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ADB:Gurlitt, Louis

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Artikel „Gurlitt, Heinrich Ludwig Theodor“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 642–644, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gurlitt,_Louis&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 04:13 Uhr UTC)
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Gurlitt: Heinrich Ludwig Theodor G., Landschaftsmaler, wurde am 8. März 1812 in Hamburg geboren. Er erhielt den ersten Unterricht durch Gensler in Hamburg und kam schon mit 16 Jahren in die Malerschule [643] von J. Bendixen daselbst, zu dessen begabtesten Schülern er gehörte. Bendixen, der seine Schüler vielfach mit Decorationsmalereien beschäftigte und ihnen dadurch einen sicheren Broterwerb verschaffte, verwies G. zunächst auf die Umgebung Hamburgs. Sein erstes Bild behandelte ein Motiv aus Buxtehude. Doch konnte sich G. zunächst nicht der Landschaft widmen, da er für seinen Unterhalt sorgen mußte. Er verlegte sich vielmehr auf das Bildnißmalen und brachte es in einiger Zeit dahin, sich die Summe von 400 Thalern zu ersparen, mit deren Hülfe er nach Kiel und weiter nach Kopenhagen wanderte, wo er die Akademie besuchte, die Rumohr für die damals beste Kunstschule hielt. Von Kopenhagen aus scheint er schon damals bis Norwegen vorgedrungen zu sein, da das erste in Kopenhagen von ihm ausgestellte Bild, das der Graf Raczynski kaufte, ein norwegisches Motiv darstellte. Nach seiner Rückkehr nach Kiel gelang es ihm, Eintritt in die Gips- und später in die Modellschule der dortigen Akademie zu gewinnen. Doch sagte ihm das Malen nach der Natur viel mehr, als der akademische Unterricht zu. Sobald er konnte, machte er sich wieder auf den Weg und landschafterte mehrere Jahre hindurch in Dänemark, Norwegen und Schweden herum. Aus dieser Zeit, d. h. aus dem Jahre 1835 hat sich ein Bild erhalten (im Besitz von Gurlitt’s Sohn Cornelius in Dresden), das einen sumpfigen Teich in einer Waldlichtung bei regnerisch grauem Himmel darstellt, und das sich durch „die Feinheit des Tones, durch sorgfältiges Festhalten des Duftes und durch die bei allem Reichthum der Lichtvertheilung völlig gewahrte Einheit der Stimmung“ auszeichnet. Nachdem sich G. im Mai 1837 zum ersten Male vermählt hatte, begab er sich mit seiner Frau auf die Reise, die ihn über München nach Oberitalien führte. Als er schon nach zwei Jahren diese Frau durch den Tod verloren hatte, kehrte er nach Kopenhagen zurück und hielt sich dort vier Jahre hintereinander auf. Damals wurde er zum Mitglied der Königlichen Akademie gewählt. Von Kopenhagen begab er sich nach Düsseldorf, wo er sich zum zweiten Male vermählte. Es folgte hierauf eine zweite Reise nach Italien und zwar über Genua nach Neapel. Er machte auch im Süden gründliche Naturstudien und wurde von der zeitgenössischen Kritik wegen seiner „großartigen Schilderungen aus dem italienischen Gebirgsleben, welche den höchsten malerischen Reiz mit einem glücklichen, plastischen Gefühl verbinden und die italienische Natur von einer neuen Seite zeigen“ ebenso gefeiert wie wegen seiner Darstellungen der einheimischen Natur aus der näheren und weiteren Umgebung Hamburgs. Auch die Künstler zollten G. bereitwillig Anerkennung. Bei einer römischen Künstlerversammlung erklärte Franz Catel, der letzte der in Rom thätigen Kochschüler: „Der hat Italien gemalt wie Keiner von uns allen“. G. hatte in Rom das Unglück, auch seine zweite Frau durch den Tod zu verlieren. Im J. 1846 reiste er nach Deutschland zurück und verbrachte den Winter 1846–1847 in Berlin. Im Frühjahr 1847 besuchte er seine Vaterstadt Altona und dann Kopenhagen, wo ihn König Christian VIII. zum Ritter des Danebrogordens ernannte. Nach dem Tode dieses seines Gönners zog er sich vor den stürmischen Ereignissen des Jahres 1848 auf das Gut Nischwitz in Sachsen zurück, drei Jahre lang ruhig nur seiner Kunst lebend. Hierauf übersiedelte er im J. 1851 nach Wien, wo er unter anderen mit dem Dichter Friedrich Hebbel, den er in Italien kennen gelernt hatte, und mit dem Physiolog Brücke anregenden Verkehr pflegte. Ungemein wanderlustig, hielt er es jedoch auch in Wien nicht lange aus. Er begab sich wieder auf Reisen nach Italien und Griechenland und pflegte dann für einige Zeit vom Jahre 1859 an in Siebleben bei Gotha wieder der Ruhe, wo ihm der Herzog von Coburg-Gotha eine Villa in der Nachbarschaft Gustav Freytag’s [644] eingeräumt hatte. In den Jahren 1867 und 1868 durchstreifte er Spanien und Portugal. Hierauf lebte er einige Jahre in Dresden, Plauen und schließlich in Steglitz bei Berlin, das sein letzter, bleibender Wohnsitz wurde. Im Sommer pflegte er in Naundorf bei Schmiedeberg im sächsischen Erzgebirge einzukehren. Dort ist er im 86. Lebensjahr am 19. September 1897 gestorben. Die Zahl seiner Bilder ist so groß, daß sie sich kaum übersehen läßt. Viele befinden sich in öffentlichen Sammlungen, z. B. in Berlin, Dresden, Hamburg und München. Besonders zahlreich sind seine Bilder im Hamburger Privatbesitz. Ueber den Verbleib seiner älteren Gemälde gibt Wurzbach den besten Aufschluß. Ihren Charakter mit kurzen Worten zu bestimmen ist nicht leicht. Das Merkmal, das sie vielleicht am meisten auszeichnet, ist eine eigene Mischung von Naturalismus und Stilisirung, denn sein Bestreben ging dahin, zugleich wahr und schön zu sein. Sein Einfluß auf jüngere Künstler darf nicht unterschätzt werden. Namentlich hat er auf Oswald Achenbach gewirkt, der ihm wiederholt schriftlich bekannte, durch ihn habe er Italien malen gelernt.

Vgl. Illustrirte Zeitung, Leipzig 1856, Nr. 638, S. 117–118. – A. Hagen, Die deutsche Kunst in unserem Jahrhundert, Berlin 1857, S. 4, 319, 410 und 411. – A. Springer, Geschichte der bildenden Künste im 19. Jahrhundert, Leipzig 1858, S. 176. – Wolfgang Müller von Königswinter, Düsseldorfer Künstler, Leipzig 1854, S. 333. – Wurzbach, Bd. VI, Wien 1860, S. 38–42. – Alfred Lichtwark, Herrmann Kauffmann und die Kunst in Hamburg von 1800–1850, München 1893, S. 67. – Dresdener Anzeiger vom 22. September 1897, Nr. 263, S. 30. – Kunstchronik N. F., IX. Jahrg., Sp. 42, 43. – Friedrich v. Boetticher, Malerwerke des 19. Jahrhunderts, Dresden 1895, 1. Bd., S. 434, 435. – Cornelius Gurlitt, Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts, Berlin 1899 (Register). – Friedrich Hebbel, Briefwechsel mit Freunden und berühmten Zeitgenossen. Herausg. von Felix Bamberg, Berlin 1890, Bd. 1, 2 (verstreut). – Friedrich Hebbel, Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe, besorgt von Richard Maria Werner, II. Abth., Tagebücher, Bd. 1–4, Berlin 1903 (Register).