ADB:Hofmann von Hofmannswaldau, Christian
Matthias mit dem Zusatze zu seinem Namen „von Hofmannswaldau“ geadelt worden war. Dieses Zusatzes bediente sich der Sohn selten; er zeichnete sich meist Christian H., achtete also ähnlich wie M. Opitz den in seiner Zeit so leicht erreichbaren Briefadel gering. Seine wissenschaftliche Bildung erhielt er in seiner Vaterstadt auf dem Gymnasium zu St. Elisabeth unter Elias Major und Christoph Colerus, später zu Danzig unter Mochinger. Hier verkehrte er auch täglich mit dem seit August 1636 dorthin übergesiedelten M. Opitz, dessen Dacia antiqua er versichert, vielfach in der Hand gehabt zu haben. Ein noch vorhandenes, von Opitz nach Leyden an H. gerichtetes Schreiben (Januar 1638) bestätigt dessen Werthschätzung des Jünglings. Dorthin war dieser nach zweijährigem Aufenthalte in Danzig 1637 gegangen, und dort studirte er 13 Monate lang unter Salmasius, Voß und Boxhorn. Von hier begleitete er einen Fürsten Fremonville über Amsterdam nach England und erlernte dessen Sprache, dann nach Frankreich, wo er in Paris mit den bedeutendsten Gelehrten, als Grotius, de Thou, Petavius u. a. in Verkehr trat. In Italien hielt er sich längere Zeit in Genua, Pisa und Siena auf, besuchte dann Rom, knüpfte auch dort Beziehungen zu Naudeus, Holstein u. a. an und kehrte dann nach sechsjähriger Abwesenheit über Florenz, Bologna, Venedig und Wien in seine Vaterstadt zurück. Hier fesselte man ihn 1643 durch eine Heirath und gab ihm drei Jahre später noch vor dem gesetzmäßigen Alter von 33 Jahren eine der ersten Stellen im Rathe der Stadt. Sendungen an den Regensburger Reichstag (1653) und wiederholte (1657, 1660 und 1669) nach Wien verschafften ihm mit der Gunst des Hofes 1657 den Titel eines kaiserlichen Rathes, und als 1677 der Rathspräses Johann Götz von Schwanenflies starb, wurde H. einstimmig zu dessen Nachfolger erwählt. Jedoch bekleidete er dies Amt nur zwei Jahre; hochgeachtet um seiner Rechtschaffenheit und Pflichttreue und allgemein verehrt um seiner Wohlthätigkeit und Humanität willen starb er mit Hinterlassung zweier Söhne am 18. April 1679. Sein College, der Rathssyndicus Daniel Kaspar v. Lohenstein hielt ihm am 30. April die Gedächtnißrede, die später gedruckt, die Hauptquelle für seine Lebensverhältnisse geworden ist, während über seinen inneren Bildungsgang die Vorrede zur Ausgabe seiner Uebersetzungen und Gedichte die beste Auskunft gibt. Darnach hatte er schon als neunjähriger Knabe seine Freude am Theuerdank und lernte an ihm die Silben zählen; später bildete er sich an Opitzens „reiner Schreibart“ und weiter an den alten lateinischen Dichtern und den neueren Frankreichs, der Niederlande, Englands und vornehmlich Italiens. Seine Kenntniß der fremdländischen Litteratur thut er in oben genannter Vorrede dar durch eine Darstellung ihrer Geschichte und eine Charakteristik ihrer bedeutendsten Dichter. Aber auch in der älteren deutschen Litteratur zeigt er sich, vielleicht infolge der Anregung eines M. Opitz, unterrichteter als seine Zeitgenossen, wie seine Citate aus Ottfried, Konrad von Würzburg, Wolfram von Eschenbach, ja Walter von der Vogelweide u. a. beweisen, deren Werke er zum Theil nur aus den Handschriften kennen und würdigen gelernt haben konnte. [640] Auch Hans Sachs schätzt er höher als sein Zeitalter that; durch Opitz sieht er die deutsche Poesie jeder ausländischen gleichgestellt, höchstens von der italienischen noch übertroffen; namentlich gilt ihm Marini als Vorbild. Frühzeitig hat er selbst Hand ans Dichten gelegt. Aus seiner Jugend stammt offenbar die große Menge jener lyrischen Lieder, die erst nach seinem Tode gedruckt wurden. „So bunte Gedanken“, erklärt er 1679 selbst, „schickten sich besser für 26 als 62 Jahre“. Als Jugendarbeit bezeichnet er ferner die Uebersetzung des „Sterbenden Socrates“ aus dem Französischen von Theophile, der den Phädon Platos übertragen und mit eigenen Versen reichlich ausgestattet hatte. Da H. ferner in der Vorrede zu den Heldenbriefen es verschmäht, wie „vormals“ das Werk eines berühmten Ausländers zu übersetzen, so hat er offenbar auch den Pastor fido von Guarini schon in jüngeren Jahren übersetzt, und die Hinweisung auf zwei schon vorhandene Bearbeitungen wird nicht auf die des jüngeren v. Abschatz (geb. 1646) zu beziehen sein. Es ist nach aller Kenner Urtheil eine sehr schwache Arbeit. Das bedeutendste Werk eigener Erfindung in der mit seiner Bewilligung und vor seinem Tode herausgegebenen Sammlung seiner Gedichte sind „Die Heldenbriefe“, eine Nachahmung der Heroiden von Ovid. Zur Wahl dieser Dichtungsgattung hatte ihn die knappe Form derselben bewogen, in der sich mehr als in irgend einer anderen „allerlei artige Lieblichkeiten“ zusammenfassen ließen. Dazu kam, daß in Deutschland noch Niemand diese Form nachgebildet hatte, und der Umstand, daß die Poesie vor allem im Lande der Liebe zu Hause sei. Es sind 28 Briefe, die mit vorausgehender Einleitung in Prosa 14 historischen theils offen genannten Liebespaaren (wie Eginhard und Emma, Abälard und Heloise), theils durch falsche Namen verdeckten (z. B. Siegreich d. i. Kaiser Karl V. und Rosamunde d. i. Barbara von Blomberg oder Graf Heldenreich d. i. Ludwig von Hessen, der Springer genannt und Adelinde d. i. Adelheid von Stade) untergelegt werden. Alles andere in jener Sammlung befindliche ist unbedeutend. Davon wurden schon im J. 1663 „Christian Hofmann’s von Breßlau Spiel- u. ersinnliche Sterbens-Gedancken“ von einem Anderen, wie es scheint, herausgegeben. Es sind die in der Gesammtausgabe „Grabgedichte“ genannten und mit mäßigem Witz auf die verschiedenartigsten Verstorbenen, als Huren, alte Jungfern, Kuppler, aber auch historische Personen verfaßten 100 Epigramme. Außerdem enthalten die Gesammtausgaben unter besonderer Paginirung, daher auch in verschiedenen Exemplaren in verschiedener Folge gebunden: Poetische Geschichtsreden, z. B. der erleuchteten Maria Magdalena, Thränen der Tochter Jephta etc., Hochzeit-Gedichte, Begräbniß-Gedichte, Geistliche Oden und vermischte Gedichte. Ein größeres, ja „das vornehmste“ Werk, was H. sich vorgenommen ans Licht zu bringen, dann aber in seinen Anfängen selbst verbrannt hatte, war nach Neumeister’s Specimen de poetis saec. XVII ein episches Gedicht „De bello Germanico“. Erst 16 Jahre nach Hofmann’s Tode begann Benjamin Neukirch in seiner unter dem Titel: „Herrn v. Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesene und bisher ungedruckte Gedichte“, Leipzig 1695, herausgegebenen Sammlung, die von anderen fortgesetzt, zuletzt auf sieben Bände anschwoll, die vom Dichter „mit Fleiß zurückgehaltenen Lustgedichte“, d. h. lyrischen Lieder, zu veröffentlichen. Nicht alle darin unter Hofmann’s Chiffre abgedruckten Gedichte sind echt und unverändert, wie Neukirch zugibt, aber doch die meisten. Da Abschriften davon nach des Dichters eigenem Zeugniß schon bei dessen Lebzeiten vielfach verbreitet waren, so dürfen wir in ihnen mit Recht die Vorbilder der am Schlusse des 17. Jahrhunderts wenigstens in Schlesien vorherrschenden Lyrik sehen, den Typus der Dichtung der sogenannten zweiten schlesischen Dichterschule. H. hatte sich zwar auch „die Sprachreinlichkeit“ eines Opitz zur Richtschnur gewählt, bestrebte sich jedoch über diese hinaus, seiner Schreibweise größere Leichtigkeit, Glätte und [641] Fluß zu geben; er gedachte den majestätischen Stil in einen lieblichen überzuführen, und darum wurden Ovid und Marini seine Vorbilder. Er wollte nichts wissen von der Menge der Gelehrsamkeit, mit welcher seine Vorgänger und Zeitgenossen ihre Dichtungen belasteten, von den schwerfälligen Satzbildungen, in denen z. B. Gryphius die Alten nachbildete; er legte nur Werth auf treffenden Ausdruck des Gedankens, geistreiche Erfindungen, „kräftige Beiwörter und andere mit Verstand angewendete Kleinigkeiten“, d. h. wol künstliche Bilder und Vergleiche und schlagende Antithesen. Nun ist freilich nicht zu leugnen, daß er zuweilen auch recht unedle und häßliche Bilder braucht, oft Mißgriffe mit geschmacklosen Ausdrücken thut, statt kräftiger süßliche Beiwörter wählt, im allgemeinen aber ist seine Sprache blühend und gefällig und bahnt von dem überstiegenen Pathos des Gryphius den Weg zu der Geschmeidigkeit Günther’s und Hagedorn’s, den zunächst freilich noch die Uebertreibungen thörichter Nachahmer mit widerwärtigem Schwulst und Unnatur verdeckten. Auch seine metrische Gewandtheit zeigt der oft recht zierliche und gefällige Bau seiner leichten Lieder. Aber dies formelle Verdienst Hofmann’s wird freilich stark beeinträchtigt durch den Charakter des Inhalts seiner Dichtungen. Zwar hat er von der Poesie einen höheren Begriff als viele seiner Zeitgenossen; bloße Reimerei weist er den Pritschmeistern zu; dichten und erfinden ist ihm die Seele der Poesie; ein Gedicht soll ein anmuthiger Gedanke sein; aber als Zweck kennt er doch nichts Höheres als die eigene und anderer Belustigung. Er entschuldigt sich, daß der Trieb, zu dichten nicht mit seiner Jugend verraucht sei. Tiefere Ideen darzustellen, ethische Wirkungen zu erzielen, daran liegt ihm nichts, nur artige Spiele des Witzes und der Phantasie hat er im Sinne, und da diese sich eben auf dem Boden der Liebe am lieblichsten aufführen lassen, betritt er diesen allein, indem er seine Phantasie jedes Zügels entledigt. Die allerunzweideutigsten Schilderungen sinnlicher Liebe, ihre Erregungen und Genüsse werden ohne Scheu und oft kaum verhüllt dargestellt. Reine, edle und wahre Herzensneigung kennt er gar nicht, alles läuft zuletzt auf gemeine Wollust hinaus, wofür ihm die üppigsten Bilder und grellsten Farben zu Gebote stehen. Sind die Heldenbriefe der Mehrzahl nach zwar noch freier von solchen Darstellungen schlimmster Art, so ergeht er sich doch in mehreren derselben auch schon mit großer Schamlosigkeit, und es entschuldigt ihn, wie er glaubt, nicht, daß sich neben solchen schlüpfrigen Worten ja auch genug Warnungen vor Ausschreitungen der Liebe vorfänden, oder daß, wer sein Gemüth kenne, nichts Ungleiches aus solchen Aeußerungen werde schließen können. Daß er im höheren Alter gleichwol das richtige Gefühl hatte, seine Lustgedichte dürften ungleiche, d. h. üble Urtheile erwecken, zeigte er durch die Weigerung ihrer Veröffentlichung. So fällt es ihm hauptsächlich zur Last, unserer Poesie ein fremdes Reis eingeimpft zu haben, das ihr stets zur Schmach gereichen wird, zumal dasselbe durch den Unverstand und die Schamlosigkeit eines Theils der Gebildeteren unserer Nation, wenn auch nur kurze Zeit zu Erzeugnissen der frechesten Unsittlichkeit getrieben wurde. Allerdings erhob sich schon beim Erscheinen von Hofmann’s Gedichten hier und da Widerspruch gegen diese Richtung, aber doch nur gegen die zuweilen vorkommenden Profanationen religiöser, namentlich biblischer Motive; noch aber war der Eindruck seiner ehrbaren und würdigen Persönlichkeit so stark, daß alles von ihm Herkommende wenigstens in seinem Vaterlande Schlesien für unanstößig, ja mustergiltig angesehen wurde; – erst die Schweizer fällten ein richtigeres Urtheil über Hofmann’s Poesie. – Bei der Unwahrheit der Empfindung derselben erscheint auch der Werth seiner wenigen geistlichen Oden und ernsteren vermischten Gedichte sehr gering. Sie lösen gleichsam nur sein Versprechen in der Vorrede der Heldenbriefe: „Wer Geistliches von mir zu haben begehrt, soll es auch haben“ und erheben sich in keiner Weise [642] über die Menge derartiger Leistungen in seiner Zeit. Daß H. auch als Gelegenheitsredner zu seiner Zeit glänzte, beweisen nicht nur seine von dem Rector Christian Gryphius herausgegebenen Reden, sondern auch das Lob, welches ihm Andreas Gryphius (2, 57) ertheilt: „Bis Hoffmann’s Mund die Sinnen mir entzücket, der nichts denn Wunder spricht“. Ganz besonderes Interesse für Erziehungs- und Schulwesen seiner Vaterstadt rühmen ihm alle Grabreden nach und bezeugt u. a. auch eine unten anzuführende lateinische Epistel über die rechte Art des Studirens.
Hofmann von Hofmannswaldau: Christian H. v. H. (Haupt der zweiten schlesischen Dichterschule), wurde geb. am 25. Decbr. 1617 (nicht 1618) zu Breslau als Sohn des schlesischen Kammerrathes Johann H., der 1612 von KaiserDie gedruckten dichterischen Werke sind im obigen genannt worden. Eine Ausgabe der deutschen Uebersetzungen und Gedichte vom J. 1673, die Goedeke im Grundrisse S. 515 nennt, scheint ein Irrthum zu sein; in den Breslauer Bibliotheken findet sich kein Exemplar davon, und innere Gründe machen ihre Existenz unwahrscheinlich. Die erste Ausgabe erschien nach der Vorrede im 62. Lebensjahre des Dichters, 1679, mit dessen Bewilligung; von der Menge der späteren mit kaiserlichem und kursächsischem Privilegium gedruckten sind viele nur Titel-Ausgaben; viele sind ausgestattet mit Kupferstichen von Melchior Küsell: Goedeke führt Drucke an aus den J. 1680, 1684, 1686, 1691, 1696, 1700, 1710, 1717, 1730, doch ist zu bemerken, daß davon nicht alle auch allen Theilen zu Theil wurden. Die Uebersetzung des Pastor fido ist in der zweiten Ausgabe eingeleitet durch eine Uebersetzung des „Vorredenden Alpheus“ von H. D. C. à Lohenstein. – Die von B. Neukirch (später von anderen) besorgte Sammlung „Herrn v. Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte“ erschien in ihrem ersten Theile zuerst 1695 Leipzig bei Fritsch, dann 1697, 1704 und 1734 in neuen Auflagen, II. Theil 1697, 1730; III. Theil 1703, 1710, 1737; IV. Theil ohne Jahr, und 1736; V. Theil 1710 und 1734; VI. Theil 1709; VII. Theil 1727. – Die Heldenbriefe erfuhren eine schwedische, dem Könige Karl XII. gewidmete Uebersetzung unter dem Titel: „Hielte Bref och Någre Andre Sinrike Poetiske Dicter, På Tyske sammanskrefne af Christian von Hofmanswaldau etc. Och nu mera för swenskade. Stockholm 1700. – Ferner erschien: „Hoffmann a Hoffmannswaldau: De curriculo studiorum vitae civili profuturorum ad generosum juvenem, commentatio epistolica“. Görlicii 1700. Endlich: „Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau deutsche Rede-Uebungen, ein Werk, darinnen allerhand Abdanckungs-, Hochzeit-, Glückwünsch-, Bewillkommnungs- und andere vermischte Reden enthalten sind. Nebst beygefügten Lob-Schriften von Christian Gryphio“. Leipzig 1702.
- D. C. v. Lohenstein, Lob Rede bei Hofmannswaldaus Leichenbegängnisse. Bresl. 1679. Ohne biographisches Interesse sind die meist beigebundenen Lobreden von Christian Gryphius und Mühlpfort. Wichtig dagegen ist von Paulus Pater eine Inscriptio sepulcralis, Brigae 1679, sowie die handschriftliche Sammlung schlesischer Genealogien v. Ezechiel auf der Stadtbibliothek zu Breslau.