ADB:Busbeck, Angerius Ghislain von
Karl V. im April 1540 legitimirt, um nach wenigen Jahren mit glänzendem Erfolge die diplomatische Laufbahn betreten zu können. 1554 begleitete er den von König Ferdinand nach England geschickten Don Pedro Lasso, der den Glückwunsch seines Souveräns zur Ehe Philipps mit Maria zu überbringen hatte. Kaum in die Heimath zurückgekehrt, rief ihn am 3. November dieses Jahres, wahrscheinlich auf Empfehlung des Belgiers Johann van der Aa, Secretärs am Hofe Ferdinands, ein dringender Auftrag nach Wien, von wo aus er an Stelle des schwer erkrankten Johann Peter Malvezzi auf den Gesandtschaftsposten in der Türkei abgehen sollte. Zwölf Tage mußten genügen, um die nöthigsten Informationen über die türkischen Verhältnisse am Hofe und bei Malvezzi einzuholen. Am 23. November begab er sich über Ungarn und die Süddonauländer nach Constantinopel, wo er am 20. Januar 1555 eintraf. Der Sultan weilte damals zu Amasis in Kleinasien. Sogleich machte sich B. in Begleitung der beiden anderen österreichischen Vertreter Verancsics und Zay auf den Weg, und erreichte den Sultan am 7. April. Zu Amasis fand er vornehmlich auf Veranlassung der französischen Gesandten eine höchst ungnädige Aufnahme. Der Sultan bestand auf der Herausgabe Kaschau’s und Großwardeins, welche sich Ferdinand für Siebenbürgens Ueberlassung an Zapolya’s Wittwe ausbedungen hatte. Der begehrte Friede kam nicht zu Stande, dagegen bewilligte der Sultan einen sechsmonatlichen Waffenstillstand, den B. benutzen sollte, um ein Schreiben des Sultans an den österreichischen Hof und die bezügliche Antwort zu vermitteln. Am 2. Juni 1555 verließ B. Amasis und schon im Juli treffen wir ihn in Wien, wo er den zu Augsburg weilenden König Ferdinand erwarten mußte. Am 14. November machte er sich abermals auf den Weg nach Constantinopel, das er Anfangs 1556 erreichte. Fast sieben Jahre verbrachte er hier, eine lange Zeit voll der bittersten Leiden und mannigfachster Unbill, stets bedacht durch kluges Zögern und energischen Widerstand die Sache seines nunmehr zum Kaiser gekrönten Herrn zu fördern. Endlich gelang es ihm, einen halbwegs annehmbaren achtjährigen Frieden zu präliminiren. Vom Sultan schließlich unter Gunstbezeugungen entlassen, verließ er Ende August 1562 in Begleitung des türkischen Gesandten Ibrahim Strozzeni Constantinopel. Diesen brachte B. im November 1562 nach Frankfurt, wo Ferdinand eben die Nachfolge seines Sohnes Maximilian betrieb und wo auch die Ratification des Friedens stattfand. B. erhielt als Beweis der kaiserlichen Gunst den Titel eines geheimen Raths. Nun suchte er die Heimath auf, wo inzwischen sein trefflicher Vater 1559 gestorben war. So sehr er sich nach gänzlicher Abgeschiedenheit und stiller wissenschaftlicher Thätigkeit sehnte, so bitter und treffend er sich brieflich seinem Freunde Indevelde gegenüber über das Hofleben und das dort herrschende Günstlingswesen aussprach, mußte er doch sehr bald dem Rufe des Kaisers nach Wien folgen, der ihm die Erziehung seiner Enkel anvertraute. September 1563 erscheint er im Gefolge König Maximilians auf dem ungarischen Krönungstage zu Preßburg und erhielt dort den Ritterstand. 1570 begleitete er als Obersthofmeister die Erzherzoge Albrecht und Wenzel und die dem König Philipp als dritte Gemahlin bestimmte Erzherzogin Anna nach Madrid, von wo er im folgende Jahre die seit 1564 dort weilenden Brüder, die Erzherzoge Rudolf [634] und Ernst, nach Deutschland zurückbrachte. König Philipp ehrte seine Bemühungen um die habsburgische Familie durch Zuerkennung einer lebenslänglichen Pension von 800 Thaler und einer goldenen mit seinem und seiner Gemahlin Bildniß geschmückten Halskette. Es ist ganz unmöglich an der Mittheilung sämmtlicher Biographen bis auf Gachard festzuhalten, daß B. die dem König Karl IX. von Frankreich als Gemahlin bestimmte Erzherzogin Elisabeth 1570 nach Paris begleitet und Frankreich bis an sein Ende nicht verlassen habe. Thatsache ist, daß Königin Elisabeth nach dem 1574 erfolgten Tode ihres Gemahls nach Wien zurückkehrte, und ferner daß dann B. nach Frankreich ging, um deren Güter, die sie als Mitgift erhalten, zu verwalten. Nur als Geschäftsträger der Wittwe, keineswegs aber als Gesandter Rudolfs II. kann er in Frankreich fungirt haben. 1576 muß er in Deutschland verweilt haben. Der Umstand, daß die bekannten Briefe B. an Rudolf II. die Zeit 1582–85 umfassen, hat den zahlreich wiederholten Irrthum veranlaßt, als sei er 1582 von Rudolf zum Botschafter am Hofe Heinrichs III. ernannt worden. Man hat übersehen, daß diese Briefe einen auffallenden Mangel diplomatischen Charakters bekunden. Bestätigung erhält unsere Annahme durch ein von Regensburg 17. Juli 1576 an den römischen König und Erzherzog Ernst gerichtetes Schreiben, in welchem B. von seiner Rückkehr nach Frankreich zur Uebernahme seiner Geschäfte spricht, neben denen er auch noch das Interesse seiner Herrn durch briefliche Mittheilungen wahrzunehmen zusagt. In der That bewahrt das Wiener Staatsarchiv noch zwölf dieser vertraulichen Berichte aus den Jahren 1577 und 1578, zumeist von Paris datirt. 1592 starb die Königin Elisabeth zu Wien und in demselben Jahre erhielt B. die Erlaubniß, Frankreich zu verlassen. Es war ihm nicht beschieden, seine Heimath wiederzusehen. Obwol im Besitz der umfassendsten Papiere wurde er auf der Heimreise von einer Schaar Liguisten überfallen. Zwar erwirkte er sehr bald seine Freilassung, aber der verursachte Schrecken zog ihm ein heftiges Fieber zu, dem er am 28. October 1592 auf Schloß Maillot bei Rouen erlag. Sein Herz wurde in der Familiengruft in der Kirche des heil. Martin zu Busbeck beigesetzt. – B. nimmt unter Oesterreichs diplomatischen Vertretern bei der Pforte einen hervorragenden Platz ein. Mit seltenen Sprachkenntnissen und einer scharfen Beobachtungsgabe ausgestattet, hing er mit Hingebung an dem österreichischen Hause und rechtfertigte Ferdinands Ausspruch, daß unter allen Gesandten die Flamländer dem deutschen Reiche am nutzbringendsten gedient hätten. Seinen Aufenthalt in Kleinasien und die Muße seiner gesandtschaftlichen Haft benutzte er, um sich bleibende Verdienste um die Wissenschaft zu erwerben. Er entdeckte den berühmten Stein von Ancyra aus den Zeiten des Kaisers Augustus, dessen Inschrift Andreas Schott veröffentlichte. Andere Inscriptionen übersandte er an Clusius, Lipsius und Gruter. Nicht weniger als 240 Handschriften, darunter die des Dioscorides, machte er der Wiener Hofbibliothek zum Geschenk. Die kaiserlichen Sammlungen bereicherte er durch einen Löwen und ein Ichneumon; die europäische Gartenkunst verdankt ihm die Verpflanzung der Syringe und Tulpe. Doch ist es irrig, die Anpflanzung der Lilie und der Roßkastanie in Europa auf ihn zurückzuführen. Diese Annahme beruht bezüglich der letzteren auf einer Verwechslung mit seinem Nachfolger in Constantinopel Baron Ungnad, der 1576 die ersten Früchte dieses Baumes an Clusius nach Wien sandte, wo der europäische Vater dieser Baumgattung erst vor wenigen Jahren abstarb. In nicht geringerem Grade sichern ihm ein bleibendes Gedächtniß seine Schriften über seinen Aufenthalt im Orient, worin er in trefflichem Latein und im Geiste eines edlen Beobachters von Menschen und Verhältnissen den osmanischen Orient zuerst litterarisch bekannt machte und viel dazu beitrag, den Schrecken Europa’s vor dem gefürchteten Halbmond zu zerstören – [635] endlich seine ebenso fein als treffend geschriebenen Briefe über die Zustände am französischen Hofe. Diese Werke sind: „A. G. Busbequii legationis Turcicae epistolae IV“, Paris 1589. 8. (vorher theilweise veröffentlicht als: „Itinera Constantinopolitanum et Amasianum et de re militari contra Turcas instituenda consilium.“ Antwerpen 1581 und 1582. 8.) in zahlreichen späteren Abdrücken und Uebersetzungen erschienen. „Epistolae ad Rudolphum II. Imper. a Gallia scriptae editae a J. B. Houwaert.“ Löwen 1630, 8. und unter wenig verändertem Titel: Brüssel 1631. 8. Auch diese Briefe wurden öfter gedruckt. B. hinterließ zwei leider nicht auf uns gekommene Manuscripte: „De vera nobilitate historiae“ und: „Historia Belgica trium fere annorum quibus dux Alenconius in Belgio est versatus.“
Busbeck: Angerius Ghislain v. B., geb. 1522 zu Commines, einem damals zur Herrschaft Ypern gehörenden, jetzt im Arrondissement Lille gelegenen Dorfe. Er war der natürliche Sohn des Georg Ghislain Herrn zu Busbeck und der Katharina Hespel. Nachdem er eine sorgfältige Erziehung zu Löwen und auf mehreren italienischen und französischen Universitäten genossen, wurde er von Kaiser- Zu vgl. Gachard’s trefflicher Aufsatz in: Biogr. nation. de Belg. III. p. 180 (1872). – Biogr. univ. Vol. 6. Paris 1843. – Nouvelle Biogr. génér. Vol. 7. p. 878. Paris 1855. Dort alle weiteren Litteraturnachweise sowie die zahlreichen Ausgaben von Busbeck’s Schriften nachzulesen. Zwei Originale und elf Copien von Briefen Busbeck’s im Wiener Staatsarchiv. In einer Preßburger Bibliothek sollen noch handschriftliche Aufzeichnungen Busbeck’s existiren (?).