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ADB:Fleischer, Heinrich Leberecht

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Artikel „Fleischer, Heinrich Leberecht“ von Ignaz Goldziher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 584–594, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fleischer,_Heinrich_Leberecht&oldid=- (Version vom 30. Dezember 2024, 17:07 Uhr UTC)
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Fleischer: Heinrich Leberecht F., der große Meister der arabischen Philologie, wurde am 21. Februar 1801 in Schandau an der Elbe als Sohn des Steueramtsschreibers Johann Gottfried F. und seiner Gattin Johanna Christiane geb. Unruh, der Tochter eines Schullehrers in Prietitz geboren. Seine Ausbildung begann er in der Elementarschule seiner Vaterstadt, wo die früh sich kundgebende Begabung und der ausdauernde Eifer des Knaben ihm die Sympathie des Leiters der Schule, des Magisters Edelmann, zuwandten, der ihn über den Kreis des Lehrstoffes der Elementarschule hinaus in den Anfangsgründen der Gymnasialkenntnisse so weit vorbereitete, daß er Ostern 1814 in Tertia des Gymnasiums zu Bautzen aufgenommen werden konnte. Ostern 1819 wird er mit dem Reifezeugniß aus dem Gymnasium entlassen, unter dessen Schülern er eine bevorzugte Stellung eingenommen hatte. Wir finden ihn während dieser Zeit als jugendlichen Festredner bei Schulfeierlichkeiten und patriotischen Acten; als Fürsprech seiner Mitschüler vor vorgesetzten Lehrern, bei welcher Gelegenheit er einmal die Bitte der Mitprimaner in einem wohlgesetzten griechischen Distichon verdolmetschte, das bis zum heutigen Tag erhalten ist. Schon auf dem Gymnasium offenbarte sich Fleischer’s Eifer für das Studium philologischer Disciplinen; sein Fleiß errang ihm das Vertrauen des als Herausgeber des Pausanias bekannten Rectors der Bautzener Schule, Siebelis, der ihn an den Correcturen dieses philologischen Werkes theilnehmen ließ. Auf dieser Stufe seiner Ausbildung charakterisirt ihn jedoch ein der einseitigen Beschränkung abgeneigtes vielseitiges geistiges Interesse. Die Aufzeichnungen aus jener Zeit lehren ihn uns in eifriger Vertiefung nicht nur in die deutsche, sondern auch in die französische und italienische Litteratur kennen. Sein ganz hervorragendes musikalisches Talent, das sich in frühem Knabenalter kundgethan hatte, verschaffte ihm Zutritt zu den Kreisen der gebildeten Gesellschaft, wo mannichfache Anregungen auf den empfänglichen Jüngling einwirkten. Auch die ersten Grundlagen seiner späteren Lebensaufgabe legt sein Privatfleiß schon während dieser Bautzener Gymnasialzeit vorahnend nieder. Als er das Gymnasium verließ, konnte er sich dessen rühmen, daß er den ganzen Text des Alten Testamentes in der hebräischen Ursprache durchgearbeitet habe. Und auch die Anfangsgründe des Arabischen hatte er sich aus einer Grammatik, die der bücherlüsterne Schüler unter allerlei Maculatur auf dem Markte aufstöberte und erstand, bereits auf autodidactischem Wege angeeignet, als er Ostern 1819 die Universität Leipzig bezog, um Theologie und orientalische Sprachen zu studiren.

Unter den Professoren der Hochschule übten besonderen Einfluß auf seine wissenschaftliche Richtung der berühmte classische Philologe Gottfried Hermann und der in biblischer Philologie ausgezeichnete Georg Benedikt Winer, selbst ein Schüler G. Hermann’s, und eben erst kurz vorher in seine Laufbahn als akademischer Lehrer in Leipzig eingetreten. Seinen sprachwissenschaftlichen Neigungen konnte F. hauptsächlich in den Collegien dieses jungen Professors Genüge thun, dem er bald so nahe tritt, daß Winer den jungen Studenten schon im dritten Semester nicht nur in seine hebräische Gesellschaft aufnimmt, sondern ihm in den folgenden Semestern die Abhaltung eines chaldäischen Collegs überträgt, ihn sich immer mehr verbündet und in seine wissenschaftliche Werkstätte einweiht. Ebenso nahe stand er auch dem Arabisten der Universität Ernst Friedrich Karl Rosenmüller. Auch er läßt den Studenten F. mehrere Semester hindurch sein Colleg über die Elemente des Arabischen lesen und bestrebte sich auch sonst, die Interessen seines hervorragenden Hörers in allen Richtungen zu fördern.

[585] So war denn F., lange bevor er selbst sein Lehramt in Leipzig einnahm, in jüngeren Jahren in ganz ungewöhnlicher Weise in die akademische Lehrthätigkeit eingeweiht worden. Speciell als Arabist von Beruf hat Rosenmüller allerdings keine hervorragende Stellung eingenommen. Er hat zwar durch einige Texteditionen auch zu den arabischen Studien beigetragen; diese bildeten jedoch nicht sein centrales Interesse. Er trieb diesen wichtigen und in seiner Selbständigkeit umfangreichen und vielverzweigten Theil der orientalischen Philologie, dessen große Bedeutung zu jener Zeit schon an den Hochschulen Deutschlands vielfach hervorgetreten war, mehr aus biblisch-philologischem Interesse, als Hülfsmittel zur Illustrirung der biblischen Realia. Zu wirklicher Vertiefung in die Fragen der arabischen Sprache war er nicht vorgedrungen. Und doch hatte Leipzig bereits einer ruhmreichen Tradition gerade auf diesem Gebiete sich zu rühmen. Hier war ja in der Mitte des 18. Jahrhunderts der große Johann Jakob Reiske als Extraordinarius vorangegangen, dieser als classischer Philologe und als Arabist gleich hochbedeutende Mann, der erste in Deutschland, der durch die blühende holländische Orientalistenschule angeregt, trotz der größten äußern Schwierigkeiten und Hemmungen, die arabische Philologie und Litteraturkunde zu selbständiger Geltung unter den philologischen Studien erhob. Aus dem wissenschaftlichen Lebenskampfe dieses Heroen der Wissenschaft schöpfte der Leipziger Student begeisterten Muth auf der Bahn, die zu betreten er sich anschickte. Zu dieser Zeit trat er auch mit dem berühmten Führer der semitischen Studien, dem Hallenser Professor Wilhelm Gesenius zuerst in Berührung. Eine der Fußwanderungen, in denen der Student während der Universitätsferien gerne Erholung suchte, führte ihn nach der Saalestadt, wo ihn der weltberühmte Professor in liebenswürdiger Weise aufnimmt, in seine arabische Gesellschaft einführt und an der entstehenden Disputation theilnehmen läßt.

Inzwischen kam der Abschluß seiner Universitätsstudienjahre, zunächst der theologischen, heran. Nachdem F. im Herbst 1823 vor dem Dresdener Consistorium das theologische Candidatenexamen mit Auszeichnung bestanden hatte, legte er Mitte Januar 1824 nach vorangegangenem Magisterschwur, in welchem die Candidaten unter anderm sich unter Eid verpflichten mußten „nicht Rache an den Examinatoren nehmen zu wollen, wenn sie das Examen nicht bestehen“, das Universitätsexamen ab; am 4. März desselben Jahres wurde er zum Doctor creirt.

Nun mußte er sich auch über seinen zukünftigen Lebensberuf entscheiden. Seine Eltern hätten ihn am liebsten in der theologischen Praxis gesehen und schwere innere Kämpfe kostete von beiden Seiten die Erfüllung der vorwiegenden Neigung des pietätvollen Sohnes, fortan die Wissenschaft des Morgenlandes als Arbeitsgebiet für sein Leben zu erwählen. Um diesen Zweck zu fördern, zog es ihn nach Paris in die Nähe des Mannes, der zu jener Zeit die Summe der wissenschaftlichen Kenntniß vom Morgenlande repräsentirte, gleich groß als Mensch, als Gelehrter, Lehrer und Schriftsteller: Silvestre de Sacy. Seines Unterrichtes, seiner wissenschaftlichen Leitung und persönlichen Anregung theilhaftig zu werden, war der höchste Wunsch jener jungen Gelehrten aus allen Ländern Europas, die eine feste Neigung für die eben aufblühenden, von der theologischen Umarmung frei sich regenden orientalischen Studien faßten. Besonders für angehende Arabisten war de Sacy’s Nähe ein unter den damaligen Verhältnissen nicht eben leicht zu erreichendes Pilgerziel geworden. Die materielle Ermöglichung der Erfüllung dieser Sehnsucht wurde F., außer einem mäßigen Magisterstipendium, durch die Erlangung der Stellung eines Hauslehrers beim ehemaligen [586] Minister und Vertrauten Napoleon’s I., Herrn v. Caulaincourt (Herzog von Vicenza) geboten, einer Stellung, die ihm noch in Leipzig unmittelbar nach Ablegung seines Examens durch Vermittlung eines ihm befreundeten jungen Kaufmanns Bernard sowie des berühmten Thüringer Hellenisten Karl Benedikt Hase, der damals als Professor des Griechischen an der École des Langues orientales in Paris wirkte, zugesichert wurde; Der französische Gesandte in Dresden, de Rumigny, brachte die Angelegenheit zum Abschluß. So durfte er denn bereits am 18. April 1824 seine Wanderung nach Paris antreten, um drei Jahre hindurch aus den besten Quellen orientalischer Wissenschaft zu schöpfen. Außer den Vorträgen de Sacy’s (Arabisch und Persisch) hörte er bei Caussin de Perceval (Vulgärarabisch), bei de Chézy (Persisch), bei Jaubert (Türkisch) theils am Collège de France, theils an der École spéciale des Langues orientales vivantes, deren Curse damals noch in einem überaus bescheidenen, zur Bibliothèque nationale gehörigen Raume abgehalten wurden. Auch den intimen Verkehr mit gelehrten Aegyptern, die zu jener Zeit in Paris lebten, machte er sich für das Studium des lebenden arabischen Sprachgebrauches zu Nutze; er beruft sich in seinen früheren Arbeiten namentlich auf Mittheilungen des Mohammedaners Refaa und des Christen Ayda. Wie hoch Caussin seine Kenntniß des Vulgärarabischen schätzte, bewies er dadurch, daß er einmal, an der Abhaltung der Vorlesungen selbst verhindert, zwei Wochen lang sich durch F. vertreten ließ. Dieser arbeitet auch in der reichen orientalischen Handschriftensammlung der Bibliothèque nationale; „man sieht ihn täglich – so heißt es in einem gleichzeitigen Briefe eines jungen Orientalisten – mit ungewöhnlichem Eifer im Manuscriptensaal der königl. Bibliothek“. Hier erwirbt er den Apparat von Abschriften und Collationen für seine späteren Textpublicationen, namentlich für die bald zu erwähnenden Ausgaben des Abulfeda und des Baidhawi, sowie für seine Arbeiten über die Erzählungen der Tausend und Einen Nacht. Auch die auf derselben Bibliothek befindlichen arabisch-koptischen und griechisch-arabischen Glossare studirte er sorgfältig und reihte sie seinen Materialien an. In hervorragendster Weise wurde jedoch die Ausgestaltung seines wissenschaftlichen Charakters durch den persönlichen Umgang mit de Sacy entschieden, der in ihm bald seinen Jünger erkannte und ihn mit seinem vollen Vertrauen auszeichnete. „Ich zähle es – schreibt er ihm kurz nach seinem Abgang aus Paris – zu den größten Diensten, die ich der orientalischen Litteratur geleistet habe, solche Schüler wie Sie gebildet zu haben, deren es freilich nicht viele giebt.“ Das Vertrauen de Sacy’s erwidert F. bis an sein Lebensende mit einem andauernden pietätvollen Cultus des Andenkens seines großen Lehrers. „Quem vivum dilexi et admiratus sum, eum, jam defunctum, si fas est dicere, tamquam consecratum colo et veneror“ (Vorrede zu Caspari’s Ausgabe des Enchiridion studiosi). Durch de Sacy tritt er auch den Pariser Gelehrtenkreisen gesellschaftlich näher, wird er in die Société asiatique eingeführt und auch mit manchen Celebritäten bekannt gemacht, die zu jener Zeit gerne an der großen Werkstätte der Wissenschaften arbeiteten. Von diesen dürfen wir besonders Wilhelm v. Humboldt nennen, der ihn am 18. Mai 1828 durch Silvestre de Sacy zu einem Besuch aufforderte und ihm bei dieser Begegnung versprach: „bei der ersten Gelegenheit an mich zu denken“ (Brief Fleischer’s an seinen Vater).

In diese Zeit fällt auch die Veröffentlichung seines „ersten litterarischen Kindleins“ (eigene Worte): Kritische Bemerkungen zu dem ersten Bande der Habicht’schen Ausgabe der Tausend und Einen Nacht (Journal asiatique 1827, [587] Octoberheft, S. 217 ff.), in welchem sich bereits seine souveräne Beherrschung des Entwicklungsverlaufes des Schriftarabischen kundgibt.

Nach Abschluß der Pariser Studienzeit trat an den von Haus aus mittellosen jungen Gelehrten die Frage der Begründung einer festen wissenschaftlichen Lebensstellung immer dringender heran. Was sich ihm zunächst darbot, war nicht nach seinem Geschmack. Die ihm angebotene Stellung eines Erziehers des jungen Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen lehnte er ab; ebenso den ihm von de Sacy beantragten Posten eines arabischen Dolmetschers bei dem Generalgouverneur der französischen Besitzungen am Senegal. Noch in Paris trug er sich, zunächst um Gelegenheit zu gewinnen den Orient zu besuchen, mit dem Gedanken, in den Dienst des Baseler Missionsinstitutes zu treten; er knüpfte auch Verhandlungen in dieser Richtung an, wurde jedoch durch den einsichtsvollen Director der Anstalt von jenem Vorhaben zurückgebracht.

Nach Deutschland 1828 zurückgekehrt, machte er seine wissenschaftliche Erfahrung zunächst im Dienste der Dresdener Sammlung orientalischer Handschriften (454 Nummern) nutzbar, deren 1831 in Druck erschienenen Katalog er anfertigte. Im selben Jahre vervollständigte er auf Grund Pariser Handschriften Reiske’s Ausgabe von Abulfeda’s „Muslimischen Annalen“ durch Edition des arabischen Textes und einer lateinischen Uebersetzung der „Vorislamischen Geschichte“ vom selben Verfasser. In der, seinen geistreichen Humor wiederspiegelnden meisterhaften lateinischen Vorrede schildert er die Verhältnisse, unter denen diese Litteratur in Deutschland zu leiden hatte. Sie waren freilich um etwas besser geworden, als zu Reiske’s Zeit, der sich 1755 auch noch darüber zu beklagen hatte, daß in Leipzig nicht so viel arabische Typen vorhanden waren, um nur einen Bogen fortlaufend setzen zu können, von den Schwierigkeiten des Absatzes, die er in den grellsten Farben schildert, ganz zu geschweigen. Aber auch die Aussichten, als Orientalist im Vaterlande eine Anstellung zu finden, waren nicht eben günstig zu nennen. F. mußte sich zunächst damit zufrieden geben, von 1831–1835 eine mühevolle Lehrerstelle an der Kreuzschule in Dresden anzunehmen, bis sein stetig anwachsender Ruf in den orientalischen Wissenschaften die Aufmerksamkeit des Auslandes auf ihn lenkte, die sich 1835 in der Berufung für eine orientalische Professur nach St. Petersburg kundgab. Schon war er gerüstet, seine Reise nach der russischen Universität anzutreten, als ihm das sächsische Unterrichtsministerium die durch Rosenmüller’s gleichzeitig eingetretenes Ableben erledigte Leipziger Professur anbietet, für die er durch die Facultät (neben Rückert und Justus Olshausen) in Vorschlag gebracht war. Der vereinigte Zuspruch der hervorragendsten Mitglieder der Leipziger Hochschule (allen voran seines frühern Lehrers Winer), sowie die zuvorkommende Art, mit der das Dresdener Ministerium die nach Petersburg geleistete Zusage lösen half, erleichterten ihm den patriotischen Entschluß, sich seinem Vaterlande zu erhalten. Am 19. October 1835 war seine Ernennung vollzogen, mit Ostern 1836 trat er das akademische Lehramt an. In die Zwischenzeit fällt die Veröffentlichung von „Samachschari’s Goldenen Halsbändern“, einer muthigen Arbeit, in der er zu allererst gegen die saloppe Art, mit welcher sein liebes Arabisch durch einen in der öffentlichen Meinung hochangesehenen Gelehrten textkritisch und exegetisch mißhandelt wurde, mit überlegener Sicherheit in die Schranken trat. Sein Lehramt trat er mit den beiden Dissertationen „De Glossis Habichtianis“ zu den vier ersten Bänden der Tausend und Eine Nacht an, nicht nur aus scharfsinniger Beobachtung der Spracheigenthümlichkeiten, sondern aus umfassender Kenntniß des gesellschaftlichen Lebens des muhammedanischen Orients hervorgegangenen kritischen Bemerkungen [588] und Exkursen zu Habicht’s Ausgabe und Glossirung der Tausend und Einen Nacht, wie man leicht merkt, eine Fortsetzung der Pariser Erstlingsschrift. Ein Jahr darauf folgt die Ausgabe von „Alis hundert Sprüchen arabisch und persisch paraphrasirt von Raschideddin Watwat“ (Leipzig 1837).

Die Vorlesungen umfaßten gleich beim Antritt seiner akademischen Lehrthätigleit einen sehr weiten Kreis der orientalischen Studien. Die Lectionskataloge aus jener Zeit zeigen, daß er viel Collegia über alttestamentliche Bücher und auch über Aramäisch gelesen hat. Sein Interesse am Syrischen spricht sich übrigens in dem anerkennenden Dank aus, den ihm der angesehenste Syrologe jener Zeit, der Breslauer Professor Bernstein für die seinem syrischen Chrestomathie-Glossar (in der Halleschen Literaturzeitung) gewidmeten kritischen Bemerkungen öffentlich spendete (1838). Außer den hebräischen und aramäischen Collegien liest er über Arabisch (auch „Vergleichung der arabischen und hebräischen Grammatik“), Persisch und Türkisch, erklärt er, mit großer Abwechslung in der Auswahl der interpretirten Autoren, Litteraturwerke dieser Sprachen. Dabei lenkt besonders noch eine in mehreren Semestern wiederkehrende Vorlesung unsere Aufmerksamkeit auf sich, die er unter dem Titel: „Doctrinam dogmaticam Muhammedanorum enarrabit simulque dicta probantia e Corano et Sunna petita interpretabitur“ ankündigte. Jedoch bereits mit Anfang des zweiten Jahrzehntes seiner akademischen Lehrthätigten sehen wir das Hebräische und Aramäische aus dem Kreis der Vorlesungen ausgeschaltet und denselben auf den immerhin noch genug ausgiebigen Umfang der „drei islamischen Hauptsprachen“ eingezogen. Denn aus dem Gesichtspunkt der islamischen Cultur tritt das Arabische sehr eng mit der von ihm abhängigen Litteratur des Türkischen und Persischen zusammen. So ordnen sie sich auch naturgemäß in den Studien- und Unterrichtsbereich Fleischer’s ein. Wie innig er das Studium dieser Litteraturen mit dem des Arabischen zusammenhielt, bezeugen um diese Zeit sein musterhafter „Katalog der arabischen, persischen und türkischen Handschriften der Leipziger Rathsbibliothek“ (1838), später seine umfangreichen kritischen Studien über Ausgaben und Übersetzungen persischer Litteraturwerke (namentlich in der Zeitschr. der Deutschen morgenländ. Gesellsch., Bd. 31–34). Für die Erlernung des Persischen hat er auch ein Hülfsmittel geboten durch die deutsche Bearbeitung der „Grammatik der lebenden persischen Sprache von Mirza Mohammed Ibrahim“ (1847), die 1875 eine zweite Auflage erlebte. Es ist auch in biographischer Beziehung nicht ohne Interesse, daß es eben das Gebiet des Türkischen ist, auf welchem sich mercantile Speculation seines Namens bediente, um einem kleinen Lehrbuch guten Markterfolg zu sichern; es ist der in Wien 1853 erschienene „Vollkommene und schnelle türkische Selbstlehrer“, unter den Türkenjüngern jener Zeit als „kleiner Fleischer“ bekannt, dessen Verbreitung man durch die Flagge des irreführenden Verfassernamens „H. F.“ Fleischer jedenfalls zu fördern meinte.

Der wahre Mittelpunkt der lehrenden und litterarischen Thätigleit Fleischer’s lag jedoch im Arabischen. Zur Zeit des Auftretens Fleischer’s herrschten auf diesem Gebiete in der deutschen Wissenschaft kaum noch gefestigte Zustände. Der Betrieb der in dieser Sprache niedergelegten immensen Litteratur entsprach wenigstens nicht den Anforderungen, die F. in der Unterweisung und der gelehrten Thätigkeit de Sacy’s an dies Gebiet der philologischen Wissenschaft zu stellen lernte. Zunächst waren in der Ergründung der Gesetze des Sprachgebrauches, der inneren und äußeren Sprachform des klassischen Arabisch die Werke jener orientalischen Schulen nicht genügend berücksichtigt worden, die aus lebendiger Kenntniß die Thatsachen, Gesetze und Regeln der Sprache [589] in einer beispiellos reichen Litteratur von Grammatiken, Wörterbüchern und Commentaren festgelegt hatten. Das gründliche und umfassende Studium dieser einheimischen philologischen Litteratur sollte das Mittel sein zur Erreichung einer vollkommenen Kenntniß dessen, was richtiges Arabisch ist. „Der nächste größere Fortschritt der Grammatik des Arabischen – sagt er darüber selbst – wird einerseits von einer genau abwägenden Vergleichung und Würdigung der morgenländischen Sprachlehrer selbst nach ihren verschiedenen Schulen, andererseits von einer möglichst umfassenden und aufmerksamen im Geiste unserer Sprachwissenschaft ausgeführten Durchforschung des in den maßgebenden Sprachdenkmälern vorliegenden grammatischen Materials ausgehen.“ Durch die Forschung in diesen beiden Richtungen solle die Grundlage für eine positiv empirische Beherrschung des classischen arabischen Sprachgebrauchs geschaffen werden. Auf die einheimische philologische Litteratur hatte de Sacy sein bahnbrechendes grammatisches Werk gegründet; die Erforschung dieser Litteratur legte er immerfort als Ausgangspunkt aller arabischen Philologie seinen Schülern ans Herz; um in sie einzuführen, schuf er eben während Fleischer’s Pariser Studienzeit seine „Anthologie grammaticale“ mit jenen litteraturhistorischen Anmerkungen und Excursen, die noch heute, nach 75 Jahren, nicht veraltet sind. Diesen Weg weiter beschreitend, immer weiter in die Tiefen der sprachgelehrten Litteratur der morgenländischen Philologen selbst vorwärtsdringend und ihren weiten Umfang immer mehr und mehr umfassend hat F. in seinem Unterricht und in seinen Schriften die Methode de Sacy’s in Deutschland weiter entwickelt und im Studium der arabischen Sprachkunde zur Geltung gebracht. Viel Gewicht legte er dabei nach Anleitung dieser Litteratur auf die begriffliche Erklärung der sprachlichen Thatsachen. „Seine hohe Begabung für logische Abstraction, in der Schule Gottfried Hermann’s genährt, führte ihn zu engem Anschluß an die Theorien der arabischen Grammatiker; freilich vertieft er sie vielfach“ – so charakterisirt Th. Nöldeke seine Methode. Dies bildete den Angelpunkt seiner Vorlesungen; dafür wirkte er auch durch die aus seiner Schule hervorgegangenen Anregungen, die zur Herausgabe und Bearbeitung der hervorragendsten Schriften der arabischen Sprachgelehrten führten. In der Litteratur hat er die wesentlichsten Resultate seiner auf die einheimische sprachwissenschaftliche Litteratur gegründeten Methode in seinen die zwei umfangreichen Bände der Grammatik de Sacy’s von Paragraph auf Paragraph begleitenden, zunächst in den Sitzungsberichten der sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften serienweise (in 11 Stücken) erschienenen „Beiträgen zur arabischen Sprachkunde“ dargelegt; nicht etwa bloße Glossen und Verbesserungen, sondern im organischen Anschluß an de Sacy zum großen Theil tief grabende Ausführungen über einzelne Fragen der Formenlehre und Syntax.

Daran schließt sich nun auch seine Thätigkeit für die correcte Behandlung der arabischen Texte in den Editionen. Von dieser gilt hauptsächlich, was unlängst Merx in seinem Beitrag zur Festschrift der Universität Heidelberg (1903) bei Gelegenheit seines, einem der besten Schüler Fleischer’s, Heinrich Thorbecke, gespendeten Ruhmes zur Würdigung des Lehrers selbst aussprechen konnte, „dem die deutschen Arabisten ihre streng grammatische Erziehung zu sprachlicher Genauigkeit und Sauberkeit in erster Linie verdanken“. Erst durch Fleischer’s strenge formale Disciplin ist auf arabischem Gebiet eine den Anforderungen der philologischen Methode entsprechende arabische Textbehandlung eingebürgert worden. Es herrschte früher viel Sorglosigkeit auf diesem Felde. Hier griff F. mit seinen zum Theil recht voluminösen „Textverbesserungen“ zu den Editionen Anderer ein. Mit selbstloser Bereitwilligkeit stellte er sein [590] Können und Mühen den Arbeiten seiner Jünger und Fachgenossen zur Verfügung. Es gibt wol wenig arabische Editionswerke aus dem vierten bis achten Jahrzehnt des XIX. Jahrhunderts, in deren Vorreden Rath und That Fleischer’s, die er in selbstloser Weise Nahen und Fernen zur Verfügung stellte, nicht zu verdanken waren; wenige, die nicht die Spuren seiner bessernden kritischen Akribie und Mithülfe an sich tragen, die in der Regel den verzweifeltesten Textproblemen mit sicheren Aufschlüssen oder mindestens mit scharfsinnigen Conjecturen gewachsen waren. Er galt mit Recht als Praeceptor Germaniae auf diesem Gebiet. Mit Vorliebe pflegte er indessen in solchen Beiträgen zu den Werken Anderer, deren Werth seine Mitwirkung erhöhen sollte, auch das Feld der semitischen Lexikologie; wir nennen nur die Beigaben zu J. Levy’s zwei lexikalischen Werken (Chaldäisches Wörterbuch zu den Targumim, 2 Bde., 1867–68; Neuhebräisches und chaldäisches Wörterbuch über die Talmudim und Midraschim, 4 Bde., 1876–89), in deren Anhängen F. eine Fülle lexikalischer Bemerkungen aufgespeichert hat.

Seine eigene umfangreichste Textarbeit ist die Herausgabe des Commentars von Baidhawi zum Koran (in 2 Quartbänden, Leipzig 1846–48), ein bleibendes Muster genauer Textbehandlung. Auf die Interpretirung dieses Werkes fiel (seit dem Wintersemester 1844/45) auch zumeist der Schwerpunkt seiner arabischen Vorlesungen. Dies bot den Hörern den Vortheil, neben der sprachlichen Belehrung auch in die wichtigsten Fragen der islamischen Religionskunde und in die Terminologie und den Ideengang ihrer Scholastik eingeführt zu werden. Der Verfasser war Dogmatiker und läßt dies in seinen Ausführungen fühlen. F. widmete das Werk dem Andenken Johann Jakob Reiske’s, „dem unvergleichlichen Mann“, „litterarum arabicarum inter Germanos principis“, „der gerade vor 100 Jahren, am 21. August 1748 den neuen Lehrstuhl der arabischen Sprache an der Universität Leipzig antrat“. Seine weitverzweigte Thätigkeit gestattete ihm nicht, die auf dem Titelblatte in Aussicht gestellten Indices selbst zu liefern; mit denselben überraschte ihn die liebevolle Pietät seines ehemaligen Schülers, Professors Winand Fell (Münster), dessen mühevolle Ergänzung der Arbeit des Lehrers 1878 mit dem Vorwort desselben ausgehen konnte.

Neben den classisch-arabischen Zielen nahm im Unterricht Fleischer’s auch die Pflege der Kenntniß der späteren Epochen, sowie der volksthümlichen Erscheinungsformen der arabischen Sprache eine hervorragende Stelle ein. Die die Sprödigkeit der Classicität in der Formenlehre und Syntax, sowie in der Bedeutungslehre durchbrechenden Nuancen der späteren Sprachstufen hat er in seinen Darlegungen mit feinem Sinn beachtet. Schon seine frühesten Arbeiten galten den die freiere Sprachform darstellenden Texten der Tausend und Einen Nacht. Er selbst setzte die durch Habicht begonnene und durch dessen Tod mit dem 8. Bande ins Stocken gerathene Ausgabe dieses merkwürdigen Erzählungswerkes, für dessen Ursprung und Wachsthum sich de Sacy in hervorragender Weise interessirt hatte, vom 9.–12. Bande fort (1842–43). Er war weit davon entfernt, in pedantischer Weise die Documente des thatsächlichen, im Fluß begriffenen Sprachlebens auf den Leisten der classischen Gesetzgebung zu spannen und sie nach erstarrtem todten Regelwerk zu schulmeistern. Darüber hat er sich auch in seiner Abhandlung „Ueber Thaalibi’s arabische Synonymik mit einem Vorwort über arabische Lexicographie“ (1854) ausgesprochen, wo er auch darauf Gewicht legt, daß abendländische Gelehrte häufiger als es bis jetzt geschehen, die lebenden arabischen Dialekte an Ort und Stelle erforschen. In der That sind aus Fleischer’s Schule zu allererst die auf örtlichen Erfahrungen gegründeten wissenschaftlichen Darstellungen und [591] Materialiensammlungen über vulgärarabische Dialekte hervorgegangen, die dem wissenschaftlichen Sprachstudium einen sich immer mehr erweiternden Horizont eröffnet haben. Aus unausgesetzten Sammlungen zur Kenntniß des über den classischen Gebrauch hinaus sich entfaltenden Lebens in dem lexikalischen Vorrath der Sprache sind die, freilich auch auf den classischen Sprachgebrauch sich erstreckenden „Studien über Dozy’s Supplément aux dictionnaires arabes“ (sieben Stücke in den Berichten der Sächs. Ges. d. Wissenschaften 1881–1887) hervorgegangen.

So hat denn F. in mündlicher und schriftlicher Lehre seine Lebensaufgabe in der allseitigen Erforschung der arabischen Sprachgesetze und Sprachthatsachen und in der Erziehung zu gewissenhafter strenger Disciplin in der Handhabung der Denkmäler dieser Sprache erblickt und bethätigt. Dies bildete das Rückgrat seiner wissenschaftlichen Forderungen, erschöpfte aber nicht ihren vollen Umkreis. Er war zum wenigsten gewillt, seine Schüler auf den trockenen grammatikalischen Formalismus zu beschränken, wenn er auch die Zucht in diesen Dingen am höchsten bewerthete und seine Vorlesungen auf sie concentrirte. Niemals hat er jedoch seine Jünger vor der Aufnahme von Anregungen verschlossen, die aus anderen Schulen kamen, die seine, vorwiegend auf ein umschriebenes Centrum gerichteten Unterweisungen vervollständigten. Die Klage, daß er diese Bestrebung mit einseitiger Ausschließlichkeit vor Augen hielt, ist hin und wieder erhoben worden. Sie wird jedoch widerlegt durch die persönlichen Erfahrungen seiner Schüler sowie durch die mit seiner Billigung in den verschiedensten Richtungen der orientalischen Wissenschaft sich verzweigenden Arbeiten der aus seiner Schule hervorgegangenen Gelehrten.

Fleischer’s Auditorium wurde Jahrzehnte hindurch als die Stätte betrachtet, an die man sich zu wenden habe, um eine tüchtige arabische Schulung zu gewinnen. Man konnte da außer den deutschen Studenten fast in jedem Semester auch Hörer aus verschiedenen nichtdeutschen Ländern sehen, sehr oft auch Männer, die die akademischen Studienjahre hinter sich hatten und zur Vervollkommnung ihrer Kenntnisse sich um den Unterricht des deutschen „Scheich“ bewarben. Zur Zeit, als Verfasser dieser Blätter den Vorzug genoß, zu den Hörern Fleischer’s zu zählen, war das Dutzend der Theilnehmer an den arabischen Collegien auf sechs Nationen vertheilt. Die Collegien wurden in ersprießlicher Weise (seit dem Sommersemester 1837) ergänzt durch die allwöchentlich an einem Abend gehaltene Arabische Gesellschaft. An derselben nahmen zuweilen auch Professoren der Leipziger Universität Antheil, die von irgend einer Seite ihres Faches am Arabischen Interesse hatten. In dem soeben bezeichneten Zeitraum waren die Professoren der Theologie Franz Delitzsch, Gustav Baur und Kautzsch regelmäßige Theilnehmer der Arabischen Gesellschaft.

Die unleugbar große Wirkung, die F. auf die orientalischen Studien in Europa übte, findet ihren Grund nicht nur in der Solidität seiner Lehre und in dem großen geographischen Kreise, in dem seine unmittelbaren Schüler verbreitet waren, sondern vornehmlich auch in der persönlichen Anziehungskraft, durch die seine Schüler und Fachgenossen sich an ihn gefesselt fühlten. Wie Heinrich Ewald den Meister de Sacy als „virum non ob doctrinae tantum copiam sed ob animi candorem insignem“ preist, so konnte man diese Ruhmesworte auch auf den bedeutenden deutschen Schüler des großen französischen Orientalisten anwenden. Erhebend war seine Hingebung an die Schüler, seine hülfsbereite Theilnahme an ihren wissenschaftlichen Bestrebungen. Ihr Abgang aus Leipzig war niemals als Trennung zu betrachten; nie hat man vergeblich um Rath und Belehrung an seiner Thür gepocht; es war ihm [592] das Opfer seiner Zeit niemals zu schwer; er war unermüdlich im wissenschaftlichen Briefwechsel mit den Kleinen ebenso wie mit den Bedeutenderen. Diese Hingebung erstreckte sich auch auf die Fachgenossen im weitesten Umfange. Wie seine gewinnende Umgangsform, sein humanes Wesen ihm in den nächsten Kreisen Liebe und Achtung gewannen, so hat auch im wissenschaftlichen Verkehr die bescheidene, anspruchslose Art seiner Belehrung, und, im Streitfalle, der urbane nachsichtsvolle Ton seiner Polemik – zu einer schärferen Zuspitzung derselben ließ er sich nur in seltenen Fällen hinreißen – die Zahl seiner Verehrer immerzu vermehrt. Dieselbe reichte bis in die Kreise der morgenländischen Gelehrtenwelt, in die der Ruf seiner einzigartigen Vertiefung in ihre sprachgelehrte Litteratur gedrungen war. Sehr enge Verbindung pflegte er mit den in Syrien (Beirut) unter dem Einfluß der amerikanischen Mission sich entfaltenden Culturbestrebungen (Naszif al- Jazidschi, Butrus al- Bustani), mit ihren nach europäischem Muster eingerichteten politisch-socialen, belletristischen und wissenschaftlichen Zeitungen und sonstigen Editionen. Mit den eben genannten hervorragendsten Vertretern dieser Bewegung wechselte er oft Briefe, in denen einzelne sprachliche Momente der nach Leipzig eingegangenen Publicationen verhandelt wurden. Die gelehrten Syrer anerkannten ihn als ebenbürtigen Scheich. Mit seinem Empfehlungsbriefe an Butrus ausgerüstet konnten junge europäische Gelehrte, die nach Beirut kamen, zuvorkommender Förderung und Freundschaft in jenen Kreisen sicher sein.

Ein fruchtbar nachwirkender Gedanke Fleischer’s war die Gründung einer Deutschen Gesellschaft, die berufen sein sollte, als Vereinigungspunkt der Bestrebungen auf dem Gebiete der orientalischen Wissenschaften zu dienen. Nach dem Muster der in Frankreich bereits seit 1821, zuerst unter dem Präsidium de Sacy’s eröffneten Société Asiatique mit ihrem „Journal Asiatique“, entwarf er im J. 1843 im Verein mit Rödiger, Pott (Halle), Olshausen (Kiel), Heinrich Brockhaus (Leipzig) und v. d. Gabelentz (Altenburg) den Plan einer Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, die sich 1845 constituirte und seit 1846 mit ihrer „Zeitschrift“ und ihren sonstigen Publicationen zur Förderung der verschiedenen Zweige der orientalischen Studien in Deutschland kräftig beigetragen hat. Die Annalen dieser Gesellschaft, die der geschäftsführende Vorstand zu ihrem halbhundertjährigen Bestande entwarf, künden die erfolgreiche Arbeit, die er, der in der Liste der Mitglieder die Nummer 1 trägt, in der Organisation und Leitung der Gesellschaft, der Vervollkommnung ihres litterarischen Organs geleistet hat. „Obwohl niemals verantwortlicher Redakteur – heißt es da – hat doch Fl. nicht nur die Interessen der D. M. G. in seinem langen Leben wie kein Zweiter vertreten und gefördert, sondern auch auf die Zeitschrift und Redaktion durch Rath und That einen im Besondern großen Einfluß geübt.“ Zur Feier ihres 25jährigen Bestandes (1870) publicirte er selbst als Festgabe die neuplatonische Schrift „Hermes Trismegistus an die menschliche Seele“, nach einer Handschrift der Leipziger Rathsbibliothek, in arabischer und deutscher Sprache, womit er in Reiske’s Spuren trat, der schon 1736 seine Aufmerksamkeit diesem merkwürdigen Denkmal zuwandte.

Neben diesem stets mit großer Hingebung gepflegten gesellschaftlichen Wirkungsgebiet hat F. auch eine gewissenhafte Amtsthätigkeit der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften gewidmet, der er seit ihrer Gründung (1846) angehörte und 1855–1883 zuerst als stellvertretender, dann als erster Secretär seine Dienste widmete. Ein großer Theil seiner litterarischen Publicationen ist in den Sitzungsberichten dieser Gesellschaft erschienen, die ein Bindemittel mehr war, um ihn an seiner sächsischen Heimath und insbesondere [593] an seinem Leipzig festzuhalten. Einen ehrenvollen Ruf nach Berlin (1860) lehnte er ab.

Seiner großen Berühmtheit und weitausgreifenden Wirksamkeit entsprachen die Auszeichnungen, die ihm von Universitäten, Regierungen und gelehrten Gesellschaften des In- und Auslandes zu Theil wurden. Die Universitäten Königsberg (1844), Prag (1849), St. Petersburg, Dorpat (1874) und Edinburgh (1884) ernannten ihn zum Ehrendoctor; die Académie des Inscriptions et Belles-lettres (an Stelle Böckh’s, 1861), die Akademie der Wissenschaften in Berlin (1874), die niederländischen Institute in Amsterdam und Haag, die bairische Akademie, die Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften, die ungarische Akademie, sowie die wissenschaftlichen Gesellschaften in Christiania und Kopenhagen u. a. m. erwählten ihn in die Reihe ihrer Mitglieder, sowie ihn außer der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft auch die Royal Asiatic Society in England und die American Oriental Society unter ihre Ehrenmitglieder reihten. Die Regierung seines sächsischen Vaterlandes zeichnete ihn wiederholt durch Verleihung hoher Orden und Ehrenzeichen aus; in derselben Weise bezeigten ihm auch die österreichisch-ungarische, bairische, russische und italienische Regierung ihre Anerkennung; 1868 erhielt er den preußischen Orden pour le mérite. Bei seinem fünfzigjährigen Doctorjubiläum (1874) ehrten ihn seine Vaterstadt Schandau und die Stadt Leipzig durch die Erwählung zum Ehrenbürger. Zur selben Gelegenheit wurde ihm zu Ehren von Schülern und Freunden ein bei der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft zu verwaltender Fonds gestiftet, dessen Erträgniß als „Fleischer-Stipendium“ alljährlich einem jungen Orientalisten ohne Unterschied des Glaubens und der Nationalität zuerkannt wird. Ein erlesener Kreis von früheren Schülern widmete ihm zu diesem Jubelfeste eine gelehrte Sammelschrift u. d. T.: „Morgenländische Forschungen“ (Leipzig 1875): „eine Reihe tüchtiger Arbeiten aus sehr verschiedenen Gebieten der orientalischen Studien, welche nur dadurch untereinander verbunden sind, daß sie alle die Schule Fleischers bewähren“ (Nöldeke).

Bis hart an das Ende seiner irdischen Laufbahn hat er seine Lehrthätigkeit gewissenhaft erfüllt. Er hatte noch die Freude, an die mit seinen Zusätzen bereicherte gesammelte Ausgabe der in Zeitschriften, in den Sitzungsberichten der Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften u. a. m. zerstreuten Aufsätze und Abhandlungen („Kleinere Schriften“, 3 Bde. 1885–88) selbst Hand anlegen zu können und die Ausführung derselben bis etwa zur Hälfte des dritten Bandes zu leiten. Kurz vor seinem 50jähr. Professorenjubiläum (19. October 1885) schlich sich eine immer bedenklicher sich gestaltende Krankheit an ihn heran, durch die er sich aber an der Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Arbeit und seiner Lehrthätigkeit, die er bis 17. November 1887 fortführte, nicht stören ließ.

Er starb am Abend des 10. Februar 1888 und wurde am 13. auf dem Johannisfriedhofe zu Grabe getragen. An seiner Bahre sprachen Worte des Abschieds der Sanskritist Professor Ernst Windisch im Namen der Universität und der Morgenländischen Gesellschaft, sein ältester Schüler Professor der Theologie Franz Delitzsch im Namen der Schüler.

F. war seit 27. September 1836 mit Ernestine Mathilde, Tochter des sächsischen Brigadeauditeurs a. D. Friedrich Leberecht Jässing verheirathet; sie starb am 14. Juli 1898. Von seinen Söhnen wirkt Dr. Kurt F. als Professor an der Fürstenschule in Grimma; der Jurist Georg F. als Handelskammerdirector in Leipzig; sein Schwiegersohn ist kaiserl. russ. wirkl. Staatsrath Dr. Ferdinand Mühlau, Professor der Theologie früher in Dorpat, gegenwärtig in Kiel.

[594] Heinrich Thorbecke, Dem Andenken Heinrich Leberecht Fleischers (Zeitschrift d. deutschen morgenländ. Gesellsch. Bd. 42, S. 695–700). – August Müller, H. L. Fleischer (Bezzenberger’s Beiträge z. Kunde d. indogerm. Sprachen, Bd. 15, S. 319–337); dasselbe in englischer Uebersetzung (Smithonians Report for 1889. Washington 1902, S. 507–525). – I. Goldziher, Emlékbeszéd Fleischer H. L. felett (in ungarischer Sprache, Budapest 1889, unter den Denkreden d. ungar. Akademie d. Wissenschaften Bd. 5, Nr. 4). – Zwei Vorträge (noch im Manuskript) von Prof. Kurt Fleischer gehalten in der XII. und XIII. Jahresversammlung (1902 und 1903) des Sächs. Gnmnasiallehrervereins. – Briefliche Mittheilungen desselben und seiner Schwester, Frl. Mathilde Fleischer in Leipzig, auf Grund der seit 1812 geführten Tagebuchaufzeichnungen und von Familienbriefen ihres Vaters, für welche der Unterzeichnete hier auch öffentlich seinen Dank ausspricht.