RE:Fulvius 113

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Fulvia Ehefrau des Clodius, C. Scribonius Curio und Marcus Antonius
Band VII,1 (1910) S. 281284
Fulvia in der Wikipedia
GND: 118703595
Fulvia in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register VII,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|VII,1|281|284|Fulvius 113|[[REAutor]]|RE:Fulvius 113}}        

113) Fulvia, war die Tochter des M. Fulvius Bambalio Nr. 40 und in erster Ehe mit P. Clodius Pulcher, dem Tribunen von 696 = 58 und Gegner Ciceros, verheiratet. Wenn Ciceros Äußerung über Antonius Phil. II 48: Intimus erat in tribunatu Clodio ... cuius etiam, domi iam tum quiddam molitus est. Quid dicam, ipse optime intellegit, auf ein Liebesverhältnis zwischen der Gattin des Clodius und ihrem späteren dritten Manne geht, so muß F. schon 696 = 58 verheiratet gewesen sein; viel tiefer hinabgehen darf man auch deswegen nicht, weil sie dem Clodius, der Anfang 702 = 52 ermordet wurde, zwei Kinder gebar (s. o. Bd. III S. 2886 Nr. 390 und Bd. IV S. 88 Nr. 49). Die Ehe (vgl. noch Cic. Phil. II 11. Suet. Aug. 62. Plut. Ant. 10, 2) war eine sehr zärtliche (Cic. Mil. 28. 55. Val. Max. III 5, 3), und die Wehklagen der F. bei dem Leichenbegängnis ihres Gatten (Ascon. Mil. 28, 19) und bei der Gerichtsverhandlung gegen seinen Mörder (ebd. 35, 21) machten deshalb starken Eindruck. Jene Behauptung Ciceros ist sicher Verleumdung. In zweiter Ehe vermählte sich F. mit C. Scribonius Curio, dem Tribunen von 704 = 50; das einzige bestimmte Zeugnis dafür ist Cic. Phil. II 11 von Clodius: Cuius quidem tibi fatum sicut C. Curioni manet, quoniam id domi tuae est, quod fuit illorum utrique fatale (vgl. 113 und V 11 ohne den Namen Curios und als Vorbild dieser Äußerungen die der Cornelia, der Gemahlin des Pompeius, o. Bd. IV S. 1597, 25). Da Curio noch vor dem Ende seines Tribunatsjahres Rom verließ und in der Mitte des folgenden Jahres in Afrika fiel, kann das Zusammenleben mit F. nur kurze Zeit gewährt haben; doch sie gebar auch diesem Gemahl einen Sohn, der als Parteigänger ihres dritten Mannes in dessen Untergang verstrickt wurde (Dio LI 2, 5). Mit diesem dritten Manne, M. Antonius, vermählte sie sich vor dem J. 709 = 45; das beweist die bekannte Anekdote, wie er sie damals bei seiner Rückkehr aus Gallien überraschte, – eine Anekdote, die von den antiken Berichterstattern (Cic. Phil. II 77. Plut. Ant. 10, 2f.) und von den modernen Bearbeitern sehr verschieden verwendet worden ist (vgl. z. B. Gardthausen Augustus I 26 mit Seeck Kaiser Augustus 24f.). Die geschichtliche Rolle der F. beginnt mit der ihres Gatten nach Caesars Tode, doch ist zu beachten, daß Cicero in den Philippiken ihr verhältnismäßig wenig Schlimmes nachzusagen weiß. Der Hauptvorwurf ist der der Habgier (II 113. VI 4. XIII 18) und der starken Beteiligung an dem schwunghaften Handel mit den gefälschten Acta Caesaris; aber die allgemeine Behauptung V 11: Mulier sibi felicior quam viris (s. o.) auctionem provinciarum regnorumque faciebat, gründet sich auf einen einzigen wirklich bekannten Fall, den des Deiotarus (II 95; ad Att. XIV 12, 1); selbst daß die Rückberufung des Sex. Clodius aus dem Exil (s. o. Bd. IV S. 66, 14ff.) auf ihren Wunsch erfolgte, ist nur eine Vermutung Drumanas (G.R.2 I 80). Im Herbst 710 = 44 begleitete F. den Antonius nach Brundisium und war zugegen, als [282] die meuternden Centurionen niedergehauen wurden (Cic. Phil. III 4. V 22. XIII 18. Dio XLV 13, 2. 35, 3). Dieser zufällige Umstand wird benützt, um ihr Grausamkeit vorzuwerfen (XIII 18), und daß sie überhaupt mit dem Gatten reiste, wird beiden zum Tadel angerechnet (V 22), während es eine nur allzu berechtigte Vorsicht war. Denn Ende des Jahres und in den ersten Monaten des folgenden, 711 = 43, als die Lage des Antonius vor Mutina immer schlechter wurde, sah sich F. in Rom den schlimmsten Verfolgungen ausgesetzt (Cic. Phil. XII 2. Nep. Att. 9, 2. Appian. b. c. III 211f. 242) und fand fast nur bei dem zu keiner Partei haltenden Atticus tatkräftige Unterstützung (Nep. Att. 9, 2–7). Der Anteil der F. an den Proskriptionen der Triumvirn wird gewöhnlich dargestellt auf Grund von Dio XLVII 8, 2: καὶ ἥ γε Φουλουία πολλοὺς καὶ αὐτὴ καὶ κατ' ἔχθραν καὶ διὰ χρήματα καὶ ἔστιν οὓς οὐδὲ γιγνωσκομένους ὑπὸ τοῦ ἀνδρὸς ἐθανάτωσεν · ἑνὸς γοῦν τινος κεφαλὴν ἰδὼν εἶπεν ὅτι τοῦτον οὐκ ἐπιστάμην. Nach Appian. IV 124 besaß ein Rufus ein schönes Haus, das F. erwerben wollte, weil es an eines ihrer Grundstücke stieß; der Besitzer hatte es ihr nicht verkaufen wollen und wurde jetzt geächtet, obgleich er es ihr nun sogar zum Geschenk anbot; als dem Antonius sein Kopf gebracht wurde, sagte der Triumvir, dieser ginge ihn nichts an, und ließ den Kopf der F. bringen, die ihn nun statt auf dem Forum in jenem Hause aufstellte. Ohne jede Erwähnung der F. und ihrer Motive erzählt Val. Max. IX 5, 4 von einem geächteten Senator Caesetius Rufus die Äußerung des Antonius in der Form, diesen Mann kenne er nicht. Es ist also die ganze allgemeine und jeden einzelnen Zug unterstreichende Darstellung Dios herausgesponnen aus dem einen bestimmten Fall, der keineswegs gleichlautend überliefert war. Die darauf folgende krasse Schilderung von der wahnsinnigen Mißhandlung des Hauptes Ciceros durch F. (Dio 3f.) richtet sich selbst durch ihre Übertreibungen und durch das Fehlen jeder Parallelnachricht (vgl. z. B. Appian. IV 80f. Plut. Cic. 49, 1). Als die Triumvirn dann für den Krieg gegen die Caesarmörder von 1400 reichen Frauen eine besondere Abgabe forderten, flehten die Betroffenen die mit den Triumvirn verwandten Damen um Hilfe an, wurden aber nur von Octavia, der Schwester Octavians, und Iulia, der Mutter des Antonius, angenommen, von F. dagegen nicht vorgelassen (Appian. IV 136f.); der Form nach war ihr Verhalten ganz korrekt. Von dem Augenblick an, wo Antonius Rom verließ, um erst den Krieg gegen die Caesarmörder zu führen und dann die Verhältnisse im Osten zu ordnen, war seine Gemahlin natürlich die Hauptvertreterin seiner Interessen in der Hauptstadt. Aus dem J. 712 = 42, während dessen größtem Teil auch Octavian fern war, wird nichts von ihr berichtet; aber desto ausführlicher spricht Dio XLVIII 4, 1–6 von ihr beim 1. Januar 713 = 41, an welchem Tage ihr jüngster Schwager L. Antonius gleichzeitig das Consulat antrat und einen Triumph über irgendwelche Alpenvölker feierte (vgl. o. Bd. I S. 2587ff.). Da auch Plat. Ant. 30, 1 sagt, daß F. und L. Antonius anfangs in Streit miteinander waren, dann aber einig, so wird es richtig [283] sein, daß sich F. anfangs dem wenig berechtigten Verlangen des Lucius nach einem Triumph widersetzte, aber schließlich nachgab. Alles übrige ist aus dieser einen Tatsache herausgesponnen, und um Dios Darstellung (z. B.: αὐτὴ ἡ Φουλουία τὴν πανήγυριν ὑπηρέτῃ ἐκείνῳ χρωμένη ποιεῖν ἔδοξεν) richtig zu würdigen, muß man sich der Spottreden und Spottverse erinnern, die gerade damals und gerade bei Triumphen über Caesar, über die Triumvirn, über ihre Unterfeldherren in Umlauf gesetzt wurden (vgl. Suet. Caes. 49. 51. 80; Aug. 70. Vell. II 67. Gell. XV 4, 3); auf solche Quellen geht auch Dio hier zurück, und daß gelegentlich selbst die Anhänger des Antonius sich einen Witz auf F.s Kosten erlaubten, zeigt Suet. gramm. 29. Ihr Name ist sodann vor allem verknüpft mit dem des Perusinischen Krieges, den sie und L. Antonius bald nach Octavians Rückkehr im J. 714 = 40 erregten. Hier sind nur die Stellen anzuführen, die von ihrem persönlichen Anteil handeln: anfangs verhielten sich beide ruhig (Dio XLVIII 5, 1); dann empfand Octavian die Ansprüche als lästig, die F. im Interesse ihrer mit ihm vermählten Tochter erster Ehe stellte, und löste die tatsächlich nie vollzogene Verbindung wieder auf (ebd. 3). Nach Dio handelten nun F. und Lucius durchaus gemeinsam gegen Octavian; sie benutzten die Schwierigkeiten, die sich bei der Durchführung der Ackeranweisungen ergaben (ebd. 4); sie stellten sich an die Spitze der beraubten und unzufriedenen italischen Bevölkerung (6, 4–7, 1); sie wiesen alle Friedensanträge Octavians ab (10, 1f.) und besetzten Praeneste, wo sich F. völlig als Herrscherin gebärdete (ebd. 3f.). Nach der Darstellung Appians war F. wohl bereit, für die Soldaten ihres Gatten bei den Landverteilungen einzutreten, und rief auch ihren Schutz an (V 54. 56); sie wollte aber anfangs nichts davon wissen, daß sich Lucius der Italiker gegen Octavian annehme, und ließ sich erst umstimmen, als ihre Eifersucht erregt und ein Krieg in Italien ihr als das sicherste Mittel hingestellt ward, um Antonius von Kleopatra loszureißen und zu ihr zurückzuführen (75); sie suchte auch, als sich Lucius nach Praeneste begab, zunächst bei Lepidus eine Zuflucht (82). Die durch Livius vertretene offizielle Historiographie stellt allerdings F. als die treibende Kraft und Lucius als ihr Werkzeug dar (Liv. ep. CXXV. Vell. II 74, 3. Flor. II 16, 2. Oros. VI 18, 17f. Plut. Ant. 28, 1. 30, 2f.); sie bietet auch die von Dio 10, 4 breiter ausgeführten Züge des Mannweibes, das, mit dem Schwert umgürtet, den Soldaten Befehle erteilt (Vell. Flor.); aber F.s wirklicher Anteil an den Ereignissen ist aus den widersprechenden Hauptberichten keineswegs so leicht zu ersehen (vgl. auch Drumann-Groebe G.R. I2 474 und den Rest einer ganz abweichenden Überlieferung über die Gründe des Perusinischen Krieges bei Suet. Aug. 15). Während des Krieges selbst betrieb sie aufs eifrigste den Entsatz des in Perusia eingeschlossenen Lucius (Appian. V 130f.). Die Stimmung im Lager Octavians verraten die gegen F. gerichteten Aufschriften von Schleuderbleien aus dem Perusinischen Kriege (Ephem. epigr. VI 54–56. 65 = CIL XI 6721,[1] 3–5. 14); mit diesen derben Soldatenwitzen auf einer Stufe steht das schmutzige [284] Epigramm, das Martial. XI 20, 3–8 als von Octavian selbst verfaßt überliefert und das leider Gardthausen (Augustus I 196. II 93) als ein vollgültiges historisches Zeugnis verwertet hat. Der Fall von Perusia Ende Februar 714 = 40 (vgl. die Chronologie dieses Jahres bei Kromayer Herm. XXIX 562) scheint das Ansehen der F. durchaus nicht gemindert zu haben, denn sie hat mit den Kindern des Antonius, unbehelligt von den Feinden und mit ehrenvollem Geleit zu Lande und zur See, die Reise über Puteoli und Brundisium nach dem Osten angetreten (Appian. V 210f. Dio 15, 1. Vell. II 76, 2, vgl. Liv. Oros. Plut.). In Athen traf sie mit ihrem Gatten zusammen (Appian. V 217. Dio 27, 4); während er nach Italien zog, blieb sie in Sikyon krank zurück und ist hier gegen Mitte des Jahres gestorben, nach der allgemeinen und gewiß richtigen Ansicht ebenso schwer von seiner Untreue, wie von seinen Vorwürfen wegen ihrer Einmischung in die Politik getroffen (Appian. V 230. 249f. 266. Dio 28, 2f. Liv. ep. CXXVII. Plut.). Sie starb für Antonius im rechten Augenblick; deswegen nahm sich niemand ihres Rufes an, der gerade damals am meisten angegriffen worden war. Auch die beiden Söhne, die sie dem Antonius geboren hatte, fanden ein trauriges Ende, so daß sie nichts für ihr Andenken tun konnten (s. o. Bd. I S. 2584 Nr. 22 und S. 2614 Nr. 32). Sie war die erste Frau eines Herrschers, die sich als solche gefühlt und benommen hat; weil das für die damaligen Römer etwas Unerhörtes war, haben sie daran den schwersten Anstoß genommen, und die Neueren haben hier das Urteil der Alten nicht verbessert, sondern noch verschärft, vor allen Drumann (I² 288ff. u. ö. II2 310ff.) und nach ihm ohne Nachprüfung seines Materials Schiller (Geschichte der röm. Kaiserzeit I 79), Gardthausen (Augustus I 195f. u. ö.), Helbig (Monum. dei Lincei I 583f.) und Seeck (Kaiser Augustus 63 u. ö.). Vielleicht hat der Dichter ihr wahres Wesen richtiger erkannt als die modernen Historiker (vgl. Shakespeare Antonius u. Kleopatra I 2 und II 2). Als die erste Fürstin Roms erscheint F. auch darin, daß ihr Bild auf Münzen gesetzt wird, sowohl auf römische wie auf die der phrygischen Stadt Eumeneia, die ihr zu Ehren Fulvia genannt wurde (vgl. die Münzen bei Bernoulli Röm. Ikonogr. I 211. Gardthausen a. O. II 92f. Helbig a. O. Taf. 2; dazu Imhoof-Blumer Kleinasiat. Münz. [Wien 1901] I 231); auf Grund der Münzbilder wollte man mehrfach Porträtbüsten der F. zuschreiben, so Helbig in ausführlicher Darlegung eine neuerdings gefundene (Monumenti dei Lincei I 573–590 mit zwei Tafeln) und Seeck (Kaiser Augustus 22) ohne nähere Begründung eine andere der Sammlung Jacobsen in Kopenhagen (vgl. dagegen Arndt Griech. u. röm. Porträts 64), doch sind diese Benennungen sehr unsicher.

Anmerkungen (Wikisource)[Bearbeiten]

  1. Corpus Inscriptionum Latinarum XI, 6721.