Zum Inhalt springen

ADB:Litzmann, Carl

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Litzmann, C. C. Theodor“ von Franz von Winckel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 50–52, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Litzmann,_Carl&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 16:22 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Loch, Valentin
Band 52 (1906), S. 50–52 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Carl Conrad Theodor Litzmann in der Wikipedia
Carl Conrad Theodor Litzmann in Wikidata
GND-Nummer 118573586
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|52|50|52|Litzmann, C. C. Theodor|Franz von Winckel|ADB:Litzmann, Carl}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118573586}}    

Litzmann: C. C. Theodor L., geboren am 7. October 1815 in Gadebusch, † am 24. Februar 1890 in Kiel. Der Vater von L. war ein vielbeschäftigter Arzt in Gadebusch und ließ den Sohn zunächst von Privatlehrern im Hause unterrichten, bis er 1832 in die Secunda in Lübeck eintreten konnte. Hier befreundete er sich u. a. mit Emanuel Geibel und Ernst Curtius, eine Freundschaft, aus der sich seine Neigung zur Poesie und zu philosophischen [51] und ästhetischen Studien erklärt. 1834 bezog er die Universität Berlin, um auf den Wunsch des Vaters Medicin zu studiren, anfangs mit Widerstreben, bis er 1836 in Halle durch Krukenberg zu einem feurigen Jünger Aeskulap’s umgewandelt wurde. Im Herbst 1837 nahm er bei Doutrepont in Würzburg einen geburtshülflichen Operationscursus, kehrte dann nach Berlin zurück, um hier Wolff, Rust, Jüngken und Busch noch zu hören und wurde 1838 in Halle auf Grund seiner Dissertation: „de arteritide“ promovirt. Nachdem er 1839 in Berlin die Approbation als Arzt und Wundarzt erlangt hatte, machte er nach der Sitte der damaligen Zeit 1839 vor einer Commission in Magdeburg ein besonderes Examen in der Geburtshülfe.

Bald nachher wurde er Assistent von Niemeyer in Halle, dann bei Hohl und habilitirte sich hier mit der Schrift: „De causa partum efficiente“. Er las in Halle außer über Geburtshülfe über Physiologie in ihrer Anwendung auf Pathologie, dann über Physiologie des Weibes, über geburtshülfliche Auscultation und Operationslehre.

1845 wurde er zunächst als Extraordinarius nach Greifswald zur Unterstützung des Professors Seifert berufen und trug daselbst allgemeine Pathologie, Semiotik, Arzneimittellehre und Therapie vor. 1846 wurde er daselbst als Ordinarius für allgemeine Pathologie und Therapie, Encyklopädie der Medicin und medicinisch-physikalische Diagnostik angestellt. Seine Bitte, ihm die Geburtshülfe zu übertragen, wurde von der Facultät abgeschlagen.

Nach einer vorangegangenen vertraulichen Anfrage im Winter 1848 wurde er darauf im Sommer 1849 als ordentlicher Professor der Geburtshülfe, Frauen- und Kinderkrankheiten und Director der Hebammenlehranstalt nach Kiel berufen und am 24. März desselben Jahres zum Mitglied des schleswig-holsteinschen Sanitäts-Collegiums ernannt. Hier gelang es ihm nach unausgesetzten Bemühungen im J. 1862 den Bau einer neuen gynäkologischen Klinik durchzusetzen und bald eine ausgedehnte Privatpraxis zu erlangen, da seine zartfühlende, theilnahmsvoll freundliche Weise ihn als Arzt überall beliebt machte. Als Schriftsteller begründete er seinen Ruf zuerst hauptsächlich durch den Artikel „Schwangerschaft“ in Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie, der bereits 1846 erschien. In Kiel aber wurde er, jedenfalls durch die Herausgabe des Werkes von G. A. Michaelis: „Das enge Becken“ mit bewogen, seine fachwissenschaftliche Thätigkeit in größter Ausdehnung der Beckenlehre zuzuwenden. So erschien zuerst von ihm 1853: „Das schrägovale Becken mit besonderer Berücksichtigung seiner Entstehung im Gefolge einseitiger Coxalgie“ und 1861: „Die Formen des engen Beckens, insbesondere des engen weiblichen Beckens, nebst einem Anhange über die Osteomalacie“. Auch veröffentlichte er zuerst Studien über das Becken der Neugeborenen und beschrieb ein gespaltenes Becken (Archiv f. Gynäkologie IV, 266. 1872). In seinem Aufsatz: „Zur Feststellung der Indicationen für die Gastrotomie bei Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter“ (Archiv f. Gyn. XVI, 323. 1880) förderte er nicht bloß unsere Kenntnisse von dem anatomischen Verhalten der vorgerückten Stadien derselben, sondern gab auch wichtige Rathschläge hinsichtlich der Therapie.

L. zeichnete sich als Lehrer durch Klarheit des Vortrags und Schärfe des Urtheils aus; er war ein vorzüglicher Diagnostiker. Ueberall anerkannt war die Genauigkeit seiner Beobachtungen und der classische Stil seiner Schriften. So kam er denn auch bei verschiedenen Berufungen in Frage, wie in Heidelberg, Berlin und Göttingen. Immer gelang es, ihn in Kiel zurückzubehalten. Der Zauber seiner Persönlichkeit, der äußerst glückliche Familienkreis, den er sich geschaffen, die Pflege der Wissenschaft und Kunst, namentlich auch der Musik in seinem Hause übten auf seine Freunde und Schüler eine [52] große Anziehungskraft aus. Unter den letzteren treten als bedeutendste hervor: Hermann Schwartz[WS 1], Professor der Geburtshülfe in Marburg und Göttingen und Rich. Werth[WS 2], sein Nachfolger in Kiel.

1886 zog er sich nach Berlin zurück und arbeitete dort bis zu seinem Tode an einem Werk über den Dichter Hölderlin, welches er fast vollendet hinterließ: „Hölderlin’s Leben in Briefen von und an Hölderlin“.

Außer den bisher erwähnten Werken von L. sind noch folgende bemerkenswerth: „Die Geburt bei engem Becken nach eignen Beobachtungen und Untersuchungen“ (Leipzig 1884); „Erkenntniß und Behandlung der Frauenkrankheiten im Allgemeinen“ (Berlin 1886); „Ueber den ursächlichen Zusammenhang zwischen Uraemie und Eklampsie“ (Deutsche Klinik 1855, Nr. 29 und 30); „Ueber den Werth der künstlich eingeleiteten Frühgeburt bei Beckenenge und die Grenzen ihrer Zulässigkeit“ (Archiv f. Gyn. II, 169. 1871); „Ueber die hintere Scheitelbeinstellung, eine nicht seltene Art von fehlerhafter Einstellung des Kopfes unter der Geburt“ (Archiv f. Gyn. II, 433. 1871). Noch ist zu erwähnen, daß L. auch ein ausgezeichneter Operateur als Geburtshelfer war und seit der Einführung der Antisepsis in der Mitte der 1870er Jahre auch die operative Gynäkologie mit vorzüglichen Erfolgen cultivirte.

Biogr. Lexikon von Gurlt u. Hirsch IV, 13. 1886. – Pagel, Biogr. Lex. 1901, S. 1027. – Richard Werth, Zum Gedächtnisse Litzmann’s (Archiv f. Gynäk. XXXVIII, 177–198. 1890).


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Hermann Schwartz (1821–1890); deutscher Gynäkologe und von 1862 bis 1888 Direktor der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Georg-August-Universität Göttingen
  2. Richard Werth (1850-1918), Gynäkologe und Universitätsprofessor