Die Löwenjagd (Gemälde der Dresdener Gallerie)

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Autor: Adolph Görling
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Titel: Die Löwenjagd
Untertitel: Von Peter Paul Rubens
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
Herausgeber:
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Erscheinungsdatum: 1848–1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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The Lion Hunt.     Die Löwenjagd.

[126]
Die Löwenjagd.
Von Peter Paul Rubens.

Der Gesandte des Herzogs von Gonzaga an den König Philipp IV. von Spanien, Peter Paul Rubens, welcher der Fürst der niederländischen Maler zu werden bestimmt war, hatte sich durch den Glanz des königlichen Hofes, durch die glühenden Reize des herrlichen Madrid und durch die Schönheiten der Ufer des silbernen Manzanares nur kurze Zeit fesseln lassen. Der niederländische Meister war noch nicht dreißig Jahre, und sein nie rastender Genius, welcher in seinem Schöpfungsdrange weniger die ruhige, edle Schönheit, als das Leben, das volle, großartig bewegte, dramatische Leben erfaßte, wandte sich weg von dem leeren Pompe eines engherzigen Ceremoniells am allerchristlichsten Königshofe. Rubens, dessen umfassendes positives Wissen, dessen vollendete Weltbildung ihm neben dem gewinnendsten Aeußern und einer fesselnden Beredtsamkeit einen bedeutenden Platz in der vornehmen Welt anwies, betrachtete diese seine Vorzüge kaum als solche, sondern nur als Mittel, um diejenigen Stoffe und die Lebensäußerungen, wie sie ihn ansprachen, in der Kunst zur Erscheinung zu bringen. Die riesenhafte Erfindungsgabe des Malers, welche sich jeden Zweig der Geschichte und der Mythologie sowohl, wie die Natur dienstbar machte, dürstete dennoch nicht wenig nach lebenden Urbildern. Je großartiger und künstlerisch bedeutender Rubens diese aber verlangte, je weniger vermochte er sie aufzufinden. Das alte Europa war schon damals ziemlich zahm geworden. Das ernste strenge Deutschland, das breit-bequeme Niederland, das in Galanterien sich erschöpfende und unnatürlich werdende Frankreich, wie Italien, das weiche, sinnliche und üppige Vaterland einer reizenden Kunst, hatten dem Maler nur wenige Stoffe bieten können, über welche er in seiner Urkraft und [127] genialen Unbändigkeit nicht hätte hinausgehen müssen. Spanien blieb übrig. Der Klang dieses Namens berührt noch heute ein romantisch gestimmtes Herz auf eigenthümlich ergreifende Weise. Diese Geschichte mit ihren Abencerragen und Zegris mit ihrem ganzen maurischen Colorit, deren ewiges Denkmal neben anderen die göttliche Alhambra ist! Spanien hat mehr als irgend ein anderes Land Europa’s von der eigenthümlichen Glut des Orientes in sich aufgenommen, und die Kinder einer heißeren Sonne, welche sich dem gothischen Elemente vermählten, haben dem Iberier einen Typus aufgedrückt, der flammend, leidenschaftlich, ritterlich noch heute den Nordländer mit reizender Gewalt ergreift.

Der Niederländer Rubens ahnte das seinem Genius verwandte Element des wirklichen Lebens, welches ihn, durch die spanische Kunst immerhin schwach reflectirt, in diesem „ritterlichen“ Lande umwehte. Alt-Castilien! Es war längst erstarrt in der Rückwirkung gegen den Geist der unbarmherzig vertriebenen Moresken. Aber es gab noch eine Küste des Mittelmeeres, es gab noch einen Punkt in Spanien, wo die Mauren unverlöschlichere Spuren als irgend anderswo, sollte es auch Cordova und Granada sein, zurückgelassen hatten. Das war das alt-römische Calpe, das Gebel al Tarik, der Tariksfelsen, Gibraltar, wo die Moslemim zuerst den Hufschlag ihrer edlen Rosse der Wüste hatten ertönen lassen. Gibraltar und Algeziras zeigen sich noch heute dem mit nur geringer Phantasie begabten Fremden als die Vorhallen des Orientes. Hier sind die letzten, rein erhaltenen Spuren der Moresken in merkwürdigen Typen zu schauen, und man mag in den Bewohnern dieser Gegend mit Sicherheit die rechtmäßigen Verwandten der maurischen Flüchtlinge erkennen, welche, trostlos von Spaniens Boden scheidend, die Schlüssel ihrer Häuser mit nach Afrika’s Gestade in der Hoffnung nahmen: daß es ihren Enkeln beschieden sei, nach Spanien zurückzukehren, um ihr Eigenthum in Besitz zu nehmen.

Hierhin, nach Gibraltar, machte der niederländische Maler seinen bedeutsamen Ausflug.

Er fand die Sclaverei des Volkes in der Nähe dieses, durch spanische Kriegsleute bewachten Felsens. Die „Säulen des Herkules“ standen todt in der Mitte eines unterdrückten Volkslebens. Er eilte nach Algeziras, diesem Edelsteine in der Krone Spaniens, an der malerischen Bucht des Mittelmeeres. Hier, an dem Hauptort des Handels mit den afrikanischen Küstenstädten Tetuan, Fez und Saleh, war ein wahrhaft orientalisches Leben, nach Form und Inhalt. Rubens fühlte sich, diesen nicht selten wilden und düstern Physiognomien gegenüber, in einer neuen, die frischesten Gestaltungen, die lebendigsten Originalitäten zeigenden Welt. Dieser Fleck Erde fesselte ihn unwillkürlich. Zwar kahl und steinig war die Umgegend der alten Moreskenstadt, aber auf den einsamen Hügeln in der Nähe stiegen die cyklopischen Trümmer von alten Römerburgen auf und zeugten von den Thaten der „Löwen Italiens“. Diese klassischen Reste in ihrem starren, ehernen Adel, und drüben die mohammedanischen Minarets, die syrischen Wölbungen der sonstigen Moscheen, und ringsum Einöde und tiefe Stille unter dem flammenden, fast senkrecht fallenden Sonnenstrahl, nur zuweilen unterbrochen von dem dumpf verhallenden Knall der Kanonen eines Segelschiffs oder einer „vielfüßigen“ Galeere, welche den Hafen von Algeziras verließ, um die Höhe des veilchenblau und silberstrahlenden Meeres zu gewinnen – welches Bild hätte an Reiz ein solches übertreffen können? Und was dieser eigenthümlichen Landschaft noch fehlte an innerer Macht, um das Gemüth des Beschauers ebenso glühen zu machen, wie die Sonne über seinem Haupte, das suchte das Auge hinter den schmalen Gittern [128] der weißgemauerten, flachdächigen Häuser; das zauberte die Phantasie herauf in dem Farbenglanze von „Tausend und einer Nacht“. Hinter jenen, die kaum zwei Fuß ins Gevierte haltenden Fenster verschließenden, gekreuzten Eisenstäben seufzten schlanke, schwarzäugige Mädchen, deren arabisches Blut, in raschen Schlägen zum Herzen dringend, bei der Sehnsucht nach einem Geliebten stärker pulsirte, den ihr brennendes Auge noch nie erschaut hatte.

Erfaßte dieser Gedanke den jungen Niederländer, dann litt es ihn nicht mehr auf den verwitterten Steinhaufen der Römer. Er zog den weißwollenen Kaik über die langen braunen Locken und vertiefte sich in das labyrinthische Gewirr von schmalen und krummen Gäßchen, welche Algeziras bilden. Unwillkürlich stand er still, wenn eine Dame in dichtzugezogener Seidenmantilla neben ihm lautlos vorüberstrich; oder wenn sie auf dem Maulthiere, unbeweglich wie eine Statue, vorbeizog. Die fast verglühten Träume der ersten Jünglingszeit machten sich mit ursprünglicher Gewalt geltend, wenn der Maler, unter dem Schirmdache eines der Kaffeehäuser am Hafen lehnend, die Gruppen der verschleierten Mädchen und Frauen betrachtete, die, auf den Quais am Abende lustwandelnd, die mandelförmigen Augen ermattet schlossen und den Mund mit den Perlenzähnen halb öffneten, um den kühlen Abendwind, welcher über die murrenden Meereswogen strich, begierig einzusaugen.

Vergebens hatte Rubens versucht, sich einer dieser Schönen zu nähern. Wie in Constantinopel oder Bagdad selbst flohen sie unaufhaltsam, sobald sie die Absicht des Cavaliers, ein Gespräch anzuknüpfen, errathen hatten. Höchst mißmuthig kehrte Rubens dann zu seinem großen, aber in türkischem, finsterm Style gebauten Hause zurück, lehnte sich über sein Papier und versuchte mit seiner Meisterhand die halbverschleierten Formen, die ihn vorhin entzückten, wiederzugeben, um sich dann im Anblicke denselben sehnsüchtigen, bittersüßen Träumereien hinzugeben.

Bei diesen Bemühungen verzweifelte er eines Abends fast. Der Stift und die Kreide waren plötzlich härter, wie ein stählerner Stilus geworden; die volle, kräftige Weichheit der Formen, als deren Meister er selbst sich betrachten gelernt, waren zur abstoßenden Kälte und Härte umgewandelt. Sein Auge schien die Gewalt, die magische Leitung über seine Künstlerhand verloren zu haben . . . Das machte, Rubens versuchte heute zum ersten Male, nicht aus künstlerischer Begeisterung, sondern aus seinem Herzen heraus zu malen, und der Verliebte erheischte von seinem Bilde, daß es ihn, den Meister selbst, mit denselben Empfindungen erfülle, daß es sein Herz ebenso mächtig bewege, als es das Original vermocht hatte. Rubens griff zum Pinsel . . . Plötzlich schien ihm das Geheimniß der Anschauung seines Innern aufgegangen zu sein; denn mit ungeheurer Schnelligkeit erschien auf der Leinwand ein spanisches Mädchen von so wunderbarer Schönheit, daß der Maler stumm in Betrachtung seiner Skizze versank.

Der Hafen von Algeziras war im Hintergrunde. Das Meer war unruhig; die Goeletten und Javecquen sprangen vor den Ankern; eine Galeere lief mit genauer Noth um die Spitze des alten Molo in den Hafen. Der Hafendamm war fast leer; nur wenige Menschen eilten entweder zu den Schiffen oder zur Stadt, mit Mühe nur sich gegen den ausbrechenden Orkan schützend. Unter diesen Gestalten war die Hauptfigur im Vordergrunde ein gegen die Wucht des Windes ankämpfendes Mädchen. Ihr Kopf war entblößt; das volle, schwarze Haar war halb gelöset; die Mantilla flatterte in reizendem Wurfe in der Luft. „Sanft in sich gebogen“, wie Anadyomene in der Perlenmuschel stand die Schöne, den vollen Anblick ihres zarten, ein [129] schmales, vollkommenes Oval bildenden Gesichts preisgebend. Der schützenden Oberhülle ledig, war ihr Unterkleid, dem heißen Klima angemessen, dünn, luftig; kaum deckte es den bescheidenen jungfräulichen Busen und die schmalen gewölbten Schultern; indeß es sich um die Hüften und Schenkel, vom Sturme getrieben, in schmalen Falten so fest anlegte, um keine Wellenlinie dieser edlen Gestalt dem Auge zu verbergen. Wir glauben, Rubens küßte dies Bild so lange, bis seine Sehnsucht nach diesem Mädchen, dessen Anblick ihn am Abend entzückte, spät nach Mitternacht in das Reich der Träume überging.

Am andern Morgen trat einer seiner jungen algeziresischen Freunde bei ihm ein und fand den Meister, sein Bild vor sich, mit der Stirn auf dem Tische ruhend, entschlafen. Henarez de Calhavado betrachtete mit ziemlicher Ueberraschung die Skizze und brach dann in einen so lebhaften Ruf der Bewunderung aus, daß der Niederländer erwachte, seinen schönen Zwickelbart strich und den Spanier erstaunt anblickte. Er griff unwillkürlich nach seinem Bilde.

– Santa-Trinidad! rief Henarez, Don Pedro wird doch so höflich sein, zu erlauben, daß Esteban Henarez de Calhavado seine leibliche Cousine, Sennora Estrella Mencia de Alheiras bewundert . . . ?

– Estrella Mencia . . . stammelte Rubens fast. Ihr kennt sie also, diese Göttin, Ihr wißt, wo sie verweilt . . . Ihr konntet so lange von dieser Perle spanischer Frauen schweigen, vor mir, einem Maler, schweigen, der auch Euch seinen Mißmuth vorseufzte, daß die Urbilder der Schönheit, wie sie in Eurer Brust leben, von dem spanischen Boden verschwunden sind? Warum, Caballero, diese Verstecktheit, welche mit Eurem Wesen so wenig stimmt? Oder – liebt Ihr gar selbst – – –

Henarez lachte ein wenig auf seine halb spöttische, halb graziöse Weise, dann wurde er aber ernst.

– Bei St. Jakob von Compostella! murmelte er. Wie mögt Ihr Deutschländer und Brabanter doch nur zu denken wagen, daß der Spanier der Mann sei, mit welchem seine Leidenschaften gleich einem wilden Roß durchgehen? Wo bleibt, Excellenza, Eure gepriesene Besonnenheit und alle verwandten Tugenden? – – Aber ich sehe, Don Pedro, Ihr habt keinen Beichtvater nöthig, Ihr wollt einen Verbündeten. Ich bin’s. Bemerkt aber wohl, edler Freund, was ich sage. Ihr habt Estrella gesehen, sie ist wirklich ihrem Aeußern nach eine Göttin; hat aber wenigstens eine Legion von Teufeln in der Brust und zwar keine blos neckischen, schalkhaften, wie etwa unsere Flußteufelchen des Ebro und Guadalquivir, sondern ächte, mit Hörnern und Affenschwänzen, wie auf dem Altarbilde in der Kathedrale . . .

Rubens machte eine entschiedene Bewegung der Ungeduld.

– Ach! sagte gelassen der Spanier, Ihr werdet schon an diese Schilderung erinnert werden, denke ich! Verliebt Euch nicht in Sennora Estrella, wenn sie Euch nicht zur Verzweiflung treiben und mit überlegter Grausamkeit zu Tode martern soll. Ich weiß; ich weiß und freue mich, daß dieser Wahnsinn, welcher mich umstrickte, der Ernüchterung gewichen ist.

– Ach, Henarez! rief Rubens ungläubig; Ihr seid verliebter als je! Ihr wollt mich zurückschrecken, indeß Ihr mir den fabelhaften Drachen schildert, welcher den geheimnißvollen, unermeßlichen Schatz bewahren soll. Ich schwöre Euch aber, wir sind zu gute Ritter, wir Männer vom Niederlande, um uns vor Gespenstern zu fürchten.

[130] – Gut, Excellenza; Niemand geht zur Hölle, er habe es denn gewollt. Ich will Euch an dem Vergnügen nicht hindern. Ihr seht Zweifel in meine Aufrichtigkeit; wohlan, hier ist mein Arm . . . Gefällt es Euch, daß ich Euch meinem Oheim, Franzesco d’Alheiras und seiner schönen Tochter Estrella vorstelle? Macht mir aber später, wenn Ihr unglücklich sein werdet, keine Vorwürfe.

Rubens umarmte fast den Spanier aus Dankbarkeit.

– Ihr werdet diese ausgezeichnete Höflichkeit für einen so traurigen Dienst schon bereuen! murmelte Henarez und ging mit dem Niederländer, welcher sich in sein zierlichstes Costüm geworfen hatte.

Diese ganze Angelegenheit reizte den empfänglichen Künstler auf fast unbegreifliche Weise. Bis jetzt hatte der einnehmende, gewandte und dazu berühmte Jüngling, selbst an den glänzendsten Höfen Europa’s noch gar keine, oder nur eine maskirte Grausamkeit der edlen Damen zu beklagen gehabt, denen er sein Herz zu Füßen gelegt. Seine Erfolge waren so glänzende gewesen, daß er ernstlich den Gedanken hegte, die Macht seines Namens über ein liebendes Frauenherz sei hinreichend, um dies zu unbedingtem, sclavischem Gehorsam zu vermögen. Rubens konnte glauben, der Grundcharakter jedes Weibes sei widerstandlose Liebe und jede etwaige Färbung desselben sei nur Caprice und Absicht der Geliebten, um ihren Werth, ihren Reiz in verschiedener Beleuchtung darzustellen, um dadurch den begünstigten Mann desto fester an sich zu ketten. Rubens irrte sich, ungeachtet seiner glänzenden Erfahrungen, und seine ganze Kunst der Liebe und der Unterwerfung eines Weiberherzens scheiterte aufs vollständigste an der angeborenen Wildheit eines kleinen spanischen Mädchens, welches das Blut der Kinder der Wüste in sich trug.

Der Maler sah Estrella, und er hatte sich bei ihr nicht minder wie bei dem würdigen Vater des ausgezeichnetsten Empfanges zu erfreuen. Estrella war bei Weitem schöner, als das kundige Auge des Malers im flüchtigen Augenblicke bemerkt hatte. Eine solche Grazie, ein so nachlässiges, hingebendes Wesen, ein so räthselhaft Reizendes, wie es in diesen Augen brannte, hatte er noch nie sich eingebildet, viel weniger gesehen. Es war ersichtlich, das Mädchen wollte auf den berühmten Gast Eindruck machen, und sie erreichte ihre Absicht in solchem Maße, daß Rubens verwirrt, beinahe fassungslos ihre Zimmer verließ.

– Diese oder Keine wird auf ewig die Meinige! flüsterte er Henarez zu, als sie die Straße erreicht hatten.

Gratulor! sagte der Spanier lakonisch.

Von jetzt an zog’s den Maler täglich zu Sennor de Alheiras. Der biedere, tapfere Abkömmling einer vornehmen Moreskenfamilie Granada’s bemerkte die Leidenschaft des Fremden und fragte ihn eines Abends offen:

– Wollt Ihr, Caballero, Estrella heirathen?

Rubens bat um seinen väterlichen Segen.

– Ist nicht gut für Dich, mein junger Freund! Aber meinen Willen hast Du. Du erhältst eine kleine Pantherin zur Gemahlin.

Der Maler stutzte kaum. Noch hatte er in Estrella nur die makellose Göttin zu erblicken vermocht. Nach und nach aber lüftete sie die täuschende Maske. Rubens machte in rascher Folge die betrübendsten Entdeckungen. Dies sechzehnjährige Mädchen, die einzige Tochter des [131] Hauses, regierte mit tyrannischem Scepter. Ihr Vater mußte sich ebenso wie die letzte Magd vor ihr beugen. Estrella war grausam wie ein türkischer Pascha, und neben dieser abscheulichen Eigenschaft behauptete sich keine der bessern Richtungen ihres Gemüthes. Im Hause des de Alheiras wurden täglich Executionen über die Dienenden verhängt; es war der größte Genuß für die „kleine Pantherin“, diesen Abpeitschungen zuzusehen. Sie schlug und zerkratzte ihre Mägde und fiel vor Zorn in tiefe Ohnmachten, wenn der Vater sich ihr entgegenstellen wollte. Kurz, die Legion von Teufeln war in bester Form wirklich vorhanden.

Oft wandte sich Rubens, wenn er einen neuen Zug von Grausamkeit hörte, empört von dem Mädchen ab . . . Aber ihn, ja ihn liebte die Spanierin; sie, die Herrscherin, gestand, sie wolle nichts als nur seine Sclavin sein. Er ward auf’s Neue gefesselt und – erduldete ohne Klage die Launen seiner allmächtigen Sclavin, die mit seinem Herzen wie mit ihrem prachtvollen Fächer spielte.

– Fang’ mir einen Affen! befahl Estrella, und Rubens mit dem unermüdlich ihm ergebenen Henarez machten sich auf und jagten Tage lang in den schluchtigen Felsen Gibraltars, um einen der sogenannten Hundsköpfe einzubringen. Kamen sie mit einer solchen Bestie im Triumph nach Hause, so hatte Estrella gewöhnlich einen Grund, um sich verachtend von der erbärmlichen Beute wegzuwenden.

– Ich habe noch keinen Delphin gesehen! meinte das Mädchen eines Tages. Rubens hielt es für nothwendig, sich Stundenlang auf einer Schebecke dem Sturme auszusetzen, um eines Thieres dieser Art vermöge seiner Harpune habhaft zu werden.

Dann kamen mildere, aber nicht weniger anstrengende Quälereien an die Reihe. Die Spanierin wollte Blumen sticken und Rubens entwarf unverdrossen zwei Tage lang Hunderte der herrlichsten Muster, ohne daß seine Tyrannin auch nur ein einziges mit Gnaden angesehen hätte. Wie Henarez vorausgesagt hatte, so ward’s wirklich. Rubens verzweifelte nicht selten; er wollte von diesem Mädchen entfliehen, der er seit dem ersten Tage noch um keinen Schritt näher gerückt war, und hatte doch die Kraft nicht.

Ein Brief aus den Niederlanden von der Infantin Isabelle, der Gemahlin des Erzherzogs Albrecht, traf ihn und rief ihn zurück. Seine Qual steigerte sich auf’s Höchste. Hier mußte ein Entschluß gefaßt werden. Er bestürmte Estrella mit aller Macht der Leidenschaft, um ihr das Geständniß zu entreißen: sie liebe ihn. Das Mädchen ließ sich nicht bewegen.

– Ach! Du liebst mich ja nicht, Pedro, wie kann ich für Dich empfinden! flüsterte sie endlich.

– Was willst Du zum Beweise meiner Liebe? Verlangst Du mein Blut, Tigerin?

– Du gehorchst mir nicht!

– Ah! ich schwöre es Dir! rief der „Herr“ der Frauenherzen.

– Unbedingt?

– Ja, Geliebte, ja!

– Warum lügst Du, mein Herr von Niederland?

– Tödte mich, aber sag’, daß Du mich liebst! rief der Maler, indeß er sie umschlang.

– Ach! ich liebe Dich, Pedro, erwiederte Estrella, aber gieb mir eine Probe Deiner Liebe, wie ich sie will, und ich folge Dir als meinem Herrn bis an’s Ende der Welt.

[132] Sie erwehrte sich kaum der stürmischen Liebkosungen, womit ihr der Maler für dies Wort dankte, welches mit hinreißender Empfindung ausgesprochen wurde. Dann aber zeigte sich in ihrem Blicke etwas Fremdes, Wildes; ihre Augen wurden unstät. Fast zitternd streckte sie die Hand aus.

– Sieh, Pedro, den Teppich zu meinen Füßen! Du maltest ihn, damit ich darauf trete, auf dies Meisterwerk, welches zum Anschauen den Palast eines Königs zieren würde. Hörst Du mich? Es ist mir gleichgültig, dies Ding da . . .

Rubens starrte sie schweigend an.

– Zindi . . . Du kennst Zindi, diese Sclavin aus Tetuan, diese braune Hündin . . . Ich sage Dir aber, sie hat jenseits der Sahara einen Fußteppich gehabt, wie ihn die Imperatoren von Rom, wie ihn die ommajadischen Khalyfen, meine Väter, nicht prachtvoller besaßen.

– Und was für ein Teppich war dieser?

– Eine Löwenhaut! das Kleid des Königs der Einöden, mit den Zähnen, fest wie Diamanten, und den Krallen, unverwüstlich wie Damascenerstahl! rief Estrella, sich mit gerötheten Wangen aufrichtend, so daß ihr vor innerer Bewegung Thränen in die weitgeöffneten Augen traten.

– O, Geliebte, ich eile zum Hafen; eine Galeere von Fez liegt hier vor Anker und ich schwöre, Du hast in drei Tagen, was du verlangst, und sollte ich diesen Afrikanern für ihre Jagd tausend Piaster bezahlen.

Estrella schwieg unverbrüchlich.

– Bezahlen? murmelte sie und verließ rasch das Gemach. Der Niederländer besann sich . . . Dann ging er zu Henarez.

– Willst du eine Jagd auf Löwen mit mir machen?

Henarez lachte auf seine Weise.

– Senora Estrella ist sehr erfinderisch; sagte er, aber Du, Freund, wirst doch auf ihren Wahnsinn nicht eingehen?

– Ich will’s allerdings . . . Und begleitest Du mich nicht, so setze ich allein hinüber nach Afrika . . .

– Dann würde die Welt bald einen großen Maler weniger haben! Wofür hältst Du mich, Excellenza? Aber, zum Teufel, das Spiel ist nicht so leicht, wie Du denkst . . .

De Alheiras erhielt nicht so bald Kenntniß von dem Vorhaben der Freunde, als er sich erbot, ebenfalls mit ihnen das Wagstück zu bestehen. Und wenn ich auch sterbe! sagte er. Dann wenigstens möchte dies Mädchen vernünftig werden. Am andern Morgen schifften sich diese drei Menschen sammt dem Diener des Henarez ein. Estrella ließ sich nicht blicken. An der jenseitigen Küste angekommen begab sich de Alheiras zu dem Häuptlinge des Küstenstrichs Zabdally, mit welchem er befreundet und, wie der Afrikaner behauptete, von den Vätern her verwandt war. Zabdally gab de Alheiras sein schönstes Pferd, einen Schimmel „el Djilderun“, das heißt, der Blitz genannt, versah die andern Jäger mit nicht weniger vorzüglichen Thieren, mit langen Lanzen und Wurfspießen und Schildern, und machte sich, mit der unerschütterlichsten Kaltblütigkeit an die Spitze [133] des Zuges sich stellend, auf, um die Löwen aufzusuchen. Henarez und seine bärtigen Diener hatten sich mit Harnischen und Helmen geschützt, de Alheiras konnte in der Hitze nicht unter dem Metall ausdauern und blieb in seinen Kleidern, wie auch Rubens selbst. Zabdally war in dem bekannten Costüm der Berbern mit dem weißen Turban. Am leichtesten war der Führer des Zuges, ein Christensclave, gekleidet. Dieser, das Eigenthum des Afrikaners, war fast ganz nackend, dazu zu Fuß; er hatte die schreckliche Rolle, den Angriff der Bestien, welche stets zuerst den Nackten packen, auf sich zu lenken und den Reitern dadurch Gelegenheit zu geben, ihre Waffen zu gebrauchen.

Mit eigenthümlicher Empfindung sah Rubens dies Vorspiel an. Der Niederländer war nicht feige; dennoch fühlte er, namentlich wenn er die schönen Glieder und das bleiche Gesicht des Sclaven betrachtete, eine starke innere Beklemmung. Henarez mit seinen blitzenden Augen, seiner Stumpfnase und seinen, der Hitze wegen, nackten Armen, war ganz Kampflust; sein Diener war ruhig; beide hielten sich, wie es Soldaten von der spanischen Armee zukam. De Alheiras war übrigens hier so wenig wie Zabdally ein Neuling. Er ritt sehr ruhig, obgleich trübe gestimmt, seine Lanze auf den rechten Fuß gesetzt, hinten im Zuge. So lange die Jagd noch nicht begonnen, dachte der Maler an Estrella, die Ursache derselben; nachher war für nichts als für den Kampf eine Idee übrig.

Dieser Kampf ließ nicht lange auf sich warten. Aus dem trockenen Ginstergebüsch der weiten, verbrannten Einöde erhob sich fast dicht vor den Jägern ein riesiger Panther, schaute die Cavalcade mit wüthendem Entsetzen an und suchte in ungeheuren Sätzen das Weite und die schützenden Sandhügel in der Ferne zu gewinnen. Die Reiter schnitten ihm jedoch augenblicklich den Weg ab; er wandte sich nach einer sanft aufsteigenden Felsenpartie. Henarez kam ihm jedoch so nahe, daß er ihm die Lanze durch den Bauch stieß. Sie brach und mit diesem Reste der Waffe taumelte das Thier heulend den Felsen zu. Die Jäger waren auf dem Halbkreise angekommen, welcher den Eingang zu der Schlucht bildete. Der Sclav stieß seine Lanze dem Panther nochmals durch den Hals. Bevor er sie jedoch zurückzog, stürzte es wie ein Berg auf ihn herab. Die Reiter sahen kaum, wie ein ungeheurer männlicher Löwe sich hinter einem Felsen hervorschwang und den Sclaven zu Boden schlug. Die Pferde prallten zurück; Zabdally ließ seinen Hengst ausschlagen und betäubt blickte der am Kopfe getroffene, die Tatze auf seinem Opfer haltende, Löwe um sich, um den Wurfspieß des Afrikaners im Nacken zu empfangen. Zugleich aber fanden sich die Jäger von einem anderen Löwenpaare umgeben. Der Löwe griff an, um der Löwin die Flucht zu decken, und seine Jungen, welche die Mutter fortschleppte, zu retten. Blind stürzte sich das Thier zwischen die Reiter und setzte auf das Roß de Alheiras. Diesen faßte es mit Rachen und Tatzen. Indeß aber der Löwe sammt seinem Opfer sank, hieb der Diener des Henarez der Bestie den gekrümmten Rücken mit einem einzigen Hiebe seines Berberschwerts durch, so daß das Ungeheuer, lebend zwar, aber schlaff wie ein Lappen, zusammenbrach. Rubens selbst sammt Henarez gaben dem ersten Löwen den Rest und befreiten den Unglücklichen aus seinen Klauen; de Alheiras, dessen Schulter und Brust zerrissen, dessen Schädel durch einen Schlag mit der Kralle zerschmettert war, verschied nach wenigen Minuten in den Armen des untröstlichen Rubens, inmitten der errungenen Trophäen. Niemand rührte die Thiere an, um sie abzustreifen und der Sennora Estrella ihren Fußteppich zu überbringen.

[134] Als Estrella diesen Ausgang erfuhr, betheuerte sie mit aller Leidenschaftlichkeit ihres unbändigen Gemüthes dem Maler ihre Liebe, ging aber noch in derselben Nacht nach Cordova zu ihrer Tante ins Kloster.

Rubens eilte aus Spanien nach den Niederlanden, wo er durch den Erzherzog Albrecht und durch die Liebe zu der schönen Isabella Brant getröstet wurde, mit welcher er sich 1609 vermählte.