Ruhlands Flurnamen

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Autor: C. Nicolaus
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Titel: Ruhlands Flurnamen
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aus: Heimatstube Nr. 13
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Erscheinungsdatum: 1931
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Erscheinungsort: Ruhland
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Ruhlands Flurnamen
von Lehrer C. Nicolaus.

Flurnamen sind Denkmäler, und ihrer Entstehung und ihrem Sinn nachzugehen, gehört zu den reizvollsten und dankbarsten Aufgaben den Heimatforschers. Teilweise sind diese Namen mit ihrem Grund und Boden so fest verwurzelt, daß auch die amtlichen Vermessungs- und Kartenstellen nicht auf sie verzichten können. Das geschieht einerseits aus Rücksicht auf die bodenständige Bevölkerung; zum andern erleichtert die Eintragung der hauptsächlichsten Flurnamen im Verein mit den behördlichen Ortsbezeichnungen das Zurechtfinden auf den Messtischblättern.

Mit dem Seßhaftwerden der Volksstämme nach der Völkerwanderung, mit der Verteilung der Ländereien unter die einzelnen Sippen und noch weiter unter die Familien machten sich Gruppierungsmerkmale notwendig. Gräben, Hecken, Steine wurden zu Grenzpunkten, und nach Benutzungsart, Lage, besonderen Eigenarten, geschichtlichen Überlieferungen haben sich die Flurnamen gebildet, die in den zurückliegenden Jahrhunderten eine grundlegende Bedeutung in der Besitzverteilung und Bestimmung von Feld, Wiese und Wald hatten. Um gleich einige Beispiele aus der engeren Heimat zu nennen, sei nur an Schaftrift, Lachensläuckchen, Diebswinkel und Sieggraben erinnern. Der Bauer hält an diesen Bezeichnungen mit der ihm eignen Zähigkeit fest, und selbst amtliche Bekanntmachungen bedienen sich dieser kennzeichnenden Namen, da sie im Volksmunde leben und den kürzesten Weg in der Ortsangabe tatsächlich bedeuten.

Auch die Fluren um Ruhland herum tragen eine Fülle solcher Bezeichnungen. Viele davon sind ohne weiteres verständlich, wie z.B. Schmalers Busch und Bauerswinkel, da sie an alte Familiennamen erinnern. Andre dagegen sind so eigenartig, so wenig "deutsch", daß man an eine fremde Herkunft denken muß. Was besagen die Namen Koltschen, Dernauken oder Tarnauken, Schrotschack, Perschken oder Preschken? Die Antwort wird leichter, wenn man sich vergegenwärtigt, dass auch unsere Gegend fruher von Wenden bewohnt gewesen ist, eine Tatsache, die nicht lange zurückliegt. So berichtet der Amtmann Weinart in seiner Statistik der hiesigen Herrschaft vom Jähr 1789, da? es an der Stadtkirche „Herkommens war, daß der Oberpfarrer jeden ersten Feiertag eine halbe wendische Predigt halten muß, weshalb auch jetzt noch ein Wende zu dieser Stelle gewählet wurde; es ist aber nicht mehr notwendig, weil die wendische Sprache fast ganz in der Gegend verloschen, und jeder Einwohner Teutsch verstehet.“ In Hohenbocka wurde noch am Ende des 18. Jahrhunderts die Quartalspredigten vom Ruhländer Oberpfarrer zum Teil in wendscher Sprache gehalten, und von Schwarzbach berichtet Weinart: „Dieses Dorf ist eines der ältesten in dieser Gegend, und die Einwohner sprechen in ihren Gesellschaften wendisch, auch ihre Sitten und Gebräuche verraten ihr Altertum“.

Mit der Geschichte des Wendentums sind auch die Geschicke Ruhlands eng verbunden; nach einer Lesart über die Entstehung des Namens Ruhland wird er von dem wendischen Wort „run-lan ad“ abgeleitet, welches eine größere Niederlassung in fluß- und sumpfreicher Ebene bedeutet. Diese Namenserklärung ist sehr zweifelnaft. Heute bezeichnet der Wende Ruhland mit ”rolany” (die Ackerbauer), ein Name, der wahrscheinlich von der deutschen Form abgeleitet wurde.

[2] Die Einwanderung der Wenden hatte sich schon im 5. nachchristlichen Jahrhundert vollzogen. Als älteste germanische Bewohner der Lausitz werden die Semnonen bezeichnet, die bald nach Beginn der Völkerwanderung (375 n.Chr.) durch die Vandalen verdrängt wurden. Nur kurze Zeit verblieben sie in den eben gewonnenen Gebieten, dann zogen sie weiter, westwärts nach Frankreich und Spanien, und gingen endlich in Nordafrika gänzlich unter. Die wenigen in der Lausitz verbliebenen Vandalen konnten keinen festen Fuß fassen, und in das schwach besiedelte Land rückten von Osten her slawische Volksstämme, ohne irgendwelchen Widerstand zu finden. In der heutigen Oberlausitz siedelten sich die Milcziener an, in der Niederlausitz die Lusiczer. Sie lichteten die Wälder, schufen Acker- und Weideland, trockneten die Sümpfe und gründeten feste Wohnsitze. Mit dem Jahre 631 wär diese friedliche Urbarmachung des Landes beendet. Die Franken brachen in das Gebiet der Meißner Sorbenwenden ein, die sich mit den Lusitzern verbanden und die Fehde siegreich beschlossen. Um 633 wurden auch die Thüringer besiegt, und die slawischen Stämme hatten bis zum Jahre 774 Ruhe, als die Sachsenkriege Karls des Großen begannen. Die Wenden wurden in die Feindseligkeiten verwickelt; 783 errang Karl einem vollständigen Sieg über die Sachsen, und nun erhielt Karls Sohn Ludwig der Fromme den Auftrag zur Bestrafung der Wenden, der mit ihrer Unterwerfung in der Schlacht bei dem schon damals befestigten Buddissin (Bautzen) endete. Noch einmal lodert die Kriegsfackel auf, der Sachsenherzog Kaiser Heinrich I (919-936) schlägt 923 die heidnischen Wenden unter Radbot in einer furchtbaren Schlacht am Koschenberge. Die überlebendem Wenden lassen sich taufen, deutsche Kultur und christiche Religion haben damit auch in der Lausitz Eingang gefunden. Später wurden auch deutsche Ansiedler aus Franken, Bayern, Hessen, Thüringen und Holland in das Land gerufen, die verfallenen Wendendörfer wieder aufgebaut und das Gebiet unter die Bauern deutscher und wendischer Abkunft verteilt. Die Stammesunterschiede, die Sitten und Gebräuche haben sich im wesentlichen erhalten, und wo besonders in den Grenzgebieten das Wendentum dem stärkeren deutschen Volkstum weichen musste, haben sich aber doch viele wendische Familiennamen, Orts- und Flurbezeichnungen erhalten, die in den heutigen verdeutschten Namen ganz oder teilweise noch zu erkennen sind.

Einer Schilderung unserer Stadt durch den Senator und Akziseeinnehmer Georg Bürger vom Jahre 1729 entnehmen wir, daß schon damals, vor 200 Jahren, die noch heute gebräuchlichen Flurnamen bekannt waren In der Schilderung heißt es: “Zu der Stadt Flur und Weichbilde gehören der Kommune: Ein Stück Holz von Tannen, Kiefern, Fichten und Erlen, so der Diebswinkel heißt, grenzt gegen Morgen ans Schwarzbachsche„ gegen Mittag und Abend mit der Stadtflur, gegen Mitternacht an die Elster und gegenüber Naundorf. Ein mit Erlen bestandener Sumpf, der Bärbusch genannt, ist rundum mit Wiesen umgeben. An Hutungen: in der herrschaftlichen Heide und sogenannten Bahne und so herum bis an die Mückenberger Dämme, die Kieinkmehlensche Heide durch, wie zu jeder Zeit üblich, hergebracht und berechtigtermaßen im Gebrauch gewesen; Haynksrand, Harakswinkel, Bälgensträucher, Diebswinkel, hinterste, wüste und große Wiesen, Lachensläukchen, kleine Tarnauken, beim Guteborner Bänker nach dem Schwarzbacher Vorwerk zu, vorderste, mittelste und hinterste Tarnauken, der Gänsesteig, der Büttelgarten im Schrotschack, die hohe Trift bei der Herschenzmühle und dië hintersten, sogenannten ledigen Stücke (vom wendischen lado Wüstung, Lehde=Brachland) bis an die Fraundorfer [3] Grenze, die Parschen, die Finken, der Beerbusch, der kleine und große Koltschen; auf den Feldern und neben denselben bei unverbotener Zeit, auf der Kaupe und neben dem Damm ein klein Stückchen, ein versetztes Stück Wiesemwachs, Kochswinkel gënannt, auf den Naundorfer Wiesen bei unverbotner Zeit, gleichen wie sie bei uns zu tun pflegen. An Fischereien: kleine und große Koltschen, dies ist der Strom von der Raakmühle oder der Grenzstrom, so mit dem Schwarzbacher Mühlbach zusammenfließt; der Sieggraben an den bürgerlichen Wiesen, der Gutëborner und Schwarzbacher Grenzgraben, Lachmundsläukchen, der Schrotschack und der Gänseteich.”

Wie schon bemerkt wurde, geht ein Teii der Flurnamen auf wendischen Ursprung zurück. Eine Zusammenstellung und Ausdeutung erfahren wir in einem Aufsatz von P. Witschas (Großsärchen) über Orts- und Flurnamen des Kreises, aufgenommen im ”Heimatbuch des Kreises Hoyerswerda”. Im Preschken, im Perschken oder Parschen stammt vom wendischen breza Birke oder auch von preki quer. Der Name Koltschen oder Collschen wird hergeleitet von colc Bienenstock„ Der Name Dernauken, abgewandelt zu Tarnauken enthält das altwendische dren Kornelkirsche. Schrotschack ist wahrscheinlich umgebildet von srjrdza = in der Mitte. Angefügt wird in der Übersicht noch die Bezeichnung Schmalersbusch, ein Wiesenstück, das den Familiennamen Schmaler (von Smoler der Picher) bahalten hat. Lachens Läukchen oder Lachmundsläukchen gründet sich auf luh oder niederwendich lug = Sumpf. Der Name Lachmund wird schon 1604 in dem Erbbuch (Urbarium) eines Herrn von Gersdorff (aufbewahrt im Gueborner Schloßarchiv) im Register der damaligen Einwohner Ruhlands erwähnt. Derselbe Name wird auch 1618 mit Hans Heink (Haynksrand !) zusammen nochmals genannt. Die im Jahre 1637 während des 30jährigen Krieges zusammengeschossene Kaupenburg, ein sogenanntes Wasserschloß, ähnlich dem Guteborner und Großkmehlener, stand auf einer kupa = Insel (kupki = Inselchen). Den gleichen wendischen Stamm findet man auch in der Kuppke odar kupka, jener kleinen Geländeerhöhung im Stadtinnern, über die heute die Bergstraße führt.

Damit haben die fremdanklingenden Flurnamen bereits ihre Erklärung gefunden. Die übrigen sind verdeutscht oder überhaupt reindeutschen Ursprungs, so daß nur dort einige Bemerkungen beigefügt werdën sollen, wo sich etwas Bedeutsames in Erfahrung bringen ließ. Das leichteren Verständnisses halber sind in der beigegebenen Skizze die Flurnamen eingezeichnet. Die Angaben beschränken sich in der Hauptsache auf die Ruhländer Stadtflur. Hervorgehoben muss auch werden, dass das Verzeichnis der Namen durchaus nicht den Anspruch auf unbedingte Vollzähligkeit machen darf. Die Erfahrung bei der Erforschung der Flurnamen hat gelehrt, daß einzelne Besitzer von Ländereien die Lage ihrer Grundstücke nach eigenem Ermessen bezeichnen. Dadurch sind weitere Flurnamen entstanden, die nicht allgemeine Geltung haben und demzufolge noch von untergeordneter Bedeutung sind. Häufig stimmen auch die gebräuchlichen Legebezeichnungen nicht mehr mit den Angaben auf den Kataster-Kartenblättern und in der Mutterrolle überein; als nach 1860 die Fluren vermessen und in den amtlichen Karte ëingetragen wurden, stützten sich die Lagebenennungen auch nur auf mündliche Überlieferungen, worauf sich eine große Menge sogenannter Hörfehler ergaben. Ist doch in der Mutterrolle zu Kartenblatt 6 von Ruhland zu finden: Jenschsteck, im Jenschteich, im Jenschstück, Jenschstech und Jenschtech!

Dië übersichtliche Darstellung der genannten Geländeteile wird durch die vom Stadtplan strahlenförmig nach allen Richtungen verlaufenden Hauptwege erleichtert. Die Nordgrenze [4] der Ruhländer Fluren bildet die Elster (von althochdeutsch alistra = der Raschbach oder Hellfließ, nach Mucke, Bausteine zur Heimatkunde des Kreises Luckau) und der Binnengraben, im Volksmunde als Bindegraben bezeichnet. Die Regulierung des Elsterflußbetts um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hat auf die Grenzührung wenig Einfluß gehabt, da der Binnengraben im großen ganzen seinen alten Lauf behalten hat. An der Einmündung der Pößnitz überschreitet die Stadtflurgrenze die Elster. Von dort dehnt sich Jungrichters Kaupe bis an den Binnengraben. Südlich von diesem bis fast zum Schwarzbacher Wege liegt der „Raackschen” Mit der Bildung des Namens Raackschen kann es folgende Bewandtnis haben: im wendischen ist „rak” der Krebs, und da vor der starken Industrialisierung unserer Lausitz die Flußläufe und Gräben reichen Krebsbestand hatten, ist eine Verbindung damit beinahe wahrscheinlicher als die Deutung, daß der Raakmüller seine Ländereien in diesem für ihn entlegenen Klurwinkel liegen haben sollte. Hinter dëm Raackschen in Richtung auf Schwarzbach bis an den Grenzgraben liegt der Diebswinkel, der sich auch über die Kohlfurter Bahn erstreckt. 1550 hat nach der Chronik „die Lauermannsche Räuberbande arg in unserer Gegend gehaust” und in jenen Waldstücken sich verborgen gehalten. Daraus soll der Name Diebeswinkel entstanden sein. ”Der Diebeswinkel, ein sumpfiger, wild mit Busch und Strauchwerk bewachsener Bruch am Schwarzbacher Kirchenwege, sowie die Ternauken am Guteborner Wege waren dicht mit Föhren, Fichten und Eichen verwachsen, finstere, schauerliche Waldungen, in denen es am hellen Tage düster war, weil kein Sonnenstrahl durch die Zweige dringen konnte und in denen es Wild aller Art, aber auch giftige Schlangen und Ottërn im Menge gegeben, und der Gegend ein düsteres und schauerliches Aussehen boten, wo Reisende am hellen Tage sich ohne Führer nicht durchzureisen wagten. Die Rabekaupe (heute als Räuberkaupe bezeichnet) war eine weißbuchene Waldung, wo wilde Schweine, Hirsche, Rehe, und im Schmalersbusche sich viele Schmaltiere befunden. Dabei gab es viele Raubtiere und Raubvögel in hiesiger Gegend.” (Dahlmannsche Chronik). Das große Flurgebiet zwischen Kohlfurter Bahn bezw. dem Schwarzbacher Wege und der Guteborner Chaussee von der Badeanstalt an bis zum Grenzgraben ist in allem seinen Stücken an Feld, Wiese und Feld benannt. Zwischen Chaussee und Badeanstalt liegt das Läukchen, das im Volksmunde zum Leikchen umgeformt wurde. Die Waldstücke hinter dem Badeteiche und der künftige Sportplatz der Freien Turnerschaft gehören zum Lachensläukchen, auch als Lachmunds Läukchen geführt. Bis zum Dürrbachgraben liegen Ländereien "bei und vor den großen Wiesen”„ während diese selbst östlich des Grabens sich hinziehen. Bei den Umfragen nach einer Ausdeutung des Namens „Dürrbachgraben” kam mir ein interessanter Artikel im Fachorgan des Deutschen Sportvereins (aus dem 43. Jahrgang 1928) in die Hände. Im Gothaer Ländchen führt ein kleines bescheidnes Bächelchen, der ”dürre Amtsbach” genannt, ein kümmerliches Dasein. Der Name wird dort so erklärt, daß aus dem Grundbegriff “der Bach” im Dialekt ”derre Bach“ wurde, und da das Wässerlein häufig versiegte, faßte man kurzerhand das Geschlechtswort „derre“ als mundartliches ”dürre” auf: der dürre (Amts)bach. Tatsächlich liegt auch für unsern Dürrbachgraben eine ähnliche Vermutung über die Namensbildung durchaus nicht fern, zumal auch eine Katasterbezeichnung ”Derbbachgraben” lautet. Doch - wie gesagt - endgültiges ist nicht zu finden.

Am Großen-Wiesen-Graben aufwärts gelangt man dann in Bauerswinkel und weiter bis an die Guteborner Chaussee in die Hölle, an die [5] Schmalersbusch grenzt. Ein Abfluß des Wiesengrabens nach Norden zu ist der Dreisteingraben, an den sich die mit wüste Wiesen bezeichneten Flurstücke lehnen. Das kleine schwach erhöhte Waldstück südlich des unbewachten Bahnübergangs vor Bude 95 steht auf dem Fuchsberge, eine etwas vermessene, aber doch kennzeichnende Benennung. Dem Fuchsberge vorgelagert sind die Fuchslöcher, und um den Graben gleichen Namens breiten sich die Wiesen bei den drei Steinën. Hinter dem Grenzgraben liegen die Ulanerwiesen, die vor langen Zeiten einem desertierten sächsischen oder auch preußischen Soldaten Koar gehört haben. Er hieß im Volksmunde der ”Ulaner", woraus sich der Name ohne weiteres erklärt.

Wir verlassen diese Ländereien und wandern zurück bis zum Eingang der alten Kolonie, der jetzigen Theodor-Schmidt-Straße. Dort liegen am Blumen- bzw. Krankengraben die alten Neuländer, und weithin schweift nach Südosten zu der Blick über die großen Feld- und Wiesenstücke im Dernauken, vormals ”Tarnauken” genannt. Er wird vom Guteborner Leichenweg, jetzt meist als "schwarzer Wëg” bezeichnet, in zwei große Abschnitte geteilt. In den nördlichen ragen Babens- oder Bahmsstücke hinein, die nach den amtlichen Angaben bis an den Blumengraben reichen; dementgegen werden jetzt die Ländereien am Guteborner Wege Babensstücke genannt. Der Jenschstech-Wald schließt den Dernauken nach Süden zu ab. An den Jenschstech (Jensteich, Jensteig), einem fast westöstlich verlaufenden Verbindungswege der Guteborner und Hermsdorfer Chaussee, schließt sich das Waldgebiet im Schrotschack, und kurz dahinter liegt auf Arnsdorfer Flur die Abdeckerei. Von einem früher aufgeführten ”Büttelgarten” ist nichts mehr zu erfahren.

An der Einmündung des Jensteigs (verdeutschter Name) in das Knie der Guteborner Chaussee liegt der sogenannte Sommerstall, ein mit Farren und Beerenkraut durchwuchertes Waldstück, dessen sonderlicher Name Verbindung mit dem ”Jenschstech” eine Vermutunq über die Entstehung des letztgenannten Wegenamens aufkommen läßt. Ein Flurnamenregister nennt einen „Gänseteich” und einen „Gänsesteig”, ohne Näheres über deren Lage anzugeben. Hier scheint eine wunderliche Umformung aus „Gänse = der Gänscher (Gänserich)“ in Jenschstech, Jenschsteg und Jenssteig vorzuliegen, und ein Sommerstall am Ende des Weges diente den Tieren als Unterkunft.

Wir wandern nun den ganzen Leichenweg, auf dem vor Jahrzehnten bis zur Eröffnung der Cottbbus-Großenhainer Eisenbahn am 2. April 1874 die Toten von Guteborn nach Ruhland geleitet wurden, zurück durch den ganzen Dernauken bis zur “neuen Sorge". An der Stelle der heutigen Häusergruppe stand vor Zeiten ein Sägewerk, das der Herrschaft Lipsa gehörte und später in Privatbestz überging. Die Chronik berichtet uns, „dass infolge Schornsteindefekts am 7. September 1895 das seit einiger Zeit außer Betrieb gesetzte Tölkesche Dampfsägewerk an der Hermsdorfer Chaussee und das von dem frühëren Böttchermeister Wolf bewohnte Haus abbrannten”. Der nach dem Wëltkriege verstorbene Baumeister Paul Jank erwarb den Platz der früheren Schnëidemühle und lud sich damit ”eine neue Sorge” auf. Sein häufig gebrauchtes Wort wurde bald zur landläufigen Bezeichnung dieses Häuserdreiecks.

Die Ländereien vor der neuen Sorge bis zum Mordweg werden das Brückchen genannt. Ein schlichtes Denkmal bezeichnet noch heute die Stelle, an der am 18. März 1905 der 15jährige Paul Skadock aus Arnsdorf ermordet wurde.

An der Chaussee nach Arnsdorf liegen östlich ”Hammermüllers” Felder, die im Katasterverzeichnis sogar als „Hammermühlsstück” eingetragen sind. Auf Ruhland zu finden wir die Heidekabel ”Auf sieben Beeten“ und auf Hermsdorf zu die Sperlingsstücke, ferner [6] „Müllers Grube“, einen kreisförmigen Teich. Das Schwarzwasser, von dem südlich Armsdorf der Sieggraben abzweigt, führt den Namen „Mühlbach“. Der Arnsdorfer Kirchenfußsteig, kurz der Kirchweg, überschreitet ihn und bietet eine für den Fußgänger angenehme Abkürzung, um von Straßenstaub und Benzindunst verschont nach Arnsdorf zu gelangen, dorthin führt auch von der Überführung der Falkenberger Bahn über die Großenhainer Strecke nach Süden der Scherenweg.

Beim Bahnübergang an der Herschenzmühle, ehemals Herschinsmühle genannt - schon 1604 bestand diese Mühle, ihr Besitzer schrieb sich Herschentz - beginnt der reizvolle Prinzeß-Luisen-Weg, der vom hiesigen Verein für Heimatpflege (s.Zeit Verschönerungsverein) im Juli 1908 zu Ehren der Prinzessin von Schönburg-Waldenburg, der verstorbenen Mutter des jetzigen Schloßherrn auf Guteborn, geschaffen wurde und durch Anlage des Heldenhains ein sehr gesuchtes Ziel für Spaziergänger geworden ist. Die Grumdstücke am Schwarzwasser werden als „am Mühlbach“ liegend bezeichnet; die großen Waldflächen westlich der Herschenzmühle um die Bahnunterführung herum weisen auch keine besondere Bezeichnung auf. Dagegen sind die Fluren am Sieggraben entlang unterschiedlich gekennzeichnet. So durchfließt er im Süden des Kommunalgebiets den Jeser oder Jieser, in dem vormals die Büschchenschäferei lag. Reste davon sind heute noch zu finden, und Nachkommen des letzten Büschchenschäfers namens Nevoigt leben noch heute in Ruhland. Jeser ist vielleicht von dem wendischen Jasen = Esche herzuleiten. Auch eine Verbindung mit jezor = See ist möglich, wenn auch unwahrscheinlich. Im Kreise Calau liegt der Ort Groß-Jehser, dessen Nämensbildung ebenfalls auf jasor = See zurückgeführt wird. Vom Büschchenschäfer Müller wird eine hübsche Geschichte erzählt. Er trank sich gern, bëi Zieglern in der Fischerstraße, einer Branntweinschenke in dem Hermannschen Hause, den nötigen Mut an, und wenn er gefragt wurde, wie er denn bei Nächt und Nebel heimkomme, da er doch über den Siegraben müsse, antwortete er mit verächtlicher Überlegenheit: „Dann nehme ich eben den einen Pantoffel in die und den andern in die Hand und reite einfach über den Balken !“ Trotz seines gestörten Gleichgewichts soll er nie mit den kühlen Fluten Bekanntschaft gemacht haben.

Auch über den Namen „Siegraben“ läßt sich einiges sagen. Eine alte Sage schreibt die Entstehung des Namens dem Siege zu, den der Graf Rolando von Blaye, ein Vetter Karls des Großen, 790 über die Wenden davongetragen haben soll. Natürlich ist es möglich, daß sich der Name sich bis in die Gegenwart erhalten hat. Eine Karte von 1757 enthält auch den gleichen Namen. Hingegen ist im Plan der Separations-Kommune von 1878 die Bezeichnung ”Siechgraben“ eingetragen. Ob hier ein Hörfehler vorliegt - ähnlich wie bei der Tiefwinkelwiese, die das amtliche Meßtischblatt an der Grenze des Diebswinkels aufweis, oder ob man an seicht, versiegen zu denken hat, ist heute nicht endgültig zu entscheiden. Das jetzt trockene Flußbett des alten Sieggrabens, an dem die alte Pappel stand, ist flach genug, um den Eindruck zu verstärken, daß auch Sieggraben als seichter Graben seine Berechtigung hat.

Kurz vor dem Zusammenfluß von Sieggraben, Binnengraben und Schwarzer Elster dehnt sich beiderseitig Wiesengelände aus, westwärts bei der Furt die Dienstwiese und die Rohrwiesen mit der ehemaligen prinzlichen Jagdhütte, östlich die Bahnwiese und die Randwiesen. Wir kehren zurück zur alten Pappel am Parschkenwege. An ihn grenzt nach Süden der Parschken oder Perschken und bei der Abzweigung der alten Poststraße nach Ortrand die Heidetrift.

[7] Jenseits der Poststraße liegen die alten Sandgruben bei Amtmanns Ruhe und das Schweineläukchen bis zu den kürzlich abgeholzten Ländereien am Neugraben, der hinter Schönburgsau entlangführt.

Für den Schluß unserer Betrachtung verbleibt nun noch das große Gelände zwischen Parschkenweg und Binnengraben bzw. Elsterdamm, das vom Hain- und Buschgraben durchflossen wird. Von der Moltkeallee in Verlängerung der Fischerstraße sehen wir nach der Stadtmühle zu auf den großen und kleinen Koltschen, in Richtung auf das Schützenhaus auf den Hain. Hinter dem Moltkedenkmal durchwandern wir die Horst, mundartlich die „Harscht“. Die Buschwiesen sind durch den Ruhlander Flugtag bekannt geworden. An sie schließen sich die alten Teiche bis an den dammähnlichen Eichenweg von der Hindenburg- und Ludendorff-Eiche nordwärts bis zu Boblans Busch. Dort, wo die Kommunalgrenze jenseits der Elster entlangzieht, rahmt sie an der „Breite“ einen toten Arm des Naundorfer Binnengrabens, den „Schinderwinkel“, ein. Die bei Hochwasser überschwemmten Elster-Vorländer, endlich im engeren Stadtbezirk das Vorwerk (Vorwerkstr. und Schäfereiweg) und der Galgen hinter der Glaskütte, der in den 1870er Jahren noch als Galgenberghutung geführt wurde, sind ihrer Lage nach genügend bekannt. Die Fluren, die in den Katasterblättern nur die spachlich kurze Bezeichnung „am Hermsdorfer Wege“, „am Guteborner Wege“, „am Binnengraben Wege“ usw. tragen, sind in der Skizze nicht aufgenommen, da diese einfache Bezeichnung nichts sonderliches zu sagen hat.

Trotzdem versucht worden ist, ein nach Möglichkeit lückenloses Verzeichnis der Flurnamen aufzustellen, geben die Chroniken von Dahlmann und Klepper noch eine ganze Reihe von Namen an, deren Einordnung in die Flurkarte trotz weitestgehender Umfrage nicht gelingen wollte. Da lesen wir von einem Bär- oder Beerbusch; im Juli 1859 wurde der Binnengraben von der Raak-oder Stadtmühle bis zum „Harakswinkel“ reguliert; „Bälgensträucher“ werden erwähnt. Wo steht die „Hohe Trift“ (bei der Herschenzmühle !)? Wer kennt die „ledigen Stücke“ auf Fraundorf zu? Wo liegt „Kochswinkel“? Ein „Benschenwinkel“ wird 1838 als Kommunalhutung und Gräserei bezeichnet. Im Juni 1813 zieht der französische General Oudinot mit 80000 Mann in Ruhland ein und läßt seine Kanonen am Langen Wege und der Holke auffahren. Der Lange Weg vom Schützenhause nach den Buschwiesen besteht noch heute. Aber die Holke? Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die älteren und durch Generationen ortsansässigen Einwohner Ruhlands sich dieses oder jenes der fraglichen Flurnamen entsinnen werden, und es wäre zu begrüßen, wenn weitere Mitteilungen zur Vervollständigung und evtl. Berichtigung des Verzeichnisses beitragen würden. Berufne Forscher benötigen solche örtlichen Unterlagen zur Weiterführung ihrer Studien über Natur-, Boden- und Kulturverhältnisse vergangener Jahrhunderte, und nur gemeinsame, lückenlose Arbeit kann auf dem mühsamen Forschungswege vorwärtsführen. Den freundlichen Helfern in dieser Angelegenheit sei der Dank für bereitwillige Mitarbeit ausgesprochen. Wieder stand im Vordergrund des Interesses der Dienst an der heranwachsenden Jugend, um sie im Klassenunterricht und bei den Schulwanderungen auf neue wesenseigne Schätze der engsten Umgebung hinweisen zu können; denn mit der Kenntnis der Vergangenheit wächst auch die Liebe zur eignen Scholle und der Heimat.


[8]

Skizze zu Ruhlands Flurnamen.
Bearbeitet nach den Karten des Katasteramts Hoyerswerda.
Ruhland 1931.