Zum Inhalt springen

ADB:Küstner, Karl Theodor von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Küstner, Karl Theodor“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 440–442, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:K%C3%BCstner,_Karl_Theodor_von&oldid=- (Version vom 19. November 2024, 20:40 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 17 (1883), S. 440–442 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Karl Theodor von Küstner in der Wikipedia
Karl Theodor von Küstner in Wikidata
GND-Nummer 116611316
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|17|440|442|Küstner, Karl Theodor|Joseph Kürschner|ADB:Küstner, Karl Theodor von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116611316}}    

Küstner: Karl Theodor K., Theaterdirector, geb. 26. Novbr. 1784 zu Leipzig, † das. 28. Oct. 1864. Dieser in neuerer Zeit viel und zwar mit Unrecht verketzerte Mann erhielt seine erste Ausbildung auf der Thomasschule in Leipzig, und bezog dann die Universität dieser Stadt, später die Hochschule zu Göttingen, um Jura zu studiren, unternahm dann verschiedene Reisen und promovirte 1810 zum Doktor. Allein mehr als die ernste Wissenschaft, übte auf ihn die heitere Kunst einen bestimmenden Einfluß, angeregt von den Vorstellungen der Sekonda’schen wie denen der Weimarischen Hoftheatergesellschaft, nicht minder vom Studium dramaturgischer Werke, denen er sich mit Vorliebe hingab, ebenso durch die Mitwirkung an Liebhabervorstellungen (er spielte u. a. den Orest, Tasso etc.) – übte er zunächst auf das Theaterleben seiner Vaterstadt einen bestimmenden Einfluß aus. Nachdem er als Husarenoffizier den Feldzug von 1814 mitgemacht hatte, ging sein ganzes Trachten darauf hinaus, Leipzig ein stehendes Theater zu schaffen. Schon 1812 war K. mit Sekonda in Unterhandlung getreten um dessen Truppe zu übernehmen, aber durch die Ereignisse des J. 1813 daran verhindert worden. Den später allgemeinen Wunsch nach einem stehenden Theater in Leipzig vermittelte er durch ein Gesuch um die Erlaubniß der Errichtung eines solchen an den König, der auch im April 1816 seine Zustimmung gegen ein jährliches Concessionsgeld von 500 Thlrn. ertheilte. Es bildete sich nun ein Theaterverein, der im Sommer 1816 mit dem Magistrat und K. einen Vertrag abschloß, dem zu Folge K. das neue Institut übernehmen sollte. K. ging sogleich an die Organisation der Gesellschaft für Schauspiel und Oper, ein neuer Schauplatz wurde hergerichtet und am 26. August 1817 begannen die Vorstellungen mit einem Prolog von Mahlmann, gesprochen von Wohlbrück, und der Aufführung von Schiller’s „Braut von Messina“. Bis zum 11. Mai 1828 stand K. dem Leipziger Theater vor, dem er zwar pecuniäre Opfer bringen mußte, das aber unter seiner Leitung einen hervorragenden Rang in der deutschen [441] Theaterwelt einnahm. Darsteller und Darstellerinnen wie Wohlbrück, Genast, Jerrmann, Stein, E. Devrient, Mad. Miedke, Mad. Genast (geb. Böhler), die Sessi und Campi u. a. gehörten zu dem ständigen Personal; Gäste von Namen und Bedeutung wie Wolffs, L. Devrient, Eßlair, L. Löwe, Korn, Gerstäcker, Bader, Frau Hendel-Schütz, Frau Crelinger, Frau Haizinger, die Sontag, Schechner, Grünbaum u. a. brachten Abwechselung in den gewöhnlichen Lauf der Vorstellungen und neben den Classikern der deutschen, englischen, französischen, spanischen, italienischen und antiken Bühne, waren zahlreiche moderne Autoren in dem geschmackvollen und reichen Repertoire vertreten. Als sich die Leipziger Direction ihrem Ende zu nahen begann, erhielt K. von Dresden aus den Antrag, das dortige Hoftheater mit einer ihm zu gewährenden Subvention zu übernehmen, schlug aber nach genommenem Einblick in die obwaltenden, wenig günstigen Verhältnisse, das Anerbieten aus und folgte einer Berufung nach Darmstadt zur Uebernahme und Neuorganisation des dortigen Hoftheaters, das denn auch am 1. Sept. 1830 unter seiner Leitung eröffnet wurde. Leider fand die Unternehmung auf allerhöchsten Wunsch bereits am 30. Juni 1831 wieder ein Ende, worauf K. indessen noch einige Zeit in Darmstadt blieb, um die Ansprüche des Hoftheaterpersonals zu erledigen und Theaterinventarien aufzustellen und zu ergänzen. Einer Berufung als Leiter des Nationaltheaters nach Frankfurt a. M., die im J. 1831 an ihn herantrat, leistete K. keine Folge, dahingegen nahm er 1833 das ehrenvolle Anerbieten an, die Münchner Hofbühne hinfort zu leiten. Mißbräuche und Uebelstände, die sich allmählich geltend gemacht hatten, wußte K. überraschend schnell zu beseitigen und eine Fülle administrativer und finanzieller Fragen in glücklichster Weise zu lösen. Die Lücken des Personals füllte er mit trefflichen Kräften, so engagirte er die Jazedé und Rettich, die Hartmann-Diez, den Orchesterdirigenten Franz Lachner, das Ehepaar Dahn, Friedrich Diez, Karl Jost, Ad. Christen, Frl. v. Hasselt, Auguste v. Faßmann, Marie Denker, Frieder. Wagner, Aug. Gerstel, Henriette Schöller, Therese Mink, Karoline Hetzenecker, Jul. Krause u. A.; zog zahlreiche Gäste herbei, sowol im Schauspiel wie in der Oper und im Ballet. Auf dem Repertoire standen Novitäten von Bauernfeld, Meyerbeer, Bellini, Marschner, Grillparzer, Raimund, Ed. v. Schenk, J. v. Auffenberg, Auber, Spohr, Kreutzer, Halévy, Töpfer, Halm, Shakespeare, Rossini, Herzogin Amalie, Adam, Lachner, Gutzkow, Scribe, Zedlitz, Lortzing etc. Schon diese wenigen Angaben sprechen für Küstner’s rege Thätigkeit; zu der Bevorzugung der Oper, die aus dem Repertoirestand hervorgeht, zwang ihn der Umstand, daß das große Haus dem recitirenden Schauspiel fast unübersteigliche Hindernisse entgegensetzte. Mit Recht aber tadelt der Chronist der Münchner Bühne, daß K. seinen litterarischen Standpunkt nicht genügend über den Geschmack des Publikums erhoben habe; dagegen muß auch er die außerordentlichen Verdienste in administrativ-finanzieller Beziehung anerkennen, die allen Unternehmungen Küstner’s den Stempel außergewöhnlicher Ordnung und Wirthschaftlichkeit aufdrücken. Er überschritt nicht nur nicht wie sein Vorgänger den geleisteten Zuschuß, sondern vermehrte die Einnahmen und tilgte die Schuldenlast, ohne die Kunst zu beschränken. K. gab seine Münchner Stellung auf, um einer Berufung als General-Intendant an das Berliner Hoftheater Folge zu leisten. Im Februar 1842 verließ er München, und traf nach einer Reise durch Italien, am Pfingstabend in Berlin ein. Auch hier bewährte K. in erster Linie sein ungewöhnliches administratives Talent und brachte trotz hemmender Vorfälle, wie des Brandes des Opernhauses, der 48er Bewegung u. a. m., trotz Anfeindungen, die ihm in reichem Maße zu Theil wurden, Ordnung ins Ganze, was um so mehr sagen will, als ihm eigentlich 5 Bühnen, nämlich das Opern- und Schauspielhaus in Berlin, das Schauspielhaus in Potsdam, das neue Palais bei Potsdam und Charlottenburg unterstanden. [442] Alle dramatischen Gattungen galt es hier zu pflegen und er stand in der That an der Spitze des größten europäischen Theaterwesens. Wie in München fand er auch in Berlin genug Mängel im Personal, die Abhilfe heischten. Zu dem Behufe engagirte er u. A. Döring, Hoppé, Dessoir, Clara Stich, Adolfine Neumann, Edwine Viereck, Bertha Unzelmann, Bertha Thomas, ferner Hendrichs, Jos. Wagner, Liedtcke u. A. für das Schauspiel, Pauline Marx, Jenny Lind, Pauline Viardot-Garcia, Sophie Löwe, Louise Köster, Johanna Wagner, Salomon für die Oper. An Gästen führte er den Berlinern das Bedeutendste vor, was die Zeit aufwies. Dem Repertoire fehlte es nicht an Novitäten und es ist ein Beweis rührigen Fleißes, daß K. deren jährlich ca. 35 auf die Bühne brachte. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr unter ihm und dem ihm dabei sekundirenden Tieck, Shakespeare. Von neuen Autoren waren mit Novitäten vertreten Halm, Benedix, Gutzkow, Laube, Michael Beer, Freytag, Prutz, Hebbel, Mosenthal, Rellstab, Wollheim, Töpfer, Bauernfeld, Putlitz, Gubitz, Hackländer, Plötz, Hertz, Birch-Pfeiffer, Raupach, dann Rossini, Meyerbeer, Lachner, Spohr, Wagner, Balfe, Nicolai, Flotow etc. Wie in München, führte K. auch in Berlin ein neues Theatergesetzbuch ein und rief 1844 zuerst das Institut der Autorenantheile oder Tantièmen ins Leben, ein Verdienst, das die wärmste Anerkennung erheischt. Ebenso mag gleich hier erwähnt sein, daß es auch K. war, der die Begründung des noch jetzt bestehenden Bühnen-Cartell-Vereins in hervorragender Weise förderte. Am 1. Juni 1851 wurde K. auf sein Ansuchen pensionirt. Auch bei dieser Gelegenheit widerfuhren ihm Ehren, wie ihm schon früher solche erwiesen worden waren, durch Ernennung zum herzogl. sächs. Hofrath und baier. Geh. Hofrath und die 1837 durch den König von Baiern erfolgte Erhebung in den Adelstand. 1860 übersiedelte K. nach Leipzig, wo er, wie schon erwähnt vier Jahre später starb. Auch in seinem Wirken als Schriftsteller hat sich K. nicht zu verachtende Verdienste um das Theater erworben. Man besitzt von ihm die genaue Geschichte seines Wirkens und zugleich biographisches Material in seinen Schriften „Rückblick auf das Leipziger Stadttheater“ (Leipzig 1830) und „Vierunddreißig Jahre meiner Theaterleitung“ (ebda. 1853), ferner ein „Handbuch für Theaterstatistik“ (ebda. 1855, 2. Aufl. 1857) und ein „Album des kgl. Schauspiels und der kgl. Oper zu Berlin“ (Berlin 1858). Außerdem bearbeitete er 1858 Uchard’s Drama „Die Fiammina“ und Calderon’s „Richter von Zalamea“ und schrieb „Dramatische Kleinigkeiten“, Leipzig (1814), das Trauerspiel „Die beiden Brüder“ (Darmstadt 1833) und verschiedene rechtswissenschaftliche Schriften.