11) C. Scribonius Curio, Sohn des Vorigen,
[868] bei dessen Lebzeiten öfter als Curio filius von ihm unterschieden. Er ist gegen 670 = 84 geboren und gehörte zu der Generation, die erst von Catilina und dann von Caesar in seinen Bann gezogen wurde, aber der eigenen Vollkraft bewußt vor allem sich selbst zur Geltung bringen wollte. Ein enges Freundschaftsverhältnis verband Curio schon Ende der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts v. Chr. mit dem etwas jüngern M. Antonius; natürlich wurde es von den Gegnern als ein unsittliches verschrieen, wobei der ältere der Jünglinge Curio als der Liebhaber galt (Cic. Phil. II 44–46, vgl. 3. 50), wenngleich er auch wiederum bei seinem ersten öffentlichen Hervortreten wegen seines weibischen Wesens verspottet wurde (filiola Curionis Cic. ad Att. I 14, 5). Er leistete für Antonius Bürgschaft für hohe Beträge, in der Hoffnung, daß sein Vater dafür eintreten würde; doch erst nach längerem Widerstreben und auf die Fürbitte anderer, wie Ciceros, der dem jungen Curio von seinen Knabenjahren an nahe stand (Cic. ad. fam. II 1, 2), ließ sich der strenge Vater dazu bewegen (Cic. Phil. II 44–46. Val. Max. IX 1, 6. Plut. Ant. 2, 4). Vater und Sohn setzten sich Anfang 693 = 61 für P. Clodius ein, gegen den sich eine Rogation der Consuln auf Untersuchung seines Religionsfrevels richtete; nachdem der Vater ohne Erfolg im Senat das Zustandekommen eines Beschlusses, der die Rogation den Comitien empfahl, bekämpft hatte, suchte der Sohn an der Spitze der jungen adligen Freunde des Clodius die Verwerfung der Rogation durch eifrige Wühlarbeit vor den Comitien zu erzielen (Cic. ad Att. I 14, 5). Im April 695 = 59 machte er dem Cicero erst in Antium, dann bei einer zufälligen Begegnung zwischen Antium und Rom Mitteilung von den Verstimmungen zwischen den Triumvirn und ihren bisherigen Anhängern, zwischen Caesar und Clodius und von seiner eigenen Entrüstung über deren Treiben (Cic. ad Att. II 7, 3. 8, 1. 12, 2); im Juni trat er selbst in einer Versammlung unerschrocken gegen den Consul Caesar und den allmächtigen Pompeius auf, in Einvernehmen mit seinem Vater, und erntete lebhaften Beifall (ebd. 18, 1. 19, 3. Suet. Caes. 50, 1). Um den jungen Mann, den seine Begabung zu einem gefährlichen Feinde zu machen drohte, bei Zeiten zu beseitigen, wurde im Herbst L. Vetteius vorgeschickt; er forderte ihn zur Teilnahme an einem angeblichen Komplott gegen Pompeius auf, aber Curio teilte dies seinem Vater mit, der Vater dem Pompeius, und infolgedessen kam es zu einer Untersuchung, bei der Curio als Zeuge vernommen wurde (Hauptbericht Cic. ad Att. II 24; vgl. Vatin. 24 mit dem hohen Lobe Curios; Schol. Bob. Sest. 139, 26 Stangl). Dem Senat gehörte er damals nicht an, sondern erfuhr die dortigen Verhandlungen von seinem Vater (Cic. Brut. 218). Gleich diesem war er in der Folgezeit auch für Cicero tätig (Cic. ad fam. II 6, 2). 700 = 54 war er Quaestor in Asien und verweilte dort noch 701 = 53 längere Zeit, während Cicero Augur wurde (Cic. Phil. II 4) und Milo seine Kandidatur für das Consulat aufstellte (Cic. ad fam. II 5, 1. 6, 1. 36.). In diesem Jahre richtete Cicero an ihn die Briefe ad fam. II 1–6, hauptsächlich in der Absicht, ihn bei seiner Partei festzuhalten (charakteristisch besonders II 4);
[869] der Brief II 2 spricht ihm das Beileid beim Tode seines Vaters aus und II 3 (erläutert von Bardt Ausgewählte Briefe aus Ciceron. Zeit nr. 25) warnt ihn davor, durch übermäßigen Aufwand bei Festlichkeiten und nicht vielmehr auf anderem Wege die Gunst des Volkes zu erwerben; II 6, 3ff. (= Bardt a. O. nr. 26) erbittet seine Unterstützung für Milos Kandidatur. Trotz der Warnung Ciceros setzte Curio seinen Ehrgeiz darein, bei den Leichenfeiern für seinen Vater nach der Rückkehr etwas Niedagewesenes zu bieten, ein aus Holz erbautes drehbares Doppeltheater, dessen beide Hälften sich dann umgedreht zu einem Amphitheater zusammenfügten (Plin. n. h. XXXVI 116–120). Die Angabe bei Plut. Cato min. 46, 3, daß er die prächtigen Spiele als Amtsgenosse des Aedilen M. Favonius gegeben habe, ist am einfachsten damit zu erklären, daß seine Leichenspiele mit den aedilicischen gleichzeitig waren und in Wettbewerb traten (vgl. Seidel Fasti aedilicii [Diss. Breslau 1908] 87f; danach zu berichtigen o. Bd. VI S. 2075, 24f); die pathetischen Deklamationen bei Plin. a. O. gehen vielleicht letzten Endes auf den in Schatten gestellten Favonius und dessen Gönner Cato zurück. Nicht lange nachdem Anfang 702 = 52 sein Freund Clodius gefallen war, heiratete Curio dessen Witwe Fulvia und zeugte mit ihr einen Sohn Nr. 7 (Cic. Phil. II 11, vgl. 113. V 11. Dio LI 2, 5; o. Bd. VII S. 281, 26ff.). Im J. 703 = 51 hatte er anscheinend zunächst die Absicht, für das folgende Jahr sich um die Aedilität zu bewerben, und verschaffte sich bereits aus Asien und Afrika Raubtiere für die dann zu feiernden Spiele; doch trat er diese Tiere dann dem M. Caelius Rufus ab (Cael. bei Cic. fam. VIII 9, 3. 8, 10), denn er selbst zog der Aedilität das Volkstribunat vor, als im Juli infolge der Verurteilung des Servaeus eine Ersatzwahl notwendig wurde (ebd. 4, 2. 5, 3). Schon im Oktober rechnete Cicero in Kilikien mit Curio als künftigem Tribunen (fam. XV 14, 5), wenn er ihm auch seinen Glückwunsch erst nach dem Amtsantritt im Dezember sandte (ebd. II 7, 1f.). In denselben Monaten wurde Curio auch zum Pontifex gewählt (ebd. 3. Dio XL 62, 1f.) und entfaltete er als designierter Volkstribun eine eifrige Tätigkeit. Er war allgemein als heftiger Gegner Caesars bekannt und übernahm das Tribunat in der ausgesprochenen Absicht, diesen bis zum äußersten zu befehden (vgl. Appian. bell. civ. II 100. Dio XL 59, 4 u. a.), sein Ackergesetz von 695 = 59 aufzuheben (Cael. a. O. 10, 4: de agro Campano; vgl. 9, 3: praedia rustica dare?), seinen Triumph und seine Wiederwahl zum Consul zu hintertreiben (Varro de vita p. R. bei Non. 147, 15) und vor allem zunächst die Frage der Provinzenverteilung im J. 704 = 50 gegen seine Wünsche zur Entscheidung zu bringen (Cael. a. O. 5, 3. 10, 3). Deswegen nahm er schon am 29. September an den Verhandlungen über diese Frage teil (Urkundzeuge in den Senatsbeschlüssen bei Cael. a. O. 8, 5. 6) und wurde von Cicero gebeten, bei den weiteren Verhandlungen auch seine Ablösung in der Provinz zu fördern (fam. II 7, 4). Von der Aufstellung seiner Kandidatur an richteten sich auf Curio vielfache Hoffnungen und Befürchtungen (Cael. a. O. 4, 2. 10, 3. Cic. fam. II 7, 1); er trat schon jetzt nach seiner Wahl
[870] öfter in Volksversammlungen auf (Cael. a. O. 10, 3f.) und deutete manches von anderen Plänen an, so die Wiederherstellung des kürzlich verurteilten und verbannten C. Memmius (Cic. ad Att. VI 1, 23), mit dem er wohl verwandt war (vgl. ihre Zusammenstellung 695 = 59 ebd. II 12, 2 und die aus Sisenna III frg. 44 Peter zu erschließende Tatsache, daß seine Mutter eine Memmia war) und Maßregeln zur Einschränkung des Sklavenluxus oder von ähnlicher Art (Cic. ad Att. VI 1, 25). Caesar hatte bisher den Curio als Gegner unterschätzt und nicht an sich gezogen (Cael. a. O. 4, 2); nun holte er das Versäumte nach und gewann um hohen Preis (ingenti mercede Suet. Caes. 29; vgl. Tac. ann. XI 7) einen Bundesgenossen von unschätzbarem Wert. Daß es sich um Bestechung in gemeinem Sinne handelte, konnten nur die Gegner behaupten und die, welche beide Persönlichkeiten nicht recht zu würdigen wissen. Ciceros Nachruf auf Curio (Brut. 280f.) beweist, daß Curio Höheres erstrebte als materielle Güter, und daß ihm das Geld stets nur ein Mittel zum Zweck war. Nach der populären und vulgären Auffassung hat er sich freilich von Caesar erkaufen lassen, indem dieser seine Schulden bezahlte oder übernahm (Plut. Pomp. 58, 1; Caes. 29, 2; Ant. 5, 2. Appian. II 101. Dio XL 60, 2f.), deren Höhe nach Val. Max. IX 1, 6 sechzig Millionen Sesterzen betrug; Serv. Aen. VI 261 gibt an: Vendidit Curio Caesari XXVII s. Romam und zitiert dazu bereits Lucan. IV 820: Gallorum captus spoliis et Caesaris auro; doch selbst Vell. II 48, 4 läßt es unentschieden, ob Curio aus freien Stücken oder um den Preis von 10 Millionen Sesterzen – ut accepimus – auf Caesars Seite trat. Seine Haltung nach dem Antritt des Tribunats war außerordentlich geschickt und klug, so daß man über seinen Parteiwechsel längere Zeit im unklaren blieb. Er setzte seine Angriffe gegen Caesar und seine Verteidigung des Senats in der bisherigen Weise fort, verstand aber durch Verschleppung in den beiden ersten Monaten von 704 = 50, alle wichtigen Beschlüsse zu verhindern (Dio XL 61, 1ff., vgl. Appian. II 102). Er brachte zahlreiche und mannigfaltige Anträge ein, zum Teil gewiß die schon vorher in Aussicht gestellten, dann im Februar den auf die Einfügung eines Schaltmonats (Cael. ebd. Appian. II 102), den auf Ausbau des Straßennetzes, wobei er, wohl nach dem Muster des C. Gracchus, für sich auf fünf Jahre die Leitung wünschte (Cael. ebd. Appian. II 102), den auf Einziehung des Königreichs Mauretanien (Caes. bell. civ. II 25, 4. Lucan. IV 689ff. Dio XLI 41, 3) und andere mehr; die Ablehnung bot ihm den Vorwand zur allmählichen Entfernung von seinen alten Gesinnungsgenossen (Cael. a. O. Appian. II 102f. Dio 62, 2). Als am 1. März die brennende Frage der Rückberufung Caesars aus Gallien auf der Tagesordnung des Senats stand, erhob Curio zum ersten Male die Forderung, daß gleichzeitig mit Caesar auch Pompeius sein proconsularisches Imperium niederlegen und seine Truppen entlassen sollte (Plut. Pomp. 58, 3. Appian. II 104f. Dio 62, 3f.; vgl. Cic. ad Att. VI 2, 6. Hirt. bell. Gall. VIII 52, 4f.). Mit diesem scheinbar so einfachen unparteiischen und zweckmäßigen Vorschlage erwarb sich Curio allgemeine Zustimmung und ungeheure Popularität
[871] (Plut. Pomp. 58, 4; Caes. 30, 2. Appian. II 106), zog sich aber zugleich die Feindschaft des Pompeius zu, dem er freilich in der Debatte durch Schlagfertigkeit und Gewandtheit sehr überlegen war (Cael. a. O. 11, 3. Suet. gramm. 25). Gegen die von Cicero ersehnten Supplikationen hielt er seine Interzession nicht aufrecht (Cael. a. O. 11, 1f.), doch gegen die Abberufung Caesars hielt er daran fest (Appian. II 113. Cael. a. O. 13, 2; vgl. Cic. ad Att. VI 3, 4), so daß ein großer Teil des Jahres darüber hinging. Da er durch Nachgiebigkeit in Nebenfragen sein Ansehen noch befestigte (Cael. a. O. 14, 4) und in seiner Stellung sonst nicht zu erschüttern war, versuchte der dem Pompeius nahestehende Censor Ap. Claudius Pulcher, ihn durch Streichung aus der Senatsliste zu Falle zu bringen. Die Fürbitte der Caesarianer, seines Amtsgenossen L. Piso und des mit Curio überdies verwandten Consuls L. Aemilius Paullus ließ ihn von diesem Vorhaben abstehen (Dio 63, 5) oder vielmehr im Einvernehmen mit dem zweiten Consul C. Marcellus einen andern Weg einschlagen. In der Senatssitzung am 1. Dez. unter dem Vorsitz des Marcellus legte Appius sein Urteil über Curio vor und beantragte die Abstimmung darüber. Curio griff ihn sogar tätlich an und erhob gegen die Abstimmung Einspruch; dann erklärte er, daß er sich im Bewußtsein seiner patriotischen Pflichterfüllung der Entscheidung des Senats unterwerfe, und bewirkte dadurch, daß sie zu seinen Gunsten ausfiel (Dio 64, 1–4). In unmittelbarem Anschluß an diese Verhandlung kam nun die Hauptfrage zur Erörterung; Curio setzte durch, daß sein Antrag auf gleichzeitigen Rücktritt des Caesar und des Pompeius zur Abstimmung gebracht wurde, und fand dafür eine Mehrheit von 370 gegen 22 Stimmen (Plut. Pomp. 58, 4f. Appian. II 119; Vgl. Hirt. bell. Gall. VIII 52, 4f., s. u. a. Ed. Meyer Caesars Monarchie 269f.). Unter dem Eindruck dieses Ergebnisses und der von Curio bestrittenen Gerüchte über feindselige Maßnahmen Caesars (Appian. II 120) tat Marcellus den verhängnisvollen Schritt zur Übergabe des Schwertes, d. h. des Oberbefehls an Pompeius. Curio führte am 9. Dez., an dem sein Amtsjahr ablief, vor dem Volke über beide lebhafte Beschwerde, dankte ab und ging eilends zu Caesar nach Ravenna (Appian. II 123. Dio XL 66, 5. Über sein ganzes Tribunat vgl. noch Cic. ad Att. VII 7, 5. Hirt. bell. Gall. VIII 52, 4f. Liv. ep. CIX. Vell. II 48, 3–5. Suet. Caes. 29). Von Caesar mit Dankbarkeit empfangen, riet Curio, sofort mit ganzer Macht auf Rom loszugehen (Appian. II 125); doch als jener noch einmal die Hand zur Versöhnung bieten wollte, übernahm er bereitwillig die Vermittlung und reiste mit unerhörter Schnelligkeit in drei Tagen nach Rom zurück, so daß er den neuen Consuln bei Eröffnung der ersten Senatssitzung am 1. Jan. 705 = 49 das Ultimatum übergeben konnte (Appian. II 127 mit Vierecks adn. crit. Dio XLI 1, 1f.). Bei der Abstimmung war er neben M. Caelius Rufus der einzige, der Caesars Abberufung verwarf (Dio XLI 2, 1); den dahingehenden Senatsbeschluß verhinderte die Interzession der Tribunen M. Antonius und Q. Cassius Longinus. Die folgenden Verhandlungen endeten damit, daß nach der Senatssitzung des 7. Jan. die beiden Tribunen [872] sich als vergewaltigt betrachteten, die Hauptstadt verließen und zu Caesar eilten, begleitet von Curio und Caelius (Cic. fam. XVI 11, 2. Oros. VI 15, 2. Plut. Caes. 31. Appian. II 130–133. Dio XLI 3, 2. 4, 1). Von den vier Männern ist bei diesem diplomatischen Vorspiel des Bürgerkrieges jedenfalls Curio der führende gewesen, obgleich er merkwürdigerweise von Caesar selbst dabei nicht genannt wird (bell. civ. I 1, 1–6, 5). Caelius, der von Vell. II 68, 1 bei einer Vergleichung über ihn gestellt wird, erklärte ein Jahr später vertraulich, er sei durch die Freundschaft mit Curio auf Caesars Seite gezogen worden (bei Cic. fam. VIII 17, 1), und von M. Antonius, dem Nachfolger und Nacheiferer Curios im Tribunat, galt anerkanntermaßen dasselbe (Cic. Phil. II 50. Plut. Pomp. 58, 1; Ant. 5, 2). Bei Livius (ep. CIX) und in der von ihm beeinflußten Tradition (z. B. Vell. II 48, 3–5. Lucan. I 268ff. Plin. n. h. XXXVI 120. Dio XLI 4, 1 u. ö.) stand Curio offenbar im Vordergrunde der Darstellung. Bei Caesars Vormarsch besetzte er in den Tagen vom 18.–20. Jan. mit drei Cohorten von Pisaurum und Ariminum das den wichtigsten Appenninenpaß beherrschende Iguvium (Caes. bell. civ. I 12, 1f.). Den damals von L. Caesar unternommenen Vermittlungsversuch sah er von vornherein als aussichtslos an (Cic. ad Att. VII 19). Mitte Februar, als Caesar mit seiner ersten Armee vor Corfinium aufgehalten wurde, führte Curio die inzwischen im Norden gebildete zweite Armee heran und erhielt daher der Befehl über das zweite Lager vor der Festung (Caes. I 18, 5. Pompeius bei Cic. ad Att. VIII 12 C, 1). Ob er nach dem Fall und nach der Vereinigung der Streitkräfte an dem weiteren Vorrücken gegen Brundisium teilnahm, ist unsicher; die Andeutungen von Ende März bei Cic. ad Att. IX 14, 2. 15, 1 lassen vermuten, daß er als Caesars Stellvertreter in und bei Rom gebot, bis Caesar selbst eintraf. Ende März erhielt er ein propraetorisches Imperium, drei Legionen und den Auftrag, nach Sizilien und von da nach Afrika zu gehen (Caes. I 30, 2, vgl. Cic. ad Att. X 4, 9); er wurde von Caesar mit den wichtigsten selbständigen Aufgaben betraut. Auf dem Wege in die Provinz machte er am 14. und nochmals am 15. April dem Cicero einen Besuch auf dessen Cumanum: wie er zwischendurch in Puteoli eine Propagandarede hielt, so bearbeitete er den Cicero in Caesars Namen, um ihn in Italien festzuhalten; Cicero schöpfte aus der Unterredung die Hoffnung, daß Curio ihm freie Durchfahrt durch sein Kommandogebiet nach Griechenland gestatten werde (Cic. ad Att. X 4, 7–12. vgl. 5, 2. 7, 1. 3. 12, 1. 8. 10. 10, 3. 4). und sah sogar seine Ergebenheit gegen Caesar nicht als ganz unerschütterlich an (ebd. 12 A, 2. 8. 2).
Da der von Pompeius nach Sizilien entsandte Cato auf die Kunde von dem Eintreffen des Feindes die Insel am 24. April bereits räumte, konnte Curio ohne Schwertstreich von ihr Besitz ergreifen (Cic. ad Att. X 16, 3 [über die Einsetzung seines Namens ebd. 13, 3 vgl. Drumann-Groebe G. R.2 V 32, 7]. Caes. I 30, 5. 31, 1. Lucan. III 59. Oros. VI 15, 7. Appian. II 165. Dio XLI 41, 1) und verbrachte die nächsten dreieinhalb Monate damit, von hier aus die Verpflegung
[873] Roms zu sichern (vgl. Lucan.) und den Feldzug gegen Afrika vorzubereiten; daß seine Besorgnis vor der überlegenen Seemacht der Pompeianer (vgl. Cic. ad Att. X 4, 9. 7, 3) nicht unbegründet war, zeigte sich während dieser Zeit, als L. Nasidius sein nach Massilia bestimmtes Geschwader glücklich durch die Meerenge führte und dabei sogar ein Schiff aus dem Hafen von Messana wegschleppte (Caes. II 3, 1f.). Über Curios Unternehmung gegen Afrika und sein Ende ist die Hauptquelle Caes. II 23, 1–44, 3, beruhend auf Berichten von geretteten Teilnehmern und auf eigener Anschauung der Örtlichkeit; Lucan. IV 581–824 und Dio XLI 41, 1–42, 6 stehen diesem Gewährsmann sehr nahe, Appian. II 175–190 etwas ferner; daß bei diesem der von Caesar und den anderen hier gar nicht erwähnte C. Asinius Pollio hervortritt, ist für die Quellenfrage beachtenswert. Von neuerer Literatur vgl. besonders G. Veith bei Kromayer Antike Schlachtfelder III 2 (1912), 721. 730–760 mit Karte 11 und 16 und A. Ferrabino Atti della accad. di Torino 1912/13, XLVIII 499–513. Curio hatte seine Streitkräfte in Sizilien auf vier Legionen erhöht (Caes. 23, 1), von denen er für die afrikanische Expedition zwei bestimmte, die aus den bei Corfinium zu Caesar übergetretenen Truppenverbänden gebildet waren (Caes. 28. 1 u. ö. Lucan. IV 695ff. Appian. II 175); dazu kamen 500 Reiter und zur Deckung der Transportflotte 12 Kriegsschiffe (Caes. 23, 5. Appian.). Er ging ungefähr am 8. August von Lilybaeum in See und landete am dritten Morgen bei Anquillaria, 22 röm. Meilen (33 km) westlich von Clupea (Caes. 23, 1f.; zur Lage vgl. Lucan. IV 585f.), nachdem die feindlichen Wachtschiffe sich vor der Überzahl seiner Kriegsschiffe mit Preisgabe eines Fahrzeugs auf Hadrumetum zurückgezogen hatten (Caes. 23, 3–5. 32, 12. Appian. Dio 41, 2). Curio schickte die Kriegsflotte gegen Utika voraus und rückte mit dem Landungskorps in zwei Tagen an den Bagradas (Caes. 24, 1. Lucan. IV 587f.); hier ließ er die Infanterie unter dem kriegserprobten Legaten C. Caninius Rebilus zurück und führte die Kavallerie auf einem Erkundungszug nach dem günstig gelegenen und leicht zu verteidigenden Platz, wo Scipio Africanus sein Lager gehabt hatte, den 3 Milien (4½ km) von Utika entfernten Castra Cornelia (Caes. 24, 2–4. Lucan. IV 589f. 656ff. Unwahrscheinliche Einzelheiten Appian. II 178). Da er die allgemeine Flucht vom Lande in die Stadt beobachtete, griff er die Flüchtenden sofort überraschend an und warf von den Hilfstruppen, die König Iuba von Mauretanien den Pompeianern geschickt hatte, die sich ihm entgegenstellenden 600 Reiter mit einem Verlust von 120 Mann zurück (Caes. 25, 1–5. Appian. II 176). Gleichzeitig zwang das Erscheinen seiner Kriegsschiffe vor Utika die hier liegenden, gegen 200 zählenden Frachtschiffe den Ankerplatz bei Castra Cornelia zu wählen und somit ihre Ladungen an Lebensmitteln seinem Heere zur Verfügung zu stellen (Caes. 25, 6f.). Bei der Rückkehr zum Bagradas wurde Curio von den Seinen einstimmig als Imperator begrüßt (ebd. 26, 1. 32, 14. Appian. II 176) und führte nun seine ganze Streitmacht vor Utika. An die Mauern im Nordosten angelehnt hatten die Pompeianer [874] unter P. Attius Varus ihr Lager; Curio nahm seine Stellung südlich der Stadt, um den Hilfstruppen Iubas den Weg zu verlegen; er überfiel einen Teil von diesen während seines ungeordneten Marsches und rieb ihn fast ganz auf (Caes. 26, 2–4). Aber während der nächsten Tage wurde seine eigene Lage schwierig infolge der lebhaften und nicht aussichtslosen Agitation der Gegner unter seinen eigenen Soldaten; bei der Neigung zum Abfall gingen die Ansichten im Kriegsrat über das zweckmäßige Verfahren weit auseinander (Caes. 27, 1–30, 3. Lucan. IV 695ff). Aber Curios Geistes- und Redegewalt wurde der Schwierigkeiten Herr; die Reden vor den Offizieren und vor den Soldaten bei Caes. 31, 1–32, 8 sind um ihres Autors Willen höher als viele ähnliche in antiken Geschichtswerken einzuschätzen und hatten den Erfolg, daß die Truppen ihm bereitwillig und zuversichtlich in den Kampf folgten. Am 16. August lieferte er dem Varus östlich vor Utika eine Schlacht, die diesem beträchtliche Verluste und ihm einen völligen Sieg brachte, so daß jener unter Aufgabe seines Lagers sich auf die Verteidigung der Stadt beschränkte und er selbst ungesäumt an deren Belagerung gehen konnte (Caes. 33, 1–36, 1. Lucan. IV 710ff. Appian. II 180. Dio 41, 2). Doch die Kunde, daß ein großes Entsatzheer unter Iuba im Anzuge sei, bewog ihn zum Rückmarsch nach Castra Cornelia, wo er seine beiden anderen Legionen und seine übrige Reiterei aus Sizilien erwarten wollte (Caes. 36, 2–37, 6. Dio 42, 1). Aber auf die neue, freilich trügerische Botschaft hin, der König sei durch einen feindlichen Einfall in sein eigenes Reich zurückgerufen und schicke nur seinen Feldherrn Saburra mit wenigen Truppen gegen Utika, entschloß er sich, diesem Feinde entgegenzuziehen und ihn unterwegs abzufangen. Er ließ fünf Cohorten zum Schutz des Lagers zurück, schickte während der Nacht die Reiterei am rechten Bagradasufer landeinwärts und folgte ihr mit dem übrigen Heer bei Tagesanbruch am 20. August. Den Reitern war der nächtliche Überfall auf das Lager Saburras geglückt, und sie kamen dem Curio entgegen mit Gefangenen und Beute (Caes. 38. 1ff. Lucan. IV 715ff. 730ff. Appian. II 181ff. Dio 42, 2). Aber 6 Milien (9 km) weiter stand Iuba mit der Hauptmacht, und ohne eine Ahnung davon eilte Curio vorwärts, um die Niederlage des Feindes zu vollenden, obgleich von den ermüdeten Reitern nur 200 wieder mit ihm umkehrten und die afrikanische Sommerhitze auch die Kraft des Fußvolks lähmte. Saburra wich scheinbar furchtsam zurück, bis er den Curio 16 röm. Meilen (24 km) weit ins Innere und von den Höhen herab in eine ausgedehnte Ebene gelockt hatte. Hier sah sich Curio plötzlich zum Kampf mit dem beträchtlich verstärkten Saburra gezwungen und bald auf drei Seiten von der ganzen Macht des Feindes, darunter 60 Elefanten, eingeschlossen. Die feindliche Reiterei konnte in diesem Gelände ihre Überlegenheit glänzend zur Geltung bringen, indem sie durch beständige Attacken die Römer ermatten ließ und sich jedem Gegenangriff schnell entzog; die Reihen der Legionare lösten sich auf, und ein Versuch, wieder die Höhen zu gewinnen, scheiterte; Mutlosigkeit und Verzweiflung erfaßten die Soldaten,
[875] und fast ohne Widerstand wurden sie gänzlich zusammengehauen (Caes. 40, 1–42‚ 5. Lucan. IV 742ff. Frontin. strat. II 5, 40. Appian. a. O. Dio 41, 4f. 42, 3f.). Curio selbst hätte sich vielleicht retten können; aber er lehnte ein dahingehendes Anerbieten des Reiterpraefecten Cn. Domitius ab, weil er dem Caesar nach dem Verlust des anvertrauten Heeres nicht mehr vor Augen kommen wollte, und fand tapfer kämpfend seinen Tod (Caes. 42, 1–4. Lucan. IV 793ff. Flor. II 13, 34. Hieron. zu Euseb. chron. II 137 h Schöne. Appian. II 186); sein abgeschlagener Kopf wurde dem Iuba überbracht (Appian. II 187), und sein Leib blieb unbestattet (Lucan. IV 809f.). Auch von dem Rest des Heeres sind nur wenige wie Asinius Pollio nach Sizilien entkommen; die meisten im Lager befindlichen ergaben sich dem Varus, wurden aber auf Befehl Iubas, der sie als seine Gefangenen in Anspruch nahm, niedergemacht (Caes. 43, 1–44, 3. Appian. II 187–190. Dio XLI 42, 5); einzelne blieben verschont und traten in seinen Dienst bis zu den letzten Kämpfen des Bürgerkriegs in Afrika (bell. Afr. 40, 5) und in Spanien (Dio XLIII 30, 3). Kürzere Erwähnungen des Feldzugs und des Todes Curios noch Caes. bell. civ. III 10, 5 (vgl. des Zusammenhanges wegen Lucan. V 39f. Dio XLII 56, 2); bell. Afr. 19, 1. Liv. ep. CX. Vell. II 55, 1. Ascon. Cornel. I 65 Kiessl. = 58 Stangl. Plin. n. h. XXXVI 116. Suet. Caes. 36. Flor. II 13, 34. Oros. VI 15, 9. Schol. Bob. Clod. et Cur. 85 Stangl. Schol. Gronov. Ligar. 291 ebd. Curio hinterließ bei seinem Tode nur einen Sohn Nr. 7. Das Urteil über ihn hat in alter und neuer Zeit kaum geschwankt. Berühmt ist die Fassung, die ihm Vell. II 48, 3 gegeben hat und die in der 68, 1 wiederkehrenden Bezeichnung des genialen Taugenichts (ingeniosissime nequam) gipfelt; je nachdem der Ton auf ingenium oder nequitia gelegt wird, erscheint das Bild der Persönlichkeit lichter oder dunkler. Vermutlich geht die Charakteristik bei Vell. Lucan. IV 814ff. Plut. Ant. 5, 2. Appian. II 100. Dio XL 60, 2 auf Livius zurück; mehrere Einzelzüge begegnen übereinstimmend an allen diesen Stellen. Als promptus et popularis orator (Hieron. zu Euseb. chron. II 137 h schon beim J. 700 = 54 nach Sueton) stand Curio in seinem Tribunat auf der Höhe seiner Wirksamkeit und riß die Hörer mit sich fort (incitat ut Curio Sidon. Apoll. epist. IV 3); Livius gab mehrere seiner Reden aus dieser Zeit wieder (vgl. ep. CIX), was umso wertvoller war, weil die wirklich von ihm gehaltenen offenbar weder lange vorbereitet noch schriftlich aufgezeichnet und überliefert worden sind. Die Färbung von Curios Bild hängt wesentlich davon ab, wie man seinen damaligen Parteiwechsel beurteilt und motiviert. Zu seinen Gunsten sprechen mehr als Äußerungen der Späteren (suae alienaeque Vell. ἢ αὐτὸς … ἢ καὶ ἑτέρῳ Dio) die seiner beiden größten und ihm am nächsten stehenden Zeitgenossen. Cicero hat nicht allein in den langen Jahren freundschaftlichen Verkehrs von Curio die höchste Meinung gehabt, sondern auch seinen Übertritt auf die feindliche Seite nicht unedlen Motiven, sondern seinem innersten Wesen zugeschrieben (natura ad Att. X 4, 6), und hat nach Curios Tode an der Hochschätzung des Redners und des Menschen festgehalten,
[876] indem er Brut. 280f. vgl. 283 zwar seine Vorzüge nicht vollständig, aber seine Fehler nur ganz leicht berührte. Caesar hat ihm gerade da, wo Curio auf einem neuen Gebiete tätig war und Schiffbruch litt, durch seine wohlwollende und zuvorkommende Schilderung ein ehrenvolles Zeugnis ausgestellt. So war es berechtigt, daß Mommsen (R. G. III 405) die hellen Seiten in Curios Wesen hervorhob: ‚Es war ein Funken von Caesars eigenem Geist in dem feurigen Jüngling‘.