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ADB:Friedrich Wilhelm (Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Oels)

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Artikel „Friedrich Wilhelm, Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Oels“ von Ferdinand Spehr in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 508–514, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedrich_Wilhelm_(Herzog_von_Braunschweig-L%C3%BCneburg-Oels)&oldid=- (Version vom 30. November 2024, 20:41 Uhr UTC)
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Friedrich Wilhelm, Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Oels, geb. am 9. Oct. 1771, † 1815, war der vierte und jüngste Sohn des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig und der Herzogin Auguste, geborene Prinzessin von Großbrittanien. Sein Vater, welcher durch den würdigen Abt Friedrich Wilhelm Jerusalem in wahrhaft liberaler Weise erzogen war und bei seinem scharfen klaren Verstande das Gewagte einer solchen Erziehungsweise für einen Fürstensohn nach damaligen Ansichten einsah, verfiel in den entgegengesetzten Fehler und ließ seine Söhne mit unnachsichtiger Strenge erziehen; namentlich der lebhafte, mit reiner Empfänglichkeit ausgestattete jüngste Prinz, wurde der Gewalt eines harten und dabei wenig gebildeten Gouverneurs untergeben, der die geringsten Versehen seines Zöglings mit Schimpfworten und Faustschlägen strafte. Dazu war der erste Lehrer des Prinzen, ein gewisser Jocardi, ein scheinheiliger Wüstling, der die Zimmer seines Zöglings nicht selten zum Schauplatze seiner Schlemmereien und seines liederlichen Lebenswandels machte. Die späteren Lehrer, Pockels und Berkhan, waren ehrenwerthe Männer, vermochten aber keinen bleibenden Einfluß auf den feurigen, schon früh nach Ungebundenheit strebenden Prinzen zu gewinnen. So wurde dessen wissenschaftliche Ausbildung nicht in dem Grade erzielt, wie sie für einen Fürsten, besonders einen regierenden, erforderlich ist, ein Mangel, den der für alles Schöne und Gute so empfängliche Fürst, als er in späteren Jahren zur Regierung gelangte, oft laut und bitter beklagte. F. W. konnte für seinen strengen Vater keine kindliche Liebe empfinden; er kannte nur Furcht und Entfremdung. – Nach Beendigung seiner Erziehung und erfolgter Confirmation trat F. W. im J. 1787 als Stabscapitän bei dem Infanterieregimente von Riedesel in Braunschweig in den Militärdienst ein und nahm zu seiner weiteren Ausbildung unter Begleitung des Ingenieurmajors Moll und des Bibliothekars Langer einen längeren Aufenthalt in der Schweiz. Die Absicht, auch Italien zu besuchen, wurde der beginnenden italienischen Wirren wegen aufgegeben. Von vier Brüdern der jüngste, hatte er keine Aussicht, dereinst zur Regierung zu gelangen; sein höchstes Ziel war Erringung einer hohen militärischen Stellung in einer ausländischen Armee. Er trat deshalb in das preußische Heer, zuerst als Stabscapitän in dem Regimente von Lengefeld in Magdeburg ein. Auch jetzt noch suchte der Vater ihn stets in der alten Abhängigkeit zu erhalten und stellte ihn unter strenge Aufsicht, welche auch dann noch fortdauerte, als F. W. am 26. Mai 1791 zum Major ernannt wurde, nachdem ihm schon zuvor der schwarze Adlerorden verliehen war. In den Feldzügen von 1792 und 1793 gab er Beweise persönlicher Tapferkeit; am 27. Nov. 1792 wurde er nicht ungefährlich verwundet. Nach dem Baseler Friedensschlusse im J. 1795 wurde er zum Obersten des von Thaddenschen, später von Renouardschen Infanterieregiments zu Halle ernannt. Auch hier hatten ältere Officiere den Auftrag, den Prinzen scharf zu beobachten und über seine Lebensweise dem [509] Vater nach Braunschweig zu berichten. Die Lebhaftigkeit des jungen Prinzen, welcher erklärlich den Umgang mit jüngeren Officieren dem mit älteren vorzog, gab Veranlassung zu manchen Reibereien und Unannehmlichkeiten mit den Studenten, so daß F. W. als Oberst und Regiments-Commandeur in das v. Kleist’sche Regiment, welches in Prenzlau in Garnison lag, versetzt wurde. Als General v. Kleist zum Gouverneur von Magdeburg ernannt worden, wurde er Generalmajor und Chef des Regiments. – Am 1. Nov. 1802 vermählte sich F. W. mit der Prinzessin Marie (Elisabeth Wilhelmine) von Baden, geb. am 7. Sept. 1782, der vierten Tochter des Erbprinzen Karl Ludwig von Baden und der Prinzessin Amalie Friederike von Hessen-Darmstadt, mit welcher er in glücklicher Ehe lebte und welche ihm am 30. Oct. 1804 den am 19. Aug. 1873 zu Genf verstorbenen Herzog Karl II. und am 25. April 1806 den jetzt regierenden Herzog Wilhelm von Braunschweig gebar. – Durch den am 8. Oct. 1805 erfolgten kinderlosen Tod seines Oheims, des Herzogs Friedrich August von Braunschweig-Oels, gelangte F. W., zufolge des am 7. Octbr. 1785 darüber vom Könige Friedrich II. von Preußen als obersten Lehnsherrn ausgefertigten und im J. 1787 vom Könige Friedrich Wilhelm II. von Preußen bestätigten Mitbelehnungsdecrets in den Besitz der in Schlesien belegenen Fürstenthümer Oels und Bernstadt. Diese Erbschaft, durch deren Ertrag eines Theils sein Einkommen beträchtlich vermehrt wurde, während andererseits ein lohnender Kreis der Thätigkeit sich ihm darbot, führte für F. W., was ihm vor allen lieb war, Unabhängigkeit vom Vater herbei. Unerwartet starb am 20. Sept. 1806 der älteste Bruder, der Erbprinz Karl Georg August, geboren am 8. Febr. 1766, der in kinderloser Ehe gelebt hatte, am Schlage. Die beiden folgenden Brüder, Georg, geb. am 17. Juni 1769 und August, geb. am 18. August 1770, waren fast gänzlich erblindet und wenig geistesbegabt. Herzog Karl Wilhelm Ferdinand, bereits im Alter von 71 Jahren, traf nun Vorkehrungen zur Verzichtleistung der älteren Prinzen auf die Regierungsnachfolge im Herzogthum Braunschweig und Uebertragung derselben auf den allein den Stamm fortpflanzenden, jüngsten Prinzen F. W. Noch ehe diese Angelegenheit zu Ende geführt werden konnte, begaben sich Vater und Sohn zu der in Thüringen stehenden preußischen Armee, der Vater als oberster Befehlshaber, der Sohn als Generalmajor, mit seinem Regimente dem Corps des Herzogs von Sachsen-Weimar zugetheilt. Die unglückliche Doppelschlacht bei Jena und Auerstädt, 14. Oct. 1806, entschied über das Leben des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand und auf mehrere Jahre auch über das Schicksal des Herzogthums Braunschweig. Durch einen Schuß über dem Auge schwer verwundet und des Augenlichtes beraubt, wurde der regierende Herzog in sein Land zurückgebracht. Auf dem Wege dahin, in Wasserleben bei Wernigerode, traf Herzog F. W., welcher mit seinem Regimente am Schlachttage nicht zum Gefecht gekommen war, mit seinem Vater zum letzten Male zusammen und hier wurden die aus Braunschweig vom 21. Oct. 1806 datirten Urkunden ausgefertigt und vollzogen, welche dem jüngsten Prinzen und dessen Söhnen die Regierung des Herzogthums sicherten. Herzog F. W. schloß sich mit seinem Regimente dem Blücher’schen Corps an und zog mit diesem an die Küsten der Ostsee sich zurück, wo sein Regiment bei der Erstürmung von Lübeck durch die Franzosen, am 6. Nov. 1806, mit großer Tapferkeit, jedoch vergebens gegen die erdrückende Uebermacht kämpfte. Mit dem ganzen Blücher’schen Corps durch die Capitulation von Ratkau kriegsgefangen, jedoch bald auf Ehrenwort entlassen, eilte F. W. nach Ottensen bei Altona, wohin man den sterbenden Vater vor den andringenden Franzosen auf neutrales Gebiet gerettet hatte. Er konnte nur der Leiche des am 10. Nov. 1806 verstorbenen Vaters das letzte Geleit geben, dann begab er sich über Schweden mit seiner Gemahlin [510] und seinen beiden Söhnen nach Bruchsal zu seiner Schwiegermutter, der Markgräfin Amalie Friederike von Baden, um die Entwicklung der Ereignisse abzuwarten, da er die Hoffnung hegte, durch die Verwendung Rußlands, dessen Kaiserin die Schwester seiner Gemahlin war und durch den Großherzog von Baden, den viel geltenden Verbündeten des Kaisers Napoleon, die Rückgabe seines Landes erlangen zu können. Allein im Frieden zu Tilsit geschah seiner keine Erwähnung. Das Herzogthum Braunschweig wurde dem neuerrichteten Königreich Westfalen einverleibt und Herzog F. W. war Regent ohne Land. Ein neuer tiefer Schmerz stand ihm noch bevor. Am 21. April 1808 starb die Herzogin Marie, von einer todten Prinzessin schwer entbunden. Alles, was ihm außer seinen beiden Söhnen theuer, war jetzt für ihn dahin. Ein bitterer Haß gegen den Räuber seines Landes, den Mörder seines Vaters und, wie er wähnte, auch seiner Gattin erfüllte seine Brust. Er hatte nur Ruhe in dem Gedanken, dem Feinde sein Land wieder zu entreißen. Gelegenheit hierzu glaubte er im J. 1809 zu finden. Der in diesem Jahre ausbrechende Krieg zwischen Oesterreich und Frankreich, veranlaßte ihn, im Bunde mit Oesterreich die Waffen gegen seinen Todfeind zu ergreifen. Das Anerbieten, im österreichischen Heere eine Befehlshaberstelle anzunehmen, schlug er aus, als deutscher Reichsfürst wollte er seinen Gegner bekämpfen und in dieser Eigenschaft verbündete er sich als Bundesgenosse mit Oesterreich. In den böhmischen Städten Braunau und Nachod an der schlesisch-preußischen Grenze formirte er ein eigenes Corps, vorerst bestehend aus einem bunten Gemisch von Leuten aus allen Ländern. Das Officiercorps bildete F. W. größtentheils aus ihm mehr oder minder bekannten früher preußischen Officieren, welche in der Folge mit wenigen Ausnahmen durch Ausdauer und Bravour seine Wahl rechtfertigten und ihm auf seinem kühnen Zuge durch Norddeutschland bis ans Meer und darüber hinaus nach England folgten. Zwei bewährte Officiere aus altbraunschweigischen Diensten, der Major v. Bernewitz (siehe dessen Biographie Bd. II. S. 414) und besonders der Artilleriehauptmann Korfes, zu denen sich später nach dem verunglückten Dörnberg’schen Aufstande auch andere früher braunschweigische Officiere, Pott, die Brüder Girsewald, Heusinger u. a. m. einfanden, standen dem Herzoge bei der Errichtung und Organisation des Corps thätig zur Seite. Die Mehrzahl der Officiere waren Männer von deutscher Kraft und ausgezeichnetem Muthe, erfüllt von Haß gegen den fränkischen Uebermuth und von Gram über das Mißgeschick Deutschlands. Einige wenige Elemente, welche nur aus Raub- und Rauflust der Werbetrommel gefolgt waren, schieden bald wieder aus, als die Ereignisse es klarstellten, daß der Zweck des Herzogs nur auf Befreiung des Vaterlandes von fremdem Joch gerichtet war. Das Corps wuchs schnell an, es war zur Zeit der ersten Formation, am 1. April 1809, auf insgesammt 2000 Mann berechnet und bestand anfänglich aus einem leichten Infanterieregimente zu 8 Compagnien, einem gut berittenen Husarenregimente zu 6 Escadrons und einer Batterie reitender Artillerie, zu 8 Geschützen bestimmt, welche jedoch nie mehr als 4 Geschütze hatte. Später wurde das Corps noch um eine Scharfschützencompagnie, ein nicht vollständig gewordenes drittes Bataillon Infanterie und eine Escadron Ulanen vermehrt. Zur Uniform hatte F. W. die schwarze Farbe gewählt, Schnürenröcke mit blauen Aufschlägen. Den Tschacko zierte ein Roßschweif, darunter ein Todtenkopf mit kreuzweis gelegten Todtenbeinen von weißem Metall. Seine Krieger, fast sämmtlich ausgezeichnet durch Todesverachtung, ausharrenden Muth und unerschütterliches Vertrauen auf die gerechte Sache, nannten sich „die Schwarzen“, auch wol „das Corps der Rache“. – Am 21. Mai 1809 rückte Herzog F. W. mit seiner Schaar über die böhmische Grenze in Sachsen in die Stadt Zittau (Ober-Lausitz) ein, kämpfte hier zuerst gegen ein unter dem damaligen [511] sächsischen Obersten (später preußischen General der Cavallerie) v. Thielemann, stehendes überlegenes sächsisches Truppencorps, vor welchem er am 30. Mai aus Zittau sich zurückziehen mußte, wohin er aber bereits in der folgenden Nacht zurückkehrte und die Sachsen zurückdrängte. Als Thielemann, um Repressalien zu gebrauchen, mit seinem Corps in Böhmen einrückte, erfolgte der Einmarsch der Oesterreicher unter dem General v. Amende in Sachsen und die Vereinigung derselben mit den Braunschweigern. Gemeinschaftlich rückten beide Verbündete bis Dresden (11. Juni 1809) und später bis Leipzig vor, ohne daß das österreichische Corps, theils durch seine Bestimmung, theils durch die persönlichen, nicht eben hervorragenden Eigenschaften seines Führers, welcher vorsichtig und bedächtig keineswegs den Eifer und das Feuer des Herzogs theilte, sich geeignet zeigte, den raschen und gewagten Schritten des letzteren zu folgen. Dieses Verhältniß änderte sich, als an die Stelle des unschlüssigen Generals v. Amende der Feldmarschalllieutenant v. Kienmeyer trat und mit einem größeren österreichischen Corps sich mit den Braunschweigern vereinigte, wodurch Herzog F. W. einen festen Anhaltspunkt erhielt. Ihnen entgegen rückte König Jerôme von Westfalen mit einem Heere in Sachsen, mehr zu des Landes Bedrängnisse, als zum Schutze desselben ein und wenn auch eine von F. W. aus dem Schlosse Hubertusburg erlassene Proclamation an die gegen ihn anrückenden Westfalen ohne Wirkung blieb, so war er doch gegen den Usurpator seines Landes in einem Treffen bei Obermarbach am 27. Juni siegreich, wodurch er den Oesterreichern und seinem Corps den Weg nach Franken in das Baireuth’sche öffnete. Hier standen die Oesterreicher unter dem General v. Radivojevich den Franzosen unter General Junot, Herzog v. Abrantes, gegenüber. Glücklich vollführte Kienmeyer die Vereinigung mit Radivojevich bei Boeseneck. Junot wurde von den vereinigten Oesterreichern und Braunschweigern bei Berneck mit empfindlichem Verluste zurückgedrängt und mußte sich eiligst über Baireuth zurückziehen, so daß für die nächste Zeit ganz Franken von den Franzosen befreit war. Herzog F. W. wendete sich mit den Oesterreichern gegen den König von Westfalen, welcher mit seinem Heerhaufen von Dresden aus ihnen nachgezogen war. Zwischen Hof und Plauen hatten beide Theile Stellung genommen; König Jerôme überließ jedoch bald das Feld den Gegnern und zog sich nach Schleiz, später sogar nach Erfurt zurück. Kienmeyer mußte, da er seiner Instruction zufolge den Ausgang des Kampfes zwischen den beiden Hauptheeren an der Donau abwarten sollte, dem Herzoge die Verfolgung allein überlassen, wodurch der letztere in seinem Vordringen und in der Erreichung seines Zieles gelähmt wurde. Noch hegte F. W. die Hoffnung, siegreich nach Norddeutschland vordringen zu können und durch einen Volkskrieg die Franzosen vertrieben zu sehen. Da vernichtete die Kunde von dem nach der Schlacht bei Wagram zwischen Oesterreich und Frankreich abgeschlossenen Waffenstillstande alle seine Erwartungen. Oesterreich versprach ihm, daß er in die ferneren Friedensverhandlungen mit aufgenommen werden solle, sobald er darauf verzichte, als selbständiger deutscher Fürst behandelt zu werden. Aber gerade durch diesen Standpunkt sah sich F. W. jetzt in eine Unabhängigkeit versetzt, welche seine weiteren Schritte rechtfertigte. Als selbständiger Reichsfürst führte er fortan allein den Krieg gegen Frankreich und dessen Bundesgenossen fort. Er schlug die ihm von Oesterreich angebotenen Cantonirungsquartiere um Kommotau in Böhmen aus und am 27. Juli versammelte er bei Zwickau die Officiere seines Corps um sich und eröffnete ihnen seine Absicht, nach Norddeutschland vorzudringen, indem er es nicht für unmöglich hielt, daß durch das Erscheinen der Schwarzen daselbst der dort gegen die Franzosen schlummernde Volkshaß zum Ausbruche kam und der politischen Lage eine andere Gestalt geben konnte. Nach kurzer Berathung mit den Officieren, von [512] denen zwar mehrere, besonders vom Husarenregimente, den ihnen freigestellten Abschied vom Corps nahmen, die Mehrzahl aber, wie fast das gesammte Corps, dem kühnen Führer folgte, begann nun jener denkwürdige Zug von der böhmischen Grenze bis an die Küsten der Nordsee, der den gelungensten Kriegsthaten aller Zeiten in erster Reihe zuzuzählen ist und welcher, wie Häusser in seiner neueren Geschichte Deutschlands schreibt, „den Nimbus der Napoleonischen Königreiche zerstörte und die Welt überzeugte, daß am Tage der Katastrophe schon ein mäßiger Stoß genügen werde, diese Vorwerke seiner Macht zu zertrümmern. Der Zug Friedrich Wilhelms war der drohende Schatten, den drohende Ereignisse vor sich herwarfen“. Durch zahlreiche Feinde, die seine kleine Macht zu gering achteten, um außerordentliche Anstalten dagegen zu treffen, bahnte F. W. mit dem Schwerte sich den Weg und besiegte die feindlichen Heerhaufen, welche sich ihm entgegen warfen. Am 25. Juli war er bereits in Leipzig, von wo er den Marsch über Halle fortsetzte. Am 29. Juli gegen Abend kam er vor Halberstadt an, in welches am Mittage erst das fünfte westfälische Infanterieregiment unter dem Obersten Meyronnet, Grafen von Wellingerode, eingetroffen war und seinen ferneren Marsch zu verhindern suchte. Nach mehrstündigem blutigen Kampfe wurde die von den Westfalen tapfer vertheidigte Stadt durch Sturm erobert und fast das ganze Regiment mit seinem Obersten zu Gefangenen gemacht. Am Abend des 31. Juli traf F. W. mit seinen Getreuen in der Hauptstadt seines Herzogthums ein, wo er den kurzen Aufenthalt benutzte, um in einer Proclamation vom 1. August 1809 feierlich von dem Erbe seiner Väter Besitz zu nehmen und gegen die feindliche Besitznahme zu protestiren, während er in einer zweiten die Braunschweiger aufforderte, die öffentliche Ruhe und Ordnung zu erhalten und den Anordnungen der angestellten Beamten Folge zu leisten. Noch an demselben Tage bestand er gegen ein unter General Reubell anrückendes, etwa 5000 Mann starkes westfälisches Corps, welches ihm den Weg verlegen wollte, bei dem unweit Braunschweig belegenen Dorfe Oelper ein siegreiches Gefecht, wobei ihm ein Pferd unter dem Leibe erschossen wurde, marschierte dann über Hannover, Nienburg, Hoya und Syke in das Oldenburgische, wo er bei Elsfleth und Brake am 7. August 1809 seine Truppen auf mehreren Weserschiffen glücklich einschiffte. Am Ausflusse der Weser erwartete die kühnen Streiter, nachdem die Fahrzeuge vom Strande ab noch durch dänische Kugeln erfolglos beschossen waren, eine englische Flottille unter Lord G. Stuart. Herzog F. W. bestieg die Brigg Mosquido, betrat am 14. August 1809 zu Great Grimsby am Ausflusse des Humber das gastliche England und traf am folgenden Tage in London ein. – Glücklich war der kühne Zug vollführt. Innerhalb 14 Tagen hatte F. W. seine kleine Heldenschaar, von mehr als 15000 Feinden verfolgt unter 11 siegreichen Gefechten 62 Meilen weit von den böhmischen Marken mitten durch das Feindesland geführt und mit Muth, Entschlossenheit und Geschick glücklich gegen die Uebermacht gekämpft. „Braunschweig-Oels und seine Schwarzen“ wurden Volkshelden, deutsche und englische Frauen trugen Kleidung à la Brunsvick und zahlreiche Lieder und Gedichte feierten den Herzog und seine Schaar. Selbst Napoleon hatte er Achtung abgerungen und ihn zu dem Ausrufe veranlaßt: „Ah c’est un vaillant guerrier!“ – Während F. W. sich nach London begab, wurde seinem Corps die Insel Wight zum Standquartiere angewiesen, wo es am 25. Sept. 1809, als für sich bestehend und den Namen des Herzogs führend, in englischen Sold genommen und dem englischen Heere in Spanien eingereiht wurde, wo es in den J. 1810–14 an den Feldzügen gegen die Franzosen mit Ruhm und Ehre Theil nahm. – Der Herzog wurde als naher Verwandter des königliches Hauses, als Neffe des Königs Georg III. und Schwager des nachherigen Königs Georg IV. mit großen Ehrenbezeugungen aufgenommen; [513] vom Parlamente wurde ihm außer seinem Gehalte als Oberst seiner Regimenter zu 1500 Pfund Sterling noch ein Jahrgehalt von 7000 Pfund bewilligt. Da das englische Ministerium auf seine Vorschläge hinsichtlich einer Landung englischer Truppen in Deutschland nicht einging, so wartete er, seinen Wohnsitz in Belmonthouse bei London nehmend, den Gang der Ereignisse in Europa ab. Bei der Kunde von der Vernichtung der französischen Armee in Rußland und dem Abschlusse eines Bündnisses Rußland’s mit Preußen, eilte er im März 1813 in das Hauptquartier der Verbündeten, kehrte aber bald wieder nach England zurück, ohne an den ferneren Ereignissen in Deutschland vorerst unmittelbar persönlichen Antheil zu nehmen. Nach der Schlacht bei Leipzig sandte er seinen Adjutanten, Major Olfermann, als Bevollmächtigten nach Braunschweig, um in seinem Namen von dem Herzogthum Besitz zu nehmen und zugleich die Errichtung eines Truppencorps zur Bekämpfung des Feindes zu betreiben. Am 22. Decbr. 1813 traf er selbst unter dem Jubel der ihn mit ungeheuchelter Liebe und Anhänglichkeit empfangenden Braunschweiger in seines Landes Hauptstadt ein. Sein Hauptaugenmerk richtete er in der ersten Zeit seiner Regierung auf die Ausrüstung eines schlagfertigen Truppencorps. Seine Thätigkeit als Regent war weniger nutzbringend für das Land, da es ihm an jeder Staatspraxis mangelte und er, rasch im Wollen und Vollbringen, sich über manches Vorurtheil hinwegsetzend, manche Uebereilung beging. Auch währte seine Regierung zu kurze Zeit, um segensreich wirken zu können. Seine oft in Ungestüm ausartende Ungeduld und sein Haß gegen alles, was aus der westfälischen Zeit stammte, trat oft den für das Land heilsamsten Einrichtungen hindernd in den Weg; sein Willen war der beste und nur auf das Wohl des Landes gerichtet, aber die Eile, mit welcher er alle Angelegenheiten betrieb, führte oft zu Verstößen und Uebereilungen, welche zu manchem Mißvergnügen Anlaß gaben. Im Vertrauen auf seinen eigenen Scharfblick und durch zu großes Selbstvertrauen getäuscht, wählte er Rathgeber und Vertrauenspersonen, welche ihren wichtigen Stellungen nicht immer gewachsen waren. Dadurch entstand sowol beim Herzoge selbst, als bei seinen Beamten und dem Volke nicht selten eine Verstimmung, welche jedoch durch die Bereitwilligkeit des Herzogs verkehrt ergriffene Maßregeln einzusehen und wieder gut zu machen, bald wieder gehoben wurde, zumal seine Leutseligkeit, seine Freundlichkeit und sein redlicher Willen ihm aller Herzen gewannen und man überzeugt sein durfte, daß sein klarer gesunder Sinn ihn bei längerer Regierung und gesammelter Erfahrung bald auf den richtigen Weg geführt haben würde. Freundlich und herablassend hörte er Jedermann, auch den Geringsten, willig an und keinen gerechten Antrag ließ er unberücksichtigt. Deshalb hieß er im Munde der Braunschweiger nur der „Bürgerfürst“. – Während des Congresses begab er sich auf kurze Zeit nach Wien, wo ihn jedoch weder die diplomatischen Verhandlungen, noch die Ansichten einzelner Mitglieder der Versammlung ansprachen, weshalb er bald nach Braunschweig zurückkehrte. Durch Napoleon’s Landung in Frankreich wurden die bestehenden Verhältnisse plötzlich wieder geändert. Es rückten die Heere der verbündeten Mächte wieder gegen Frankreich vor. Schnell hatte F. W. sein Corps gerüstet und schon am 17. April 1815 konnte dasselbe etwa 7000 Mann stark, nach Belgien abmarschieren, wo es in der Umgegend von Brüssel Cantonnements bezog. In der Schlacht bei Quatrebras, am 16. Juni 1815, führte F. W. seine Truppen persönlich ins Gefecht; kaltblütig setzte er sich der Gefahr aus, seinen Kriegern ein leuchtendes Vorbild und Beispiel von ausdauernder Tapferkeit. Sieben Stunden lang hielten die Braunschweiger in Verbindung mit den Hannoveranern und Engländern unerschütterlich die steten [514] Angriffe der vom Marschall Ney befehligten Franzosen aus. Im stärksten Feuer glänzte der Heldenmuth Friedrich Wilhelms heller denn je. Da gegen 7 Uhr Abends trabt ein französisches Kürassierregiment heran und bringt die jungen, größtentheils noch ungeübten braunschweigischen Truppen in Unordnung. Der Herzog eilt herbei, um die Ordnung herzustellen, als ihn die tödtende Kugel trifft, welche seinem Leben rasch ein Ende macht. Der Schuß, von einer Flintenkugel herrührend, hatte das rechte Handgelenk zerschmettert, war an der rechten Seite des Leibes durch die Leber in schiefer Richtung in den Körper gedrungen und durch die Lunge auf der linken Seite wieder aus dem Körper gegangen. Jede Hülfe war vergebens, nach wenigen Minuten war F. W. todt. Die Leiche wurde nach Braunschweig gebracht, wo sie in der Nacht des 3. Juli durch treuer Bürger Hände zum St. Blasius-Dome gefahren wurde, in welchem der große Ahnherr seines Geschlechts, Herzog Heinrich der Löwe, ebenfalls seine letzte Ruhestätte gefunden hatte. – „War ihm auch nicht vergönnt, mit dem Bewußtsein zu sterben, daß er als Opfer eines späteren theuer erkauften Sieges gefallen, so kann doch nicht bezweifelt werden, daß er sterbend noch seinem Gegner den fast gewissen Siegeslorbeer vom Haupte riß. Er und seine Schaar haben das wankende Gefecht bei Quatrebras zum Stehen gebracht und durch ihre todesmuthige Ausdauer den späteren Sieg vorbereitet. Ohne sie hätte es vielleicht kein Waterloo gegeben und Napoleon’s Lage hätte leicht eine andere Wendung nehmen können“. – Die Trauer um Friedrich Wilhelms Tod war eben so allgemein als gerecht. Zwei Fürsten, Vater und Sohn, hatten innerhalb 9 Jahren dem Vaterlande ihr Leben geopfert. Ihnen zum gemeinschaftlichen Gedächtnisse wurde auf der Wallpromenade Braunschweigs der hohe eiserne Obelisk errichtet, der die schönste Zierde der Umgebung der Stadt ist.

Zahlreich sind die über Herzog F. W. erschienenen Biographieen und Abhandlungen. Von ihnen nennen wir: W. Müller, Friedrich Wilhelm, Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Oels in Liedern der Deutschen. Braunschweig 1843. 8. – L. F. Spehr, Friedrich Wilhelm, Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Oels. Ein biographisches Denkmal. Mit Porträts und Schlachtenbildern. Braunschweig 1848. 8., 3. Aufl. ebend. 1865. 8. – Soldatenfreund, Jahrg. 21, Heft 11, 1854, 8.