ADB:Lohmüller, Johann
Luther und dem Herzog Albrecht von Preußen gekommen war. Ort und Zeit seiner Geburt, sowie seine Abstammung und sein Bildungsgang sind unbekannt. In einem Schreiben an den Herzog Albrecht vom 17. Septbr. 1529, in welchem er über die von ihm in Riga erlittenen Verfolgungen klagt, sagt er u. A.: „Vater und Mutter und alle meine Nächsten weichen von mir.“ Man könnte daraus entnehmen, daß seine Familie in Riga heimisch gewesen wäre; dies wird aber durch keine sonstigen Nachrichten bestätigt; dagegen ergibt sich aus seinem 1533 errichteten Testament, daß seine Schwester in Danzig mit Lucas v. Barthen verheirathet war und die verheirathete Schwester seiner Frau in Braunsberg in Ostpreußen lebte. Er selbst hatte in kinderloser Ehe gelebt. Daß er auf einer Universität studirt hatte, ergibt sich aus dem ihm stets beigelegten Titel Magister. L. war seit 1517 Kanzler bei dem Erzbischof von Riga, Jasper Linde, gewesen, trat 1520 als Secretär in den Dienst des Rathes der Stadt Riga und wurde 1532 Syndicus. In beiden Aemtern nahm er als Mitvertreter der Stadt Riga an den livländischen Landtagen Theil. – Als Andreas Knöpken, bis dahin Lehrer an der derzeit berühmten Schule in Treptow in Pommern, durch den Bischof von Camin, Erasmus Mannteufel, vertrieben war und sich im J. 1521 nach Riga gewandt hatte, hier Privatunterricht ertheilte, öffentliche Vorlesungen, namentlich über den Brief Pauli an die Römer hielt und dabei die von Luther verkündete neue evangelische Lehre vertrat, wurde L. alsbald sein eifrigster Gönner und ließ es sich angelegen sein, der neuen Lehre Eingang und Ausbreitung zu verschaffen. Schon am 20. October 1522 machte er Luther in einem Schreiben Mittheilung, daß „auch Riga, die Hauptstadt Livlands, ja fast das ganze weit entlegene Livland dem Evangelium Christi eingeweiht sei“, und bat ihn, in seinen Schriften einen Gruß oder eine Dedication an seine Anhänger nach Riga zu senden. Auf dem Landtage zu Wolmar 1522 erklärten der Erzbischof von Riga und die Bischöfe von Reval und Dorpat Luther’s Schriften für ketzerisch, verführerisch und lästerlich und suchten eine öffentliche Verurtheilung derselben herbeizuführen. L. bewirkte dagegen eine Einigung der gemeinen Ritterschaft und der Städte Riga, Reval und Dorpat zu Gunsten der evangelischen Lehre und gegen etwaige Unternehmungen der Bischöfe. Er schrieb darauf einen zweiten Brief an Luther und sandte ihm zugleich eine theologische Abhandlung über den Anfang des Evangelium Johannis. Unterdessen hatte Luther schon im August 1524 ein Ermahnungsschreiben an die Städte Riga, Reval und Dorpat gerichtet und als eine Folge jenes Lohmüller’schen Briefes möchte wol auch Luther’s Dedication und Auslegung des 127. Psalms an die Christen zu Riga und in Livland vom J. 1524 anzusehen sein. Als im J. 1523 der Bischof von Reval und Dorpat, Johann Blankenfeld, zum Coadjutor des Erzbischofs gewählt wurde, bewirkte L., daß der Rath der Stadt Riga diese Wahl anerkannte, wogegen Blankenfeld die freie Ausübung der evangelischen Lehre und die Bestätigung aller Privilegien der Stadt versprach. Als er jedoch nach dem Tode des Erzbischofs Jasper Linde dessen Stelle einnahm, sein gegebenes Wort aber nicht einlöste, bestimmte L. wiederum den Rath der Stadt Riga, dem Erzbischof die Huldigung zu versagen, den erzbischöflichen Hof, die Kleinodien der Domkirche und die Güter des Capitels einzuziehen und künftig nicht mehr Erzbischof und Ordensmeister, sondern letztern allein als [127] Herrn anzuerkennen. Der Ordensmeister Walther v. Plettenberg zögerte indessen, eine entschiedene Stellung einzunehmen, berief jedoch auf Andringen der Städte einen Landtag auf den 2. Juli 1525 nach Wolmar. L. hatte in einem Memorial auf Grund der heiligen Schrift den Beweis zu führen gesucht, daß „der Papst, die Bischöfe und der geistliche Stand kein Land und Leute besitzen, vorstehn und regieren mögen“ und sandte dasselbe an den Landmarschall und andere Gebietiger. Damit vertraten die Rigaischen Abgeordneten ihre Weigerung, einen Erzbischof ferner als Oberherrn der Stadt anzuerkennen und suchten dem Ordensmeister es nahe zu legen, daß jetzt die Gelegenheit da sei, die weltliche Herrschaft allein zu übernehmen. Persönliche Unentschlossenheit und politische Gründe mochten den Ordensmeister bewegen, auf den Gedanken der Säcularisation nicht einzugehen. Der Beschluß des Landtags ging dahin, die Stände und die Bischöfe in den bisherigen Rechten zu belassen und die allendliche Erledigung der streitigen Sachen von der Entscheidung des nächsten allgemeinen Concils abhängig sein zu lassen. L. legte gegen den Receß des Landtags Protest ein und kehrte mit den übrigen Delegirten nach Riga zurück. Ueber diese Begebenheiten und über den Stand der evangelischen Sache schrieb er am 22. Juli 1525 einen ausführlichen Bericht an den Bischof von Samland, Georg v. Polenz. Nach dem Schluß des Landtags war eine Gesandtschaft des Herzogs Albrecht, an deren Spitze Friedrich v. Meideck stand, eingetroffen, welche von der im April 1525 in Preußen stattgehabten Staatsveränderung Nachricht geben sollte. L. und seine Gesinnungsgenossen beschwerten sich gegen Friedrich v. Meideck, daß der Ordensmeister ihre Sache verlassen habe und zeigten sich geneigt, sich unter den Schutz Albrechts zu begeben, worauf dieser auch L. durch den Bischof Polenz einen geneigten, doch in allgemeinen Ausdrücken gehaltenen Bescheid zukommen ließ. Der Ordensmeister Plettenberg, wohl von diesen Unterhandlungen unterrichtet, nahm nunmehr als alleiniger Oberherr die Huldigung der Stadt Riga entgegen und sicherte am 21. Sept. 1525 derselben die freie Religionsübung zu. Darauf sahen sich auch der in seinen verrätherischen Plänen entlarvte Erzbischof und die Bischöfe (15. Juni 1526) genöthigt, den Ordensmeister als ihren Schutzherrn anzuerkennen und sich zu verpflichten, ihm Kriegsfolge zu leisten und nichts ohne ihn zu unternehmen. Gleich darauf eilte der Erzbischof Blankenfeld nach Spanien, um die Hülfe Kaiser Karls V. in Anspruch zu nehmen, starb jedoch auf der Reise, unfern von Madrid, ehe er seinen Zweck erreicht hatte. Anstatt des von ihm zu seinem Coadjutor postulirten Herzogs Georg von Braunschweig, Domherrn der Stifte Köln und Straßburg, erwählte das Capitel auf Betrieb des Ordensmeisters den Rigaischen Dompropst Thomas Schöning, einen Sohn des Rigaischen Bürgermeisters Johann Schöning. Zur Beseitigung der seinem Amtsantritt noch entgegenstehenden Schwierigkeiten und zur Verständigung mit dem Herzog Georg begab sich Thomas auf den Reichstag nach Regensburg und von da nach Lübeck und wollte nicht eher nach Riga zurückkehren, bis hier die Verhältnisse, namentlich seine oberherrliche Stellung zur Stadt Riga, geordnet sein würden. Um den von Thomas eingesandten kaiserlichen Mandaten und Citationen zu entgehen, suchte L., welchem vor allem die Freiheit des Evangeliums am Herzen lag, die Parteien zu einem gütlichen Vergleich zu stimmen und wurde mit Genehmigung des Ordensmeisters vom Rath der Stadt Riga mit Vollmacht und Instruction versehen nach Lübeck gesandt. Er erhielt auch ein Empfehlungsschreiben an den Herzog Albrecht und dieser gab ihm ein weiteres Empfehlungsschreiben vom 28. Juni 1529 an die evangelischen Kurfürsten, Fürsten und Städte mit. L. gelang es, am 30. Juli 1529 mit dem Erzbischof Thomas einen Vergleich auf sechs Jahre abzuschließen, nach welchem dem Erzbischof die Herrschaft über die Stadt und der Besitz aller vom Rath [128] schon eingezogenen Kirchengüter zugesichert, von ihm dagegen die freie Verkündigung des Evangeliums gewährt wurde. L. ging darauf nach Wittenberg und legte Luther den abgeschlossenen Vergleich vor. Dieser billigte ihn und schrieb deshalb am 31. August 1529 an den Rath von Riga, die Annahme desselben empfehlend. Ein Schreiben mit gleicher Empfehlung unter Hervorhebung des rechtlichen Standpunkts sandte auch Hieronymus Schurf, Doctor der Rechte und Professor zu Wittenberg, unter dem 25. August 1529. Eine Krankheit hielt L. in Wittenberg zurück und verhinderte seine sofortige Rückkehr nach Riga. Unterdessen war der Erzbischof Thomas mit dem Herzog Albrecht in Verbindung getreten und hatte dessen Bruder, den Markgrafen Wilhelm von Brandenburg, zu seinem Coadjutor gewählt gegen die Zusage Albrechts die Conservatur des Erzbisthums zu übernehmen. Die Kunde von diesen Verhandlungen kam nach Riga, und da auch L. mit dem Herzog Albrecht in Verbindung gestanden hatte, so wurde gegen ihn Mißtrauen wach. Ein Artikel des von L. abgeschlossenen Vertrags wurde als der ihm ertheilten Instruction zuwiderlaufend erklärt und so gedeutet, als ob er den Verpflichtungen der Stadt gegen den Orden widerspreche. Es fiel deshalb auf L. der Verdacht der Untreue und der Verrätherei. In einem Schreiben an den Herzog Albrecht erzählt er, daß er von allen Menschen gemieden und verstoßen werde und daß Vater und Mutter und alle seine Nächsten von ihm wichen. Der Vertrag wurde von dem Rathe nicht ratihabirt und die Sache dem Ordensmeister mitgetheilt. Mittlerweile langten die Antwortschreiben des Kurfürsten und Herzogs Johann Friedrich von Sachsen und des Landgrafen Philipp von Hessen auf das Empfehlungsschreiben Herzog Albrechts an und L. vermochte durch dieselben sich zu rechtfertigen, so daß er auf dem Landtage zu Wenden vom 1. Januar 1530 eine ihn vollkommen freisprechende Sentenz erhielt und darauf auch der Rath von Riga am 2. Februar 1530 ihm gleichfalls eine urkundliche Ehrenerklärung ausfertigte. Die unterlassene Anerkennung des von L. zu Lübeck abgeschlossenen Vergleichs veranlaßte den Erzbischof Thomas, sich an den Kaiser zu wenden und Mandate des kaiserlichen Kammergerichts zu erwirken, welche die Unterwerfung des Ordens und der Stadt unter den Erzbischof forderten. L. wurde wiederum ausersehen, mit dem Erzbischof zu verhandeln und er brachte den Vergleich zu Dalen vom 10. August 1530 zu Stande, durch welchen dem Erzbischof und dem Capitel ihre beweglichen und unbeweglichen Güter restituirt und die übrigen Differenzen auf zwei Jahre beanstandet wurden. – Am 2. October 1532 wurde L. zum Syndicus und zum Superattendenten erwählt; in letzterer Eigenschaft fertigte er die „Erste Ordnung von Bedienung des Ministerii vom 13. December 1532“, an, durch welche die Art und Weise des Gottesdienstes, worüber zwischen den beiden Pastoren Knöpken und Tegetmeyer Differenzen bestanden, geregelt wurde. Als Syndicus brachte er die Vereinigung zwischen dem Rath von Riga und dem Herzog Albrecht vom 27. December 1532 zur Beschützung des evangelischen Glaubens zu Wege. – L. war mit dem Herzog Albrecht in steter Beziehung geblieben, hatte von ihm Briefe empfangen und war in einem Schreiben vom 11. März 1531 ersucht worden, seinem Bruder Wilhelm, dem Coadjutor, mit Rath und That behülflich zu sein. Es hatte sich im Anfange des J. 1535 die Meinung verbreitet, als beabsichtige Herzog Albrecht Riga von der See aus zu besetzen, um seinen Bruder in der Behauptung des Erzbisthums zu unterstützen. L. gerieth in Folge dessen in den Verdacht eines verrätherischen Einverständnisses mit dem Herzog Albrecht. Er hielt seine Person in Riga nicht mehr für sicher, seine Freunde, um ihn besorgt, gaben ihm den Rath, zu entweichen und er floh nach Ronneburg zum Markgrafen Wilhelm. Dieser machte dem Rigaischen Rath Vorstellungen, um ihm den Argwohn gegen seinen Bruder [129] Albrecht zu benehmen und Lohmüller’s Entweichen zu entschuldigen. Doch fanden diese bei dem Rathe keinen Eingang aus Rücksicht auf den Ordensmeister, der in dieser Angelegenheit sehr erbittert war. Der Rath rieth daher, die Sache noch einstweilen anstehen zu lassen. L. begab sich darauf nach Preußen und trat in die Dienste des Herzogs Albrecht. Auf Betrieb der Rathsherren Ulenbrok und Durkop wurde er jedoch der Stadt Riga wiedergewonnen; nach einer mit ihm zu Königsberg am 10. September 1537 getroffenen Abmachung sollte er neben seiner Stellung als herzoglicher Rath das Syndicat der Stadt Riga mit erhöhtem lebenslänglichem Gehalt wieder übernehmen und sich zu Gesandtschaften an das kaiserliche Kammergericht, an den König von Dänemark und besonders an die evangelischen Stände gebrauchen lassen. L. ist, wie es scheint, nicht mehr nach Riga zurückgekehrt, sondern in Königsberg geblieben, hat von dort aus für die Stadt Riga Gesandtschaftsreisen, so namentlich im J. 1554 zum Hansetage nach Lübeck, gemacht und mit dem Rath in Correspondenz gestanden. Der in der Mitte des 16. Jahrhunderts in Königsberg lebende preußische Chronist Christoph Falk erwähnt in einer in der Danziger Stadtbibliothek aufbewahrten Handschrift unter den von ihm benützten Chroniken auch einer handschriftlichen Chronik Johann Lohmüller’s und auch der preußische Chronist Caspar Hennenberger zählt in seiner „Erklärung der preußischen größern Landtafel“ etc., Königsberg 1591, S. 2, und zwar unter denjenigen Chroniken, „deren rechte Namen man nicht weiß, deshalben ihrer Herren Namen gesetzt werden“, eine Chronik Lohmüller’s auf. Es ist sonst nicht bekannt, daß L. eine Chronik verfaßt hätte und die von Falk und Hennenberger erwähnte dürfte eine von L. irgend woher abgeschriebene gewesen sein. L. hat auf Grund der mit ihm 1537 getroffenen Abmachung bis an sein Lebensende im Dienste der Stadt Riga gestanden und ist vor dem J. 1560 und wahrscheinlich zu Königsberg gestorben.
Lohmüller: M. Johann L. Seine Bedeutung hat er durch seine besondere Wirksamkeit bei Einführung der evangelischen Lehre in Riga und Livland und durch die Beziehungen, in welche er dabei zu- Arndt, Livländ. Chronik, Thl. II, Halle 1753, S. 204. Monumenta Livoniae antiqua, Bd. V, Riga und Leipzig 1847, S. VIII. XII. XIV. 173. 214. 233. 239. – Taubenheim, Einiges aus dem Leben M. Johann Lohmüller’s, Riga 1830. Mittheilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Esth- und Kurlands, Bd. V, Riga 1850, S. 20 u. ff. Bd. XI, Riga 1865, S. 157. Richter’s Geschichte der deutschen Ostseeprovinzen, Riga 1858, Bd. II, S. 258 u. ff. Bienemann, Briefe und Urkunden zur Geschichte Livlands, Bd. V, Riga 1876. Böthführ, Rigische Rathslinie, Riga 1877, S. 127–131.