ADB:Matthaei, Karl Johann Michael

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Artikel „Matthaei, Karl Johann Konrad Michael“ von Heinrich Funck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 232–237, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Matthaei,_Karl_Johann_Michael&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 12:15 Uhr UTC)
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Matthaei: Karl Johann Konrad Michael M. (Mattei), Aesthetiker, Hofmeister und Erzieher, Hofrath und Legationsrath. Er wurde 1744 in Nürnberg geboren. Sein Vater war ein aus Fürth gebürtiger Jude Namens Simon Geithel, der sich nebst seinem Söhnlein Samson am 21. September 1748 öffentlich in der Barfüßerkirche zu Nürnberg mit dem Zunamen Matthaei taufen ließ und dem Kinde die Namen Karl Johann Konrad Michael beilegte. Am 18. Februar 1762 wurde M. an der Hochschule zu Altdorf, am 24. April 1765 – also ein Semester vor Goethe’s Ankunft – in Leipzig, am 18. October 1765 in Halle inscribirt. Als Hallenser Student besuchte er öfters den Prediger Lange zu Laublingen, den Stifter der Hallischen Gesellschaft zur Beförderung der deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit. Von Halle kehrte er nach Leipzig zurück, wo Gellert und Weiße seine Gönner waren. Ostern 1768 gingen seine Universitätsjahre zu Ende. In der Hallischen Matrikel wird Theologie als sein Studium angegeben; daß er aber „bloß humaniora studirte“, bezeugt er selbst in seinem ersten Briefe an Bodmer vom 5. November 1768. Gleich hier sei erwähnt: durch M. kam Bodmer, wie dieser in seinem Tagebuche hervorhebt, mit Friedrich Schmit in Bekanntschaft, und Matthaei’s Bemühungen vornehmlich ist Bodmer’s Aussöhnung mit Weiße zu danken. Im Frühjahr 1768 war M. in Zittau als Hofmeister in einem angesehenen Kaufmannshause zum ersten Male in dem Berufe thätig, in dem er später es zur Berühmtheit bringen sollte. In Zittau befreundete er sich mit Kretschmann [233] und ermunterte diesen, als er das Dichten aufgeben wollte, sich weiterhin der Dichtkunst zu widmen; Kretschmann widmete ihm 1771 seine Sammlung „Scherzhafte Gesänge“. Im Sommer 1768 lebte M. in Kassel, wo er Raspe[WS 1] zum Freunde hatte. Im Herbst desselben Jahres kam er als Hofmeister in das Haus der Freifrau v. Friesen auf Roetha bei Leipzig. Den größeren Theil des Winters 1769/70 brachte die Friesen’sche Familie in Dresden zu, wo Hagedorn Matthaei’s vorzüglichster Umgang war. Ende des Jahres 1770 siedelte er mit dem jungen Baron nach Braunschweig über, der dort das Carolinum besuchte. Im Frühjahre 1773 wurde die Universität Wittenberg, nach zweijährigem Aufenthalt daselbst die Universität Leipzig bezogen. Im Frühjahr 1776 treffen wir M. in Niedersachsen wieder; Boie meldet ihn als „einen braven Jungen voll Kenntniß und Wärme“ bei Bürger an. Im Juli 1776 finden wir M. in Weimar, wo er einen Brief von Kestner[WS 2] Goethe überbringt. Am 23. Juni 1777 wurde ihm der 91/2jährige Graf Carl Anton Ferdinand v. Forstenburg, der natürliche Sohn des Erbprinzen, nachmaligen Herzogs Carl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig und der Frau v. Branconi [WS 3], der bis dahin Eschenburg zum Gouverneur hatte, in Braunschweig zur Erziehung übergeben. „Es ward festgesetzt,“ schrieb M. am 1. August 1777 an Bodmer, „daß wir sogleich nach Straßburg sollten, einige Jahre allda bleiben, dann nach Lausanne und mit einer Reise endigen.“ Am 30. Juli kam M. mit dem jungen Grafen v. Forstenburg, der ihm „ganz anvertraut ward“, in Straßburg an. Am 18. Mai 1778 wurde der erst 10jährige Graf sammt seinem Erzieher an der Universität Straßburg immatriculirt.

Als im Mai 1779 M. mit Frau v. Branconi und ihrer Familie von Straßburg nach Lausanne übersiedelte, lernte er in Zürich Lavater kennen und lieben. Ueber das Freundschaftsverhältniß, das späterhin zwischen Lavater und M. bestand, äußerte sich Caroline v. Berg der Fürstin Luise von Anhalt-Dessau gegenüber: „Ich habe noch keinen Menschen gefunden, der Lavater so genau gefaßt hat, wie dieser Matthaei, der so viel von ihm weiß, ihn so wahr schildern kann. Auch liebt ihn Lavater sehr, traut auf ihn ungemein.“ In Briefen Lavater’s finden wir wiederholt Wendungen, wie: „Dir vertrau ich alles“, oder „Hier allerlei mit einem unbegrenzten Vertrauen in deine Discretion und Klugheit!“ Als im Herbste 1779 Goethe mit seinem Herzog die Schweiz besuchte, sandte ihm Lavater für Lausanne Matthaei’s Adresse. Desgleichen empfahl Goethe Knebeln, als dieser im Sommer 1780 eine Schweizerreise machte, für Lausanne den Besuch Matthaei’s. Im Spätjahr 1780 kehrte Frau v. Branconi mit den Ihrigen von Lausanne nach Straßburg zurück, wo sich inzwischen Cagliostro[WS 4] niedergelassen hatte. Die Anwesenheit dieses blendenden Abenteurers war für M. um so interessanter, je näher die Beziehungen waren, in die Frau v. Branconi zu demselben anfangs trat. Damals bildete sich zwischen Jacob Sarasin aus Basel, der seine Frau durch Cagliostro mit Erfolg behandeln ließ, und M. ein inniges Freundschaftsverhältniß heraus. Durch Sarasin wurde M. mit Goethe’s Schwager Schlosser näher bekannt. Mit Sarasin und dessen Freunden Pfeffel, Schlosser u. A. reiste M. am 28. Mai 1781 nach Olten, um dort an der Zusammenkunft der Helvetischen Gesellschaft als Gast Theil zu nehmen. Im Jahre darauf wiederholte M. seinen Besuch der Jahresversammlung der Helvetischen Gesellschaft und reiste dann nach Zürich zu Lavater und mit diesem nach Richterswyl zu Doctor Hoze, mit welchem in der Folge M. auch dann in treuer Freundschaft verbunden blieb, als derselbe später seinen Wohnsitz nach Frankfurt verlegte. Im Juli empfing er mit Forstenburg in Straßburg in Abwesenheit der Frau v. Branconi den Besuch Lavater’s und des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau. [234] Im September 1782 wurde M. von seiner Herrin nach ihrem Gute Langenstein bei Halberstadt [WS 5] geschickt, um dort allerlei Geschäfte in ihrem Auftrage zu erledigen. Auf dem Rückwege kehrte er, theilweise auch auf seiner Gebieterin Veranlassung, an den Höfen zu Braunschweig, Dessau und Weimar an; am 9. November speiste er bei Goethe. Die schöne Jahreszeit der beiden folgenden Jahre verlebte Frau v. Branconi mit den Ihrigen auf ihrem Gute Langenstein. In den Acten des Gutsarchivs finden sich viele Beweise von Matthaei’s rastlosem Wirken für seine Herrin. Bekannt sind Goethe’s Besuche in Langenstein während der beiden Sommer. Der Winter 1783/84 wurde wieder in Straßburg zugebracht. Vor der Uebersiedlung nach Langenstein im Frühjahr 1784 feierte M. mit seiner Herrin das Osterfest bei Lavater in Zürich. Den Winter 1784/85 finden wir Frau v. Branconi mit ihrem Sohn und M. in Paris. Im Februar 1785 begab sich Graf Forstenburg nach Lothringen, um in das Dragonerregiment „Schonberg“ einzutreten, Frau v. Branconi fuhr mit M. nach London. Matthaei’s Erziehungswerk war vollendet; der Herzog zeigte sich erkenntlich und warf ihm eine jährliche Pension von 300 Thalern aus.

Nach einem Sommeraufenthalt in Boulogne sur mer verlegte Frau v. Branconi ihren Wohnsitz nach Neuchâtel. Im September 1785 sandte sie M. in ihren Angelegenheiten nach Straßburg, wo dieser sich wieder recht heimlich gefühlt hätte, wenn nicht das Treiben der Magnetisten gewesen wäre, die sich in der Zwischenzeit hier in die ersten Gesellschaftskreise eingenistet hatten. Im October dieses Jahres aber sollte er sowol als seine Herrin mit dem thierischen Magnetismus „unglaubliche, kaum erzählbare Erfahrungen“ machen bei Lavater in Zürich, der sich mit seinem Bruder Doctor schier zu Tode magnetisirte. Den Winter 1785/86 brachte M. in Langenstein zu, „in Juristerei begraben“. Im Frühjahr 1786 reiste er nach Neuchâtel zurück, im Sommer begleitete er seine Herrin nach Langenstein. Im Juli traf Lavater auf der Rückreise von Bremen in Braunschweig mit M. zusammen. Nach seines Vaters Weiterreise verlebte Heinrich Lavater, der von Göttingen herbeigekommen war, noch „eine süße Zürichstunde“ mit M. Im nächsten Winter lernte M. in Neuchâtel durch den fast täglichen Verkehr Leuchsenring’s im Hause seiner Herrin das Urbild von Goethe’s „Pater Brey“ persönlich kennen. Im Frühjahr 1787 reiste M. nach Olten zur Jahresversammlung der Helvetischen Gesellschaft, die ihn damals zu ihrem Ehrenmitgliede ernannte. In Olten traf er Sarasin, der Cagliostro mitgebracht hatte; mit Letzterem verkehrte M. dann noch in Basel bei Sarasin und in der Folge sammt seiner Herrin in Biel. Im August 1787 finden wir M. in Paris, den Winter 1787/88 ohne seine Gebieterin in Langenstein; im Frühjahr 1788 kehrte er zu ihr nach Paris zurück. Fortan blieb er ununterbrochen Frau v. Branconi zur Seite, auch als der Aufenthalt in und bei Paris, der zum Theil den Stempel des Geheimnißvollen trägt, im Sommer 1790 durch eine Reise nach Deutschland unterbrochen wurde, als nach endgültiger Aufgabe ihres Pariser Wohnsitzes sie 1791 zuerst in Frankfurt bei ihrem Freunde Franz Schweizer und dann auf dessen Landgut Sintlingen bei Höchst wohnte, als sie schließlich im September 1792 nach Italien reiste, um auf Hoze’s Rath dort die Bäder zu Abano bei Padua zu gebrauchen. Der Schmerz über den am 7. Juli 1793 zu Abano erfolgten Tod seiner Herrin warf M. aufs Krankenlager.

Wenn am 19. Januar 1788 Sarasin an Lavater schreibt: „Die Branconi will sich in Paris festsetzen und ist im Ernst in ihren kleinen Ritter verliebt. C’est mal finir!“, so kann mit diesem „kleinen Ritter“ nur M. gemeint sein, der in Sarasin’s Correspondenz mit Lavater „Der kleine Mattei, das kleine [235] Evangelistchen, Matteolus“ genannt zu werden pflegt, sich selbst auch „der kleine braune Mattei“ und „Piccolo“ nennt. Frau v. Branconi hatte testamentarisch ihrem treuen M. eine jährliche Pension von 300 Rthlrn. vermacht und ihn zum Vormund ihres angenommenen Pflegekindes Julius Adolf Marie ernannt, das bei ihrem Tode 4–5 Jahre alt war.

Den Winter 1793/94 verbrachte M. in Frankfurt. Im Frühjahr 1794 reiste er nach Langenstein, Halberstadt und Braunschweig, „um noch verschiedene Geschäfte in der Seligen, Einzigen, Unvergeßlichen Dienst zu erledigen“. Im Sommer machte er eine Reise nach Sachsen, auf der er einige Wochen bei seinem ehemaligen Zöglinge, dem Baron v. Friesen, sich aufhielt, in Dresden „unendlich viel Gutes an Geist und Herz, Kunst und Natur kostete“, u. A. mit Goethe zusammentraf. Nach seiner Rückkehr aus Sachsen traf ihn ein neuer schwerer Schicksalsschlag; Graf v. Forstenburg hauchte infolge der schweren Wunden, die er im Treffen von Kaiserslautern empfangen hatte, am 24. September 1794 zu Frankfurt in den Armen seines Freundes Schweizer sein junges Leben aus. Nach einem Herbstaufenthalte in Dessau brachte M. den Winter 1794/95 in Berlin bei Frau v. Berg zu. Im Frühjahr 1796 finden wir M. wieder in Dessau, im Sommer am Weimarer Hofe und bei Goethe, der ihn an Schiller in Jena empfahl. Im Herbst 1796 trat er mit dem Prinzen Emil von Holstein-Augustenburg eine Reise in die Schweiz und nach Italien an. Auf dieser Reise sah und sprach er Sarasin in Basel und Lavater in Zürich wieder. Im Sommer 1797 weilte M. wieder bei Lavater in Zürich, hierauf im Bad Schinznach zum Curgebrauch, vom 2.–7. August in Basel, wo er täglich das Sarasin’sche Haus besuchte. Dann hielt er sich der Reihe nach in Straßburg, Frankfurt, Langenstein und Wernigerode auf. Wie sehr freundschaftlich sein Verhältniß zu der Gräflich Stolberg’schen Familie in Wernigerode geworden war, erhellt aus manchem Documente jener Jahre. Gar oft und lange verweilte er in den folgenden Jahren im Kreise der Familie v. Stolberg-Wernigerode. Auch in Dessau, wo der älteste Sohn der Frau v. Branconi, der Gutsherr von Langenstein und Halberstadter Kanonikus Franz Anton Salvator v. Branconi als Haus- und Reisemarschall des Fürsten von Dessau zeitweilig wohnte, hielt sich M. in der Folge öfters länger auf. Der Fürst, wie die Fürstin und die Erbprinzessin von Dessau hielten sehr viel von ihm. Er hatte bei den Herrschaften freien Zutritt, er mochte kommen, wann er wollte, und freie Tafel. Im Sommer 1799 befand er sich im Bad zu Eger, wo er Frau v. Diede traf, die er, „ehe er Frau v. Branconi kannte, für das liebste, süßeste Weibesgeschöpf auf der ganzen Welt hielt“, und mit der er auch im Briefwechsel stand. Im Sommer 1800 finden wir M. in Wien, wo er am 15. Juni „an Franz Lerse’s Sterbebett stand und dem Guten die Augen zudrückte“. Es folgen noch drei längere Aufenthalte Matthaei’s in Wien. „Ich bin wieder in Wien,“ schreibt M. den 6. Februar 1802 an Sarasin, „aus keiner andern Ursache, als weil mir in Deutschland kein Ort bekannt ist, wo sich’s in allem Betracht leben läßt, wie man will, und man alles haben kann, was man will“. Im Sommer 1802 unternahm er von Wien aus einen Ausflug in die Schweiz, auf dem er einige interessante Tage bei Pfeffel in Kolmar verlebte und am 11. August in Basel Sarasin’s Gastfreundschaft zum letzten Male genoß, der schon im nächsten Monat seinem Züricher Freunde Lavater im Tode folgte, dessen Verlust M. „eine unwiederfüllbare Lücke gelassen“. Im August 1803 trat M. abermals von Wien aus eine größere Reise durch die Schweiz und nach Frankreich an; er machte diese Reise in der Gesellschaft des Grafen Moritz v. Fries, des bekannten Kunstfreundes, dessen Lehrer Franz Lerse gewesen war, und seiner Gemahlin, sowie [236] deren Schwester. Im Februar 1805 verließ M. endgültig Wien, um nach Sachsen zurückzukehren. Im Sommer 1805 erlebte er in Wernigerode den Besuch des preußischen Königspaares; die Königin Luise hatte er, wie Caroline Tischbein berichtet, unvermählt gekannt; er stand auch damals noch in hoher Gnade bei ihr. Im Frühjahr 1808 taucht M. in Neu-Strelitz auf, wo er den Mitgliedern des Hofes nahe steht. Im Sommer 1810 brachte er glückliche Stunden in der Nähe der Herzogin Luise von Anhalt-Dessau in dem bei Dessau gelegenen Luisium zu. In den letzten Lebensjahren war er endlich seßhaft in Neu-Strelitz. Hier starb er am 19. Juli 1830. In seinem Testamente vermachte er seine auf Rötha befindlichen Effecten an Fräulein Luise Baronin v. Friesen, 3/4 seines baren Nachlasses seinem Mündel Adolf Marie, der in Großh.-Mecklenburgische Dienste getreten war und in Neu-Brandenburg lebte, einige Goldsachen endlich Mitgliedern des Mecklenburg-Strelitzschen Herrscherhauses.

Matthaei’s Bild und Charakteristik brachte Lavater’s Holländische Physiognomik; schreibt doch M. den 1. Juli 1782 an Lavater: „Noch hat sie sich gar sehr an dem, was Du in der holländischen Physiognomik von mir gesagt hast, ergötzt.“ Goethe nennt M. den guten, den redlichen M. Lavater nennt ihn den Erzehrlichen und Herzguten, rühmt seine Naivität und Beobachtungsgabe, sowie seine „alles abzwacksame Zuthunlichkeit und herzliche Unabtreiblichkeit“. Bemerkenswerth sind folgende Sätze einer Charakteristik, die Caroline Tischbein von M. entwirft: „Hofrath Matthaei war eines der größten Originale, die man sehen konnte. Zwerghaft klein, aber doch ebenmäßig gebaut, hatte er eine ungemeine Gliedergelenkigkeit. Seine Physiognomie war die häßlichste, doch hatten seine schrägliegenden, grauen, blitzenden Augen etwas Anziehendes im Ausdruck, und bald, wenn man ihn öfters sah, erschien er kaum mehr häßlich. Ein wunderlicher Enthusiasmus beseelte ihn für Personen und Gemälde sehr verschiedener Art. Merkwürdig aber war es, daß Matthaei in Verbindung mit den meisten Höfen Deutschlands und vielen vornehmen und berühmten Personen stand. Mit dem Wesen der höchsten Offenheit verband er die feinste Discretion. Man konnte von ihm sagen, er war überall und nirgends zu Hause. Seine Lebensgewohnheiten waren äußerst bedacht und mäßig, seine Toilette sehr einfach.“

M. führte zunächst den Titel eines Landgräflich Hessen-Homburgischen Hofrathes. Alsdann „beglückte ihn der Herzog von Braunschweig freiwillig“ mit dem Titel Legationsrath. Als dieser Titel später infolge des Aufgehens des Herzogthums Braunschweig in das Königreich Westfalen seine Geltung verlor, erhielt M. auf sein Ansuchen im August 1808 vom Herzog von Anhalt-Dessau den Legationsrathstitel.

Von litterarischen Arbeiten Matthaei’s können wir – um von seinen Gedichten hier ganz abzusehen – nur eine einzige namhaft machen. Es schreibt nämlich Frau Professor Schweighäuser in Straßburg am 7. Mai 1785 an Sarasin: „Mattei’s Recension geb ich um Alles nicht wieder heraus, es ist das einzige Bestimmte, das ich jemals von ihm gesehen, und da es von Pontius [Pilatus v. Lavater] den ersten Theil betrifft, so mag ich’s leiden.“

Bodmer’s Tagebuch (1752–1782), herausg. von Jacob Baechtold, S. 205, 207. – Lavater’s vermischte Schriften II, 1781, S. 71. – Handbibliothek für Freunde von Johann Caspar Lavater V, 1791, S. 386. – Wilhelm Hosäus, Lavater in seinen Beziehungen zu Herzog Franz und Herzogin Luise von Anhalt-Dessau, in den Mittheilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Alterthumskunde V, 4 u. 5, Dessau 1888, S. 208, 222, 240 f. – H. Pfannenschmid, Pfeffel’s Fremdenbuch, Kolmar 1892. – [237] Carl Scherer, Carl Matthaei, im Goethe-Jahrbuch XV, 1894; die daselbst verzeichnete ältere Litteratur wird hier nicht angeführt. – Heinrich Funck, Die Wanderjahre der Frau v. Branconi, in Westermann’s Monatsheften, November 1895. – Ders., Lavater und Cagliostro, in Nord und Süd, October 1897. – Wilhelm Hosäus, J. F. A. Tischbein in Dessau (1795 bis 1800), in Mittheilungen des Vereins für Anhaltische Geschichte und Alterthumskunde VIII, 1, Dessau 1898, S. 6, 7 f., 10. – August Langmesser, Jacob Sarasin, Zürich 1899, S. 71, 151 f. – Wilhelm Rimpau, Frau v. Branconi, in Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Alterthumskunde XXXIII, 1, Wernigerode 1900. – Heinrich Funck, Goethe und Lavater, Schriften der Goethe-Gesellschaft XVI, Weimar 1901. – Goethe-Jahrb. XIV, 1893; XVI, 1895; XVII, 1896; XXI, 1900. – Euphorion, Zeitschrift für Litteraturgeschichte II, 3, 1895, S. 637; III, 1, 1896, S. 116. – Briefe von M. an Nicolai auf der Kgl. Bibliothek in Berlin, an Raspe auf der Ständischen Landesbibliothek zu Kassel, an Gleim in der Handschriftensammlung des Gleimhauses zu Halberstadt, an Bodmer und Lavater auf der Züricher Stadtbibliothek, an Jacob Sarasin im Sarasin’schen Familienarchiv zu Basel, an Graf Christoph Friedrich zu Stolberg-Wernigerode[WS 6] im Fürstlich Stolbergischen Archiv zu Wernigerode, an Fürst (Herzog) Franz von Anhalt-Dessau im Herzogl. Haus und Staatsarchiv zu Zerbst, an Caroline v. Berg, geb. v. Haeseler und an Adolf Marie in Privatbsitz.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Rudolf Erich Raspe (1736–1794), Schriftsteller, Verfasser des „Münchhausen“, Mineraloge; s. NDB.
  2. Johann Christian Kestner (1741–1800), hannoverischer Hofrat, Archivar; Ehemann von Charlotte Buff, Vater von August Kestner.
  3. Maria Antonia von Branconi (1746-1793), Mätresse des Herzogs Carl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig, Freundin von Johann Wolfgang von Goethe
  4. Alessandro Graf von Cagliostro (Pseudonym für Giuseppe Balsamo (1743–1795); war ein italienischer Okkultist, Alchemist und Abenteurer.
  5. Gemeint ist der im Vorharz gelegene Ort Langenstein
  6. gemeint ist wohl Christian Friedrich, Graf von Stolberg-Wernigerode.