Rosen-Monate heiliger Frauen/Didymus und Theodora

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XX.
28. April.
Didymus und Theodora.


 Vor dem kaiserlichen Statthalter zu Alexandrien stand im Jahre 304, in der schweren Verfolgungszeit, die christliche Jungfrau Theodora zum Verhör.

 „Weß Standes bist du?“ fragte der Richter.

 „Ich bin eine Christin,“ antwortete Theodora.

 „Frei, oder Magd?“

 Theodora: „Von freien Eltern geboren, durch Christum zur rechten Freiheit gebracht.“

 Der Richter kannte die Jungfrau nicht und ließ daher einen Stadtobersten herbeirufen, von welchem er hörte, daß Theodora von sehr guter Abkunft sei.

 „Warum,“ sagte hierauf der Statthalter Proculus, „warum hast du dich nicht verheirathen mögen, da du doch frei bist?“

 Die Jungfrau gab darauf eine Antwort, aus welcher entnommen werden konnte, daß sie sich auch im| ledigen Stande nicht für unbeschützt hielt. Der Statthalter wies sie darauf auf den Befehl der Kaiser hin, diejenigen christlichen Jungfrauen, welche nicht den Göttern opfern wollten, in ein Haus der Unzucht abzuliefern. Theodora sprach nüchternen Geistes: „Es ist dir unverborgen, hoffe ich, daß Gott den Willen des Menschen ansieht. Was durch Zwang an mir geschieht, ist Gewalt und nicht für Unzucht zu achten derjenigen, die nur leidet.“ Der Richter, der nach Gewohnheit jener Proceduren die Angeklagte durch Aeußerungen theils der Achtung und Rücksicht, theils der drohenden Strenge zum Gehorsam der kaiserlichen Befehle bringen wollte, konnte Theodoren keine andere Antwort entringen; sie blieb sich völlig treu. „Keine Gewalt, die man mir anthut, kann meinen Willen beflecken. Es ist nicht Wille, sondern Zwang, wenn du mir eines meiner Glieder, oder auch den ganzen Leib verderbst. Ich aber will in Gott verbleiben, ich bin ihm auch durch ein Gelübde der Jungfrauschaft vermählt. Mein Leib und meine Seele gehören ihm an, in Seine Hände befehle ich mich; Er aber wird meinen Glauben und meine Jungfrauschaft bewahren.“ Proculus sprach auf Aeußerungen dieser Art: „Denke doch an| deine Abkunft, überschütte deine Familie nicht mit Schande.“ Theodora versetzte: „Jesus Christus ist mein Herr; er hat mir Freiheit und Ansehen gegeben und weiß auch, wie er seine Taube bewahren kann.“

 Alle Reden der Jungfrau trugen den Charakter des treuen Bekenntnisses und der gedoppelten Zuversicht, daß ihr Wille nicht befleckt und ihr Leib vor Schande behütet werden würde. Als endlich der Statthalter, des Widerstands müde, der Jungfrau Backenstreiche geben ließ, wurde sie dadurch nur zu desto kräftigerem Widerstand entzündet. „Bei meinem HErrn,“ rief sie, „ich opfere nicht, ich bete die Dämonen nicht an; der HErr ist mein Helfer.“ Der Statthalter, der gemerkt haben mochte, daß die Jungfrau nicht ganz ohne Aufregung geblieben war, sagte: „Närrin, du nöthigst mich ja, dir so zu begegnen, ob ich gleich deinen Rang und deine Abkunft kenne.“ Theodora versetzte ihrerseits: „Ich bin keine Närrin, wenn ich Christum bekenne, und was du Schmach nennest, ist mir Ehre und Ruhm in Ewigkeit.“

 Der Statthalter suchte noch immer die Starke mit seinen Reden zu überwinden und wollte ihr drei Tage| Frist geben, sich zu bedenken, ob sie lieber opfern, oder in ein Haus der Unzucht gehen wollte. Theodora sagte darauf: „Gott wird verhüten, daß ich ihn verlaße; für mich sind die drei Tage schon vorüber, mein Entschluß steht fest, befiehl also, was dir gefällt. Soll ich aber ja drei Tage Frist haben, so laß mich während derselben in sichere Verwahrung bringen.“ Das letztere geschah denn auch. Als aber nach drei Tagen Theodora keineswegs anderen Sinnes geworden war, kündigte ihr der Richter an, er werde das Urtheil sprechen, wenn sie nun nicht alsbald ihren Willen brechen laße; es werde sich dann schon zeigen, ob ihr Christus sie vor Schande bewahren könne. Theodora erwiederte: „Gott, der ins Verborgene sieht und alles weiß, ehe es geschieht, der mich bis zur Stunde unbefleckt erhalten hat, wird mein auch ferner wahrnehmen und mich vor den unreinen Frevlern behüten, die seine Magd zu Schanden machen wollen.“ Als sie nun wirklich hingeführt wurde, wohin sie nicht wollte, betete sie beim Eintritt mit aufgehobenen Augen: „Allmächtiger Gott, Vater meines HErrn Jesu Christi, sei du der Schirmherr deiner Magd und erlöse mich aus diesem Hause der Schande. Der du deinen Apostel Petrus| aus dem Kerker geführt hast, ohne daß ihm Leid geschah, sei auch Schirm und Schutz meines Leibes, auf daß jedermann erkenne, daß ich deine Magd bin.“ Während sich nun schon alexandrinische Wüstlinge herzuthaten, kam der Jungfrau ein Helfer. Ein Jüngling von Alexandrien, Didymus, ward von dem Verlangen ergriffen, die Jungfrau zu befreien. Er zog ein Soldatengewand an und trat kühn zu Theodora ein, die ihrerseits, dieweil sie seine Absicht nicht kannte, von kaltem Schauer durchströmt wurde, und scheu in eine Ecke des Gemachs entfloh. Didymus aber sprach freundlich: „Schwester, fürchte nichts; scheine ich dir von außen ein Wolf, so bin ich inwendig ein Lamm. Laß dich durch meine Kleidung nicht schrecken, ich bin im Geiste dein Bruder und gekommen, das Eigenthum meines Gottes, seine Magd, seine Taube zu retten. Laß uns die Gewande tauschen und gehe von hinnen.“ Das geschah, und Theodora entfloh auf des Jünglings Rath eilend, wie Menschen zu eilen pflegen, die an einem solchen Orte der Schande gesündigt haben. Eine Stunde darauf kam ein Wüstling in die Kammer und fand sich sehr getäuscht, als ihm der Jüngling Didymus ganz einfach sagte,| was er gemacht hatte. Es ist hier nicht die Absicht, die Leidensgeschichte des edlen Didymus zu erzählen, aber auch er blieb ohne Wanken treu und betete, als man ihn zum Tode führte: „Gelobet sei Gott, der Vater unseres HErrn Jesu Christi, der mein Gebet nicht verschmäht, seine Magd Theodora gerettet und mich einer zwiefachen Krone gewürdigt hat.“ Der heilige Ambrosius erzählt, daß Theodora bei seinem Martyrium herzugelaufen, und zwischen den beiden ein Wettstreit entstanden sei. „Zum Bürgen meiner Keuschheit nahm ich dich, nicht zum Bürgen des Lebens; gilt es das Leben, so bin ich im Stande, diese Schuld selbst abzutragen. Meinetwegen ist das Urtheil gefällt; meine Flucht ist die Ursache deines Todes. Ich floh nicht, um nicht zu sterben, sondern um der Schande zu entgehen; nun ist meine Ehre der Gefahr enthoben, so kann mein Leib für Jesum Christum sterben. Raubst du mir meine Krone, so hast du mich nicht gerettet, sondern du hast mich betrogen.“ So fanden die beiden zusammen, was sie beide verlangten, die Martyrerkrone.
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 Du aber, Leserin, magst urtheilen, ob der Lebenslauf der beiden und ihre Jugend höher zu schätzen| wäre, wenn sie mit einander zum Traualtare gegangen wären, als nunmehr, da sie zusammen zur ewigen Ehre giengen, und was schöner lautet, eine Liebesgeschichte unter dem Titel Didymus und Theodora, oder eine Martyrergeschichte unter dem Titel: „Theodora und Didymus.“ Jedenfalls gehe hin und lerne zwei Dinge, Jesu treu, und keusch sein bis in den Tod.




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