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RE:Raga

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Große Stadt in O-Medien
Band I A,1 (1914) S. 125127
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Raga. (ἡ) Ῥάγα Strab. XI 13, 6, wonach Steph. Byz., Isid. Char. m. Parth. 7; ἡ Ῥάγη Tobit 6, 10; Ῥάγοι Tobit 1, 14. 4, 1. 20. 5, 5. 6, 13. 9, 2: (αἱ) Ῥάγαι Arrian. anab. III 20, 2. Strab. XI 9, 1. 13, 6. Diod. XIX 44. 4. Athenaios XII 8. 313f.; Ῥαγάδας (Acc.) Duris bei Strab. I 3, 19: große (nach Isid. größte, Stadt des östlichen Medien, das nach ihr ἡ Ῥαγιανή (Ptol. VI 2, 6; Plin. n. h. VI 43 Rhagiane als Attribut von Apamea) genannt wurde. Auch bei Isid. ist Ῥαγιανή von den Herausgebern mit Recht in den [126] Text eingesetzt werden, da sich die Angabe, daß in ihr 10 Dörfer und 5 Städte gelegen seien, nur auf das rhagianische Medien beziehen kann. Nach Apollod. Artem. bei Strab. XI 9, 1 und 13, 6 lag die Stadt 500 Stadien südlich von den Kaspischen Toren, nach Isid. 7 Schoinen von der (westlichen) Provinzgrenze entfernt. Den Namen brachte Duris mit griech. ῥαγάδες zusammen; er meinte, die Gegend um die Kaspischen Tore sei durch Erdbeben zerrissen, so dass viele Städte und 2000 Dörfer zu Grunde gegangen seien. Die gleiche Ansicht vertrat Poseidonios (bei Strabon XI 9, 1); auch Diodors noch ausführlichere Angaben gehen wahrscheinlich darauf zurück. Die Etymologie ist natürlich falsch; aber die Tatsache, daß die Gegend auch schon im Altertum unter Erdbeben zu leiden hatte, wird richtig sein (vgl. unten). Die Stadt wird im Awesta zweimal erwähnt, und zwar in verschiedenen Namensformen: Iasna 19, 18 das ,zarathuschtrische‘ Raği, und Vendidad I 15 Ragha, das 3 Gaue umfaßte, als ‚zwölftbester der Orte und Stätten‘, die Ahuramazda geschaffen hat. Gemäß dem mittelpersischen Bundahiśn (transl. by West Sacred Books of the East V 140) wurde Räi der Herrschaft des Khūsrōv unterstellt; als Lebenszeit dieser sagenhaften Persönlichkeit rechnet Jackson 840–780. Auf festen geschichtlichen Boden führt uns die Bīsutūn-Inschrift des Darius I. (Weissbach Keilinschriften der Achämeniden SS. 38ff.‚ Lpz. 1911): § 32 wird Ragā (so altpersisch; elamisch Rakkan, baby]. Ragá) als ‚Gegend‘ in Medien bezeichnet. Dort wurde im Herbst 521 der medische Empörer Frawartiš gefangen genommen, und (§ 36) von dort aus sandte der Großkönig im Winter 521/0 seinem Vater Hystaspes nach Parthien ein Heer, mit dessen Hilfe die abgefallenen Parther und Hyrkaner bezwungen wurden. Im Sommer 330 erreichte Alexander d. G. auf der Verfolgung des fliehenden Darius III. am 11. Tage nach dem Aufbruch von Ekbatana R. und gönnte hier seinen Truppen eine fünftägige Rast (Arrian. a. a. O.). Im Winter 317/6 lagerte in der Gegend von R. das Heer des Antigonos (Diod. a. a. O.). Die Stadt mag bald darauf, vielleicht durch Erdbeben, zerstört werden sein. Denn Seleukos Nikator wird Strab. XI 13, 6, wonach Steph. Byz. als ihr ,Gründer‘ bezeichnet. Sie erhielt von ihm den Namen Εὔρωπος; unter diesem kennt sie Ptol. und die Tab. Peut.; vgl. Europos Nr. 7 Bd. VI S. 1310. Zur Partherzeit, also nicht vor 230. wurde die Stadt nochmals umgenannt; s. Arsakia Nr. 2 Bd. II S. 1270. Doch scheint sie bald wieder ihren alten Namen erhalten zu haben. Nach Athenaios a. a. O. pflegten die Partherkönige den Winter in Babylon, den Frühling ἐν Ῥάγαις zu verbringen. Aus der im übrigen ungeschichtlichen Erzählung des Buches Tobit ergibt sich als glaubwürdig, dass in B. auch Juden wohnten, wenn auch kaum zur Zeit Sanheribs von Assyrien‚ aber wohl seit Kyros und unter seinen Nachfolgern. In der Sasanidenzeit wird Rai mehrfach als Bischofssitz genannt (vgl. Guidi ZDMG XLIII 413. 1889). Wie Marquart (Erānšahr 122) wahrscheinlich gemacht hat, ist aus der awest. Nebenform Raği ein mittelpers. Ethnikon Rāğīk, Rāžīk hervorgegangen, [127] das nicht nur in syr. Rāžīkāįā und neupers. Rāžī ‚Mann aus Rai‘ weiterlebt, sondern wohl auch in Ῥαζήχ (Acta mart. Anastasii ed. Usener Bonn 1894 p. 2b und p. 5b) und der Ableitung Ῥαζακηνή (Theophyl. Simok. III 18, 6) vorliegt. Von den wechselvollen Schicksalen der Stadt im Mittelalter sei hier nur hervorgehoben‚ daß sie i. J. 863 durch ein Erdbeben zerstört wurde und nochmals unter Šāhruḫ (1404–1447) für kurze Zeit als Residenz eine Nachblüte erlebte. Seitdem ist sie vollständig verfallen. Das Ruinenfeld, 5 engl. Meilen südöstlich von Tehran, läßt noch die Stadtmauern mit einigen ihrer Türme und die Akropolis im Nordosten erkennen. Eine genaue Untersuchung mit umfassenden Ausgrabungen würde sich voraussichtlich sehr belohnt machen. Vgl. Ritter Erdkunde VIII 595ff. Curzon Persia I 345ff., Land. 1892. Marquart Ērānšahr (Abh. Gött. Ges. d. W. N. F. III no. 2) 1225. und Philologus Suppl. X 19ff. Jackson Persia 428ff.‚ New-York 1906. Derselbe Spiegel Memorial Volume 237ff.‚ Bombay 1908.