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ADB:Biester, Johann Erich

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Artikel „Biester, Johann Erich“ von Ernst Kelchner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 632–633, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Biester,_Johann_Erich&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 02:28 Uhr UTC)
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Biester: Johann Erich B., geb. den 17. November 1749 zu Lübeck, † 20. Febr. 1816, war der Sohn des Kaufmanns Ernst August B., verlor seine Mutter sehr früh, und da sein Vater nicht mehr heirathete, blieb er das jüngste Kind seines Vaters. Er erhielt anfangs Privatunterricht und Vorbereitung, um dann in seinem elften Jahre in die zweite Klasse der öffentlichen lateinischen Schule sener Vaterstadt eintreten zu können, rückte später zur ersten Classe vor, welcher damals Overbeck, der gründliche Kenner des Lateinischen und Griechischen, vorstand. Allein da neuere Sprachen nach damaliger Sitte wenig oder gar nicht an den Gymnasien gelehrt wurden, so ließ sein Vater ihn durch Privatunterricht in diesen unterweisen, und so lernte er ziemlich schnell Französisch, Italienisch und Englisch und war so in der glücklichen Lage, sich schon frühe an den Meisterwerken der berühmtesten Dichter ergötzen zu können. Er war ein großer Bücherliebhaber und da sein Vater ihm die Mittel schon früh an die Hand gab, dieser Liebhaberei nachzugehen, so hatte er schon als junger Mann eine ziemliche Bibliothek gesammelt, um welche er von manchem Gelehrten beneidet wurde.

Im Jahre 1767 ging er auf die Universität Göttingen, wo er bis Michaelis 1771 blieb. Hier studirte er die Rechte bei Becmann, Selchow, Pütter etc., bei Michaelis das mosaische Recht, bei Dieze die englische Literatur, hörte außerdem noch bei Feder, Gotterer, Schlözer etc. Collegien: doch blieben seine Lieblingsfächer Litteraturgeschichte, Sprachen, Kritik und Geschichte. Trotzdem daß er mit minutiösem, angestrengtem Fleiße arbeitete, faßte er dennoch keinen bestimmten Plan einer künftigen Lebensbeschäftigung, weder zum Brot- noch Ruhmerwerb. Was er wußte, theilte er gern mit und erhielt dadurch die Zuneigung vieler Freunde, und selbst bedeutende Gelehrte damaliger Zeiten fühlten sich zu ihm hingezogen, so unter Anderm der Professor v. Schlözer, dessen auf seltene Weise mit Geist gepaarte Gründlichkeit B. besonders anzog, und den, vermittelst seiner scharfsinnigen gelehrten Kritik, Deutschland als den Wiederhersteller der bessern Geschichtslehrmethode verehrte. In diese Jahre fällt auch die Freundschaft mit dem Dichter Bürger und mit dem Historiker Sprengel, mit dem Baron Kielmannsegge etc. Während er mit Bürger Shakespeare las, trieb er mit Sprengel das Studium der südlicheren Genien und machte mit ihm Uebersetzungen aus den spanischen Dichtern. Von der Universität zurück in seiner Vaterstadt angekommen, mußte er sich nicht ohne Widerstreben zu einem praktischen Berufe bequemen, indem er bei dem Marstallsgericht zu Lübeck Processe führte, allein unterdessen doch an den Rostockischen Gelehrten Zeitungen (welche Sprengel dirigirte, der unterdessen nach seiner Vaterstadt Rostock zurückgekehrt war) und nachher an der Nicolai’schen Allgemeinen Deutschen Bibliothek arbeitete. In Lübeck lernte er bald den bekannten Gelehrten und Dichter Johann Andreas Cramer kennen, und mit dessen ältestem Sohne Karl Friedrich und mit dem Hofmeister der jüngeren Söhne, Karl Christian Noodt, bildete sich ein Freundschaftsbund. Sie studirten nicht allein Klopstock ganz genau, sondern trieben fleißig mehrere Sprachen, auch dänisch. Da jedoch seine Laufbahn als Jurist nur sehr langsam von Statten ging, so regte sich bald die Neigung aufs neue, mehr seinen litterarischen Strebungen nachleben zu können, er suchte sich daher eine mehr diesen Neigungen entsprechende Stellung, und fand solche am Pädagogium in Bützow, wohin er Ostern 1773 ging. Diese Schule war in dem kleinen Orte nicht ohne Bedeutung und an derselben lehrten ganz vorzügliche Männer als Professoren, unter Andern: Tetens, Toze, Karsten, Witte, Trendelenburg, Quistorp etc. B. lehrte auf dem Pädagogium Sprachen, Geschichte [633] und schöne Wissenschaften und ward 1774 Doctor der Rechte, um auch den Studenten Collegien lesen zu können. Jedoch im J. 1775 verließ er wieder Bützow, nachdem er sein Amt niedergelegt hatte, machte eine Reise nach Berlin und hielt sich dann eine Zeitlang in Mecklenburg auf, auch zu Eikhof bei dem Landmarschall v. Lützow, wo er dessen Enkel unterrichtete, ging dann wieder nach Lübeck.

Im J. 1777 ging er nach Berlin um auf Nicolai’s Vorschlag bei dem damaligen Staatsminister Freiherrn v. Zedlitz als Privatsecretär einzutreten. Hier eröffnete sich für B. ein neues interessantes Leben. Was er hier fand, Geist- und Herz-Erhebendes, Belebendes, Bildendes, ergibt sich für Jeden, der den Ort und die Zeit und die Namen bedenkt, denn Friedrich der Große regierte und Zedlitz war sein Justizminister und Chef des geistlichen Departements, ein heiterer liebenswürdiger Staatsmann, ein Freund der Musen und Kenner der Wissenschaften, dessen Privatgeschäfte im litterarischen und pädagogischen Fache B. zu besorgen hatte; dabei war er dessen Haus- und Tischgenosse.

1781 heirathete er die Tochter eines Mutterbruders, des Prediger Hake in Lübeck, welche ihm mehrere Kinder geboren hat, und als im J. 1783 der französische Mönch Pernety, welcher an der öffentlichen Bibliothek in Berlin angestellt war, aus Aberglauben plötzlich seine Stelle aufgab, ernannte der König am 10. Januar 1784 ihn zum Bibliothekar, und zwar wurde diese Ernennung von dem Könige selbst ihm mündlich mitgetheilt. Das Vergnügen dieser Stelle ward durch die Freude erhöht, den erhabenen Mann des Jahrhunderts in der Nähe zu sehen, und Worte theilnehmender Erkundigungen und ausführlicher Belehrungen aus seinem Munde zu hören. Unterdessen hatte B. den um vier Jahre jüngeren Gedike kennen gelernt, und nachdem sie zusammen mehrere Schriften veröffentlicht hatten, die Berlinische Monatsschrift begonnen, welche in verschiedener Beziehung die Aufmerksamkeit der gebildeten und gelehrten Welt auf sich lenkte. Nach dem Tode Friedrich des Großen und des Staatsministers v. Zedlitz bekam unter der neuen Regierung der Minister v. Wöllner, als Minister des geistlichen Departements, auch die Direction der Bibliothek und B. dadurch keine besonders günstige Stellung, denn der Ton, welchen die Monatsschrift angeschlagen, paßte nicht zu den Ansichten des Wöllner’schen Kreises; sie ward daher seit dem J. 1792 außerhalb gedruckt, auch war 1791 Gedike von der Redaction zurückgetreten und B. alleiniger Redacteur. Die Haltung seiner Zeitschrift war auch die Ursache, warum er nicht Mitglied der Akademie wurde, wozu ihn Graf Herzberg vorgeschlagen hatte; Wöllner sagte ihm diesen Grund ganz offen. Trotzdem übertrug sich diese ungünstige Stimmung nicht auf die Geschäftsverhältnisse der Bibliothek, sondern Wöllner genehmigte alle Vorschläge, welche B. machte, um der in der Ordnung etc. stark herabgekommenen Bibliothek aufzuhelfen. Es wurden Doublettenverkäufe angeordnet, neue Beamten angestellt, die Sammlung geordnet und durch werthvolle Ankäufe bereichert, und B. hatte die Genugthuung, daß Friedrich Wilhelm III. ihn bei seinem Regierungsantritt zum Danke dafür zum Mitgliede der Akademie ernannte. Seine Amtsthätigkeit wurde nur durch kleine Reisen unterbrochen, theils in Dienstsachen, theils zur Erholung unternommen, so zum Beispiel eine Reise 1782 nach Schlesien, 1787 eine Reise mit dem Bankier Lewy durch Deutschland etc. Seine Schriften sind: „Berlinische Monatsschrift“. Herausgegeben von B. und F. Gedike. 1783–1796. „Berlinische Blätter“. Herausgegeben von B. 1797–1798. „Neue Berlinische Monatsschrift“. Herausgegeben von B. 1799–1811. „Platonis Dialogi IV.“ 1780. 2. Aufl. 1790 etc. (Vgl. Meusel, G. T. und die das. angef. Litteratur.)