Zum Inhalt springen

ADB:Magdeburg, Joachim

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Magdeburg, Joachim“ von Carl Bertheau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 53–56, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Magdeburg,_Joachim&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 09:31 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Magdeburg, Hiob
Nächster>>>
Magdeburg, Johann
Band 20 (1884), S. 53–56 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Joachim Magdeburg in der Wikipedia
Joachim Magdeburg in Wikidata
GND-Nummer 116660929
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|20|53|56|Magdeburg, Joachim|Carl Bertheau|ADB:Magdeburg, Joachim}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116660929}}    

Magdeburg: Joachim M., bekannter lutherischer Theolog, geboren im J. 1525 zu Gardelegen in der Altmark, welcher Ort damals meistens Gardeleben, auch wohl Garleben genannt ward, wie denn M. sich selbst oft, z. B. auf den Titeln seiner Werke, als Gardelebensis bezeichnet, wurde im April 1544 (vgl. jedoch unten bei seinem Bruder Johann) zu Wittenberg immatriculirt. Ob er vorher schon anderswo studirt hat und wie sonst sein Bildungsgang beschaffen gewesen, scheint unbekannt zu sein. Etwa im J. 1546 ward er Rector in Schöningen bei Helmstädt, wurde aber aus dieser Stelle mit seinem Pastor seines lutherischen Glaubens wegen entlassen, als Herzog Heinrich der Jüngere von Braunschweig im J. 1547 sein Land wieder in Besitz nahm. Er ward darauf in Celle ordinirt und bekam die Pfarre zu Dannenberg im Lüneburgischen. Weil er hier aber trotz sauerster Arbeit nur ein so geringes Einkommen hatte, daß er nicht sein Leben fristen konnte, legte er diese Stelle nach zwei Jahren im J. 1549 freiwillig nieder und ward unmittelbar darauf Pastor in Salzwedel in der Altmark. Hier ward er am Charfreitag des Jahres 1552 abgesetzt, weil er sich nicht dazu verstehen wollte, die im Interim nachgegebenen katholischen Ceremonien beizubehalten; schon am Ostersonntage, den 17. April, mußte er mit andern, die dasselbe Schicksal traf, das Kurfürstenthum Brandenburg verlassen; bei Strafe des Stranges wurde ihm die Rückkehr in dasselbe verboten. Er und sein College Nikolaus Barstmann begaben sich nun nach Hamburg, wo beide durch den Einfluß des Superintendenten Aepin (vgl. Bd. I, S. 129), da gerade einige Pfarren vacant waren, alsbald eine Anstellung fanden. Am 20. April kamen sie an; schon am 30. April ward Barstmann als Prediger zu St. Johannis eingeführt; und wahrscheinlich nur wenige Tage später ward M. als Kapellan zu St. Petri (in das durch den am 27. December 1551 erfolgten Tod des Hermann Hannoberanus, wie er meistens genannt wird, erledigte Amt) eingesetzt. In Hamburg waren seit kurzem die Aepin’schen Streitigkeiten wegen der Lehre von der Höllenfahrt Christi beendet; aber darum war doch kein Friede in kirchlichen Dingen; an den die ganze lutherische Kirche bewegenden Kämpfen jener Jahre nahmen auch die Hamburger Theil; unser M. stand auf der Seite der strengeren Lutheraner, eines Joachim Westphal (seit 1541 Pastor zu St. Catharinen), mit dem er eng befreundet ward, und anderer. Schon in Dannenberg, wie wenigstens wahrscheinlich ist, gab M. „zwei schöne Gesänge“ heraus, in denen er das Treiben der Gottlosen und der Schwärmer, der Interimisten und Adiaphoristen geißelt; in dem zweiten dieser Lieder unter Verwendung der äsopischen Fabel vom Wolf und Schaf. Sicher ist, daß er bald nach seiner Anstellung in Hamburg und zwar noch im J. 1552 ein „Klagelied der heiligen christlichen Kirche in diesen gefährlichen Zeiten“ in achtzehn zehnzeiligen Strophen drucken ließ, in welchem er über die Gefahr, welche der Kirche aus dem Interim und dessen „Schwestersohn Mittelding“ (den Adiaphora) erwachse, im Hinblick auf seine eigenen Erlebnisse in Salzwedel klagt. Als Aepin am 13. Mai 1553 gestorben war, verfaßte M. eine poetische Beschreibung der Verdienste desselben in deutschen Reimen, die er unter der Bezeichnung „Epitaphium, das ist eine Grabschrift … Doctoris Johannis [54] Aepini“, zu Hamburg im Juli desselben Jahres herausgab. Sein hier hervortretender Gegensatz gegen Melanchthon brachte ihn wohl zuerst in ein gespanntes Verhältniß zu Paulus von Eitzen (vgl. Bd. VI, S. 481 ff.), das, nachdem dieser im J. 1555 zum Superintendenten ernannt war, ihm manche Unannehmlichkeiten bereitete. Auch mit seinem Pastor (Hauptpastor) Johann Högelke († am 1. Novbr. 1558) hatte er Meinungsverschiedenheiten, so daß ihm später vorgeworfen werden konnte, er könne sich mit ihm nicht vertragen. Es war die Zeit des durch das Auftreten von Micronius und a Lasco auf ihrer Flucht von England in Hamburg wieder neu erregten Kampfes gegen die „Sacramentirer“, in welcher M. durch zwei Schriften, die er veröffentlichte, bei von Eitzen und dem auf der Seite seines Superintendenten stehenden Rathe in Hamburg großen Anstoß erregte. Im J. 1557, das Nachwort an den christlichen Leser ist datirt vom 15. November 1557, wurde von ihm herausgegeben ein „Dialogus oder ein Gespräch eines Esels und Bergknechts“, eine Satire in deutschen Reimen (gewöhnlich und so auch Bd. VI, S. 483, weniger genau der „Eselstreiber“ genannt), deren Beziehungen auf Personen und Zustände der damaligen Zeit im einzelnen nachzuweisen eine lohnende Aufgabe für den Geschichtsschreiber jener Streitigkeiten wäre, deren Spitze aber nach dem Verständniß, das sie bei den Zeitgenossen fand, hauptsächlich gegen Melanchthon gerichtet war. Von Eitzen wußte es durchzusetzen, daß der Verkauf dieser Schrift vom Hamburger Senat verboten ward; es muß das im Januar 1558 geschehen sein, da Melanchthon dieser Maßregel schon am 1. Februar 1558 dankbar gedenkt. Um eben diese Zeit etwa oder doch nur wenig später erschien dann noch eine größere Streitschrift Magdeburg’s, die „Von dem alten und neuen Christo“ betitelt ist; zwar ist die Vorrede vom 10. April 1557 datirt und Theile der Schrift müssen schon bedeutend früher geschrieben und wohl auch gedruckt sein (vgl. Blatt R II v), doch steht am Schluß ganz deutlich: Anno 1558, und nur in diesem Jahre kann sie nach dem Zusammenhange der Begebenheiten erschienen sein; Hardenberg, der um ihretwillen M. als einen „teuflischen Faselhans und unerhörten Schwätzer“ (diabolicus blatero et infandus ardelio) bezeichnet, sagt noch am 4. Juli 1558, daß sie kürzlich (nuper) herausgekommen sei. Sie ist besonders gegen Micronius und a Lasco gerichtet und bewegt sich in den Anschauungen und Beweisführungen, durch welche damals abseiten der strengen Lutheraner Luther’s Abendmahlslehre gegen die der Reformirten (der Sacramentirer) vertheidigt zu werden pflegte. M. hat später behauptet, von Eitzen habe nicht an dem Inhalt der Schrift, sondern an ihrem Titel und ihrer Form Anstoß genommen; jedenfalls kann nach seinen eigenen Angaben nicht bezweifelt werden, daß besonders in Folge der Herausgabe dieser Schrift seine Absetzung stattfand. Am 25. Mai 1558 kamen die Juraten seiner Kirche zu ihm und entließen ihn in Folge eines Beschlusses des Rathes aus seinem Amte. Daß dieser Beschluß nicht ohne Mitwissen, wenn nicht auf Anlaß von Eitzen’s gefaßt worden ist, darf als sicher angenommen werden; unter den ihm angegebenen Gründen der Absetzung wird als dritter und wichtigster der genannt, daß es das Ansehen habe, als wolle er sich auch wider den Superintendenten auflehnen, was wohl darauf zu beziehen ist, daß er seine Schriften und namentlich auch jenen von Eitzen so ärgerlichen Dialog ohne Wissen und Zustimmung desselben herausgegeben hatte. – M. ging zunächst nach Magdeburg; hier wollte ihn Flacius bei der Herausgabe der Centurien beschäftigen; doch ehe es dazu kam, erhielt M. einen Ruf als Pastor nach dem später durch Wieland bekannt gewordenen Oßmannstedt in Thüringen, welchen er annahm. Doch auch hier war seines Weilens nicht lange; als Anhänger von Flacius ward er, weil er die Declaration des Victorinus Strigel nicht unterschreiben wollte, mit vielen andern auf Befehl des [55] Herzogs Johann Friedrich des Mittleren im J. 1562 seines Amtes entsetzt (vgl. Bd. XIV, S. 336 f.); es half ihm nichts, daß er am 24. Octbr. 1562 bei Herzog Johann Friedrich und am 7. Novbr. bei Herzog Johann Wilhelm supplicirte; noch im J. 1562 mußte er Oßmannstedt mit Weib und Kindern verlassen. Für die Erforschung seiner weiteren Schicksale, die noch nicht genügend festgestellt sind, geben die Vorreden der von ihm herausgegebenen Schriften erwünschte Anhaltspunkte. Zunächst scheint er sich nach Magdeburg zu Wigand gewandt zu haben; doch finden wir ihn auch im J. 1563 in Eisleben, wo er unter dem Schutze eines Grafen von Mansfeld lebte. Dieser und andere Gönner empfahlen ihn dann dem österreichischen Feldhauptmann Freiherrn Hans Ruber, der Oberster der Zips und Rittmeister zu Raab war. Im J. 1564 rief dieser ihn nach Oesterreich (Ungarn) und im J. 1566 unterschreibt sich M. als „Prediger der deutschen Reuter zu Raab“; wahrscheinlich war er gleich 1564 als Prediger in Raab angestellt. Hier starb ihm am 25. Juli 1566 seine Frau; er selbst und seine Kinder lagen wochenlang schwer krank. Dann kam neues Unglück; am 1. October desselben Jahres brannte ihm in Raab seine Wohnung ab, wobei er durch den Verlust seines Hausrathes und seiner Bücher einen Schaden von mehr als 1500 Thalern hatte. Ruber bereitete ihm zunächst auf seinem Schloß „Grafwerd“ (Grafenwörth in Niederösterreich, östlich von Krems) ein Unterkommen. Wie es kommt, daß er im J. 1566 sich auch einmal als „Pfarrer zu Velspergk“ unterzeichnet, mit welchem Orte doch wohl nur Feldsberg, ganz im Nordosten von Niederösterreich, gemeint sein kann, ist nicht deutlich. Im December 1566 finden wir ihn in Wien; ob er hier auch als Prediger gewirkt hat oder nur ganz vorübergehend sich aufhielt, vermögen wir nicht nachzuweisen; im März 1567 war er wieder in Grafenwörth. Das nächste sichere Datum in seinem Leben, das wir kennen, ist der 21. Mai 1571; an diesem Tage unterschrieb er zu Erfurt eine Art Testament an seine Söhne Matthias und Joachim, welches vor seinen „Christlichen und tröstlichen Tischgesängen“, die zu Erfurt 1572 mit Noten erschienen, abgedruckt ist. Hier findet sich als Tischgesang für Sonnabend Abend die erste Strophe des Liedes: „Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut im Himmel und auf Erden“, für deren Dichter unser M. deshalb wohl mit Recht gehalten wird. Was wir aus den folgenden Jahren seines Lebens wissen, ist bis jetzt sehr ungenügend. Im J. 1580 ist er wieder auf dem Schlosse Grafenwörth gewesen. Als Flacianer hatte er dann noch weiter Unannehmlichkeiten; er bezeichnet sich im J. 1581 als Verbannter (exul) und floh zu Rüdiger von Starhemberg, der den Flacianern ein Unterkommen bot, nach Efferding in Oberösterreich, bis er dann im J. 1583 auch hier nicht bleiben konnte. Bis zum J. 1583 führen uns auch seine Schriften; er hat sich noch in mehreren Streitschriften der Lehre Flacius’ von der Erbsünde, die er mit allen ihren Consequenzen sich aneignete, angenommen. Was weiter aus ihm geworden, wann und wo er gestorben, ist aus den dem Unterzeichneten zugänglichen Quellen nicht zu ersehen; ob neuere Specialuntersuchungen über die Schicksale der Evangelischen in Oesterreich oder ob vielleicht Archive daselbst noch weitere Auskunft gewähren würden, muß zunächst dahingestellt bleiben.

Zum Theil nach handschriftlichen Quellen. Ueber seine Erlebnisse bis 1567 berichtet M. selbst in der Vorrede zu seiner Schrift: Confessio oder Bekenntniß des Glaubens und Lehre Joachimi Magdeburgii, Regensburg 1567. – Fortgesetzte Sammlung von alten und neuen theologischen Sachen, 1727, S. 191 ff. Salig, Vollst. Historie der augsburg. Confession, III, S. 895, 898 f., 907. Raupach, Presbyterologia Austriaca, S. 103–111; Zugabe S. 62 f. Greve, Memoria Pauli ab Eitzen, p. 49 ff. Moller, Cimbria litterata, II, p. 503. Wetzel, Analecta hymnica, II, S. 701 ff. [56] Jöcher III, Sp. 31. Rotermund zum Jöcher IV, Sp. 359 f. Koch, Geschichte des Kirchenlieds, 3. Aufl., I, S. 446 ff. Lexikon der hamb. Schriftsteller, V, S. 8 ff. Wackernagel, Bibliographie, S. 242, 252, 372; das deutsche Kirchenlied, I, S. 769 ff., 457. III, S. 1035 ff. Goedeke I, S. 181 u. 251, Nr. 88 a. Fischer, Kirchenliederlexikon, 2. Hälfte, S. 358 f.