Die Nahrungsmittelindustrie (1914)
Einleitung.
Auch die Nahrungsmittelgewerbe, soweit sie nicht bereits bei den landwirtschaftlichen technischen Gewerben berücksichtigt wurden, haben in den letzten 25 Jahren eine bedeutungsvolle Entwicklung genommen, sowohl in technischer wie in wirtschaftlicher Hinsicht. Zu ihnen gehören vor allem die Gewerbe, welche sich mit der Zubereitung und Herstellung von Fleisch und Fleischwaren, von pflanzlichen Fetten und Ölen, sowie auch von gehärteten Fetten, von Mehl und Backwaren, Kakao und Schokolade, auch von koffeïnfreiem Kaffee und Kaffeeersatzstoffen, von Essig und Gewürzen, sowie von Wein und von Mineralwässern beschäftigen.
Auf ihre Entwicklung haben im allgemeinen auch alle diejenigen äußeren Umstände einen Einfluß ausgeübt, die in den letzten 25 Jahren für die Entwickelung der landwirtschaftlichen technischen Gewerbe von Einfluß gewesen sind, namentlich die erhebliche Vermehrung der Bevölkerung, die Vervollkommnung der technischen Hilfsmittel, soweit diese für die betreffenden Gewerbe eine besondere Bedeutung besitzen, wie z. B. bei der Kakao- und Schokoladefabrikation, die Fortschritte der chemischen wissenschaftlichen Forschung und die Nahrungsmittel- und Zollgesetzgebung.
Im einzelnen machten sich diese Einflüsse in verschieden starkem Maße geltend. Trotz vieler Schwierigkeiten aber, die zu überwinden waren, haben diese Gewerbe es im allgemeinen verstanden, die Hindernisse aus dem Wege zu räumen und sich zu wirtschaftlich bedeutungsvollen Gewerbszweigen zu entwickeln.
In allerengster Weise hängt die bedeutende Entwickelung der Nahrungsmittelindustrie in den letzten 25 Jahren mit der weiteren Ausgestaltung der Nahrungsmittelgesetzgebung und der Nahrungsmittelüberwachung, sowie mit den Fortschritten der wissenschaftlichen Forschung auf den Gebieten der Nahrungs- und Genußmittel zusammen.
Nahrungsmittelgesetz.
Zwar war das Nahrungsmittelgesetz, das auch heute noch gilt, bereits im Jahre 1879 erlassen. Aber man hatte damals bereits eine weitere Ausgestaltung der für den Verkehr mit Nahrungsmitteln nötigen gesetzgeberischen Maßnahmen vorgesehen. Diese weitere Entwickelung begann mit dem Jahre 1887, und sie hat sich bis auf den heutigen Tag weiter fortgesetzt. Dieser überaus wichtige Werdegang der neueren Nahrungsmittelgesetzgebung fällt also der Hauptsache nach in die Zeit der letzten 25 Jahre. [632] In dem Nahrungsmittelgesetz vom Jahre 1879 war vorgesehen, daß ein weiterer Ausbau der Nahrungsmittelgesetzgebung durch den Erlaß Kaiserlicher Verordnungen erfolgen solle. Von dem Erlaß solcher Verordnungen ist indessen nur in einigen wenigen Fällen Gebrauch gemacht worden. Vielmehr erschien es bald zweckmäßiger, einzelne wirtschaftlich oder gesundheitlich besonders wichtige Teile des Nahrungsmittelverkehrs durch besondere Reichsgesetze zu regeln, und die Ausführung der Bestimmungen dieser Gesetze nach näherer Anweisung des Bundesrates vornehmen zu lassen. So brachte das Jahr 1887 3 neue Reichsgesetze, die auf die Überwachung des Verkehrs mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenstände, soweit diese letzteren dem Nahrungsmittelgesetz unterliegen, Bezug hatten, nämlich das im Jahre 1897 wieder aufgehobene Gesetz betreffend den Verkehr mit Ersatzmitteln für Butter vom 12. Juli 1887, das Gesetz betreffend den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen vom 25. Juni 1887 und das Gesetz betreffend die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben bei der Herstellung von Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 5. Juli 1887.
Es folgte dann im Jahre 1892 das erste Gesetz betreffend den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken, das bis zum Jahre 1901 in Geltung blieb und durch das unter dem 24. Mai 1901 erlassene Gesetz betreffend den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken abgelöst wurde. Aber auch dieses Gesetz blieb nur einige Jahre in Kraft und wurde durch das heute noch geltende Weingesetz vom 7. April 1909 ersetzt.
Inzwischen war unter dem 15. Juni 1897 das Gesetz betreffend den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzstoffen ergangen, durch welches das bereits erwähnte Reichsgesetz vom 12. Juli 1887 aufgehoben wurde. Ferner erging unter dem 6. Juli 1898 das Gesetz betreffend den Verkehr mit künstlichen Süßstoffen, das aber schon nach 3 Jahren durch das Süßstoffgesetz vom 7. Juli 1902 ersetzt wurde.
Von sehr weittragender Bedeutung war endlich das unter dem 3. Juni 1900 erlassene Gesetz betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau, das auch gegenwärtig noch in Geltung ist.
Die Nahrungsmittelgesetzgebung ist also seit dem Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts in ständigem Fluß gewesen, und die wiederholt notwendig gewordene Änderung bereits früher erlassener Gesetze läßt deutlich erkennen, wie schwierig es war, die hier in Frage stehenden Verhältnisse in einheitlicher gesetzlicher Weise zu regeln.
Der Grundgedanke von dem aus seinerzeit das Nahrungsmittelgesetz erlassen wurde, war die Gesundheit der Bevölkerung vor den Schädigungen zu bewahren, die ihr durch das gewerbsmäßige Herstellen und Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher Nahrungs- oder Genußmittel, sowie auch gewisser Gebrauchsgegenstände, drohen konnten. Dieser Gedanke kam ganz besonders auch zum Ausdruck beim Erlaß des Blei- und Zinkgesetzes vom Jahre 1887, des Farbengesetzes von demselben Jahre, sowie vor allem im Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetz, nach dessen Bestimmungen die Überwachung schon vor dem Schlachten der Tiere einsetzen und auch bei dem Inverkehrbringen des geschlachteten Fleisches durchgeführt werden sollte.
[633]
Wein.
Auch die verschiedenen Weingesetze enthalten Bestimmungen, die ausschließlich gesundheitlichen Erwägungen entsprungen sind. Daneben aber kamen vornehmlich bei den Weingesetzen sowie bei den beiden hintereinander erlassenen, den Verkehr mit Butter regelnden Gesetzen auch wirtschaftliche Rücksichten von großer Bedeutung in Frage.
Die Weinerzeugung und der Weinhandel Deutschlands besitzen eine so große wirtschaftliche Bedeutung, daß es angezeigt erschien, alles aufzuwenden, was möglich war, um den einheimischen, in der ganzen Welt berühmten Weinbau auf seiner Höhe zu erhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, mußte vor allem auch Klarheit darüber geschaffen werden, in welcher Weise der natürliche, durch Kelterung und Vergärung gewonnene Wein noch einer weiteren Behandlung unterworfen werden dürfe, ohne daß hierin eine unzulässige Zubereitung des Weines zu erblicken gewesen wäre. Eine hierhergehörige besonders wichtige Frage war die Zuckerung der Weine. Es bestand darüber kein Zweifel, daß natürlicher Wein in manchen Jahren ohne eine vorherige Zuckerung und nachfolgende Gärung seines hohen Säuregehaltes wegen nicht in einer für den Absatz erforderlichen Beschaffenheit erhalten werden könne. Für solche Fälle wollte man die Zuckerung des Weines gestatten, gleichzeitig aber auch verhindern, daß diese Erlaubnis mißbraucht werden und zu einer ungemessenen Vermehrung des Weines Veranlassung geben könne. War man sich auch über dieses zu erreichende Ziel klar, so konnte man doch im Zweifel sein, welcher Weg zu seiner Erreichung am besten zu beschreiten sei.
In dem Weingesetz vom Jahre 1892 versuchte man dieses durch die Festlegung von Grenzzahlen für den Gehalt des Weines an Extraktstoffen und mineralischen Bestandteilen zu erreichen, gelangte dadurch aber nicht zum Ziel. Beim Erlaß des Weingesetzes im Jahre 1901 schränkte man daher die Erlaubnis zum Zuckern des Weines dadurch ein, daß man bestimmte, diese Zuckerung dürfe nur erfolgen, um den Wein zu verbessern, ohne seine Menge erheblich zu vermehren. Da aber auch hierdurch eine bisweilen sehr weitgehende Zuckerung des Weines nicht verhindert werden konnte, so wurde in dem Weingesetz vom Jahre 1909, einer schon früher gegebenen Anregung entsprechend, die Zuckerung des Weines noch weiter, insonderheit auch räumlich und zeitlich begrenzt. Daher wurde bestimmt, daß die Zuckerung des Weines nur erfolgen dürfe, um einem natürlichen Mangel an Zucker oder Alkohol oder einem Übermaß an Säure insoweit abzuhelfen, als es der Beschaffenheit des aus Trauben gleicher Art und Herkunft in guten Jahrgängen ohne Zusatz gewonnenen Erzeugnisses entspricht. Im übrigen sollte der Zusatz an Zuckerwasser in keinem Falle mehr als ein Fünftel der gesamten Flüssigkeit betragen, auch sollte die Zuckerung nur innerhalb der am Weinbau beteiligten Gebiete des deutschen Reiches und in der Zeit vom Beginne der Weinlese bis zum 31. Dezember des Jahres vorgenommen werden dürfen.
Auch im übrigen regelte das Weingesetz vom Jahre 1909 in sehr eingehender Weise die Herstellung, die Einfuhr und den Vertrieb des Weines.
Butter usw.
Das Gesetz betreffend den Verkehr mit Butter usw. vom Jahre 1897 bezieht sich auf die Herstellung und den Vertrieb von Butter, [634] Margarine, Schweineschmalz, Kunstspeisefett, sowie auch von Käse und Margarinekäse, dabei gleichfalls vorwiegend von wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgehend. Durch dieses Gesetz sollten die früher häufiger vorgekommenen und auch durch das Margarinegesetz vom Jahre 1887 nicht genügend beseitigten Verfälschungen der Butter durch Margarine nach Möglichkeit verhindert, gleichzeitig aber auch der Margarineindustrie die Möglichkeit gegeben werden, sich innerhalb der durch das Gesetz gezogenen Grenzen frei weiter entwickeln zu können. Deswegen wurde ein Zusatz von Sesamöl zur Margarine vorgeschrieben und wurde ferner außer einer Überwachung der Margarinefabriken auch bestimmt, daß die Umhüllungen, in welchen Margarine im Verkehr abgegeben werde, deutlich zu kennzeichnen seien. Obwohl namentlich im Anfang mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden waren, hat dieses Gesetz im allgemeinen doch seinen Zweck erfüllt und klare Verhältnisse in bezug auf den Wettbewerb zwischen Butter und Margarine geschaffen.
Nahrungsmittelkontrolle.
Je weiter die Nahrungsmittelgesetzgebung sich im einzelnen entwickelte, um so mehr vernotwendigte sich auch eine zweckentsprechende Einrichtung der Nahrungsmittelkontrolle. Zwar war man sich auch schon beim Erlaß des Nahrungsmittelgesetzes im Jahre 1879 darüber im klaren gewesen, daß das Gesetz nur dann seine Aufgabe ganz würde erfüllen können, wenn man auch für eine geeignete Überwachung des Nahrungsmittelverkehrs durch Sachverständige Sorge trüge. Auch früher schon waren allerdings gelegentlich Untersuchungen von Nahrungsmitteln ausgeführt. Aber von einer geregelten Nahrungsmittelkontrolle war überhaupt noch keine Rede. In Bayern ging man nach dem Erlaß des Nahrungsmittelgesetzes zuerst an die Einrichtung einer solchen staatlichen Überwachung des Nahrungsmittelverkehrs, die sich als mustergültig bewährt hat und gleichzeitig ganz wesentlich zur Ausbildung des Standes der Nahrungsmittelchemiker beigetragen hat. Denn ein Hauptgrund dafür, daß sich die Einrichtung von Nahrungsmitteluntersuchungsanstalten in den übrigen deutschen Bundesstaaten noch längere Zeit hinzögerte, war das Fehlen der für die Ausübung einer solchen Überwachung erforderlichen Sachverständigen.
Deswegen beschloß der Bundesrat im Jahre 1894 Grundzüge einer Prüfungsvorschrift für Nahrungsmittelchemiker, auf Grund deren in den folgenden Jahren in den einzelnen Bundesstaaten Bestimmungen über den Ausbildungsgang und die Prüfung der Nahrungsmittelchemiker getroffen wurden. Man ging dabei von der Voraussetzung aus, daß von den in der Nahrungsmittelüberwachung später tätigen Chemikern in erster Linie eine gründliche allgemeine chemische und naturwissenschaftliche Ausbildung, sodann aber eine eingehende fachliche Ausbildung in der Nahrungsmittelchemie und den ihr verwandten Fächern unter Berücksichtigung auch der Nahrungsmittelgesetzgebung zu fordern sein werde. Die so ausgebildeten Chemiker sollten nach abgelegter Prüfung bei der Besetzung der Stellen an den Untersuchungsanstalten für Nahrungs- und Genußmittel vorzugsweise berücksichtigt werden.
Durch diese Maßnahmen wurde ein völlig neuer Stand chemischer Sachverständiger [635] geschaffen. Die Zahl der Nahrungsmittelchemiker hat sich seither entsprechend der ständig angewachsenen Zahl der Nahrungsmitteluntersuchungsanstalten erheblich vermehrt und hat sich im Laufe der Zeit durch seine rege Betätigung nicht nur große Verdienste um die Nahrungsmittelüberwachung, sondern auch mittelbar und unmittelbar um die Nahrungsmittelindustrie erworben. Die hier erreichten Erfolge sind um so höher anzuschlagen, als die zur Ausübung der Nahrungsmittelüberwachung berufenen Sachverständigen zunächst eigentlich einer völlig neuen und nicht übersehbaren Aufgabe gegenüberstanden.
Verdienste der Chemie.
Brauchbare Verfahren zur Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel waren nur wenig bekannt. Es hatte bis dahin an einer Veranlassung dazu gefehlt, sich planmäßig um die durchschnittliche Zusammensetzung der Lebensmittel zu kümmern und den Verfälschungen nachzugehen, die an den Nahrungs- und Genußmitteln seit alter Zeit vorgenommen wurden oder die auch neu auftauchten. Von grundlegender Bedeutung wurden daher sowohl für die Nahrungsmittelüberwachung wie für die Nahrungsmittelindustrie J. Königs Arbeiten, die in seiner „Chemie der menschlichen Nahrungs- und Genußmittel“ zusammengefaßt wurden und die zum ersten Male den Versuch machten, ein Bild von der Zusammensetzung natürlicher und nicht verfälschter Nahrungsmittel zu geben. Wenn sich auch deren Zusammensetzung als innerhalb gewisser Grenzen schwankend ergaben, so zeigten sich doch diese Grenzen nicht so weit gezogen, daß es nicht möglich gewesen wäre, wenigstens in vielen Fällen auf Grund der Analyse festzustellen, ob ein Nahrungsmittel der durchschnittlich anzunehmenden Zusammensetzung entspreche oder ob es so weit davon abweiche, daß eine Verfälschung als vorliegend vorausgesetzt werden müsse. Es kam nun vor allem auf die Untersuchungsverfahren an. Denn man überzeugte sich sehr bald, daß hier noch viele Arbeit zu tun notwendig war. Um die Erledigung dieser Arbeit haben die in die Praxis der Nahrungsmittelüberwachung eingetretenen Chemiker sich ein großes Verdienst erworben, abgesehen davon, daß ein jeder Fortschritt der allgemeinen und der analytischen Chemie auch eine Einwirkung auf die weitere Entwicklung der Nahrungsmittelanalyse ausübte.
Amtliche Vorschriften.
Man kam aber sehr bald zu der Einsicht, daß es mit der Ausarbeitung einzelner Untersuchungsverfahren allein nicht getan sei. Die Sachverständigen wichen nicht gar selten in bezug auf die Auswahl der zur Anwendung zu bringenden Untersuchungsverfahren wie auch bei ihrer Auslegung voneinander ab, sei es, daß die Fragen überhaupt strittig waren, oder daß eine nicht immer gleich umfangreiche und gut begründete Erfahrung zu diesen Unstimmigkeiten führte. Es liegt aber auf der Hand, daß solche Widersprüche der Sachverständigen zur Klärung des Tatbestandes vor dem Strafrichter nicht führen konnten, und daß sie überdies für die Nahrungsmittelindustrie wie auch für die Gutachter selbst zu großen Unzuträglichkeiten führen mußten. Man ging deswegen dazu über, für die Untersuchung der Nahrungsmittel in verschiedenen Fällen nach Anhörung von Sachverständigen Vorschriften [636] zu erlassen, die bei der Ausführung von Nahrungsmitteluntersuchungen in amtlicher Veranlassung anzuwenden waren. Das erstemal geschah dies nach dem Erlaß des Farbengesetzes im Jahre 1887 für den Nachweis des Arsens und Zinns. Später folgten dann die amtliche Anweisung für die chemische Untersuchung des Weines, der Fette, und endlich die eingehenden Untersuchungsvorschriften für Fleisch und Fleischwaren. Auch zur Durchführung der Steuer- und Zollgesetze wurden umfangreiche Prüfungsvorschriften erlassen, die sich auch auf Nahrungsmittel bezogen, z. B. auf Zucker, Olivenöl, tierische Speisefette, Wein, und die daher gleichfalls für den Handel und Verkehr mit Nahrungsmitteln eine große Bedeutung besitzen.
Diese amtlichen Vorschriften sind bei der Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel zum Zweck der amtlichen Kontrolle in erster Linie anzuwenden. Es darf aber nicht übersehen werden, daß die Wissenschaft, auch die chemische Analyse, sich ständig weiter entwickelt und daß daher Untersuchungsverfahren auch veralten können. In solchem Falle muß der Sachverständige natürlich berechtigt sein, von der amtlichen Untersuchungsvorschrift abzuweichen, damit er die Ergebnisse seiner Untersuchung auch vom wissenschaftlichen Standpunkte aus zu vertreten imstande ist. Er muß aber dann wenigstens angeben, wie er die Untersuchung ausgeführt hat, damit ein anderer Sachverständiger, sofern dies aus irgendeinem Grunde notwendig werden sollte, in der Lage ist, nach demselben Verfahren zu arbeiten.
„Vereinbarungen“ 1897−1901.
Es war nun aber nicht möglich, für alle Nahrungs- und Genußmittel eine amtliche Untersuchungsvorschrift zu erlassen. Diese Lücke wurde durch die „Vereinbarungen“ ausgefüllt, die in den Jahren 1897–1901 von einer Kommission von Nahrungsmittelchemikern unter dem Vorsitz des Kaiserlichen Gesundheitsamtes ausgearbeitet wurde, nachdem vorher schon von den in den bayrischen Untersuchungsanstalten tätigen Sachverständigen sehr wertvolle Vorarbeiten hierfür ausgeführt waren. Diese „Vereinbarungen zur einheitlichen Untersuchung und Beurteilung von Nahrungs- und Genußmitteln sowie Gebrauchsgegenständen für das Deutsche Reich“ sollten zunächst nur ein Entwurf sein. Sie haben trotzdem aber einen großen Einfluß nach den verschiedensten Richtungen hin ausgeübt. Zunächst war es als ein großer Erfolg anzusehen, daß die mit der Untersuchung von Nahrungsmitteln und Genußmitteln sich befassenden Sachverständigen diese „Vereinbarungen“ sich zur Richtschnur machten, aus welchem Grunde auch immer diese Untersuchungen vorgenommen wurden, und daß sie sich mit Eifer und Erfolg an der weiteren Ausgestaltung dieser vereinbarten Vorschriften beteiligten. Auch im Auslande fanden diese Vereinbarungen bald Nachahmung, was für den internationalen Warenverkehr nicht ohne Einfluß blieb.
Reichsgesundheitsamt und Reichsgesundheitsrat.
Um aber diese Vereinbarungen bei der ständigen Weiterentwicklung der Wissenschaft auf dem Laufenden zu erhalten, wurde die weitere Fortführung dieser Arbeit durch den mit dem Reichsgesundheitsamt verbundenen Reichsgesundheitsrat vorgesehen. Einige Abschnitte der „Vereinbarungen“ sind inzwischen auch schon einer Neubearbeitung [637] unterzogen. Doch haben sich ihrer Fertigstellung größere Schwierigkeiten in den Weg gestellt, als ursprünglich erwartet wurde.
Nahrungsmittelkontrolle und Nahrungsmittelindustrie.
Diese Schwierigkeiten entspringen zum Teil wohl dem Umstande, daß es sich hier um Fragen handelt, die infolge der regen wissenschaftlichen Tätigkeit auf diesem Gebiet in einem schnellen Fluß begriffen sind. Zum Teil sind diese Schwierigkeiten aber auch wohl dadurch bedingt, daß die Nahrungsmittelindustrie in manchen Fragen einen anderen Standpunkt als die Hygieniker und die Nahrungsmittelchemiker vertritt und ein Ausgleich hier bisher nicht immer geschaffen werden konnte.
Zwar haben die „Vereinbarungen“ sehr bald nach ihrer Veröffentlichung, wenigstens soweit die Untersuchungsverfahren in Betracht kommen, auch bei der Nahrungsmittelindustrie große Beachtung gefunden. War doch auch die Industrie immer mehr dazu übergegangen, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschungen sich zunutze zu machen und danach ihre Betriebe zweckentsprechender zu gestalten. Nicht ganz so verhält es sich bei den Vereinbarungen, die hinsichtlich der Beurteilung der einzelnen Nahrungsmittel in Betracht kommen. Verschiedene Gründe mögen dabei mitsprechen, wenn die Ansichten der Vertreter der Nahrungsmittelkontrolle einerseits und die der Nahrungsmittelindustrie andererseits nicht immer in allen Punkten übereinstimmen. Entsprechend dem Umstande, daß das Nahrungsmittelgesetz in erster Linie gesundheitliche Ziele verfolgt, betonen auch die Nahrungsmittelchemiker in der Mehrheit wohl bei der Beurteilung der Nahrungsmittel die gesundheitlichen Gesichtspunkte. Auch die Nahrungsmittelindustrie hat hierauf selbstverständlich den größten Wert zu legen. Denn es schädigt erfahrungsgemäß nichts einen Gewerbszweig mehr, als wenn durch seine Erzeugnisse vielleicht schädliche Einflüsse in großem Umfange hervorgerufen werden. Aber die Nahrungsmittelindustrie ist andererseits ganz naturgemäß auch auf die Berücksichtigung der oft sehr schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse angewiesen. Vielfach auch glaubt die Industrie Rücksichten nehmen zu müssen auf die Wünsche ihrer Abnehmer, und scheut sich deshalb, von alten Gewohnheiten bei ihrer Fabrikation abzugehen; andererseits ist die Industrie auch gerne bereit, Neuerungen in ihrem Betrieb oder in der Art der Zubereitung der Nahrungsmittel anzunehmen, wenn dadurch wirtschaftliche Vorteile errungen werden, ohne daß sogleich sich hieraus gesundheitliche Nachteile ergeben. Die Fortschritte, die in dieser Hinsicht in bezug auf die maschinellen Einrichtungen und in bezug auf die Verarbeitung namentlich großer Mengen natürlicher Rohstoffe zu Nahrungs- oder Genußmitteln gemacht worden sind, haben eine große Bedeutung auch für die Volkswohlfahrt.
Frischerhaltung.
Nicht in gleicher Weise liegen die Vorteile für die Gesundheit der Bevölkerung immer auf der Hand, wenn es sich um neue Zubereitungsweisen von Nahrungsmitteln handelt. Hier kommt vor allem die schwierige Frage der Frischerhaltung der Nahrungsmittel in Betracht.
[638] Je mehr die Bevölkerung anwächst und je mehr es notwendig wird, Nahrungsmittel jeglicher Art in Zeiten des Überflusses für die Zeiten des Mangels aufzubewahren, um so dringlicher wird auch die Frage, in welcher Weise die Lebensmittel am besten vor dem vorzeitigen Verderben zu schützen sind. Daß die Lösung dieser Frage auch für das Heer und die Marine in Friedens- wie in Kriegszeiten, sowie auch für wissenschaftliche Forschungsreisen, für die Verpflegung von Unterrichts-, Kranken- und Gefangenenanstalten und in zahlreichen anderen Fällen von Bedeutung ist, bedarf keiner besonderen Ausführung. Daher hat man sich von jeher auch um die Lösung dieser Frage bemüht.
Kälteindustrie.
Einen sehr wichtigen Fortschritt verdankt man hierbei der Entwickelung der Kälteindustrie, die es heute ermöglicht, in Kühl- und Gefrieranlagen Nahrungsmittel jeglicher Art längere Zeit hindurch unverändert aufzubewahren.
Chemische Konservierungsmittel.
Aber hiermit allein ist es noch nicht getan. Es gibt viele Fälle, in denen die Anwendung niederer Wärmegrade oder auch andere, seit alter Zeit geübte Verfahren zur Erhaltung der Lebensmittel, wie Erhitzen auf bestimmte Wärmegrade, Räuchern, Pökeln u. dgl. m., nicht ausreichen und wo man daher zu den chemischen Konservierungsmitteln gegriffen hat.
Der Anlaß hierzu ist nicht zuerst durch die Entwicklung der bakteriologischen Forschung gegeben. Schweflige Säure hat man z. B. schon in alten Zeiten zum Reinigen der Weinfässer, durch Ausbrennen mit Schwefel und damit zum Schutz des Weines vor dem Verderben benutzt. Aber eine neue Anregung zur ausgedehnteren Verwendung der chemischen Konservierungsmittel wurde doch durch die Bakteriologie gegeben, nachdem diese gelehrt hatte, daß die Bakterien und andere kleine Lebewesen, die auch die Lebensmittel zu verändern oder zu zersetzen imstande sind, unter der Einwirkung gewisser chemischer Stoffe, z. B. Salizylsäure, Borsäure, schweflige Säure und andere Stoffe mehr, abgetötet werden. Von der Annahme ausgehend, daß diese Konservierungsmittel, wenigstens in kleinen Mengen genossen, dem Menschen nicht schädlich seien, versuchte man sie zur Frischerhaltung vornehmlich von Fleisch und Fleischwaren, von Fetten, Fruchtsäften und anderen Zubereitungen zu verwenden. Die Frage, ob dies zulässig sei, kam beim Erlaß des Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetzes zum Austrag. Auf Grund eingehender sachverständiger medizinischer Gutachten wurde die Verwendung einer Anzahl dieser Stoffe, insonderheit auch der Salizylsäure, Borsäure, schwefligen Säure und ihrer Salze bei der Zubereitung von Fleisch, Fleischwaren und Fetten verboten und damit auch die weitere Verwendung dieser Mittel bei der Herstellung anderer Nahrungs- und Genußmittel wenn auch nicht förmlich, so doch tatsächlich so gut wie unmöglich gemacht.
Vom gesundheitlichen Standpunkte aus war dieses Verbot mit großer Freude zu begrüßen, zumal nachgewiesenermaßen auch in manchen Fällen ein unverantwortliches Übermaß jener Stoffe bei der Zubereitung der Nahrungsmittel verwendet war.
[639] Die schwierige und für die Nahrungsmittelindustrie wie für den Handel nach wie vor überaus wichtige Frage der zweckmäßigsten und gesundheitlich auch einwandfreien Konservierung der Nahrungsmittel war damit aber noch nicht gelöst. Und es erscheint daher begreiflich, daß die Nahrungsmittelindustrie nach wie vor bemüht bleibt, durch Ausprobieren neuer chemischer Stoffe oder neuer Zubereitungsweisen die Konservierungsfrage einer alle Teile befriedigenden Lösung entgegenzuführen.
Deutsches Nahrungsmittelbuch.
Derartige Fragen berühren die ganze Nahrungsmittelindustrie. Zur Verfolgung ihrer gemeinsamen Ziele haben sich die beteiligten Kreise zum Bunde deutscher Nahrungsmittelfabrikanten und -händler E. V. vereinigt und bei wiederholten Gelegenheiten ihren Wünschen und ihrem Standpunkte in schwebenden Fragen Ausdruck verliehen. Durch die Herausgabe des „Deutschen Nahrungsmittelbuches“, dessen erste Ausgabe im Jahre 1905, die zweite 1909 erschien, versuchte der genannte Bund eine Sammlung von Begriffsbestimmungen und Handelsgebräuchen des Nahrungs- und Genußmittelgewerbes zu schaffen, das in gewisser Weise als ein Gegenstück und eine Ergänzung der „Vereinbarungen“ der Nahrungsmittelchemiker angesehen werden kann.
Inwieweit es in Zukunft möglich sein wird, die auch heute noch in bezug auf viele Einzelpunkte, insonderheit über wirtschaftliche Fragen bestehenden Meinungsverschiedenheiten und Gegensätze zwischen der Nahrungsmittelkontrolle und der Nahrungsmittelindustrie auszugleichen, bleibt abzuwarten. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei die Lösung der Frage, ob das Nahrungsmittelgesetz vom Jahre 1879 abzuändern oder zu ergänzen sein wird. Dabei ist vor allem die Frage von Wichtigkeit, ob und in welcher Weise Begriffsbestimmungen der einzelnen Nahrungs- und Genußmittel gesetzlich festzulegen seien, ohne daß dadurch den im Laufe der Zeit sich auch hier ändernden Anschauungen Gewalt angetan wird. Vielleicht werden diese Fragen schon in nicht zu ferner Zeit zum Austrag gebracht werden. Möchten sie dann zu dem Ergebnis führen, daß durch eine etwaige Änderung des Nahrungsmittelgesetzes das Gute, das dieses Gesetz zweifellos geschaffen hat, erhalten bleibe, die Lücken aber, die sich im Laufe der Zeit als vorhanden herausgestellt haben, in einer den Wünschen und Bedürfnissen aller beteiligten Kreise entsprechenden Weise ausgefüllt werden mögen.
Fleisch und Fleischwaren.
Für den Verkehr mit Fleisch und Fleischwaren ist das Jahr 1900 von allergrößter Bedeutung geworden. Unter dem 3. Juni 1900 erging das Gesetz betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau, durch welches eine amtliche Überwachung der zum Schlachten bestimmten Tiere, deren Fleisch zum Genusse für Menschen verwendet werden sollte, vor und nach der Schlachtung eingeführt wurde. Das Gesetz trat teilweise bereits am 1. Oktober 1900, im übrigen am 1. Oktober 1902 und am 1. April 1903 in Kraft und gilt auch heute noch unverändert, nachdem inzwischen zu den wichtigeren Bestimmungen des Gesetzes umfangreiche Ausführungsvorschriften erlassen waren. Die Gründe, welche zum Erlaß dieses Gesetzes führten, waren verschieden.
[640] Zwar war auch schon durch das Nahrungsmittelgesetz vom Jahre 1879 die Möglichkeit einer Überwachung des Verkehrs mit Fleisch und Fleischwaren gegeben. Es hatte sich aber doch im Laufe der Zeit immer mehr herausgestellt, daß die Bestimmungen des Nahrungsmittelgesetzes nicht ausreichten, um eine der Bedeutung des Verkehrs gerade mit diesen wichtigen Nahrungsmitteln entsprechende Überwachung sicherzustellen. Es konnte nicht immer nachträglich festgestellt werden, ob ein im Verkehr angehaltenes Stück Fleisch von einem kranken Tier herstammte, obwohl in verschiedenen Bundesstaaten auch früher schon eine geregelte Fleischbeschau, wenn auch in verschieden großem Umfang eingeführt war. Das aus dem Auslande eingeführte Fleisch unterlag nur teilweise einer Überwachung, und der Umstand, daß in den verschiedenen Bundesstaaten und Gemeinden des deutschen Reiches häufig ein ganz verschiedenes Recht galt, trug nicht dazu bei, den Handel mit Fleischwaren, der an keine engen räumlichen Grenzen gebunden ist, zu erleichtern. Dazu kam, daß in der Zeit seit Ausgang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts der Gebrauch von Konservierungsmitteln und Farbstoffen bei der Herstellung von Fleischwaren immer mehr Eingang fand, obwohl sich die Nahrungsmittelkontrolle demgegenüber von vornherein abwartend verhielt.
Pflanzliche Fette und Öle.
Neben den tierischen Fetten spielen die pflanzlichen Fette und Öle für die Ernährung der Bevölkerung, wie für verschiedene gewerbliche Zwecke eine große Rolle. Während aber der Bedarf an tierischen Fetten wenigstens teilweise auch durch die Erzeugung im Inlande gedeckt werden kann, ist man für die Beschaffung der pflanzlichen Fette und Öle fast ausschließlich auf das Ausland angewiesen, indem entweder die fertigen geschlagenen Öle oder die ölhaltigen Pflanzenteile eingeführt und die letzteren im Inlande auf die in ihnen enthaltenen fetten Öle verarbeitet werden, da die klimatischen Verhältnisse Deutschlands für den Anbau der hier in Betracht kommenden ölhaltigen Pflanzen nicht geeignet sind. Die Nachfrage nach pflanzlichen fetten Ölen ist aber in den letzten Jahrzehnten nicht nur für sonstige gewerbliche Zwecke, sondern vor allem auch für die Zwecke des Nahrungsmittelgewerbes ständig gewachsen. Dies war vorzugsweise durch die Entwickelung der Margarineindustrie bedingt, deren Bedarf an Fetten überhaupt und an pflanzlichen Fetten und Ölen insbesondere dauernd im Wachsen begriffen war. Denn während man bei den ersten Versuchen zur Herstellung eines der Butter ähnlichen Speisefettes ausschließlich von tierischem Fette, namentlich von Rindertalg ausging, wurden bei der weiteren Entwickelung dieser Industrie sehr bald aus technischen und aus wirtschaftlichen Gründen tierische und pflanzliche Fette gemeinsam verarbeitet. Durch das Gesetz betreffend den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzstoffen vom Jahre 1897 und die zu diesem Gesetze erlassenen Ausführungsbestimmungen wurde der Zusatz eines pflanzlichen Öles, nämlich des Sesamöles zu aller Margarine vorgeschrieben, um dadurch die Erkennbarkeit der Margarine auch in Mischungen mit Butter zu erleichtern. Da dieser Zusatz von Sesamöl 10 v. H. des Gesamtfettes betragen soll, so stieg der Bedarf an Sesamöl im Laufe der Zeit sehr beträchtlich. Ein weiterer Anlaß zu einem vermehrten Verbrauch an pflanzlichen Ölen wurde dann dadurch gegeben, daß die Margarinefabriken [641] dazu übergingen, auch rein pflanzliche Margarine, d. h. der Butter ähnliche Speisefette nur aus pflanzlichen Fetten und Ölen herzustellen.
Aber nicht nur durch die gesteigerte Verarbeitung in der Margarineindustrie ist die Nachfrage nach pflanzlichen Fetten und Ölen ständig gewachsen, sondern auch dadurch, daß der Verbrauch dieser Fette zur unmittelbaren Verwertung bei der Zubereitung von Speisen stetig zugenommen hat. Als Gründe dieser Erscheinung können das Anwachsen der Bevölkerung, das Steigen der Preise für tierische Fette und die gute Beschaffenheit angeführt werden, in welcher die pflanzlichen Fette heute zu einem verhältnismäßig billigen Preise in den Handel gebracht werden.
Auch die Zollverhältnisse spielen hierbei eine Rolle. Das Olivenöl geht, wenn es rein, d. h. unverfälscht ist, nach dem Zolltarifgesetz vom 26. Dezember 1902, zollfrei ein, während die übrigen fetten Öle einer verschieden hohen Verzollung unterliegen.
Auch die Ölfrüchte und Ölsämereien sind teils zollfrei, teils unterliegen sie einem nur niedrigen Zollsatz. So sind zollfrei die für die Ölgewinnung besonders in Betracht kommenden folgenden Rohstoffe: Baumwollsamen, Kopra, Palmkerne und Sojabohnen, welche letztere in neuerer Zeit anfangen eine größere Bedeutung zu gewinnen. Andererseits unterliegen Erdnüsse und Sesamsamen einer Verzollung von 2 Mk. für 1 Doppelzentner. Diese Umstände haben dazu geführt, daß sich namentlich seit dem Inkrafttreten des neuen Zolltarifes (1. März 1906) in Deutschland die mit der Gewinnung fetter Öle sich beschäftigende Industrie immer weiter entwickelt hat und heute bereits einen wesentlichen Einfluß auf den Pflanzenfettmarkt ausübt. Diese Entwickelung der einheimischen Ölindustrie ist daher in wirtschaftlicher Hinsicht von großer Bedeutung geworden.
Gehärtete Fette.
Die Verhältnisse auf dem Fettmarkt sind gegenwärtig durch die Härtung der Fette in einer vollständigen Umwälzung begriffen. Bei der Erörterung der Versorgung des Nahrungsmittelgewerbes mit den nötigen Fettmengen und ihrer Verarbeitung zu gebrauchsfertiger Ware muß daher auch der Gewinnung der gehärteten Fette und ihrer Bedeutung für die Nahrungsmittelversorgung einige Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Es ist bekannt, daß die natürlichen tierischen und pflanzlichen Fette bei gewöhnlichen Wärmegraden eine sehr verschiedene Beschaffenheit zeigen. Teils sind sie fest wie Rindertalg, teils salbenartig wie Butter oder Schmalz, teils flüssig wie Walfischtran, Olivenöl, Baumwollsamenöl oder andere pflanzliche fette Öle. Zur unmittelbaren Ernährung finden die festen Fette seltener Anwendung als die salbenartigen oder flüssigen Fette. Aber die festen Fette sind unentbehrlich für die Herstellung der Margarine und sie finden vor allem bei der technischen Verarbeitung der Fette zur Herstellung von Seifen und von Kerzen ausgedehnte Verwendung.
Der hierdurch bedingten starken Nachfrage nach festen Fetten, vornehmlich nach Rinder- oder Hammeltalg, vermag aber das Angebot in den letzten Jahren immer weniger zu genügen. Infolgedessen sind die Preise dieser Fette ständig in die Höhe gegangen und alle die Fette verarbeitenden Gewerbe sind zeitweilig bei der Beschaffung ihrer wichtigen Rohstoffe in große Verlegenheit gekommen.
[642] Unter diesen Umständen ist das Verfahren zur Umwandlung flüssiger Fette in feste Erzeugnisse, das den Arbeiten des Chemikers Dr. Normann zu danken ist, von großer Bedeutung geworden. Dieses Verfahren beruht auf folgenden chemischen Umsetzungen.
Die natürlichen Fette sind Gemische von Verbindungen des Glyzerins mit festen oder flüssigen Fettsäuren, vornehmlich der festen Palmitinsäure oder der festen Stearinsäure, oder der flüssigen Ölsäure. Diese Verbindungen werden auch als Fettsäureester des Glyzerins bezeichnet. So spricht man vom Ölsäureester oder Stearinsäureester des Glyzerins, Verbindungen, die auch als Tri-Oleïn oder als Tristearin bezeichnet werden. Es war bereits früher bekannt, daß Ölsäure durch Einwirkung von Wasserstoff in Stearinsäure und das flüssige Trioleïn unter den gleichen Bedingungen in festes Tristearin umgewandelt werden kann. Dieses Verfahren war aber noch nicht technisch angewandt worden. Normann stellte nun fest, daß diese Umwandlung der flüssigen in feste Fette durch die Einwirkung von Wasserstoff bei Gegenwart bestimmter Metalle, z. B. von pulverförmigem Nickel bei höheren Wärmegraden sich leicht vollzieht und technisch im großen Maßstab durchgeführt werden kann. Man nennt die Metalle, die diese Umwandlung erleichtern, Katalysatoren und ihre Wirkung eine katalytische Wirkung. Seit die Industrie dazu übergegangen ist, dieses durch Patent geschützte Verfahren im großen Maßstab durchzuführen, sind in bezug hierauf zahlreiche Abänderungsvorschläge gemacht und zum Teil auch durch Patente geschützt worden, ein Zeichen der großen Bedeutung, welche man diesem Verfahren beilegt.
Eines der ersten Fette, mit welchem die Versuche zur Umwandlung in ein festes Fett erfolgreich durchgeführt wurde, war der Walfischtran. Die verschiedenen Transorten spielen zwar seit alter Zeit schon für gewerbliche Zwecke eine gewisse Rolle. Sie galten im übrigen aber doch als weniger wertvolle Fette und standen dementsprechend auch niedriger im Preise. Durch die Behandlung mit Wasserstoff bei Gegenwart katalytisch wirkender Metalle werden sie aber in feste Fette und damit in wertvollere Rohstoffe für eine weitere gewerbliche Verwendung umgewandelt. Je nach der Dauer der Einwirkung des Wasserstoffs und den sonstigen Versuchsbedingungen wird die Härtung verschieden weit getrieben, so daß entweder schmalzartige oder talgartige Fette von geringerer oder größerer Härte erhalten werden. Gleichzeitig verlieren die Trane ihren eigentümlichen im allgemeinen wenig angenehmen Geruch und die erhaltenen festen und farblosen Fette können nun zu allen den gewerblichen Zwecken Verwendung finden, für welche sonst Talg Verwendung findet, z. B. für die Seifenerzeugung oder für die Herstellung von Kerzen.
Die Benutzung der gehärteten Trane für die Zwecke der Lebensmittelgewerbe, welche letztere hier allein in Betracht kommen, ist allerdings bisher nicht beabsichtigt. Dahingegen muß damit gerechnet werden, daß andere gehärtete, pflanzliche fette Öle für die genannten Zwecke Verwendung finden werden.
Kakao und Schokolade.
Die Kakao- und Schokoladenindustrie ist bekanntlich für die Beschaffung ihres wichtigsten Rohstoffes, der Kakaobohne auf den Bezug aus dem Auslande angewiesen. Der zweite für die Schokoladefabrikation [643] nötige Rohstoff, der Rübenzucker, dagegen entstammt der inländischen Erzeugung. Es ergibt sich hieraus, daß die Kakao- und Schokoladenindustrie in ihrer Entwickelung von der Lage des Weltmarktes, soweit der Preis der Kakaobohnen in Frage kommt, und von dem inländischen Markte, soweit es sich um den Rübenzucker handelt, abhängig ist. Da von rohen Kakaobohnen bei der Einfuhr nach dem Zolltarifgesetz vom Jahre 1902 ein Zoll von 20 Mk. für 1 dz erhoben wird und die Einfuhr im Jahre 1912 insgesamt 55 085 Tonnen betrug, so ist hieraus die große Bedeutung der Kakao verarbeitenden Industrie für die Zolleinkünfte des deutschen Reiches ersichtlich, wie andererseits die großen Mengen des bei der Schokoladefabrikation verarbeiteten steuerpflichtigen Zuckers eine erhebliche Steuereinnahme für den Staat bedingen.
Die Kakao- und Schokoladenindustrie muß gleichzeitig aber auch damit rechnen, daß der Bedarf des Inlandes an Kakao- und Schokoladewaren zum Teil durch eine Einfuhr aus dem Auslande und zwar vorwiegend aus der Schweiz, gedeckt wird. Die Einfuhr an Schokolade und Schokoladeersatzstoffen betrug im Jahre 1911: 1686 Tonnen, im Jahre 1912: 1929 Tonnen. Die Einfuhr hat sich also im Jahre 1912 gegenüber dem Vorjahre vermehrt, während andererseits dieser Einfuhr eine Ausfuhr von 469 Tonnen im Jahre 1911 und von 842 Tonnen im Jahre 1912 gegenübersteht. Erfreulicherweise hat sich also auch die Ausfuhr vermehrt. Sie wird dadurch erleichtert, daß bei der Ausfuhr kakaohaltiger Waren eine Rückvergütung des Kakaozolls stattfindet. Für das Betriebsjahr 1912/13 verzeichnet die amtliche Zuckerstatistik eine Ausfuhr von Schokolade und Waren aus dieser unter steueramtlicher Aufsicht in Höhe von 791 dz, darin 379 dz Zucker. Die zollamtlichen Ausfuhrzahlen für das Jahr 1913 liegen noch nicht vor. Jedenfalls aber muß angenommen werden, daß auch im Jahre 1913 die Einfuhr wiederum die Ausfuhr erheblich überstiegen hat.
In Anbetracht dieser erheblichen an den Staat für ihre Rohstoffe zu leistenden Abgaben und gegenüber dem Wettbewerb des Auslandes muß die Kakao- und Schokoladeindustrie vor allem bemüht sein, ihren ganzen Betrieb kaufmännisch richtig zu leiten und zwar sowohl beim Einkauf ihrer Rohstoffe wie während des ganzen Ganges der Verarbeitung und schließlich beim Absatz an das Publikum. Nach den Angaben der Statistik kam die Hauptmenge der rohen Kakaobohnen im Jahre 1912 aus Britisch-Westafrika (15 722 dz), es folgten dann Portugiesisch-Westafrika (13 807 dz), Ecuador (8251), Brasilien (8107 dz), usw., und Kamerun mit 880 dz. Es kommt beim Einkauf der Bohnen aber auch sehr auf ihre besondere Beschaffenheit an und es ist daher die Aufgabe der Fachleute, bei der Beschaffung dieses wichtigen Rohstoffes die richtige Auswahl zu treffen. Nicht minder ist auch die Entwickelung der technischen Einrichtungen der Kakaofabriken von großer Bedeutung gewesen.
Trinkwasser und Mineralwasser.
Die Beschaffung gesunden Trinkwassers für die Bevölkerung gilt als eine der wichtigsten Fragen auf gesundheitlichem Gebiete, seitdem man die Gefahren erkannt hat, die durch die Möglichkeit der Verbreitung von Krankheitserregern durch das Wasser entstehen können. Durch die Anlegung von Wasserwerken, die ihr Wasser dem Untergrund, oder, [644] wo dies nicht möglich ist, Flußläufen oder Seen entnehmen und nach Bedarf einer Reinigung vor dem Gebrauch unterwerfen, wird für das Wasserbedürfnis der Bevölkerung heute in ganz anderer Weise gesorgt, als dies noch vor 25 Jahren der Fall war. Allerdings haben diese Wasseranlagen dort, wo sie neu angelegt werden oder vergrößert werden mußten, den Gemeinden zum Teil sehr erhebliche Opfer auferlegt. Ebenso erwachsen auch durch die notwendige ständige Überwachung dieser Anlagen, die durch Sachverständige geschehen muß, dauernd große Kosten. Aber diese werden aufgewogen durch die Sicherung des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, die durch die heutige Art der Wasserversorgung und durch die Beseitigung der Abwässer erreicht wird. Wenn auch immer noch Schwierigkeiten vornehmlich dadurch entstehen, daß es nicht immer leicht ist, einen Ausgleich zwischen den berechtigten Wünschen der Industrie wegen Beseitigung ihrer Abwässer, und den nicht minder berechtigten Wünschen der Bevölkerung wegen tunlichster Reinhaltung der Flußläufe zu finden, so haben sich doch die Verhältnisse in dieser Hinsicht im Laufe der letzten Jahrzehnte ganz wesentlich gebessert. Es kommen dabei übrigens außer den Bedürfnissen für die Beschaffung eines geeigneten und gesunden Trink- und Gebrauchswassers für häusliche Zwecke auch noch die Rücksichten auf die Fischerei, die Landwirtschaft und diejenigen Gewerbe mit in Betracht, die wie die Brauereien darauf angewiesen sind, daß ihnen ein reines und einwandfreies Wasser zur Verfügung steht. Wenn auf allen diesen Gebieten die Verhältnisse sich gegen früher wesentlich verbessert haben, so ist dies vornehmlich auf die Fortschritte der Gesundheitslehre in den letzten 25 Jahren, insonderheit auch der Bakteriologie, sowie darauf zurückzuführen, daß die Ingenieurwissenschaft es in jenem Zeitraum verstanden hat, sich diesen neuen Bedürfnissen anzupassen und auch in technischer Hinsicht Anlagen zu schaffen, die den angestrebten Zweck: Lieferung eines reinen und gesunden Wassers in ausreichender Menge in der erforderlichen Weise erreichen lassen.
Durch die Lieferung von Trink- und Gebrauchswasser sind aber die Bedürfnisse der Bevölkerung nach dieser Richtung noch nicht gedeckt. Neben der Forderung nach einem guten Leitungswasser ist immer mehr das Bedürfnis nach erfrischenden, insonderheit auch kohlensäurehaltigen Tafelwässern oder Mineralwässern hervorgetreten.
Es ist bekannt, daß Deutschland von jeher über einen großen Schatz natürlicher Mineralwässer verfügt hat. Zum Teil kommt diesen Wässern eine bestimmte Heilwirkung zu und sie haben daher als Heilquellen zum Trinken, Baden oder zu sonstiger Verwendung für Heilzwecke eine gewisse Bedeutung erlangt.
Neben diesen Heilquellen finden sich aber auch zahlreiche Quellen, die sich zwar nicht durch eine bestimmte Heilwirkung auszeichnen, die aber doch deshalb eine große gesundheitliche und wirtschaftliche Bedeutung besitzen, weil sie ihrer Reinheit wegen, oder wegen ihres Gehaltes an bestimmten erfrischend schmeckenden Stoffen, vornehmlich Kohlensäure, als Erfrischungsgetränk ausgedehnte Verwendung finden. Oft fällt es auch schwer, zu entscheiden, ob ein natürliches Wasser den Heilquellen oder vielmehr den Tafelwässern zuzurechnen ist, weil hier Übergänge stattfinden. Jedenfalls ist der Verbrauch dieser Wässer in ständiger Zunahme begriffen. Dies mag in erster Linie wohl durch die sich immer weiter ausdehnende Mäßigkeitsbewegung bedingt sein. Daneben hat aber [645] auch der in den letzten Jahrzehnten zweifellos gestiegene allgemeine Wohlstand hieran einen gewissen Anteil, insofern man immer mehr dazu übergeht, für den täglichen Trinkgebrauch neben dem Leitungswasser ein erfrischender schmeckendes, wenn auch teureres Tafelwasser zur Verfügung zu halten. Außerdem hat sich aber auch die Technik der Gewinnung, Aufbewahrung und Versendung dieser Tafelwässer in den letzten Jahrzehnten in erheblichem Maße weiter entwickelt. Denn nicht jedes natürliche Wasser ist ohne weiteres, so wie es aus der Erde entquillt, zur Verwendung als Tafelwasser geeignet. Vielmehr muß es häufig erst nach seiner Gewinnung einer Behandlung unterworfen werden, die darauf abzielt, das Wasser für die Aufbewahrung und den Versand haltbar zu machen und namentlich zu verhindern, daß das Wasser nach gewisser Zeit durch Trübung oder durch Abscheidung fester Niederschläge unansehnlich und daher für den Gebrauch als feines Tafelwasser unverwendbar wird. Hierbei kommt vor allem ein etwaiger natürlicher Eisengehalt in Frage, der beim Aufbewahren des Wassers sich allmählich abscheiden und dadurch das Wasser trüben kann. Daher entzieht man solchen Wässern vor ihrer weiteren Verarbeitung zunächst das Eisen, auch wohl, wenn es vorhanden ist, das Mangan und führt dem Wasser, wenn es bei der Enteisenung einen Teil seiner natürlichen Kohlensäure verloren hat, Kohlensäure in gewisser Menge wieder zu.
Schluß.
Die Aufgabe der einheimischen Nahrungsmittelindustrie ist es in erster Linie, dafür zu sorgen, daß der inländische Markt mit den für die Ernährung der Bevölkerung erforderlichen Mengen von Nahrungsmitteln versorgt wird. Daneben ist es aber auch für das Gedeihen und die Weiterentwicklung der Industrie von größter Bedeutung, daß ihr die Möglichkeit der Beteiligung am Welthandel offen gehalten wird. Tatsächlich findet ja auch andauernd eine beträchtliche Ausfuhr deutscher Nahrungsmittel in das Ausland statt, sei es, daß es sich dabei um besondere einheimische Erzeugnisse, wie Zucker, Wein, Bier usw., handelt, sei es, daß die deutsche Industrie teilweise oder ganz ausländische Rohstoffe verarbeitet und diese in genußfertigem Zustande wieder ausführt, wie dies beispielsweise bei der Schokoladenindustrie der Fall ist. Da die Nahrungsmittelindustrie zum Tell ausländische Rohstoffe verarbeiten muß, andererseits aber fertige Erzeugnisse ausführt, so ist sie in doppelter Weise auch von der Lage des Weltmarktes abhängig. Dazu kommt bei der Ausfuhr noch ein anderer Umstand mit in Betracht. Wie die deutschen Nahrungsmittelgesetze verlangen, daß alle, auch die aus dem Auslande stammenden Nahrungsmittel den Anforderungen der deutschen Nahrungsmittelgesetzgebung genügen, so verlangt auch das Ausland, daß die dort eingeführten Lebensmittel den dortigen gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Soweit gesundheitliche Rücksichten in Frage kommen, besteht eine sehr weitgehende Übereinstimmung zwischen den Nahrungsmittelgesetzen der verschiedenen Kulturstaaten. Insofern aber wirtschaftliche Rücksichten für die Gestaltung der Gesetze maßgebend gewesen sind, können sich im Auslande Abweichungen von den deutschen Gesetzen ergeben. Die an der Ausfuhr sich beteiligende Nahrungsmittelindustrie muß sich daher darum kümmern, die ausländischen Gesetze zu kennen und sich ihnen anzupassen.
[646] Es ist deshalb auch schon angeregt worden, wenigstens für die wichtigeren, für den Ausfuhrhandel in Frage kommenden Nahrungs- und Genußmittel internationale Abmachungen zu treffen. Soweit hierbei zollamtliche Gesichtspunkte in Frage kommen, bestehen schon jetzt z. B. für Olivenöl und Wein international vereinbarte Untersuchungsvorschriften. Im übrigen sind auch die Nahrungsmittelchemiker seit Jahren bemüht, auf internationalen Kongressen eine derartige internationale Verständigung über die Untersuchung und Beurteilung der Nahrungsmittel anzubahnen.
Übrigens muß noch darauf hingewiesen werden, daß für die deutsche Nahrungsmittelindustrie nicht nur die Nahrungsmittelgesetze von Wichtigkeit sind. Auch die Gewerbeordnung vom 26. Juli 1900, das Viehseuchengesetz vom 26. Juli 1909, das Abdeckereigesetz vom 17. Juni 1911, das Hausarbeitergesetz vom 20. Dezember 1911, das Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen vom 12. Mai 1894 und endlich das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb fallen in den Zeitraum der letzten 25 Jahre und haben in ganz wesentlichem Maße ihren Einfluß auf die Entwickelung der Nahrungsmittelindustrie ausgeübt.
Wenn diese Industrie sich zu der jetzigen Bedeutung entwickeln konnte, so war dies nur möglich durch die gemeinsame Mitarbeit aller derer, die vom theoretischen wie vom praktischen Standpunkt aus Anteil nehmen an der wichtigen Frage der richtigen Versorgung der Bevölkerung mit den erforderlichen Nahrungs- und Genußmitteln. Aber von größter Bedeutung war doch der Umstand, daß es der Industrie vergönnt war, eine zwar mit wirtschaftlichen Kämpfen angefüllte, dennoch nach außen keine kriegerischen Verwickelungen bringende Zeit zu durchleben und so innerlich auch für etwa kommende, schwerere Zeiten zu erstarken.