prodita, eademque in Sicilia exoriens), zusammen mit [2080] einer sowohl in Campanien als auch in Corbulos Lager auf armenischem Boden am 30. April 59 n. Chr. beobachteten Sonnenfinsternis (Ginzel a. O. 201), in Verschiedenem, wie man sieht, nicht mit Ptolemaios übereinstimmend.

Das war das ganze Material, das Ptolemaios für die Längenunterschiede zwischen ,Karthago‘ und ,Arbela‘ zur Verfügung stand! (Sonstige Behelfe hat Ptolemaios, vgl. Peschel a. O. 49, nicht zu benützen ,gewagt‘.) Also um nicht weniger als ein halbes Jahrtausend zurückliegend und aus einer Zeit, in der die Bestimmung von Stunden noch nicht genau erfolgen konnte! Da hat es doch meines Erachtens ganz den Anschein, als ob es doch auch an Ptolemaios gelegen war, wenn er nicht mehr Material für die Längenbestimmungen aus Mondfinsternissen erreicht hat; in dieser Vermutung bestärkt der Verdacht, daß Ptolemaios diese Beobachtung nicht selbst in der Literatur gefunden, sondern aus Hipparch abgeschrieben hat; ,daß sie Hipparch benutzt habe, ist nicht ausdrücklich gesagt, aber doch wohl dem Zusammenhange nach, der an die Bemühungen desselben um die Polhöhe anknüpft, einigermaßeni verständlich‘ (so, überaus vorsichtig, Berger Geogr. Fragm. des Hipparch 1869 S. 34[29].

Mit dieser fehlerhaften Längenbestimmung steht im Einklang, was Peschel² 56 hervorhebt: ihre Geltung sei umso weniger in Zweifel gezogen, worden, als ,Marinos und Ptolemaios die [vom Reisenden im Gebiete des Mittelländischen Meeres] allzugroß überlieferten Entfernungen in geographische Längen nach ihrem allzu kleinen Maße des Erdbogens verwandelt haben. So gelangten beide durch doppelte Steigerung des Fehlers zu einer Ausdehnung des Mittelmeeres über 62 Längegrade, die in Wahrheit nur 41° 41’ beträgt‘.

§ 42c. Der Grad wird in 60 Minuten geteilt; der geringste Bruchteil, der in den Positionskatalogen des Ptolemaios erscheint, ist 5, geschrieben ιβ" (= Bruch|1|12}}); die Bruchteile der Grade werden also überhaupt höchstens zu Zwölfteln abgestuft. Es finden sich somit bei Ptolemaios (=° oder 30’), γ" (=° oder 20’), δ" (= (= oder 15’), ς" (= (= oder 10’); diese Zeichen können kombiniert werden, z. B. γ" ιβ" (=, d. i. ° oder 55’); zu beachten ist noch das δίμυιρον (= 2/3° = 40’, das im 8. Buch wiederholt ausgeschrieben, gewöhnlich aber (immer selbstverständlich, wenn es mit Zahlzeichen verbunden wird) durch das Zeichen γο" (so in den heutigen Drucken; in den Hss. , was hieratische Sigle, vgl. Sethe Von Zahlen (1916) S. 92, oder Fortbildung der durchstrichenen Ziffer B=2 Teile, d. i. 2/3, sein mag) symbolisiert wird.

§ 42d. Nun sollten wir wissen, wie groß wir das Stadion zu nehmen haben. Ist die Ableitung [2081] der Messung des Marinos aus der des Poseidonios richtig, so hätten wir damit zu rechnen, daß nach Hultsch Metr.² 64 ,dieser das Grundmaß des Eratosthenes beibehielt‘, und daß für Eratosthenes zwei Ansätze vorgeschlagen werden, 180 m (Hultsch S. 63, 3) und 157·5 m (S. 61, ,so zuverlässig wie nur irgend eine Reduktion partikulärer Maße der Gegenwart auf das Metermaß‘). Ich halte daran fest, daß Poseidonios als Nichtägypter und als Fortsetzer der Geschichtschreibung des Polybios so wie dieser gerechnet hat; da wir nun wissen, daß Polybios 81/3 Stadien auf die römische Meile gerechnet (Strab. VII 7, 4 C 322 und VII frg. 57) und vielleicht (vgl. Hultsch 65) mitunter für rasches Rechnen diesen Betrag auf rund 8 Stadien herabgesetzt hat (III 39, 8), und daß Strabon, ein jüngerer Fortsetzer des polybianischen Geschichtswerkes, 8 Stadien auf die Meile rechnete (VII 7, 4), ὡς οἱ πολλοί, so setze ich auch für Marinos und Ptolemaios als Umrechnungszahl 177·5 bis 184·9 m voraus, oder vielmehr bloß letztere, weil sie dem kaiserzeitlichen Gebrauch entsprochen zu haben scheint. Dann mißt ein 500 Stadien fassender Gradbogen 92·45 km (wir messen heute einen Meridiangrad mit rund 111 km) und der geringste Bruchteil, den Ptolemaios in Rechnung setzt, sein Zwölftel = fünf Minuten, also = 7·7 km. - Anders rechnet H. v. Mžik Mitt. Geogr. Ges. Wien LVIII (1915) 175f.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Parellelkreisen
  1. Das ist der Terminus, den Berger Gesch. Erdk.² 101 eingeführt hat. ,Wenn wir von einer ionischen K. reden, können wir darunter nur eine Kartengattung meinen, deren einzelne Exemplare neben gleichbedeutenden Hauptmerkmalen die Spuren des allmählichen Fortschritts wohl in gar vielfachen Abweichungen der Einzelbilder zur Schau getragen haben mögen.‘ - Als bequemer Name, und weil wir ja doch nicht imstande sind, den Anteil Anaximanders aus dem herauszuschälen, was Herodot (gelegentlich als Ἴωνες bezeichnend) aus den K.-Werken oder Schriften seiner Vorgänger anführt oder bekämpft, mag er einstweilen gelten.
  2. Roscher meint damit das Vorbild der K. des Aristagoras (vgl. u. S. ) und beruft sich für eine Erd-K. des Hekataios auf Müller FHG I proll. p. XII b; vgl. über diese angebliche K. auch Vivien de S. Martin Histoire de la géographie (1875) 76f; Max Schmid Zur Gesch. der geogr. Lit. bei Gr. u. R. (Pr. Berlin, Askan. Gymn. 1887) 12. Berger Gesch. Erdk.² 90. F. Jacoby o. Bd. VII S. 2700ff. Für mich, entfällt mit Rücksicht auf die eingangs dieses Artikels angekündigte Beschränkung auf jenes Material, das als K. gesichert ist, und nicht etwa in einem kartenlosen Geschichtswerk oder was immer für einer Περίοδος τῆς γῆς gestanden haben kann, also vielmehr in eine Geschichte der Geographie gehört, jeder Anlaß mich hier weiter mit diesem Thema zu befassen. - Eine primitive Welt-K. auf einer babylonischen Tafel des Britischen Museums hat F. E. Peiser in Ztschr. f. Assyriolog. IV (1889) 361ff. veröffentlicht und abgebildet; ,vielleicht mythologischen Zwecken dienend‘. Peiser hält sie für jünger als das 9. Jhdt. v. Chr. Ebendaher hat W. Schultz Altjonische Mystik I (= Stud. z. ant. Kultur II/III 1907) 145f. Abbildung und Beschreibung wiederholt und mit einer chinesischen Erd-K. (abgeb. S. 147) verglichen; er will in dieser babylonischen K. ,ein ungefähres Bild davon, in welchem Stile die Erd-K. des Thales [?!] gehalten sein mochte, erkennen und rekonstruiert (Abb. S. 154) die Erd-K. des Thales ,auf Grund des bisherigen Ergebnisses‘.
  3. ,Er ist nicht der erste Geograph‘ (sagt Berger Ber. Ges. Wiss. Leipzig 1898, 127), ,wie man ihn so lange fälschlich genannt hat, ... er ist ein Gegner der ionischen Geographie und ein Verächter der pythagoreischen, der Typus des mathematisch ungebildeten Publikums jener Zeit, das von der Astronomie nur den Kalender, von der Geometrie nur die Ackervermessung, von der Geographie nur nützliche Kenntnis der Länder und Völker zulassen wollte, mit denen man in Verbindung stand.‘
  4. Allerdings will Max Schmidt a. a. O. 12, 56 aus den (unmittelbar auf den angeführten Satz) bei Herodot folgenden Worten ἐν ὀλίγοισι γὰρ ἐγὼ δηλώσω μέγαθός τε ἑκάτης αὐτέων, καὶ οἵη τίς ἐστι ἐς γραφὴν ἑκάστη) schließen, ,daß hier die Rede von K. sei‘, weil ἐς γραφήν angeblich ,zur Abbildung‘ bedeute.
  5. Über die Geschichte dieses Terminus technicus der antiken Geographie unterrichtet bündig Boll o. Bd. V S. 341f.
  6. Die in ihrer Einfachheit geniale eratosthenische Lösung der Frage, wie ein Meridianbogen durch den Sonnenschatten gemessen werden könne; die Bestimmung des Winkels der Schattenlängen am Tag der Sommersonnenwende und damit des Bogenstückes zwischen Syene und Alexandreia auf 1/50 des größten Erdkreises; und die Vermessung dieses Bogenstückes durch die mensores regiit Ptolemaei auf 5000 Stadien haben Ideler Abh. Akad. Berl. 1825, 176ff. und Berger Gesch. Erdk.² 407-409 bündig und klar dargestellt.
  7. Gosselins Abhandlung ist mir während der Abfassung dieser Zeilen nicht wieder zur Verfügung gestanden. Ebensowenig konnte ich B. Kolbe Der Bischof Synesios von Kyrene als Physiker und Astronom (1850) einsehen.
  8. ,Hipparch ist der Erfinder der stereographischen Abbildung, deren bezeichnende Eigenschaft die ist, daß jeder Kreis des sphärischen Originals auch in der Kopie wieder zum Kreise werden muß‘, mit Berufung auf R. Wolf Gesch. der Astronomie (1897) 60ff.
  9. Nur eine Richtigstellung sei hier erlaubt; ebd. 2121, 26 wird als letzter Vertreter der Bifurkation Cornelius Nepos genannt, und dafür auf Plin. n. h. III 127 verwiesen. Aber wir kennen noch einen Späteren, der bei der Behandlung der Ostküste des Adriatischen Meers die gleiche Vorstellung äußert, nämlich Mela II 57 und 63.
  10. Nordenskjöld Faksimile-Atlas S. 6, 1 verweist auch auf das Titelblatt der Prachthand-Schrift in Venedig, das Ptolemaios in königlicher Tracht darstellt. Natürlich hilft, so unendlich häufig auch der Name Ptolemaios im Bereich der ägyptischen Kultur gewesen war, der Ruhm der königlichen Ptolemäer bei dieser anachronistischen Einschmuggelung des Geographen in das Königshaus mit.
  11. Almagest X 1 p. 297 Heiberg: τῷ ιδ’ ἔτει Ἀντωνίνου, κατ’ Αἰγυπτίους Θὼθ τα’ εἰς τὴν ιβ’; das ist 150, nicht (wie gewöhnlich geschrieben wird) 151 n. Chr. Daß im Vaticanus D τῶι δ’ gestanden hat, die zweite Hand dann τῷ ιδ’ daraus geändert hat, will angesichts der übrigen Überlieferung nichts bedeuten. – Fr. Boll Studien über Claudius Ptolemaios (= N. Jahrb. Suppl. XXI 1894, 63, 2) war eher geneigt, für das J. 141 (richtiger wäre 140 gesagt worden) einzutreten.
  12. Umgekehrt zitiert er in der Geogr. VIII 2, 3 den Almagest.
  13. Ptolem. Geogr. I 23 zählt einundzwanzig Parallele (vgl. dazu die Berechnungen Wilbergs in der zugehörigen Anm. S. 70ff.), Almagest II 6 dreiundreißig (Manitius Handb. II 69ff.; der 33. Parallel hat einen längsten Tag in der Dauer von 24 Äquinoktialstunden, verläuft in der Breite von 66° 8’ 40" und entspricht also unserem nördl. Polarkreis); dazu Müller Ausg. der Geogr. S. 59 und Th. Schöne a. O. 20f. (dort eine Vergleichung beider Listen und Richtigstellung für das J. 155 n. Chr., samt der zugehörigen Literatur)
  14. In Manitius Handbuch I 62f.; die moderne Formel z. B. bei Günther Gesch. der Erdkunde (1904) 24, 7: ,Wenn t die Tagesdauer eines Ortes von der Polhöhe φ am 21. Juni ist, so ist der Tagesbogen s der Sonne an diesem Tage aus der Proportion th: 24h = so : 360° zu bestimmen und weiterhin hat man tang. φ = – cos ½ s: tang. ε, unter ε die Ekliptikschiefe verstanden‘.
  15. Müller hat es in seinem Kommentar leider unterlassen, die Angaben des VIII. Buches gleich einzuverarbeiten; so können wir, solange die Didot’sche Ausgabe nicht vollendet ist, nicht einmal ungefähr den hsl. Befund überblicken. Die ptolem. Tabula longitudinis et latitudinis urbium insignium, abgedruckt in Hudsons Geographiae veteris scriptores Graeci minores III (1712), gibt p. 18 wieder andere Zahlen
    für Elaius 54° 30’     45° 15’,
    für Sestos 54° 30’     41° 15’;
    die von mir für diese Tafeln eingesehenen Hss. (auch der Vaticanus, der das Hemerologion bietet) bestätigen für die Breite Hudsons Zahlen.
  16. Über diesen Syros Boll a. O. 67, 2. Daß er ἀδελφός des Ptolemaios gewesen ist, wie in der Überschrift der Tetrabiblos zu lesen ist, deren ,zentrale Stellung in der astrologischen Literatur des 4. und 5. Jhdts. Boll beleuchtet, und derer Verfasser er in Ptolemaios erkennen will, hat Boll (vgl. S. 111 und 179f.) als ebensowenig begründet angesehen wie die Bezeichnung der Origo des Ptolemaios mit Pelusion durch die gleiche Quelle.
  17. Es sei mir gestattet, hier die Pliniusstelle, die von den Finsternistabellen Hipparchs handelt, und die ich in meinen Kalenderbüchern (Denkschr. Akad. Wien LVII 3, 1915) anzufahren unterlassen habe, nachzutragen (n. h. II 53): utriusque sideris (Sonne und Mond) cursum in sexcentos annos praecinuit Hipparchus, mense gentium diesque et horas ac situs locorum et †vicus populorum complexus.
  18. Das haben spätere Zeitläufte nicht einsehen wollen, vgl. was Müller (in seiner Ausg. des Ptolem. I p. 3) über die Zusammenziehung der Worte διὰ γραφῆς in διαγραφῆς (dazu jetzt aber auch Fischer Ptolem. und Agathodaemon 74, 1) durch die meisten Hss. und durch die Quelle des Eustathioskommentars zur Periegese des Dionysios Geogr. Gr. min. II 212 bemerkt. Müller hat recht gehabt, auf eine Stelle aus Letronne’s Examen critique des prolégomènes de la gégraphie du Ptolem., die als Rezension einer Bearbeitung des I. Buches und der Schlußkapitel des VII. Buches durch Halma 1830 veröffentlicht und seitenweise von Wilberg in seinem Kommentar im französischen Wortlaut abgedruckt worden ist, einem der besten Aufsätze über Buch I des Ptolemaios, aufmerksam zu machen, (neu abgedruckt Oeuvres choisies, II. Reihe Bd. I 1883, 131, 1): ,C’est ce dont l’abbé Halma ne s’est point douté, et ce qui l’a entraîné dans une multitude de contre-sens. La définition de Ptolémée qu’il trouve ,singulière‘, est fort bonne, quand on sait que l’auteur veut dire‘.
  19. Was Müller Ausg. I p. 4 aus den Digesten als Analoga anführt: XLI 3, 45 in fluminis publici deverticulo (Papinian) und XLIV 3, 7 (Marcianus), bezeichnet doch wohl einen Nebenarm und nicht einen Nebenfluß; so auch Heumann Handlexikon zu den Quellen des röm. Rechts⁹ 143. [Anscheinend das gleiche Verfahren wie bei Ptolemaios zeigt Vitruv. VIII 2, 6 und 8.]
  20. Berger hat dann übrigens auch in der Neuauflage seiner Gesch. d. Erdk. soviel ich sehe in dieser Hinsicht zur Tetrabiblos Stellung zu nehmen unterlassen.
  21. Das kann sich doch nur auf Unklarheiten oder Unstimmigkeiten seiner Διόρθωσις beziehen und spricht wohl gleichfalls deutlich gegen die Ausführung oder wenigstens gegen die Vollendung der K., nicht etwa bloß in der angeblich letzten Edition seines Werkes, sondern überhaupt dagegen, daß er jemals seine K. fertiggestellt habe.
  22. Vgl. § 26. – Was innerhalb dieser Zeit für die Aufhellung des geographischen Gesichtskreises geschehen ist, hat Berger Gesch. Erdk.² 583ff. übersichtlich und treffend zusammengestellt.
  23. Bez. dem Marinos.
  24. Die jüngste Arbeit über diesen Gegenstand ist das Buch von H. Patzig Die Städte Großgermaniens bei Ptolemaeus und die heute entsprechenden Orte (Dortmund 1917).
  25. ,Dieser schwere Irrtum ist Ptolemaios dadurch passiert, daß er den sebennytischen Kanton in zwei Teile geteilt hat, einen Σεβεννύτης κάτω τόπων und einen ἄνω τόπων; in rein mechanischer Weise hat er wegen der Wörter κάτω und ἄνω jenem die nördliche Breite im Delta, diesem die südlichste unter den möglichen angewiesen; daß dadurch eine große Anzahl Kantone zwischen den nördlichen und südlichen Teil eines und desselben Nomos zu liegen kamen, hat ihn nicht gestört‘ (Schwarz S. 273).
  26. Die Distanz im It. Ant. 164 III m. p. ist zu gering angesetzt.
  27. Diese Erkenntnis warnt uns vor Überschätzung der emphatischen Worte II 1, 2: προλαβόντες, ὅτι τὰς μὲν τετριμμένων τόπων μοιρογραφίας μήκους τε καὶ πλάτους ἐγγυτάτῳ τῆς ἀληθείας ἔχειν νομιστέον διὰ τὸ συνεχὲς καὶ ὡς ἐπίπαν ὁμολογούμενον τῶν παραδόσεων
  28. Marinos hat sich augenscheinlich an Poseidonios’ Erdmessung gehalten, vgl. Berger Gesch. Erdkde.² 592 und Schoene a. a. O. S. 13, 9; Berger setzt auseinander, daß ,Ptolemaios, der Mathematiker‘, ,der sich angelegen sein läßt, die Bedeutung und die Grundzüge der Erdmessung nach Hipparch wortreich auseinanderzusetzen, er, der Ptolemaios, denkt, wie es zur Entscheidung kommt, nicht an einen neuen Versuch, nicht an die Prüfung der vorliegenden Lösungen und die Annahme der verhältnismäßig besten, nicht an sein Vorbild Hipparch, sondern folgt blind seinem nächsten Vorgänger Marinos, während doch sonst die Kritik gegen dessen Fehler seine ganze eigene Geographie trägt. Ich kann in dieser Tatsache nur erschreckende Nachlässigkeit in Benützung der Vorlagen sehen‘. – Der Fehler, der aus zu geringer (um 1/6) Einschätzung der Grundlage am Äquator hervorgeht, ,entstellt die ganze Weltkarte‘ (Roscher 11). ,Betrug z. B. die gemessene Entfernung zweier Orte, welche unter demselben Meridian lagen, 600 Stadien, so ergab sich für dieselben aus astronomischen Beobachtungen ein Breitenunterschied von einem Grad. Da Ptolemaios aber auf einen Grad nur 500 Stadien rechnete, so entsteht hier für ihn ein Widerspruch, welchen er jedoch, wo es irgend tunlich ist, zu beseitigen sucht. In der Regel werden die beiden Orte so gelegt, daß die Distanz von 600 Stadien bewahrt wird, der Breitenunterschied aber dennoch nur einen Grad beträgt, d. h. die Orte werden auf den durch astronomische Beobachtung gefundenen Parallelkreisen in eine solche Lage gebracht, daß dieselben 600 Stadien voneinander entfernt sind, aber nicht mehr unter dem selben Meridian liegen. Wo aber eine solche Verschiebung nicht anwendbar ist, da werden nur die astronomischen Beobachtungen benutzt‘ (Roscher 12f., der auf diesen Schluß die Meinung stützen will, daß die Untersuchung des jeweiligen Verfahrens bei Ptolemaios ,sogleich zu entdecken‘ erlaubt, ,wo Ptolemaios eine astronomische Beobachtung benutzt hat‘, vgl. o. S. 2077, 2).
  29. Nebenbei bemerkt, unterlassen die Kommentare zu Ptolemaios, auch der von Müller, auf Plinius und auf die Berichte der Historiker hinzuweisen, und die modernen Geschichtschreiber verzichten auf Ptolemaios; so redet man neben einander vorbei.