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ADB:Dorn, Heinrich

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Artikel „Dorn, Heinrich“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 35–37, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dorn,_Heinrich&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 18:21 Uhr UTC)
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Dorn: Heinrich D., Componist und Operndirigent, geboren am 14. November 1804 zu Königsberg i. Pr., † am 10. Januar 1892 zu Berlin. Sein Vater, ein wohlhabender Kaufmann, starb früh und seine Mutter verheirathete sich wieder mit dem Rentier Schindelmeißer. Derselbe, ein musikalisch gebildeter Mann, der häufig die ersten Künstler Königsbergs bei sich sah, sowie ein Onkel, Johann Friedrich Dorn, begünstigten das sich zeitig kundgebende Talent für Musik und hielten ihm die besten Lehrer. Dabei wurde aber die wissenschaftliche Erziehung nicht versäumt und sogar ein juristischer Universitätscursus 1823 durchgemacht, trotzdem es bereits feststand, daß er Musiker werden wollte. Nach Absolvirung der wissenschaftlichen Studien ging er auf Reisen und ließ sich dann in Berlin nieder, um noch ernsthaftere Musikstudien zu machen, zu deren Unterweisung er Ludwig Berger, Zelter und Bernhard Klein wählte. Sein Hauptaugenmerk und das eigentliche Zugmittel für ihn war die Oper. Man sollte nun meinen, daß er sich ganz besonders bemüht habe sich bei den damals angesehensten Operncomponisten Weber und Spontini Raths zu erholen, doch davon ist nichts bekannt. Ohne Erfahrung und Bühnenkenntniß schrieb er sich den Text zu den „Rolandsknappen“ selbst und dann die Musik. 1826 wurde sie auf dem sogenannten Königstädtischen Theater in Berlin aufgeführt, von der Kritik zwar gelobt, doch verschwand sie bald wieder. Durch den Umgang mit A. B. Marx, der zur Zeit die Berliner Allgemeine Musikzeitung herausgab, wurde D. bewogen eine Reihe Artikel für dieselbe zu schreiben, ein Feld, welches er in späteren Jahren ganz besonders pflegte und, was Schärfe des Urtheils mit reichlich eingestreuten Sarkasmen betraf, war er ein gefürchteter und von den Berlinern gern gelesener Referent. Vorläufig hielt ihn Berlin noch nicht. Er ging wieder auf die Wanderschaft, versuchte sich als Lehrer im Stöpel-Logier’schen Clavierinstitute in Frankfurt a. M., doch der Zug zum Theater drängte ihn, sich um eine Musikdirectorstelle zu bewerben, die er auch bald in seiner Vaterstadt fand. Die Oper „Die Bettlerin“, Text von Holtei, brachte er 1828 auf die [36] dortige Bühne, doch schon im folgenden Jahre ist er Theatermusikdirector in Leipzig, wo 1831 Bechstein’s „Abu Kara“ mit Dorn’s Musik gegeben wird. In Leipzig verkehrte er viel in Friedrich Wieck’s Hause, lernte dort Robert Schumann kennen und wurde sein Lehrer und Berather in musikalischen Dingen, an denen auch Klara Wieck, später Schumann’s Frau, theilnahm. In Dorn’s selbst verfaßter Lebensskizze theilt er manches über die Beiden mit, was zur Charakteristik von großem Werth ist. Im J. 1832 vertritt er eine kurze Zeit den Capellmeister Krebs am Hamburger Theater und erhält darauf die Capellmeisterstelle am Rigaer Theater, die er nach L. Ohmann’s Tode mit der eines Musikdirectors an der Peterskirche daselbst vertauscht. Sein Nachfolger am Theater war Richard Wagner, und als derselbe plötzlich abging, übernahm D. wieder die Direction des Orchesters. Für Riga schrieb er die Opern „Der Schöffe von Paris“ (1838) und „Der Banner von England“ (1841). Auch an dem sonstigen musikalischen Treiben in Riga betheiligte er sich mit Eifer und man sah 1843 seinen Abgang nach Köln ungern, wo er an Stelle Konradin Kreutzer’s als Theatercapellmeister und städtischer Musikdirector gewählt war. Eine Stellung, die allerdings sich mit der Rigaer nicht messen konnte. Seine Thätigkeit war auch eine in jeder Hinsicht vielseitige. Außer den täglichen Amtspflichten war er ein gesuchter Musiklehrer geworden, leitete die Niederrheinischen Musikfeste in den Jahren 1844 bis 1847 und gründete 1845 die Rheinische Musikschule, aus der später das Conservatorium für Musik entstand. Doch auch hier war seines Bleibens nicht. Als der Capellmeister an der Hofbühne in Berlin Otto Nicolai starb, meldete sich auch D. zu dem erledigten Posten und erhielt ihn im J. 1849. Hier wirkten zwei Capellmeister, Taubert und D., die abwechselnd jeder ihre bestimmten Opern hatten und ein dritter dirigirte die Ballette (Hertel, der Tanzcomponist). Für Berlin schrieb D. „Ein Tag in Rußland“ und die „Nibelungen“ (1854), die einzige Oper, die sich eine Zeitlang als lebensfähig erwies und auch in Breslau und Weimar gegeben wurde. Durch geheime Machinationen wurden ganz plötzlich am 1. Januar 1869 ohne Kündigung mit vollem Gehalt von 2000 Thlr. (6000 Mk.) die beiden Capellmeister entlassen und Karl Eckert an ihre Stelle gesetzt. Allerdings war ihre Thätigkeit für die Kunst nicht fruchtbringend. Alles Neue wurde negirt, nur das Alte und die eigenen Compositionen cultivirt und ein nicht abzuleugnender Stillstand in den Leistungen der Hofbühne wurde in den Zeitschriften schon seit längerer Zeit mit scharfen Waffen angegriffen. D. hatte sich zwar mit Eifer der Wagner’schen Opern angenommen, war ein ausgezeichneter Dirigent, bei den Sängern sehr beliebt und bevorzugt, da sie an ihm stets eine Stütze und Hülfe fanden, doch scheint es, als wenn man den Einen ohne den Anderen nicht entlassen wollte. Dorn’s bemächtigte sich eine gewisse Verbissenheit, der er nun in Recensionen als ständiger Mitarbeiter von Zeitungen freien Lauf ließ, theils gerecht schwachen Leistungen gegenüber, theils ungerecht Arbeiten gegenüber, die über seinen Horizont gingen. So brachte er noch 22 Jahre hin, in der letzten Zeit körperlich vom Alter gebeugt, doch immer noch rüstigen Geistes, bis ihn der Tod von aller Sorge erlöste.

D. hat außer den Opern, von denen keine gedruckt ist, viele Lieder, von denen einige, besonders die humoristischen, eine weite Verbreitung fanden, auch Messen, Cantaten, Orchesterwerke, Claviersachen und Männerquartette geschrieben, von denen manches gedruckt ist, doch hat keine seiner Compositionen ihn überlebt. Er war formgewandt, hatte auch hin und wieder einen ansprechenden Gedanken, doch als Ganzes hinterließen die wenigsten seiner Arbeiten einen nachhaltigen Eindruck. So sehr er in seinen Recensionen auf [37] Originalität hielt, so wenig besaß er sie selbst. Glücklicher war er in seinen litterarischen Werken, die sich durch eine originelle, oft derbe und witzige Ausdrucksweise auszeichnen. Seine Selbstbiographie „Aus meinem Leben“ in 6 Theilen 1870 bis 1879 erschienen und die Broschüre „Ostrakismus, ein Gericht Scherben“ zeichnen sich durch vortreffliche Beobachtungsgabe und geschickte, vielfach sarkastische Ausdruckweise aus.

Mendel-Reißmann’s Lexikon und Selbsterlebtes.