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ADB:Erhard, Johann Benjamin

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Artikel „Erhard, Johann Benjamin“ von Arthur Richter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 200–201, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Erhard,_Johann_Benjamin&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 03:19 Uhr UTC)
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Band 6 (1877), S. 200–201 (Quelle).
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Erhard: Johann Benjamin E., Arzt und Philosoph, geb. 1766 zu Nürnberg, † 28. Nov. 1827 als Obermedicinalrath zu Berlin, war der Sohn eines Drahtziehers. Trotz bedeutender Anlagen, die den Knaben bereits in seinem 11. Lebensjahr befähigten, Ch. Wolff’s mathematische und philosophische Schriften zu lesen, und trotz guter Fortschritte in den Sprachen unterbrach er doch die Schullaufbahn, um das Gewerbe seines Vaters zu erlernen. Daneben trieb er die Gravirkunst und übte sein Talent für Zeichnen und Musik. Ein innerer Trieb zog ihn aber zu den Studien zurück, denen er als Nebenbeschäftigung so eifrig oblag, daß er in Folge von Ueberreizung drei Jahre lang an epileptischen Zufällen zu leiden hatte. Nach seiner Wiederherstellung dehnte er seine Studien außer auf Sprachen, Mathematik und Philosophie auch auf Naturwissenschaften und Medicin aus. Auf Veranlassung des Arztes Siebold, der ihn kennen und schätzen gelernt hatte, bezog er 21 Jahre alt die Universität Würzburg, um sein Studium der Medicin zum Abschluß zu bringen. Hier verfuhr er als Autodidakt, der sich das Wissenswürdige auf fast allen Gebieten anzueignen wußte. Gleichzeitig machte er, etwa seit 1786, den Uebergang vom Studium Wolff’s zu dem Kant’s, das ihn mächtig ergriff, wie er es selbst in seiner 1805 geschriebenen Autobiographie geschildert hat. Er glaubte in der Kant’schen Philosophie nicht nur eine Aufklärung über die wichtigsten Begriffe zu finden, sondern sie diente ihm zur Befriedigung der Interessen seines Gemüthes, er sah in ihr eine Art neuer Religion. Fortan blieb er ein eifriger Kantianer in einer Richtung, die Rosenkranz in seiner Geschichte der Kant’schen Philosophie, Leipzig 1840, S. 296–99 näher charakterisirt. Nach beendeten medicinischen Studien begab sich E. nach Jena, wo damals die Kant’sche Philosophie in hohem Ansehen stand. Hier lebte er im Winter 1790/91 drei Monate lang und trat Niethammer und Reinhold näher. Er schrieb eine „Prüfung der Reinhold’schen Theorie des Vorstellens“, die in Reinhold’s Schrift: „Ueber das Fundament des philosophischen Wissens“, Jena 1791, S. 141 ff. zu finden ist. Auch war E. dem Schiller’schen Hause befreundet. Für Schiller’s Thalia schrieb er „Mimer und seine Freunde“, einen freundschaftlichen Brief an Charlotte v. Schiller hat Urlichs in „Charlotte Schiller“ III, S. 95 veröffentlicht. Von Jena ging E. über Göttingen, Kopenhagen, wo er von Reinhold empfohlen zu Baggesen in Beziehung trat, über Memel nach Königsberg, um Kant persönlich kennen zu lernen. Kant fand an seinem heitern und reinen Temperament ein so großes Wohlgefallen, daß er zu ihm äußerte: „Unter allen Personen, die ich persönlich noch kennen lernte, wünschte ich mir keinen mehr zum täglichen Umgang, als Sie.“ E. verehrte Kant fortan als seinen geistigen Vater. (Vgl. Schubert, Biographie Kant’s, S. 111. 114. Der spätere Briefwechsel zwischen E. und Kant steht Kant’s Werke ed. Hartenstein VIII. S. 787 ff.) Nachdem E. von Königsberg nach Wien gegangen war und noch Oberitalien besucht hatte, promovirte er zu Altorf und ließ sich dann als praktischer Arzt in Nürnberg nieder. Er fand jedoch in der Praxis zunächst nur geringen Erfolg und wandte sich deshalb schriftstellerischen Arbeiten zu. In Wieland’s Merkur veröffentlichte er 1793 den Aufsatz „Ueber die Alleinherrschaft“. Er erschien in neuer Bearbeitung 1821 in Berlin als besondere Schrift u. d. T. „Ueber freiwillige Knechtschaft und Alleinherrschaft; über Bürger-, Ritter- und Mönchthum“. – In Snell’s Phil. Journal 1793, 4. Stück erschien: „Versuch zur Aufklärung über Menschenrechte“. – Fichte’s und Niethammer’s philosophisches Journal brachte außer einer Recension: 1795, I. 2. 1 eine „Apologie des Teufels“; 1795, II. 4. 1 „Ueber das Princip der Gesetzgebung“. – In Wagner’s Beiträgen zur philosophischen Anthropologie, Wien 1794. 96, findet sich ein „Versuch einer systematischen Eintheilung der Gemüthskräfte“; ein Versuch „Ueber Narrheit und ihre ersten Anfänge“, und „Ueber die Melancholie“. [201] Während Schiller’s Krankheit schrieb E. für den historischen Kalender ein „Leben Newton’s“, 1794, Schiller’s Horen brachten 1795, 7. Stück, „Die Idee der Gerechtigkeit als Princip aller Gesetzgebung betrachtet“. – Als eigene Schrift erschien: „Ueber das Recht des Volkes zu einer Revolution“, Jena 1794. – Im J. 1797 erhielt E. durch Hardenberg, damals preußischen Minister in Ansbach und Baireuth, eine Anstellung in Ansbach, siedelte aber 1799 nach Berlin über und eröffnete hier eine sehr erfolgreiche Praxis. Er schrieb noch: „Theorie der Gesetze, die sich auf das körperliche Wohlsein der Bürger beziehen“, 1800; „Benutzung der Heilkunde zum Dienst der Gesetzgebung“, 1802; „Ueber die Einrichtung und den Zweck der höheren Lehranstalten“, 1802. Im J. 1817 wurde E. Mitglied der Oberexaminationscommission, 1822 Obermedicinalrath.

Varnhagen v. Ense, Denkwürdigkeiten d. Philosophen u. Arztes J. B. Erhard, Stuttgart 1830, wieder abgedruckt in Varnhagen’s Denkwürdigkeiten und vermischten Schriften, Mannheim 1837. I. S. 230 ff., enthält Tagebuch, Briefe und Aphorismen. – Gutzkow, Beiträge zur Geschichte der neuesten Litteratur. Stuttgart 1836. II. 57–66. Schiller-Körnerscher Briefwechsel II. 240. – H. M. Richter, Geistesströmungen, 1875. S. 307 ff.