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ADB:Ehingen, Georg von

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Artikel „Ehingen, Georg Ritter v.“ von Wilhelm Heyd in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 695–697, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ehingen,_Georg_von&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 19:58 Uhr UTC)
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Ehingen: Georg Ritter v. E., geb. 1428, † 1508, gehörte einem oberschwäbischen Geschlechte an, welches seine ältesten Besitzungen auf der Münsinger Alb und bei Ehingen an der Donau hatte, später aber im Dienstmannenverhältniß zu den Pfalzgrafen von Tübingen und zu den Grafen von Hohenberg stehend die bedeutendsten Güter um Rottenburg am Neckar erwarb, worunter die Ehingenburg hinter Bad Niedernau, bisher fälschlich als Stammburg betrachtet. Georgs Großvater Burkhardt v. E. mit dem Zopf († 1407) zeichnete sich in der Schlacht bei Döffingen gegen die Städte kämpfend aus; Georgs Vater Rudolf († 1467) leistete mehreren würtembergischen Fürsten nach einander als Rath treffliche Dienste, doch wohnte er in der Regel nicht am Sitze des Hofes, vielmehr, als seine Frau Agnes (eine geb. v. Haimertingen) ihm den Sohn Georg schenkte, hauste er auf dem zwischen Tübingen und Herrenberg am Rande des Schönbuch gelegenen Schloß Hohen-Entringen, nach ihrem Tode bezog er das neu erkaufte Schloß Kilchberg im Neckarthal bei Tübingen, welches in der Folge an Georg überging und sein und seiner Nachkommen Hauptsitz blieb. Gleich seinem Großvater, Vater und Oheim verbrachte der junge Georg seine Lehrjahre an den Höfen österreichischer Herzöge, zuerst in Innsbruck (um 1450) bei Herzog Sigmund, dessen Gemahlin (eine Stuart) er als „Virschnider“ bediente, später bei dem verschwenderischen Herzog Albrecht VI., wodurch er wieder in die schwäbische Heimath zurückgeführt wurde; Albrecht hatte nämlich die vorderösterreichischen Lande zu verwalten und nahm gewöhnlich seinen Aufenthalt in Rottenburg a. N., was zumal für die Jahre, um welche es sich hier handelt, 1452 bis 1455, mit den Daten zahlreicher bei Lichnowsky und Chmel verzeichneter Urkunden belegt werden kann. Der Herzog betraute ihn mit dem Amt eines Kamerers (Kammerherrn) und nahm ihn als solchen mit zu der Krönung des Königs Wladislaw in Prag (28. Oct. 1453). Bei diesem festlichen Anlaß empfing Georg v. E. den Ritterschlag. Die Aufgabe, welche ihm dadurch wurde, erfaßte er tiefer und ernster als die meisten seiner Standesgenossen in damaliger Zeit, deren Leben in Ritterspielen und Hoffesten dahinging. Unbefriedigt durch das müssige Leben an den üppigen Höfen suchte er ernstere Uebung für sein ritterliches Schwert und sein Vater, gleichfalls von einer idealeren Auffassung des Ritterwesens geleitet, wies ihn auf die Insel Rhodus hin, wo damals der Johanniterorden einen Angriff der Osmanen erwartete. So richtete sich denn dahin sein erster Zug „nach der Ritterschaft“ (Frühling 1454). Als der einzige freiwillige Mitkämpfer deutscher Nationalität wurde er auf Rhodus hoch geehrt, fand aber nur wenig Nahrung für seinen Thatendrang; da die türkische Belagerung allem Anschein nach nicht so bald in Aussicht stand, zog er nach elfmonatlichem Aufenthalt weiter als Pilger ins heilige Land. Von da wollte er über Damascus und den Sinai nach Aegypten gehen; aber in der erstgenannten Stadt wurde er gefangen gesetzt und konnte sich nur mittelst eines hohen Lösegeldes befreien. Dadurch war er genöthigt, auf kürzerem Weg über Alexandrien und Cypern heimzukehren. Der Hof des Herzogs Albrecht, in dessen Dienst er der vorgängigen Verabredung gemäß wieder eintreten konnte, bot ihm wol immer Gelegenheit zu Turnier und Tanz, aber bedeutendere kriegerische Ereignisse kamen nicht vor. Ritter Georg unternahm deshalb eine neue Ritterfahrt mit einem jungen gleichgesinnten Edeln aus dem Pinzgau, Georg v. Ramseiden (man findet eine Dorfschaft dieses Namens mit Schloß unweit Saalfelden). Sie reisten von Hof zu Hof immer in der Hoffnung, irgendwo an „ernstlichen großen Sachen und Handlungen“ Theil nehmen zu können. Um den alternden Karl VII. von Frankreich, den sie zuerst besuchten, war es damals schon stille geworden, an den Höfen von Angers (René von Anjou) und Pampelona (Navarra) gab es wenigstens edle Geselligkeit und Lustbarkeit genug, erst der König Affonso V. von Portugal vermochte [696] den beiden Deutschen nicht blos höfische Ehren und Genüsse zu bieten, sondern auch die ernste kriegerische Arbeit anzuweisen, nach der sie verlangten. Die Gelegenheit dazu ergab sich im J. 1456, als der König von Fez mit einem großen Heere vor Ceuta rückte, welches früher eine der schönsten und größten Städte seines Reichs gewesen, aber im J. 1415 von den Portugiesen erobert und seither in deren Besitz war. Georg v. E. begab sich mit seinem Gefährten in die bedrohte Stadt und half als Hauptmann über ein Stadtquartier die Sturmangriffe abwehren, denen sie drei Tage lang ausgesetzt war. Endlich zogen die Feinde unverrichteter Dinge ab, aber während der Scharmützel zwischen ihnen und den nachsetzenden Portugiesen forderte ein Gewaltiger aus ihrer Mitte einen der christlichen Ritter zum Zweikampf. Georg v. E. war sogleich entschlossen, sich mit ihm zu messen, und nach heißem Ringen überwand er den ungleich stärkeren Mann. Im Triumph wurde der Sieger nun durch die befreite Stadt geführt, und als er nach siebenmonatlichem Kriegsdienst wieder nach Portugal zurückkehrte, schenkte ihm der König einen mit Gold gefüllten Pokal. Aber noch war die Kampflust Georgs nicht gestillt; da er hörte, daß König Heinrich IV. von Castilien gegen die Mauren von Granada ein Heer rüstete, machte er sich dorthin auf und nahm an dem Feldzug des J. 1457 Theil, bei welchem es jedoch über dem Verwüsten von Ländereien und dem Berennen kleinerer Plätze nicht zu einem Hauptschlag kam. Ein Brief voll hoher Auszeichnungen von Seiten König Heinrichs (Jaen 5. Sept. 1457) sowie die Aufnahme in drei spanische Rittergesellschaften waren der Preis für die Thaten Georgs in diesem Krieg. Nachdem er den Winter wieder in Portugal verlebt, trat er im J. 1458 (laut Empfehlungsbrief des Königs vom 15. März d. J.) die Heimreise an, auf welcher er auch noch die Höfe von England und Schottland besuchte. Mit dem Aufenthalt in Schottland bricht die Beschreibung seiner Ritterfahrten ab, welche Georg in höherem Alter niedergeschrieben. Neun Bilder der Könige, an deren Höfen er gewesen, bedeutsam auch für die Kostümkunde, schmücken die Handschrift, welche die kgl. Bibliothek in Stuttgart (Cod. hist. Q. 141) verwahrt; man findet sie beschrieben und nachgebildet von Vallet de Viriville in Didron’s Annales archéologiques T. 15 (1855) p. 30–37, 103–111: drei Proben in Farben bei Hefner-Alteneck, Trachten des christlichen Mittelalters, Abth. 2, Taf. 67, 75, 81. Größere Porträts jener Fürsten sind noch jetzt im alten Schlosse von Kilchberg zu sehen. – Bald nach der Rückkehr Georgs trat Graf Eberhard im Bart die Regierung zunächst über einen Theil von Würtemberg an. Dieser Fürst schenkte dem welterfahrnen Ritter besonderes Vertrauen. Als Eberhards Wallfahrt nach Jerusalem 1468 eine interimistische Landesverwaltung nöthig machte, berief er G. v. E. in dieselbe und gab ihm noch speciell den Auftrag, er solle mit anderen Räthen auf Kundschaft gehen, wenn die Nachricht einträfe, die Pilgergesellschaft sei gefangen oder todt. Und nachdem der Graf sich die Prinzessin Barbara Gonzaga von Mantua zur Gemahlin ausersehen hatte, wurde der Ritter als Brautwerber vorausgesandt (1473 oder 1474). Endlich kann die Bestallung desselben zum Obervogt in Tübingen (1480) nur als ein Zeichen besonderer Gunst angesehen werden, wenn man bedenkt, welche Bedeutung diese Stadt als Sitz der neugegründeten Universität gewonnen hatte. Aber auch unter den Genossen seines Standes erfreute sich der Ritter des größten Vertrauens. So nahm Georg als hervorragendes und einflußreiches Mitglied der Rittergesellschaft zum St. Georgenschild Theil an den Berathungen, welche eine engere Einigung aller schwäbischen Reichsstände zur Wahrung des Landfriedens und Stärkung der Reichsmacht in dem sogenannten schwäbischen Bund herbeiführten, und unter den Urkunden dieses Bundes selbst erscheint sein Name sehr häufig. Der frühe Tod Eberhards im Bart (1496) rief sodann den Ritter [697] zu erneuter staatsmännischer Thätigkeit im nunmehrigen Herzogthum Würtemberg auf; denn er gehörte zu dem Regierungsausschuß, welcher, aus einem Landhofmeister und zwölf Räthen bestehend, nach dem Willen des Verstorbenen seinem Nachfolger Eberhard d. J. mit ausgedehnten Vollmachten an die Seite gesetzt wurde, und später, als dieser neue Herzog in Folge seiner Mißregierung verdrängt war (1498), wurde Georg abermals Mitglied der Regentschaft, welche die Verwaltung des Landes in die Hand nahm und fortführte, bis Ulrich den Herzogsstuhl einnehmen konnte (1503). Zwischen dem jungen Herzog und Sabina von Baiern war während dieser Zeit unter Mitwirkung Georgs v. E. in München ein Heirathsvertrag zu Stande gekommen (1498), welcher freilich dem Lande nicht zum Segen gereichte. Erst im hohen Greisenalter konnte der Ritter sich ruhig in sein Kilchberg zurückziehen, für welches Dorf er noch im J. 1504 in Gemeinschaft mit seinem Sohn Rudolf ein „Vogtgerichtsbuch, auch rechtlich Ordnung und Satzung“ abfaßte. Er starb 80 Jahre alt den 21. Sept. 1508. Was seine Familienverhältnisse betrifft, so bringt die Zimmern’sche Chronik (3, 216 f.) die überraschende Nachricht, daß er eine Bürgerstochter von Reutlingen geheirathet habe, welche ihm eine einträgliche Schäferei zugebracht. In der That bezeichnet eine Urkunde vom J. 1478 den Bürgermeister von Reutlingen Konrad Schultheiß als seinen Schwiegervater. Auf der andern Seite ist nicht minder gewiß, daß er (in zweiter Ehe?) eine Anna v. Richtenberg, Schwester des Deutschordenshochmeisters (1470–1477) Heinrich v. R., zur Gemahlin hatte.

Ueber das Geschlecht derer v. E. und ihre Güter vergl. Schmid, Gesch. der Grafen Zollern-Hohenberg, S. 514 ff.; Haug, Gesch. von Entringen in den Mittheilungen aus seinem Leben u. Nachlaß (Stuttg. 1869) S. 60 ff., 67 ff. und Holzherr in der besonderen Beilage des Staatsanzeigers für Würtemberg 1876 Nr. 21, S. 332 ff. Werthvolle Aufzeichnungen von der Familie selbst konnte sowol Nicod. Frischlin in seiner sonst unbedeutenden handschriftlich erhaltenen Geschichte der Edlen v. E. als Mart. Crusius im zweiten Band seiner Annal. Suev. benützen. Ein Stück daraus, den Vater und Großvater Georgs betreffend, ist der Selbstbiographie Georgs v. E. vorgesetzt. Letztere, leider selbst auch Fragment, wurde herausgegeben unter dem Titel Itinerarium etc. von Dom. Custodis, Augsb. 1600 fol., besser aber und vollständiger durch Franz Pfeiffer als „Reisen nach der Ritterschaft“ (Bibl. des litt. Vereins I, 2. 1843). Die Thaten Georgs in Ceuta erzählt auch Hieron. Munzer unter dem falschen Jahr 1458 nach Erkundigungen in Portugal (herausgeg. von Kunstmann. Abh. d. Münchener Akad., hist. Cl. VII, 2. S. 300 ff.). Ueber die damaligen Kriege gegen die Mauren von Fez und Granada vergl. Pina, Chron. do Rey Affonso. S. 452 ff. 462 (in der Collecçao de livros ined. de hist. portug. T. 1) und Del Castillo, Cronica del R. Enrique IV. Ed. 2 Madrid 1787, S. 19–24. Das spätere Wirken Georgs meist nach Stälin, Wirtemb. Gesch. und den daselbst 3, 618 Anm. 3 citirten Urkundensammlungen sowie nach Heyd, Herzog Ulrich Bd. I. Biographische Skizzen über G. v. E. haben gegeben J. Scheiger in Hormayr’s Taschenbuch 1827, S. 150 ff., O. Schönhuth in seinem Buch: Die Burgen, Klöster, Kirchen und Capellen Würtembergs 3, 80 ff.