ADB:Kranner, Joseph

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Artikel „Kranner, Joseph A.“ von Rudolf Müller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 33–43, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kranner,_Joseph&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 19:45 Uhr UTC)
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Kranner: Joseph A. K., Baukünstler, geb. zu Prag am 13. Juni 1801, † zu Wien in der Nacht vom 19. auf den 20. October 1871, zeigte in frühester Jugend schon die Anlagen für jenes Baufach, in welchem sein Name kunstgeschichtliche Bedeutung gewann. Das zehnte Kind des im besten Ansehen stehenden kaiserlichen Hof-Bau- und Steinmetzmeisters, Johann Ludwig K., dessen Heim in einer bereits vom Urgroßvater her datirenden baugewerblichen Arbeitsstätte bestand, war hier auch alles darnach beschaffen, dem geistig regen und körperlich kräftig entwickelten Knaben für seine Berufsneigung Vorschub zu leisten. Aus der Normalschule in das ständische Technikum übergegangen, in diesem bald zum vorzüglichen Constructionszeichner herangebildet, dabei unter Anleitung des tüchtigen Fachmanns Ludwig Kohl (Bd. XVI, 428) dem Studium der Bauformen nach ihrer kulturgeschichtlichen Entwickelung obliegend, damit zugleich auf die in Prag reichlich vorhandenen Werke mittelalterlicher Baukunst hingeleitet; inzwischen aber auch der väterlichen Werkstätte als Steinmetz- und Baueleve angeschlossen, ergab Alles das eine Summe von Wissen und Können, mit welcher der mittlerweile zum Recken herangewachsene junge K. nach dem herkömmlich gewerkmäßigen „Freisprechen“ getrost in die „weite Welt“ ausziehen konnte; zunächst nach Wien, um in der akademischen Bauschule die ihm fehlenden höheren Curse durchzumachen. Nach diesem erst, 1822, trat er die in Aussicht genommene längere Studienreise an. Venedig allein schon erschien ihm „als ein Reich voll Wunderbauten“. – In Rom bald nach seiner Ankunft den jener Zeit dort eine Art von Colonie bildenden deutschen Romantikern eingereiht, hing damit wol auch die Absicht eines dauernden Aufenthalts in der Siebenhügelstadt zusammen. Für den momentanen Ernst dessen spricht wenigstens der Widerstand, den er dem Wunsche des Vaters nach baldiger Heimkehr entgegensetzte und zwar mittels der Erwiederung: „Lieber in die päpstliche Garde eintreten als jetzt heimkehren.“ – Zu registriren sind hier noch die nach der Insel Sicilien und nach Neapel unternommenen Studienfahrten des „Prager Herkules“. Dieser ihm von den Genossen gegebene Name knüpfte zunächst an die muthvolle Vertheidigung gegen eine Rotte von Briganti, die ihm den Weg nach Girgenti verlegten; des weiteren wegen der drastischen Bestrafung von vier Offizieren in Neapel – die sich’s in einer Osteria herausnahmen, dem in seiner Gewandung etwas vernachlässigten Künstler den Zutritt zu ihrem Tische zu verwehren – dadurch, daß er sie unter Scherzworten bündelförmig umfaßte, ins Freie trug und hier zur Capitulirung zwang mit der Bedingung, daß sie fortan zur Besiegelung des Friedens ihm einen Krug [34] Wein leeren halfen, was denn auch unter Heiterkeit und Eviva’s geschah. Zur Zeit auch in trautem Verkehr mit dem in Rom weilenden berühmten Neufchateler Genremaler Leop. Robert, wußte ihn dieser durch Schilderung der in Frankreich zu findenden herrlichen Bauwerke aus dem Mittelalter früher als es in der Absicht Kranner’s lag zur Hinreise zu bewegen. Ueber Marseille und die seitwärts gelegenen baulich bedeutenden Städte gelangte er Anfang October 1824 nach Paris, „wo ich fast mehr zu lernen fand wie in Rom“. „Schon die oberflächliche Umschau in den verschiedenen, meist trefflich geleiteten Bauwerkstätten ließ mich erkennen, an was es mir noch fehlte.“ – „Ohne Vorzug ließ ich mich dingen und ließ mich je nach Erkenntniß vom Nutzen bald als Steinmetz, bald als Bautechniker verwenden.“ Gleich große Bedeutung legte K. dem bei, was er in der baugewerblichen Central-Abendschule noch erlernte, wo er mit Demonstration verbundenen Vorträgen über Steinschnitt und Steinbau anwohnte, „durch die mir erst das Wesen der Gothik richtig erschlossen wurde“. – Einem neuerlichen Andrängen des Vaters endlich folgend, trat er den Heimweg an über Straßburg, entlang der Rheinlande, durch Franken auf München, wo schon die Markirungen der großartigen Kunstpläne des Kronprinzen Ludwig sichtbar, und viele in Mitthätigkeit gesetzte römische Studiengenossen ihm die Versuchung dazubleiben nahe legten. Doch vor der Hand fruchtlos, wie seine Ankunft in Prag im Herbste 1826 zeigt, wo ihn sogleich ein Bauauftrag begrüßte. – Der österreichische Staatskanzler Fürst Clemens Lothar Metternich hatte selben Jahres die Herrschaft Plaß mit dem einst berühmten Cistercienserkloster käuflich erworben und beschlossen im Gefriede desselben für sich und seine Familienglieder eine Gruft zu errichten. Zu dem Zwecke galt es einen Umbau der zopfigen, noch in der Klosterzeit, 1703, errichteten Friedhofskirche, für welchen eben K. ersehen war. Wohl an Ort und Stelle zur Ueberzeugung gekommen, daß ihm dieses Erstlingswerk, bei der Gebundenheit an ein altes Grundgemäuer, bei überdies vom Bauherrn knapp bemessenen Mitteln, kaum zu Namen bringe, ging er doch im Bewußtsein errungener Selbständigkeit froh ans Werk. Allerdings auch ahnungslos, daß diese zu erbauende Gruftkirche, bei minder günstigem Walten der Vorsehung, durch einen Sturz zum Grabdenkmale für ihn werden konnte. Die athletische Natur Kranner’s siegte indeß auch über die bedenklichen Folgen dieses Falles und trotz nothwendiger Verquickung mit widerstrebenden Grundformen stand der äußerlich stilistisch correcte Umbau zum bestimmten Termine, 9. August 1828, zur vollen Zufriedenheit des Fürsten fertig. – Das Jahr 1828 brachte übrigens durch das Ableben des greisen Vaters eine totale Verschiebung seiner bisherigen Verhältnisse. Angewiesen den väterlichen Besitzstand zu übernehmen, hieß es diesen auch zeitgemäß ändern. Wichtig vor Allem erschien ihm das Einführen einer rationelleren Steinbearbeitung nach französischer Methode, die soweit als thunlich und zulässig der Menschenhand die Maschine beiwirken läßt. Schon nach wenig Monden arbeiteten, zu allgemeinem Staunen, nicht blos die Steinbohr- und Steinschneidemaschine, sondern auch der Steinhobel. Unversehen war aber K. mit der Thätigkeit dieser mechanischen Gehilfen über den Umfang des väterlichen Werkhauses hinausgekommen und genöthigt worden den weiteren Betrieb in eine geräumigere Werkstatt zu verlegen. Unter dem 18. November 1830 erhielt er das Zeugniß der Befähigung für „eine Baumeisterstelle in der königlichen Hauptstadt Prag“; unter dem 19. August 1833 das „Bürgerrecht zum Betriebe des Baumeisterrechtes“ und unterm 2. März 1835 nach „probehältiger“ Verfertigung des auferlegten Meisterstückes die behördliche Anerkennung als „Steinmetzmeister der k. k. Hauptstadt“. Ersten Gebrauch von letzterer Concession dürfte er wol für das noch im Jahre der Verleihung ihm aufgetragene Denkmal gemacht haben, das von Seite Oesterreichs bei Kulm zur Erinnerung an den Sieg [35] von 1813 errichtet ward. Gleichzeitig trat K. in Prag als Baumeister auf. Der durch humanes Wirken ausgezeichnete Universitätsprofessor Dr. Alois Klar unternahm den Bau einer Versorgungs- und Beschäftigungsanstalt für erwachsene Blinde in Böhmen, auf der Prager Kleinseite. K. mußte dafür freilich einen älteren Plan zu Grunde legen, durfte ihn aber namentlich im Baue der dem Versorgungshause angeschlossenen Kapelle modificiren. Der für 300 Pfleglinge bestimmte, 1836 fundirte Gesammtbau erhielt seinen Abschluß durch die am 9. October 1844 erfolgte feierliche Einweihung. Nicht genug anzuerkennen ist, wie erfolgreich K. bei dieser Gelegenheit auf die Mitwirkung der bildenden Kunst Bedacht nahm und die in Prag gänzlich außer Beachtung gekommene Freskomalerei wieder zur Geltung brachte. Initiative dafür gab ihm der Nebenauftrag für die Errichtung von 14 Passionssäulen (den sogenannten „Kreuzweg“) auf dem Laurenziberge zu Prag, die auf seinen Betrieb mit Fresken geschmückt wurden, welche die Münchener Maler Joh. Bapt. Müller und Jos. Holzmaier nach Compositionen von Jos. Führich ausführten. Behufs allgemeiner Neubelebung der Freskomalerei im ganzen Lande verständigte er sich aber zugleich mit dem Kunstakademiedirector Kadlik und beorderte dieser daraufhin die Akademiker Wilhelm Kandler und Anton Lhota für die Unterrichtnahme in der Freskotechnik bei den genannten Münchener Künstlern, in weiterer Folge für die Uebernahme jener Fresken, die eben K. in das Project der Versorgungshauskapelle aufgenommen hatte, mit deren Ausführung auch thatsächlich die Wandmalerei im Lande wieder zu Ehren und weitreichender Aufnahme gelangte. Gleich wirksamen Vorschub leistete er der Plastik, in der sich zur Zeit schon die Brüder Max über die Alltäglichkeit erhoben; Joseph Max erhielt Auftrag für das große Sandstein-Hautrelief am Vordergiebel des Gebäudes – die Heilung des blinden Vaters Tobias vorstellend; Emanuel M. den für das Marmorstandbild, St. Raphael, am Hochaltare. – Angesichts eines solchen mächtigen Dranges nach umfassender Kunstthätigkeit sieht man mit um so schmerzlicherem Bedauern, wie ein mit ganzer Begeisterung erfaßtes und prächtig skizzirtes Project, das eines stilgemäßen Umbaues der östlichen Façade des Prager Rathhauses, abgelehnt und dafür ein anderes adoptirt wurde von einem der Gothik vollständig unkundigen Architekten. War es auch eine Genugthuung, daß sich ein allgemeiner Protest gegen diese stillose Verunstaltung erhob, daß sogar nach wenig Jahren der Abbruch und abermalige Umbau – durch K. – bewerkstelligt werden mußte, so blieb doch während der Zwischenzeit seine Thatkraft niedergehalten. Nur allmählich erstarkte sie wieder, angemessen dem Umfange der Aufgabe, die ihn dabei zugleich als Architekten und noch mehr als Steinmetzmeister in Anspruch nahm, da ein Haupttheil der Arbeit letzterem zufiel. Neuerdings auf die Theilnahme der Plastik bedacht, wußte K. den figuralen Schmuck der also neugestalteten Façade diesmal ausschließlich Jos. Max zuzuwenden. Inzwischen fanden die eben so rasch wie solide ausgeführten Steinarbeiten der Kranner’schen Werkstätte immer allgemeinere Beachtung, die zu größeren Aufgaben führte. So für das 1844 durch Professor J. G. Gutensohn im Rundbogenstil in Marienbad erbaute Gotteshaus und die vom Architekten Wagenknecht reconstruirte gothische Marienkirche in Turnau. Für ersteres hatte K. 14 Chorsäulen nebst dem Hochaltare aus böhmischem, das Tabernakel aus carrarischem Marmor zu liefern; für die andere war ihm Zeichnung und Ausführung der reichverzierten Altäre übertragen. – Seinem unausgesetzten Drängen nach Wiederaufnahme einer kunstwürdigen, der glorreichen Bauperiode Peter Arlers (s. Bd. IX S. 275) anschließenden Baurichtung hatten sich mittlerweile auch der Historiograph Franz Palaczky, Maler Jos. Hellich und der angehende Architekt Hermann Bergmann angeschlossen. Der also angeregten Bewegung aber auch zu entsprechendem Verständnisse und zur Nachhaltigkeit zu [36] verhelfen, organisirte er unter Beistand der Genannten eine archäologische Section, mit der Bestimmung, durch Flugschriften wie durch Herausgabe eines Werkes über die Alterthümer Böhmens für ihre Wertherkenntniß in den weitesten Kreisen zu wirken. Gute Frucht dieser Vereinigung waren zunächst die von Erasmus Wocel und Hellich herausgegebenen „Archäologischen Blätter“ und die von denselben gemeinschaftlich redigirten „Grundzüge der böhmischen Alterthumskunde“ (Prag, bei Kronberger und Rziwnatz, 1845), ein Werk, das sogleich, noch vor seinem öffentlichen Erscheinen, bei der vom 29. August bis 1. September 1844 in Prag stattfindenden internationalen Architektenversammlung verdiente Würdigung fand. – Für K. selbst resultirte aus dieser mit einer fachlichen Ausstellung verbundenen Versammlung, an der sich die namhaftesten Architekten und Kunstforscher Oesterreichs, Deutschlands, aus Frankreich, England etc., im Ganzen ihrer 150, betheiligten, eine Anerkennung, wie sie kaum ehrenvoller sein konnte. Lebhafteste Würdigung erfuhr insbesondere noch sein mitausgestellter, in allen Details prächtig durchgeführter Entwurf für einen monumentalen gothischen Brunnen. Bezeichnend für die im Kreise gewiegter Fachgenossen rasch gewonnene Sympathie war das ihm beim Abschiedscommerse vom Kunsthistoriker Franz Kugler unter jubelnder Zustimmung beigelegte Prädikat der „Säule der Versammlung“ und seine einhellige Wahl in den Vorstand des nächstjährigen Architektentages. Wie K. durch diese Wirksamkeit überhaupt Popularität gewann, so wurde auch fürder nicht leicht in Richtung auf monumentale Kunst etwas ohne seinen Beirath geplant. Er hatte schon Theil an der vom kunstfreundlichen Domcapitular Wenz. Pessina gefaßten Idee der Restauration sammt dem Ausbaue des Prager Domes; seiner Hinleitung ist es zu danken, daß vom ständischen Landesausschusse 1845 die Errichtung des herrlichen monumentalen Brunnens am Franzensquai in Prag decretirt wurde. Ueberdies charakterisirt sich das Werk als eine der schönsten Blüthen wiedererwachenden Prager Kunstlebens im Laufe der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, vornehmlich durch das einträchtige Zusammenwirken Kranner’s mit Jos. Max, welchem der figurale Theil zukam. – In der Hauptgestalt ein schlank aufstrebender, gothisch reichgegliederter, mit einer Doppelkreuzblume gekrönter Obelisk von 23 Meter Höhe, dessen obere Hälfte zugleich den nach vier Seiten offenen Baldachin bildet für die innen angebrachte Reiterstatue Kaiser Franz I., indeß seine Basis von dem im Octagon gehaltenen Brunnenbecken umgürtet ist. Aus dieser Umgürtung erhoben sich 17, theilweise mittelst Bogen verbundene Bilderstühle, welche eben so viele, die „Praga“ und die (damals bestandenen,) 16 Kreise des Landes versinnbildende Figuren tragen. An den vier Baldachinpfeilern, die für sich in Fialen auslaufen, sind noch je zwei Bilderstühle angefügt für acht allegorische Figuren: Wissenschaft, Kunst, Frieden, Ueberfluß, Ackerbau, Bergbau, Gewerbe und Handel vorstellend. Umfangen ist das Ganze von einer sternförmig angelegten, durchbrochenen Brustwehr mit Vorstufe. In den architektonischen Haupttheilen sammt den Figuren noch vor den Ereignissen des Jahres 1848 fertig, hielten diese doch die Schlußarbeiten und feierliche Enthüllung hin bis zum 30. Mai 1850. – Unter den vielen über das Werk veröffentlichten Urtheilen umschreibt den Werth desselben am bündigsten das von dem äußerst strengen Richter über moderne Gothik in den 1854 bei Sommer in Wien erschienenen Heften „Gothische Briefe“ (2. Brief S. 56) niedergelegte in den Worten: „Dem Ganzen ist ein Verständniß des Stiles in dem, worauf es hauptsächlich und auch im Einzelnen ankommt und des richtig abgewogenen Verhältnisses zwischen Beiden ausgeprägt, wie man es bisher wenig anderen neugothischen Architekturversuchen nachsagen kann.“

Anschließend erhielt K. den Auftrag für das auf Befehl Kaisers Franz Joseph in Temesvar „zu immerwährendem Preise der heldenmüthigen Treue“, [37] mit welcher 1849 die kaiserliche Besatzung diese königliche Freistadt und Festung gegen das Insurgentenheer vertheidigte, zu errichtende Denkmal, das er abermals in Gemeinschaft mit Jos. Max ausführte. – Formähnlich dem Prager, erhebt sich dieses Denkmal von der achteckigen Grundfläche und gleichförmigem Sockel als reich ornamentirte gothische Spitzsäule, unter deren Baldachin (Tabernakel) die imposante, 2½ Meter hohe Hauptfigur, die „Treue“, steht. Auf vier mit dem Sockel architektonisch verbundenen Consolen fußen die trefflich charakterisirten Personifikationen der Soldatentugenden: der „blinde Gehorsam“, die Wachsamkeit“, die „Aufopferung“ und die „Tapferkeit“. Angemessen der Grundform sind am Fuße des Denkmals acht phantastische, die revolutionären Elemente versinnbildende Thiergestalten angebracht. Zur Vollendung kam das Werk im Herbste 1852. Das im Modell fertige, dritte, vereint auszuführende Monumentalwerk, welches die Prager uniformirten Bürgercorps, zur Erinnerung an die heldenmüthige Vertheidigung Prags gegen die Schweden unter Königsmark 1648, durch die mit den bewaffneten Bürgern vereinigten Studenten zu errichten vorhatten, kam nicht zu Stande. Das Modell, in einer auf 10 Meter Höhe berechneten gothischen, schön gegliederten Denksäule bestehend, zeigte im Abschlusse, mit einer von fünf Thürmchen überragten Burg, auf dem Plateau derselben die Gestalt eines Prager Kämpen aus der Zeit der Schwederbelagerung, begriffen in der Abwehr des heraldisch gekennzeichneten schwedischen Löwens. Graf Franz Thun, d. Z. Kunstvereinsleiter[WS 1], suchte dieser von den Bürgercorps wieder fallen gelassenen Absicht, die Errichtung eines Constitutionsmonumentes zu unterstellen und forderte Namens des hierfür gebildeten Comité’s K. zum Einbringen eines Entwurfes – „allenfalls in Gemeinschaft mit Freund Max“ – auf. Einverständlich mit diesem entwarf also K. einen gothisch construirten, im Mittel überhöhten Unterbau, bestimmt für das Standbild der „Bohemia“, an dessen vier Flanken sich organisch verbundene Sockel für Gestalten, die Aufhebung der Robot, die Preßfreiheit, Gleichstellung von Edelmann und Bauer vor dem Gesetze personificirend, befanden. Aber auch dieses Project scheiterte, und zwar ganz besonders an der geringen Opferwilligkeit der Feudaladeligen für die Illustration einer Staatseinrichtung, die ihre gewohnten Vorzugsrechte beschränkte. Zu berühren bleibt hier noch ein ferneres, zu negativem Erfolge führendes Planen des so kraftvoll für eine bessere Kunsteinrichtung wirkenden Kranner. Aus der freiheitlichen Bewegung des Jahres 1848 entwuchs in Prag u. A. auch ein „Katholikenverein“, der jedoch bald aus der anfänglich religiösen Färbung in die tschechisch-nationale überschlug. Schon mit dieser angethan, entschied sich der Verein für den Bau einer Kirche zu Ehren der Slavenapostel Cyrill und Method in der Vorstadt Karolinenthal. K. in erster Reihe aufgefordert ein Project einzureichen, legte in der That ein solches für die Comitésitzung am 1. Mai 1851 vor und fand dasselbe wegen seiner überaus glücklichen Lösung allgemeinen Beifall. Blos eines der Comitémitglieder – der später vielgenannte Parteiführer Dr. Ladislaus Rieger[WS 2] – nahm Anstoß daran, daß das Project den „germanischen“ Stil zur Schau trage; ein Bauwerk zu Ehren der Slavenapostel beanspruche von selbst die Herstellung im „slavischen Stile“, als solchen erkenne er jenen, welchen die Apostel „mitbrachten“. Und vergeblich blieb die von anderer Seite gegebene fachmännische Definition, wie wenig sich der angeblich von den Aposteln mitgebrachte, jedenfalls „byzantinische“ Stil als „slavischer“ bezeichnen lasse. Kurz, die Opposition gegen das „germanische“ Project Kranner’s gewann das Uebergewicht und der Auftrag ging nach allerlei Parteiquerzügen durch das Eingreifen des Cardinal-Erzbischofs Fürst Friedrich zu Schwarzenberg an den Wiener Architekten Professor Karl Rößner über, der die Kirche im romanischen Stile erbaute. – Die unter solchen Umständen erfolgte Entziehung einer seinem Wesen [38] und Streben vollkommen angemessenen Aufgabe wirkte auf K. nachhaltig niederdrückend, ja verhängnißvoll, insofern er dadurch gewissermaßen national proscribirt und vom erfolgreich betretenen Reformwege abgedrängt wurde. – Resignirt zog er sich in seine maschinensurrende Werkstätte zurück und ließ Vorrath machen in Grabsteinen, Tischplatten, Wandkleidungen, Stallbecken und Wasserröhren aus Marmor, um aber dabei auch materiell noch in die größte Gefährdung zu kommen. Graf Franz Thun inzwischen – vor Ende 1850 – von seinem Bruder Leo, derzeitigem kaiserlich österreichischen Staatsminister für die neucreirte Stelle eines Referenten für Kunstangelegenheiten nach Wien berufen und mit der Reorganisirung der dortigen veralteten Kunstakademie betraut, berief periodisch bewährte Männer der in der Akademie vereinigten Kunstfächer zur Prüfung der behufs jener Reorganisation entworfenen Grundzüge an seine Seite. So kam auch K. Anfang Juli 1851 an die Reihe, um nicht allein über die endgiltige Organisation der Architekturschule, sondern über die dem Polytechnikum vorarbeitende Realschule sein Votum zur Geltung bringen zu können. – Unzweifelhaft lag darin zugleich die Absicht, den durch die widerwärtig gewordenen Prager Verhältnisse lahm gelegten Künstler in einen neuen Wirkungskreis überzuleiten, denn im Uebergange dahin wußte es Graf Thun auch noch zu veranlassen, daß K. mit dem inzwischen zum Bauingenieur im Handelsministerium avancirten Herm. Bergmann und dem Prager Chemieprofessor Karl Balling für die Berichterstattung über die Londoner Industrieausstellung entsendet wurde. K. benutzte diese Mission außerdem, einzelne seiner Pläne nebst einer Collection kunstgewerblicher Fabrikate seiner Werkstätte jener Ausstellung zuzuführen. Letztere wurden prämiirt; in Anerkennung ersterer ernannte ihn die „Gesellschaft großbritannischer Architekten“ zum correspondirenden Mitgliede. – Wieder zu einer geeigneten Fachthätigkeit zu gelangen, übernahm er 1852 einen Theilbau der von der Regierung angeordneten Karstbahn, und zwar den Tunnelbau Nr. 6, wobei er mit Beihilfe seiner verbesserten Steinbohrmaschinen eine für jene Zeit wahre Riesenaufgabe löste. Während der winterlichen Arbeitspausen in Wien trat K. abermals in Concurrenz für eine im gothischen Stile in der Vorstadt Breitenfeld zu erbauende Kirche, die ebenfalls zu keinem Bauerfolge, wol aber dazu führte, ihn für Wien als exacten Gothiker zu beglaubigen. In Rückwirkung dessen geschah es auch, daß er nach den Beschlüssen des Baucomité’s der zum immerwährenden Danke für die Errettung des Kaisers Franz Joseph aus der Mörderhand Libenyis (18. Februar 1853) zu errichtenden Votivkirche – vom 22. October 1855 und 12. October 1856 – zum Mitgliede der Bauleitung dieser Kirche, in weiterer Folge zum Baumeister derselben ernannt wurde. Das Baucomité, an dessen Spitze Erzherzog Ferdinand Maximilian (Bruder des Kaisers) stand, beschloß von vornherein einen Bau gleichartig jenen der Zeit höchster Entfaltung kirchlichen Lebens, also der Blüthezeit der Gothik, ins Leben zu rufen. Dadurch endlich nach langer und harter Prüfungzeit an dem ihm gebührenden Platze entfaltete K. auch in Wahrheit ein der Blüthezeit der Gothik gleichartig künstlerisches Wirken und half ein Werk schaffen, das seinem Namen neben dem des plangebenden Architekten, Heinrich Ritter v. Ferstel, für alle Zeit einen Ehrenplatz in der Kunstgeschichte Oesterreichs sichert. – Der Bau, auf verhoffte ausreichende milde Beiträge am 24. April 1856 fundirt, unterlag wiederholt eintretenden Stockungen, so daß 23 Jahre bis zur Schlußsteinlegung und Einweihung verstrichen. K., dem es nicht gegönnt war den glanzvollen Abschluß dieses neuzeitig bedeutendsten Monumentalwerkes gothischen Stils zu erleben, hatte indeß doch, so weit es seiner bedurfte, daran mitgewirkt. Welchen Werth diesem Mitwirken der Nächstbetheiligte – Ritter v. Ferstel – zuerkannte, beweist am deutlichsten sein K. gewidmeter Nachruf (s. u.). – So weit eben die [39] erwähnten Baupausen freie Hand verschafften, finden wir K. thätig für Herstellung der gothisch stilisirten Steinarbeiten am Polak’schen Hause am Franz-Josephs-Quai in Wien, in der Mitarbeit am van der Nüll’schen k. k. Opernhause, des weiteren an dem schönen Unterbau für das Reiterstandbild „Erzherzog Karl“, nach dessen Enthüllung der Monarch K. das goldene Verdienstkreuz mit der Krone verlieh, ihn auch mit Ausführung der Piedestale für das Prinz Eugen und Feldmarschall Schwarzenberg-Monument beauftragte und nach deren Vollendung ihm den Franz-Josephsorden zuerkannte. Theil nahm er ferner am Hentzi-Denkmal zu Ofen insoweit, als er den von anderer, in Gothik wenig geübten Hand gezeichneten Entwurf stilgemäß corrigirte und die Details für den Eisenguß vorbildete. Arbeiten höheren Werthes von ihm sind der schöne gothische Baldachin des Hochaltars nebst Kanzel und Taufbecken in der nach dem Plane von Johann Georg Müller von 1848–1861 erbauten Alt-Lerchenfelder (Wiener Vorstadt-)Kirche. – Noch umfangreicher wirkte er mit am Bau der gothisch zierlichen, nach Plänen des kaiserlichen Oberingenieurs Hermann Bergmann 1866 vollendeten St. Elisabethkirche in der Vorstadt Wieden. Außer der Bauleitung war ihm das Fertigstellen sämmtlicher Steinarbeiten, welche den reichen architektonischen Schmuck der Kirche bilden, übertragen. Eine durchaus selbständige Bauaufgabe erwuchs für K. des Weiteren aus dem obenerwähnten Karstbahnunternehmen, das den zeitweiligen Aufenthalt in Triest sowie die Bekanntschaft mit dem Bankier Revoltella nach sich zog. Dieser betraute ihn nämlich mit dem auf seiner nächst der Stadt gelegenen Besitzung in Absicht genommenen Baue einer Gruftkirche. Nach dem Wunsche Revoltella’s im romanischen Stile gehalten, dadurch mit ausgedehnten, zur Aufnahme von Fresken geeigneten Wandflächen versehen, wußte auch K. die Ausführung solcher zu bewerkstelligen. Ueberhaupt schon seit Längerem für diese Maltechnik interessirt, studirte er sie dermals während seines wiederholten Verweilens in Venedig an den dortigen Werken der alten Meister ganz besonders. Mißtrauisch geworden gegen die in der Neuzeit, namentlich in München angewandte Freskotechnik wegen ihrer vielfach zu Tage getretenen Uebelstände suchte er zurückzuleiten auf die bei den Wandmalereien in Pompeji und auch von den alten Italienern, wie Giotto u. A. benutzten Vortheile, resultirend aus einer derartigen Kalkmörtel- und Stuckunterlage, aus welcher ein hinreichend und gleichmäßiger Tropfsteinüberzug vorquellend die obenaufliegende Farbenschichte vollkommen binde. Damit entfiel, wie er nachzuweisen wußte, die ohnehin vielfältig nachtheilige Vermischung der Farbe mit Kalk. Die zu verwendenden Farben blieben zwar dieselben, wie man sie sonst zum Freskomalen verwendet, nur daß sie auf weißem Grunde und ohne Kalkbeimischung ganz nach Art der Aquarellmalei aufgetragen wurden. Als erstes Versuchsfeld für die angedeutete Reformtechnik wurde nun die für Revoltella erbaute Kapelle St. Pasquale auf Monte Ferdinandeo bei Triest benutzt, und gewann K. für die Anwendung derselben den ebenso liebenswürdigen als tüchtigen jungen Künstler, Jos. Math. Trenkwald, späteren Director der akademischen Malerschule in Wien, welcher von 1864–65 die Apsis, Kuppel und Eingangshalle mit trefflich im Geiste Giotto’s gehaltenen Malereien schmückte. Durch denselben kam die Technik auch noch im großen Saale des Wiener neuen akademischen Gymnasiums, wie in der Apsis der Karolinenthaler Kirche zu Prag in Anwendung und basirte K. darauf und auf die weiteren durch die Maler Meixner, Sequenz und Wieger erfolgten Versuche seine 1868 an die Münchener Jahrbücher für bildende Kunst eingesendete Abhandlung „Ueber Freskomaltechnik“.

Nach einer Andeutung an früherer Stelle regte schon in den 40er Jahren der Domcapitular Pessina die Idee für den Ausbau des Prager St. Veitsdomes an. Auf seinen Betrieb, unter Mitwirkung von K. und des Grafen Franz Thun, [40] constituirte sich auch ein Dombauverein, dessen Wirksamkeit jedoch auf Wunsch des Fürsterzbischofs Schwarzenberg sistirt blieb, bis nach vollständiger Sicherung des ebenfalls auf freiwillige Beisteuern von Seite der Patrioten berechneten Baues der Karolinenthaler St. Cyrill- und Methodikirche. Demnach mit der Promulgirung seiner Statuten hingehalten bis 1857, bedurfte es immer noch des Zuwartens bis zum Jahre 1859, in welchem am 22. Mai, bei einem Stande von 204 Mitgliedern, die erste constituirende Vereinsversammlung tagen konnte. Graf Franz Thun wurde zum Präses gewählt und damit Signal gegeben für das gute Gedeihen des geplanten Werkes. Die hiernach genommene Fühlung mit hohen und höchsten Personen wie mit der Bevölkerung führte rasch zur Ueberzeugung allgemein vorhandener Opferwilligkeit, so daß in der zweiten Vollversammlung des nächsten Jahres (20. October 1860) schon Präses Thun, den, wie er ausführte, „fast europäische Berühmtheit genießenden Landsmann, Architekten, Bau-, Maurer- und Steinmetzmeister Kranner“ für die Bauleitung in Vorschlag bringen, am 11. April 1861 das Decret der Ernennung zum „Dombaumeister“ überreichen konnte. K. verzichtete in seltener Uneigennützigkeit vorläufig auf jede Renumeration[WS 3]. Erst 1863 ward ihm auf Antrag des Grafen Thun ein Jahresgehalt von 2000 Fl. gesichert, wofür K. gehalten blieb wenigstens alle sechs Wochen einmal die Arbeiten am Dome persönlich zu inspiciren und die erforderlichen Verfügungen zu treffen für seinen Substituten, Steinmetzmeister Karl Swoboda; für den Gang der Arbeit blieb maßgebend die schon bei Uebernahme der Bauleitung, 1861, abgegebene Erklärung Kranner’s, daß dieser Wiederaufnahme des durch Jahrhunderte unterbrochenen Baues unbedingt die Sicherstellung und Restaurirung der schadhaften Theile vorangehen müsse. Als dringend nothwendig erwies sich vor Allem die Unterfangung und Reparatur der Strebepfeiler des Chores, die sich gesenkt und vom Gewölbe losgelöst hatten. K. erklärte zugleich diese Restaurationsarbeiten auf Grundlage der ihm von der Statthalterei zugekommenen Pläne und Ueberschläge der k. k. Baudirection und unter Controlle derselben nicht übernehmen zu können. Die Dombaudirection erwirkte denn auch, daß die Statthalterei mit Erlaß vom 20. Mai 1862 dem Dombaumeister die selbständige Leitung und Durchführung der sämmtlichen hierzu erforderlichen Arbeiten nach seinen Plänen und Ueberschlägen zusprach. – Die Bauthätigkeit begann bei einem durch Mitgliederbeiträge und Spenden zusammengeflossenen Vermögen von 24795 fl. 19 kr.; ihm voran ging die Errichtung der Bauhütte mit dem von. K. aus Wien mitgebrachten Wolfsgruber als Parlirer. Die Restaurationsarbeiten waren bis zum Frühjahre 1862 soweit fortgeschritten, daß die Unterfangung der Strebepfeiler und der Abschlußmauern von vier Kapellen des Chorumganges bewerkstelligt werden konnte. Anschließend daran wurde erst die Restaurirung der sämmtlichen nördlich gelegenen Seitenkapellen incl. der Sacristei und Außenseite bis zur Höhe des Seitenschiffes, dann die der Südseite, einschließlich des in seiner Construction vielbewunderten Stiegenhauses vorgenommen. Ermuthigend für ein so gründliches Vorgehen wirkte besonders die von Jahr zu Jahr wachsende Theilnahme. Kaiser Franz Joseph gewährte aus dem Staatsschatze vorläufig auf die Dauer von fünf Jahren eine jährliche Subvention von 100000 fl., Kaiser Ferdinand eine solche von 5000 fl. Dazu fanden sich Donatoren ein für die innere Ausschmückung nach historischen Adelsnamen benannter Kapellen durch Glasmalereien oder stilgemäße Altäre etc. Unermüdlichen Fleißes beschuf demnach K. nebenbei noch alle mit diesen Widmungen verbundenen Zeichnungen, überwachte sowol die Durchführung der Glasmalereien, wie aller übrigen kunstgewerblichen für die Innenräume bestimmten Arbeiten, unter welchen vornehmlich die für die sogen. Kronkammer nächst der St. Wenzelkapelle Prachtwerke sind. Im J. 1865 überging die Leitung [41] der Bauhütte an Kranner’s Sohn Johann, der bis dahin schon als Bauzeichner und Rechnungsführer in Verwendung stand, wodurch allem Anscheine nach noch größere Einheit des Wirkens zu Stande kam. K. selbst strebte dann auch weit entschiedener der Hauptaufgabe zu und legte noch im genannten Jahre als Resultat vieljähriger Studien der Direction die wohldurchdachten Planskizzen für den Domausbau vor, welche von der „Centralcommission zur Erforschung und Erhaltung historischer Baudenkmale“ in Wien unter dem 1. Mai 1866 die anerkennendste Beurtheilung fanden. „Die große Unregelmäßigkeit, welche durch den Thurm und die Wenzelkapelle in der Grundrißanlage hervorgerufen wurde, sei hier in der geistreichsten Weise ausgeglichen und würde die Ausführung dieser Grundidee jedenfalls ein einheitliches Bauwerk von der wundervollsten Wirkung schaffen.“ – Der Generalversammlung vom 31. Mai 1867 legte K. schon das vollständige Project für den Ausbau des Domes vor, „ein Project“, – wie der Directionsbericht sagt, – „welches an Schönheit und Genialität der Conception, wie der Durchführung nach dem Urtheile aller bisher vernommenen Fachmänner hinter dem Grundrisse in keiner Weise zurücksteht.“ Das Urtheil der vorgenannten Centralcommission hierüber lautete: „Der nun in seinem vollen Umfange durchgeführte Entwurf des Dombaumeisters Kranner zu dem Ausbau des St. Veitsdomes in Prag verdient in jeder Hinsicht als eine Kunstleistung ersten Ranges bezeichnet zu werden.“ … „Eine sinnvollere und zweckentsprechendere Lösung dieser überaus schwierigen Aufgabe ist kaum denkbar.“ – Zu bemerken bleibt, daß K. den Aufbau eines zweiten Thurmes nicht in Absicht nahm, dafür den einen bestehenden zu einer Hauptzierde des Baues gestaltete. – In Fortsetzung der äußeren Restaurationsarbeiten wurde 1868 die Gleiche erreicht, am 30. Mai die letzten zwei Fialen aufgesetzt, noch im Herbste der stilgemäße Dachstuhl des Hauptschiffes vollendet und die Eindeckung mit Schieferplatten von zweierlei Farbentönen soweit gefördert, daß am 26. November die feierliche Aufstellung des den Abschluß der Dachfirstkrönung bildenden vergoldeten Kreuzes erfolgen konnte. Im Inneren gedieh die Renovation bis zur vollständigen Beseitigung aller stilwidrigen Zuthaten späterer Perioden, sowie der alten Tünche, zur Vorbereitung für die von K. in Vorschlag gebrachte Polychromirung, um deren willen er noch eine specielle Reise nach Verona, Ravenna und Assisi unternahm, um sich volle Gewißheit zu verschaffen, in welcher Weise die Alten bei ihren mustergiltigen Kirchenbauten die Polychromie zur Anwendung brachten.

Doch gleich einem verdüsternden Schatten ging das Ableben des Grafen Franz Thun (22. November 1870) dem Kranner’s voraus. Thun und K. wirkten innigster Eintracht an der großen Aufgabe, ersterer war es zuvörderst, welcher die kühnen und geistvollen Entwürfe und Pläne des letzteren der Ausführung zuführte. Die Gefahr für die weitere Durchführung derselben erschien um so größer, als am 20. October nächsten Jahres die von der Spitze des wunderbar construirten Treppenthürmchens am südlichen Pfeiler des Domquerschiffes herabwallende schwarze Flagge den Tod des Dombaumeisters signalisirte, des Meisters, der ausgestattet mit seltenen Geistesgaben, angeregt vom lebhaftesten Wissensdrange, mit rastloser Thätigkeit und Ausdauer aus der niederen Berufssphäre des Handwerks sich zu der bedeutenden Stellung eines in der Künstlerwelt hochgeachteten, weit über die Grenzen seines engeren Heimathlandes bekannten Meisters der Baukunst, insbesondere der gothischen, emporarbeitete. Und es läßt sich sagen, daß wie die früheren, seit 1842 unternommenen Vorstudien für den Ausbau des Prager Domes ihn ganz eigentlich vorschulten für die Bauleitung der Votivkirche, diese ihm die vielseitige Praxis verlieh für die Eignung als Dombaumeister. Schwer dürfte es daher sein zu entscheiden, welche Aufgabelösung die größere, die verdienstvollere sei. Es fallen dabei nach einer Seite hin die Worte des [42] Nachrufs, den der Architekt der Votivkirche, Ritter v. Ferstel, K. widmete, gewichtig in die Wagschale: „Kranner’s gründliche Kenntnisse, seine große praktische Erfahrung und seine Begeisterung für mittelalterliche Baukunst waren für die richtige Instandsetzung des Baues entscheidend. Die Einrichtung der Bauhütte, die Organisirung des Regime, die Untersuchung über die zu wählenden Steingattungen … sind zunächst als Kranner’s Verdienst zu bezeichnen; bei seiner gediegenen Praxis, in welcher er lebhaft an einen Meister des Mittelalters erinnerte, stand ich ihm anfangs in diesen Fragen nur wie ein gelehriger Schüler zur Seite … Er verfolgte die Durchführung und Wandlungen in meinem Plane mit der Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit eines wohlwollenden Kritikers, so daß ich ihm mit gutem Recht manche wichtige Verbesserung des Planes beimessen muß. Es ist ein kleiner Tribut der Dankbarkeit den ich dem wahren Freunde zolle, wenn ich sage, daß sein Einfluß auf mein künstlerisches Wirken sich nicht nur auf dieses Werk beschränkte, sondern daß er mir auch bei meinen sonstigen Arbeiten, wo ich mir seinen Rath erbat, auf das freundlichste stets fördernd zur Seite stand. In rein technischen Fragen, deren mir so viele im Laufe der Zeit sorgenvolle Stunden bereiteten, fand er so häufig eine einfache und richtige Lösung … Seiner Verdienste um den Kirchenbau noch speciell gedenkend muß ich hervorheben, daß K. mit der Gründung unserer Bauhütte eine wirkliche Schule für das Steinmetzhandwerk geschaffen hat. Er bildete darin eine Anzahl tüchtiger Kräfte heran, deren Leistungen sich mit denen jeder anderen Schule messen können … Auch die Ausführung des Ornamentes und der Figuren durch die Steinmetzen wurde durch ihn eingeführt … Am Tage vor seinem Scheiden bezeichnete er denn auch allen Grundes die Zeit des Wirkens an der Votivkirche „als die lichtvollste seines Leben“. – Andererseits charakterisirte der Dombauverein-Präses sein Wirken in den Worten: „Unter Kranner’s Leitung und nach seinen Anordnungen ist der Dom in dem schon sichtlichen Verfall nicht nur aufgehalten, sondern in seiner äußeren Erscheinung wieder verjüngt worden; schmuck und ursprünglich reinen, echt gothischen Charakters steht derselbe wieder vor uns und für künftige Jahrhunderte die Tradition der großen schaffensreichen Kunstperiode Karls IV. weitertragend. Ueberkommt uns im Ueberblicke all der von seiner Hand für das unternommene Werk geschaffenen Pläne, Entwürfe und Details schon das Staunen über die auf dieses eine Object schon aufzuwendende riesige Arbeitskraft, so wächst dieses Staunen mehr und mehr im Hinblicke auf seine thatkräftige Leitung zur Durchführung all der Entwürfe und Pläne, die ja doch sich noch weitaus umfangreicher zeigt im Hinblicke auf seine Mitwirkung am Gelingen der Votivkirche, auf sein, diesen beiden Hauptströmungen seiner Thatkraft voraus- und beigehendes Wirken.“ – Der ganze Eindruck, den der von Natur aus ungewöhnlich groß gestaltete, kräftig gebaute Mann machte, war auch darnach, ihn für bedeutendes, die Alltäglichkeit überragendes Schaffen bestimmt zu halten. In Uebereinstimmung mit der Gestalt war sein wuchtiger ausdrucksvoller Kopf mit dem dunklen krausen Haare, den lebhaften von dichten Brauen überschatteten Augen, der wohlgeformten breitgesattelten Nase und dem zum Ausdrucke der Milde wie des Ernstes gleichgefügen, von stets kurz gehaltenem Barte umrahmten Munde. Dem schlichten Wesen entsprach der schlichte, gewöhnlich dunkelblaue Anzug, der (am Bauplatze) seinen Abschluß erhielt in einem breitkrämpigen, schmiegsamen grauen Hute. – Die Innenseite seines Wesens kennzeichnet genauestens wieder das für den Dombau gegebene Regulativ: „1. Ueberall die möglichst zweckmäßige Haushaltung und thunlichste Sparsamkeit bei der Verwendung der disponiblen Mittel eintreten zu lassen, um mit möglichst geringem Aufwande möglichst viel zu leisten; 2. es als unumstößliches Princip zu betrachten, daß sich bei allen Restaurationsarbeiten alter Baudenkmale, [43] daher auch bei den jetzt obliegenden, stets gewissenhaft auf die bloße Wiederherstellung des früheren Bestandes zu beschränken; jede Abweichung von demselben und jede sogenannte Verbesserung aber mit aller Sorgfalt, Pietät und Selbstverleugnung zu vermeiden sei und daß alle neuen Herstellungen dort, wo solche wegen gänzlichen Mangels an Anhaltspunkten über den früheren Bestand, oder weil es sich eben um den Fortbau handelt, einmal unerläßlich sind, wenigstens streng im Geiste und im Stile der alten Theile gehalten werden müssen; 3. endlich dahin zu streben, daß unsere Arbeiten an dem Dome auch für den Aufschwung der Baugewerbe im Lande möglichst fruchtbar sein mögen, und daß auch alles Material, dessen wir bedürfen, in unserem Lande erzeugt und, wo immer thunlich, nur aus demselben bezogen werde.“ Begraben wurde die Hülle Kranner’s auf dem alten Friedhofe auf der „Schmelz“ bei Wien. Die Ruhestätte ziert ein nach Ritter v. Ferstel’s Zeichnung von Steinmetzen der Votivkirche ausgeführtes, in gothischem Stile gehaltenes Monument, unter dessen Baldachin die Porträtbüste des Verewigten vom Bildhauer Feßler angebracht ist. Zum Nachfolger Kranner’s als Dombaumeister wurde Architekt Jos. Mocker berufen, der auch getreulich sich den von seinem Vorgänger gegebenen Directiven anschloß.

Handschriften der Familie. Eigene Aufzeichnungen. Jahrbücher des Prager Dombauvereins. Gothische Briefe. Wien 1854.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Franz Anton II. von Thun-Hohenstein (1809-1870), Kunstsammler und -mäcen.
  2. František Ladislav Rieger (1818-1903), tschechischer Publizist und Politiker.
  3. So die Vorlage; gemeint ist wohl: Remuneration = Entlohnung.