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ADB:Mittermaier, Karl Joseph Anton

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Artikel „Mittermaier, Karl Josef Anton“ von Heinrich Marquardsen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 25–33, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mittermaier,_Karl_Joseph_Anton&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 02:55 Uhr UTC)
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Mittermaier, Ludwig
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Mittermaier: Karl Josef Anton M., unter den Trägern der deutschen Rechtswissenschaft, welche auf Grund der am Anfang des 19. Jahrhunderts durch Feuerbach, Savigny und Eichhorn angebahnten neuen Ausgangspunkte in derselben ihre Entwicklung theoretisch und praktisch weiter förderten, einer der Namen von bestem Klange und durch seine vielfachen internationaken Beziehungen außerhalb Deutschlands wol der bekannteste von allen, wurde am 5. August 1787 in München geboren, wo sein Vater Eigenthümer der Rosen-Apotheke war. Dieser starb früh und die Mutter verheirathete sich wieder, aber die aufopfernde Liebe und Sorgfalt des Stiefvaters bewirkte, daß der Knabe seinen Verlust kaum empfand. Trotz der schweren Kriegszeiten machte der neue Versorger es möglich, daß die vielseitigen Fähigkeiten des Knaben, namentlich seine Freude an fremden Sprachen durch Privatlehrer gepflegt wurden, und wenn man an den Einfluß seiner frühesten Umgebung durch die ihm bis an sein hohes Alter gebliebene Vorliebe für die Fragen der gerichtlichen und allgemeinen Medicin erinnert wird, konnte er schon damals durch seine Sprachgewandtheit unter den München durchziehenden Colonnen der französischen Heere den internationalen Dolmetscher machen. Allein auch der zweite Vater starb nach wenig Jahren, und schon als Lyceist war M. gezwungen, durch eigene Mithilfe sich seinen Unterhalt zu sichern. So kam er als Privatlehrer in das Haus des damaligen Ministers v. Zentner, der früher in Heidelberg Professor gewesen war. Diese Bekanntschaft gab später, als M. nach den Studienjahren zu Landshut wieder nach München zurückkehrte, Anlaß zu den engeren Beziehungen zwischen Feuerbach und M. Ersterer war damals, von Landshut nach München gerufen, mit den verschiedenen legislatorischen Arbeiten, die ihm die baierische Regierung aufgetragen, beschäftigt, und da er des Italienischen gar nicht und des Französischen nicht besonders mächtig war, diente ihm M. als Secretär, namentlich für die Uebersetzung und Ausziehung der französischen und italienischen Gesetze und Gesetzentwürfe, so z. B. des gerade projectirten Codice del Regno d’Italia, bekanntlich einer Ueberarbeitung des Code Napoléon, wie eine solche auch für Baiern in Aussicht genommen war. Im Sommer 1808 erhielt M., der sich daneben praktisch auf dem Landgericht in der Vorstadt Au beschäftigt hatte, ein Regierungsstipendium von 600 fl. zum Besuch anderer Universitäten. Mit weiser Sparsamkeit hatte man keine höhere Summe für nöthig gehalten, „da der 21jährige Jüngling mit anscheinend unheilbarem Brustleiden höchstens ein Jahr zu leben verspreche“ – eine Vorsicht und Voraussicht, die ihn nicht gehindert hat zum Nutzen der deutschen Wissenschaft 80 Jahre alt zu werden. Für den Stipendiaten hatte aber diese Kärglichkeit die schlimme Folge, daß er in Heidelberg, wohin er sich wandte, zu den gehäuften Collegien bei Martin, Thibaut, Heise, Zachariae und Klüber, den damaligen Koryphäen der Universität, noch durch zahlreiche Privatissima sich vollends aufarbeiten mußte. Dies fiel in die aufgeregte Zeit vor und von 1809, als zahlreiche Fäden zwischen den süddeutschen Universitäten und dem norddeutschen Tugendbund angesponnen wurden, der auch in Heidelberg eine Art Vorposten, rüstige Agenten und zahlreiche Freunde hatte. Mitten in diesen Beziehungen erhielt M. Anfangs 1809 den Befehl seiner Regierung, eine Professur an der [26] neuerrichteten Universität Innsbruck zu übernehmen und zu diesem Zweck rasch in Heidelberg das Doctorat zu erwerben. Trotz eines dazwischentretenden schweren Nervenfiebers ward das Examen doch schon am 29. März gemacht. Rasch eilte M. nun nach München, allein mittlerweile war der tiroler Aufstand ausgebrochen und statt neuer baierischer Professoren zog Andreas Hofer in Innsbruck ein. Der angehende professor in partibus infidelium mußte sich deshalb entschließen an der Landesuniversität Landshut als Privatdocent zu beginnen. Die Arbeitstheilung war damals noch wenig auch auf Universitäten zu Hause, und so finden wir denn, daß der junge Docent römisches und deutsches Recht nebeneinander trieb, und als Gönner plötzlich nach München in die Gesetzgebungscommission gerufen wurde (1810), auch dessen Vorlesungen über Proceß ohne Weiteres zu übernehmen hatte. 1811 erhielt er die schon früher in Aussicht gestellte Professur, doch kamen auch hier bald stürmische Zeiten und von den deutschen Universitäten stand auch, wie wir wissen, Landshut nicht an deutscher Gesinnung und für die deutsche Sache opferwilligen Jünglingen zurück.

Trotz des Montgelas’schen Regiments war ein vaterländischer Sinn dort wachgehalten worden, und als der Abfall der baierischen Regierung von der französischen Politik dem Volke freie Bahn gab, zeigte sich der deutsche Sinn allgemein und kräftig. Für den jungen Haushalt – M. hatte sich 1812 mit der Schwester seines Freundes und Collegen Walther, des berühmten Chirurgen, verheirathet – brachten die Kriegsjahre allerdings Beschwerden genug, wenn auch die Universität den jungen Genossen dadurch ehrte, daß sie ihn drei Mal nach einander zum Rector wählte. 1819 folgte M. einem Rufe an die neuerrichtete Universität Bonn, wohin ihm sein Schwager Walther schon vorangegangen war; für Strafrecht, deutsches Privatrecht und Proceß galt er schon damals als einer der bedeutendsten Schriftsteller und Lehrer. Sein kurzer Aufenthalt in Bonn war jedoch trotz der innigen Beziehungen zu dem bedeutenden Gelehrtenkreise, der sich dort gesammelt hatte, wenig erfreulich. Er hatte provisorisch das Amt eines Universitätsrichters zu verwalten und gerade in diese Periode fiel die große Demagogenjagd, welche nirgends heftiger als in Preußen betrieben und durch des Königs persönlichen Widerwillen gegen die Bonner Professorenkreise dort noch besonders arg wurde.

Unter diesen Umständen nahm M. sehr gern 1821 den Ruf nach Heidelberg an, wo er seitdem bis zu seinem Tode in unausgesetzter Thätigkeit geblieben ist. Hier entfaltete sich auch zuerst in ganzer Fülle die dem praktischen Bedürfnisse seiner Zeit und des Landes zugewandte Seite seines Wesens. In Landshut, wenn auch dort als geborener Baier in der eigentlichen Heimath, war doch noch Alles zu sehr in den Nachwehen der schweren Kriegsjahre befangen, in Bonn blieb M. dem preußischen Staate fremd, umsomehr da das ganze Rheinland erst lernen mußte, preußisch zu fühlen; erst in Heidelberg trat er in nähere Beziehung zu den gesetzgeberischen und überhaupt politischen Arbeiten und Gestaltungen seines nunmehrigen engeren Vaterlandes Baden.

Die Zeiten nach 1848 machen es Vielen schwer, ein ruhiges Urtheil über die Bedeutung Badens von 1830 bis 1848 für die Gesammtentwickelung in Deutschland zu gewinnen. Der Parteistandpunkt und die frischeren Erinnerungen führen gewöhnlich zur Befangenheit, wie noch hervorragende Beispiele neuester Zeit beweisen, aber die spätere Geschichte wird, zwischen dem Zuviel und Zuwenig gerecht scheidend, dem, was durch Regierung und Volksvertretung, die Praktiker des Landes und die Theoretiker der beiden Universitäten in diesem Zeitraum auf dem Gebiete der Gesetzgebung geleistet ist, die Anerkennung nicht versagen, und unter den hochgeehrten Namen dieser Periode steht M. mit vollem Recht in erster Reihe. Schon 1829 ward er in den Gesetzgebungsausschuß berufen, dem er seitdem mit Nebenius, Bekk, Duttlinger, Jolly und anderen Koryphäen des badischen [27] Staatsdienstes bis zur Auflösung der Commission in der Mitte der vierziger Jahre angehört hat. Bald ward ihm auch Gelegenheit, als Abgeordneter in die Angelegenheiten des Großherzogthums einzugreifen, indem er 1831 für die Stadt Bruchsal in die zweite Kammer gewählt wurde. Es kann hier nicht beabsichtigt werden, Mittermaier’s Thätigkeit auf diesem politischen Gebiete auch nur annähernd zu schildern. Die bedeutendsten Fragen der Gesetzgebung und des gesammten Verfassungslebens sind von ihm angeregt oder unterstützt worden. In dem damaligen Kampfe für Preßfreiheit fehlte auch er nicht, während die Ablösungsgesetze, die Gemeindeordnung und die bürgerliche Proceßordnung wesentlich durch seine Bestrebungen zu Stande kamen. Hierbei diente ihm besonders das Wohlwollende und Vermittelnde in seinem Wesen, in Folge dessen er auch auf den drei nächstfolgenden Landtagen der Jahre 1833, 1835 und 1837 zum Präsidenten der zweiten Kammer gewählt wurde. Dem eigentlichen Parteigetriebe stand er durch sein Amt schon ferner; will man ihn aber dennoch nach den damaligen Unterscheidungen einreihen, so gehörte er der gemäßigten Richtung in der Opposition, welche nach dem Tode des Staatsministers Winter wahre Opposition werden mußte, an. In diese Periode fällt auch die einzige Ehrenbezeigung, die wir von den vielen ihm im Laufe der Zeit zu Theil gewordenen Titeln, Orden, Ehrengeschenken etc. anführen wollen, das Ehrenbürgerrecht, welches ihm die Stadt Heidelberg verlieh. Mit dem regsten Eifer hat sich seitdem M. der Angelegenheiten seiner Mitbürger angenommen und fortwährend zur Gemeindevertretung der Stadt gehört.

Neben dieser Thätigkeit in der deutschen Wissenschaft, im Staate und in der Gemeinde ging jedoch schon längere Zeit ein eifriges Studium fremdländischer Gesetzgebung, das in mannigfacher Weise auf die wissenschaftlichen Ansichten Mittermaier’s zurückwirkte und durch Reisen und persönliche Begegnungen mit fremden Gelehrten genährt und gemehrt wurde. Ein Land, mit dessen neuer rechtswissenschaftlicher Entwickelung und Rechtszuständen Deutschland ohne M. schwerlich so früh bekannt geworden wäre, Italien, hatte dieser schon in seinen jüngeren Jahren von Heidelberg aus besucht, und die Verbindungen, welche in der Zwischenzeit durch seine Bekanntschaft mit der Sprache, der Litteratur und namentlich der mittelalterlichen Rechtsgeschichte des Landes angeknüpft worden waren, wurden durch häufige längere Aufenthalte in den verschiedenen Hauptstädten der Staaten, in welche das Land damals zerfiel, zu engen persönlichen Beziehungen mit den besten Vertretern des wissenschaftlichen Italiens: Mamiani, Mancini, Rossi etc.

Ein längerer Besuch in Paris 1829 hatte schon vorher in ähnlicher Weise an die französische Juristenwelt, u. A. Laboulaye, Faustin Hélie, von Belgiern an Haus, Ducpétiaux, Vischers etc. angeknüpft, und da sich damals in Frankreich eine Reihe der bedeutendsten Männer Spaniens und Portugals, die der Freiheit und Wissenschaft gleich sehr anhingen, als Verbannte befand, gab auch hier persönliches Begegnen zu fruchtbringender bleibender Verbindung Anlaß. Aehnlich war es mit England und mit Nordamerika, dessen Juristen bekanntlich dem deutschen Wesen im Ganzen näher stehen als der englische Advocat, und es vermittelte sich die Anknüpfung brieflich durch Männer, wie Story und Greenleaf, und im persönlichen Umgange durch den späteren Senator Sumner von Massachusetts, der mehrere Jahre in Heidelberg studirte. Der Deutschamerikaner Franz Lieber war ebenfalls ein vertrauter Freund Mittermaier’s.

Der Aufschwung, welcher im Anfange der 40er Jahre gleich sehr auf den verschiedenen Gebieten des deutschen Lebens eintrat, fand M. außerhalb der unmittelbaren politischen Thätigkeit, die er einige Jahre zuvor, niedergedrückt durch den Verlust seines hoffnungsvollen ältesten Sohnes, verlassen hatte. So kamen auch die beiden wichtigen Gesetze, das badische Strafgesetzbuch und die Strafproceßordnung, [28] welche auf dem Landtage von 1845 angenommen wurden, ohne seine unmittelbare Mitwirkung zu Stande, obgleich die Entwürfe wesentlich auf ihn zurückzuführen sind, wie denn damals kaum in irgend einem deutschen und außerdeutschen Lande auf strafrechtlichem Gebiet Gesetzentwürfe erschienen, zu deren Begutachtung M. nicht aufgefordert und veranlaßt worden wäre. Kaum war er jedoch im Herbst 1845 aus Italien, wo er dem großen italienischen Gelehrtencongreß als allgeehrter Repräsentant Deutschlands beigewohnt hatte, zurückgekehrt, als die Neuwahlen für die zweite Kammer vorzunehmen waren. M. ließ sich wieder bewegen ein Mandat anzunehmen und ward bei dem späteren Zusammentreten der Stände wiederum zum Präsidenten der Kammer erwählt. Mittlerweile waren die Parteiunterschiede schärfer und schroffer geworden; in der liberalen Kammeropposition hatte sich fast selbst schon wieder eine Regierungs- und Oppositionsrichtung gebildet, wenn auch für den Fernerstehenden sich die Gegensätze erst später auseinanderklaffend aufthaten. Daß M. in so schwierigen Verhältnissen das Mögliche geleistet, um das parlamentarische Recht und parlamentarische Sitte zu wahren, wird der Unbefangene anerkennen, ohne damit freilich ebensowenig, als es M. gelang, es beiden Extremen nach Gefallen machen zu können.

Die Jahre 1846 und 1847 sind für das Verhältniß der deutschen Wissenschaft zum Leben von hervorragender Bedeutung durch die beiden Germanistenversammlungen von Frankfurt und Lübeck, an denen M. den regsten Antheil nahm. Auf der ersten ward ihm die Bearbeitung der Frage über Geschworenengerichte nach ihrer praktisch juristischen Seite aufgetragen, und sein Bericht, den er im folgenden Jahre zu Lübeck vortrug, galt als die officielle Anerkennung des bis dahin vielbestrittenen Instituts von Seiten der deutschen Rechtswissenschaft und erleichterte so vorbereitend die spätere Einführung der von den Volkswünschen getragenen Märzforderung.

Im Vorgefühl, daß eine neue politische Entwickelung herannahe, und besonders angeregt durch die Verfassungsbewegung in Preußen, hatte im Verein mit Gesinnungsgenossen im übrigen Deutschland ein Kreis national- und liberalgesinnter Männer im Frühjahr 1847 die Gründung eines Blatts ihrer Richtung beschlossen. Die „Deutsche Zeitung“ trug an ihrer Spitze neben den Namen Gervinus und Häusser auch den Mittermaier’s. Damit war auch sein politischer Standpunkt in der deutschen Sache klar bezeichnet, der dann im Beginn des Jahres 1848 durch den Antrag Bassermann’s in der zweiten badischen Kammer auf Volksvertretung am deutschen Bundestage den nach der damaligen Sachlage zulässigen Ausdruck fand.

Aber bald schlugen die Wogen der französischen Februarrevolution und der durch sie hervorgerufenen Ereignisse in Deutschland über diesen bescheidenen Ansätzen zusammen. Die Männer der deutschen Zeitung voran, wurde in Heppenheim und Heidelberg die Einberufung des sogenannten Vorparlaments beschlossen, und als dasselbe am 31. März zusammentrat, wurde mit allgemeiner Zustimmung M. zum Präsidenten desselben gewählt, eine bei der bunten Zusammensetzung dieser selbstberufenen Körperschaft überaus schwierige Aufgabe. Selbstverständlich wurde ein Mann von der Vergangenheit und Bedeutung wie M. auch in die verfassunggebende Nationalversammlung gewählt und sowol im Plenum als in den Ausschüssen, namentlich solchen, wo es sich um gesetzgeberische Arbeiten handelte, fand sein reiches Wissen ein dankbares Feld. Seiner bisherigen politischen Haltung als gemäßigt Liberaler und zur ausgleichenden Vermittlung geneigt entsprechend, schloß er sich dem Klub – neuerdings spricht man von Fractionen – des württembergischen Hofes an, dem er auch treugeblieben ist, als im Laufe der politischen Kämpfe Abzweigungen davon nach Rechts und Links stattfanden. Von den hervorragenden Männern dieses Kreises weilen unter Anderen noch [29] Kierulf, Drechsler, Makowiczka unter uns. Als es zur schließlichen Entscheidung über die Alles beherrschende Frage des Verhältnisses zu Oesterreich, des preußischen Erbkaiserthums kam, mag es M. als specifisch Süddeutschem bei seiner angebornen Abneigung gegen schroffeinschneidende unvermittelte Beschlüsse schwer geworden sein, die Trennung nach Oesterreich hin auszusprechen. Aber sein patriotisches Urtheil überwand die Gefühlsstimmung und er hat sowol für das Erbkaiserthum als für die Wahl des Königs von Preußen seine Stimme abgegeben. Mit seiner Theilnahme am Frankfurter Parlamente schließt die parlamentarische Thätigkeit Mittermaier’s ab, an der Zusammenkunft in Gotha, auf welcher die parlamentarischen Führer und Anhänger der erbkaiserlichen Partei das Eintreten für die sogenannte Dreikönigsverfassung vom 26. Mai erklärten (22.–28. Juni 1848), hat M. keinen Antheil genommen.

Die Muße, welche in den letzten 20 Jahren seines Lebens die Politik ihm gelassen, hat er jedoch im vollsten Maße namentlich auch solchen Gebieten der Wissenschaft zugewandt, welche mit dem socialen und politischen Leben eng zusammenhängen. Um auch aus eigner Anschauung die englischen Rechtsinstitutionen kennen zu lernen, hatte er schon mehrere Jahre eine Reise dorthin beschlossen und sogar die Mühe eines nochmaligen Unterrichts in der englischen Sprache nicht gescheut. 1850 ward der Besuch Englands verwirklicht und die Aufnahme, welche M. von Seiten der bedeutendsten Juristen des Landes fand, die erweiterte Kenntniß, wozu dies führte, ist dem deutschen juristischen Wissen alsbald zu Gute gekommen. In den darauf folgenden Jahren hat M. an den Gefängniß- und Wohlthätigkeitscongressen zu Brüssel und Frankfurt lebhaften Antheil genommen, und überall ist sein reiches Wissen, seine einflußreiche Bekanntschaft und sein wohlwollender Sinn als willkommene Hülfe angesehen worden.

In voller geistiger und körperlicher Rüstigkeit mit jugendlichem Eifer sich den Arbeiten seines wissenschaftlichen Berufslebens auf dem Katheder und am Schreibtisch widmend, sah M. dem Herannahen seines Doppeljubiläums der 50jährigen Doctorpromotion und des Beginns seiner akademischen Lehrthätigkeit im J. 1859 entgegen. Da die Promotion am 29. März, also in den Ferien, stattgefunden, wurde von der Heidelberger juristischen Facultät, welche den Jubilar zugleich als ihren Doctor und nahezu 40jährigen Collegen zu feiern hatte, der 8. Mai, wo Heidelberg im schönsten Frühlingsblüthenkranze prangt, zum Tage der Festfeier bestimmt, und obgleich die Stürme des beginnenden österreichisch-französischen Krieges damals die allgemeine Aufmerksamkeit fesselten, strömten doch von allen Seiten des In- und Auslandes Beweise der Liebe und Verehrung für den Jubilar in der schönen Neckarstadt zusammen. Neben der herkömmlichen Erneuerung des juristischen Doctordiploms ehrte die philosophische Facultät von Heidelberg den auch in ihren Fächern wohl bewanderten Universitätscollegen durch Verleihung ihrer Doctorwürde honoris causa.

Alle Stände und Confessionen, Studenten und Bürgerschaft nahmen an der herrlichen Feier theil, der eine bei dem Festmahl gehaltene tiefinnige Rede des Gefeierten, in welcher er seinen wechselvollen Lebensgang schilderte, zur besonderen Zierde gereichte. (Aus Anlaß des Jubiläums wurde von dem Verfasser dieses Artikels eine Lebensskizze des Gefeierten veröffentlicht, welche auch dieser Arbeit zu Grunde gelegt ist.)

Das neu begonnene Halbjahrhundert seiner Lehrthätigkeit, die sich jetzt wesentlich auf das strafrechtliche Gebiet concentrirte, zeigte M. in seiner alten Frische, daneben aber nahmen die allgemein politischen Vorgänge und der erfreuliche mit der Regentschaft in Fluß gekommene Umschwung in Preußen auch das politische und patriotische Interesse Mittermaier’s lebhaft in Anspruch. Ganz besonders zeigte sich dies in den inneren badischen Angelegenheiten, wo mehrere Jahre lang unter dem Einfluß österreichisch-ultramontaner Strömungen (die neuesten Veröffentlichungen [30] über die Frankfurter Zeit des Reichskanzlers Fürsten Bismarck haben diese Dinge wieder ins Gedächtniß zurückgerufen) in Staat und Kirche eine für die badische Vergangenheit immerhin schwer ins Gewicht fallende Reaction versucht worden war, deren Gipfelpunkt der Abschluß des Concordats mit dem römischen Stuhle bildete. Wie die liberalen Protestanten des Landes insgesammt ähnlichen hierarchischen Bestrebungen innerhalb der protestantischen Landeskirche entgegentraten, stand M. in der ersten Reihe seiner katholischen Mitbürger im Widerstand gegen die Gesetzwerdung des Vertrags mit Rom; und freudig begrüßte er es mit vielen Tausenden seiner Confessionsgenossen, als durch den Ministerwechsel, welcher Stabel, Lamey und Roggenbach ans Ruder rief, innerhalb der liberalen Reformen auch die neue freisinnige Kirchengesetzgebung inaugurirt wurde, welche in ihren wesentlichen Grundzügen bis heute die Herrschaft behauptet hat. Als Mitglied des katholischen Ortsschulraths in Heidelberg hat M. noch eine Reihe von Jahren seine Uebereinstimmung mit diesen Grundsätzen und seinen Eifer für gesunde Schulbildung und Erziehung bethätigen können.

Im J. 1862 wurde ihm das Glück zu Theil mit seiner vortrefflichen Gattin, umgeben von drei Söhnen, welche in ihren verschiedenen Berufsstellungen den Namen des Vaters würdig vertreten, und einer blühenden Enkelschaar, das Fest der goldenen Hochzeit zu begehen.

Der Verfassungsconflict in Preußen, dessen innerster weittragender Kern damals in Süddeutschland anders aufgefaßt wurde und aufgefaßt werden mußte, als er beim Lichte der späteren Ereignisse erscheint, wurde von M. mit schmerzlichen Empfindungen begleitet; es mag daran erinnert werden, daß das Gutachten des Heidelberger Spruchcollegiums gegen die Verfassungsmäßigkeit der preußischen Preßordonnanz die Unterschrift Mittermaier’s als Ordinarius des Collegiums trägt. An der schleswig-holsteinischen Bewegung, welche sich im Herbst 1863 an den Tod des Königs von Dänemark knüpfte und welche schließlich, wenn auch anders als die Meisten damals dachten, die Befreiung der Herzogthümer von der Dänenherrschaft herbeiführte und die Lösung der ganzen deutschen Frage in Fluß brachte, nahm M. trotz seines hohen Alters mit dem Jüngsten wetteifernd Antheil. Als endlich im J. 1866 es zum Kriege kam, der seinem inneren Wesen nach ein Kampf zwischen der natürlichen deutschen Vormacht Preußen und dem habsburgischen völkergemischten Kaiserstaat war, der aber doch vielfache Empfindungen der Süddeutschen verwunden mußte, hat M., welcher einst in der Paulskirche zu Frankfurt für den preußischen Erbkaiser gestimmt, mehr die Schwierigkeiten und Wunden, welche der Krieg gebracht, mitempfunden, als sich mit den Hoffnungen getröstet, welche der Zusammensturz der alten Bundestagsmisère und die im norddeutschen Bunde aufkeimenden Anfänge eines gesunderen nationalen Staatslebens weckten. Wahrscheinlich wäre ihm wie so vielen, welche gleich nach 1866 sich von dem gewaltthätig Gewordenen, unwillig und verstimmt, abwendeten, die glorreiche und fleckenlose Vollendung der nationalen Wiedergeburt im J. 1870 voller Trost und Beruhigung gewesen. Aber dem Greise, den, wenn er auch seit Jahren gewohnheitsmäßig in gebückter Haltung der schlanken Gestalt einherging, bis zuletzt das volle weiße Haupt- und Barthaar mit imposantem Antlitz, den freundlichen Zügen und hellen Augen zu einer anmuthenden ehrwürdigen Erscheinung machte, sollte dieses patriotische Glück nicht mehr zu Theil werden.

Im Wintersemester 1866/67 hatte er noch in gewohnter Weise seine Vorlesungen halten können. Aber eine Frühlingsferienreise scheint den Keim seiner letzten Krankheit gelegt zu haben. Bald nach Beginn des Sommersemesters 1867 mußte er die Vorlesungen einstellen und ein Versuch als halber Reconvalescent sie später wieder aufzunehmen, zeigte, daß seine Kraft, die ihm so lange treu geblieben, gebrochen war. Am 5. August feierte er noch seinen 80. Geburtstag, [31] wozu ihn sein Landesherr und der Kaiser von Oesterreich mit ihren höchsten Orden beglückwünschten, auf seine Weise dadurch, daß er seine reichhaltige und was die internationale Rechtslitteratur anbelangt, einzig dastehende Bibliothek der Universität Heidelberg schenkte, in deren Bibliotheksräumen sie als Bibliotheca Mittermaier sein würdiges selbstgestiftetes Denkmal ist. Das Vermächtniß wurde bald fällig. Am 28. August 1867 hat ein sanfter Tod seiner segensreichen und ehrenvollen langen irdischen Laufbahn ein Ziel gesetzt und die wohlverdiente Liebe und Dankbarkeit, welche ihn von so vielen Seiten durch das Leben begleitet, fand auch bei der Grabesfeier des Entschlafenen ihren würdigen Ausdruck.

Als Schriftsteller hat M. fast jeden Wissenserwerb, den er auf dieser langen Bahn sich angeeignet, mit der Feder zum Gemeingut der Völker gemacht; eine Aufzählung aller seiner Schriften sowie ihrer zahlreichen Uebersetzungen in fremde Sprachen würde hier natürlich nicht am Platze sein. Zur Charakterisirung der verschiedenen Gebiete seiner Thätigkeit sollen nur einige Hauptwerke genannt werden. Nach einer 1809 erschienenen Arbeit über den Beweis, die durch das neue 1834 veröffentlichte Werk „Die Lehre vom Beweise im deutschen Strafproceß“ später ersetzt worden ist, erscheint zuerst das „Handbuch des peinlichen Processes“, 1810/11, jetzt in vierter Auflage umgestaltet in „Das deutsche Strafverfahren“ (1845/46). Mit dem 1852 erschienenen „Englischen, schottischen und nordamerikanischen Strafverfahren“ und dem die neueste Fortbildung seit 1848 umfassenden Werke „Die Gesetzgebung und Rechtsübung im Strafverfahren“ (1856) haben wir die bedeutendsten strafprocessualischen Werke Mittermaier’s vor uns. 1865 veröffentlichte er noch als sein letztes größeres Werk, die „Erfahrungen über das Schwurgericht“. Für das materielle Strafrecht ist er besonders durch seine Herausgabe der neueren Auflagen des Feuerbach’schen Lehrbuchs, die unter dem Urtext fast ein neues Buch darstellen, und durch eine fast ununterbrochen die Entwickelung der Gesetzgebung und Litteratur begleitende Reihe von Aufsätzen in dem von ihm mitbegründeten „Neuen Archiv des Criminalrechts“ thätig gewesen. Seine „Grundsätze des deutschen Privatrechts“ sind 1842 und 1843 in sechster Auflage erschienen und für den Civilproceß hat er in vier „Beiträgen“ in den Jahren 1820–1826 Bedeutendes geleistet. Außerdem hat das von M. mitbegründete „Archiv für civilistische Praxis“ in ähnlicher Weise wie das Archiv für Criminalrecht ihm als fortlaufender Commentar zu den Erscheinungen auf dem Proceßgebiet gedient. Die von ihm, Mohl und Zachariä begründete „Kritische Zeitschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des Auslandes“, 1829–1856, war das Organ, durch welches Mittermaier’s Beziehungen zu den fremden Rechtslitteraturen allen deutschen Fachgenossen nutzbringend wurden. Ein allgemein gehaltenes Werk über Italien: „Italienische Zustände“, die Frucht seiner italienischen Reisen (1844), und um doch ein specielleres Gebiet zu berühren, verschiedene Schriften über die Gefängnißreform mögen noch genannt sein, obgleich alles dies nur aus einer kaum übersehbaren Masse von Einzelarbeiten, Gesetzentwurfkritiken, Dissertationen, Programmen etc. herausragt.

Um Mittermaier’s Verdienste nach seiner Gesammterscheinung zu würdigen, darf der Blick natürlich nicht an dem einzelnen Gelungenen oder Unvollkommenen haften. Wenn wir seine ganze wissenschaftliche Thätigkeit ins Auge fassen, scheinen sich für das kurze zusammenfassende Urtheil zwei Momente als die bestimmenden zu ergeben. Durch ihn ist die Heranziehung der außerdeutschen zeitgenössischen Rechtslitteratur und der Rechtseinrichtungen fremder Länder als integrirender Gegenstand der deutschen Rechtswissenschaft begründet worden. Mit einer Geringschätzung des Eigenen und Ueberschätzung des Fremden hat die Ueberzeugung, daß das Rechtsleben außerhalb der eigenen Grenzpfähle wissenswerth und zwar einer wissenschaftlichen Kenntnißnahme werth sei, nichts gemein. Nur die halbe Kenntniß der fremdländischen Einrichtungen ist jener Gefahr blinder Neuerungssucht [32] ausgesetzt; die volle Beherrschung des Stoffs – und auf eine solche sind Mittermaier’s Bestrebungen immer gerichtet gewesen – wird nie das ungeeignete Fremde dem wenigstens gewohnten Eignen vorziehen. Daß M. sich während seiner vieljährigen Beschäftigung mit den Rechtseinrichtungen fremder Länder erst allmählich zu jener eingehenden Kenntniß durchgearbeitet hat, bildet den einfachen Schlüssel zu den hier und da fallen gelassenen Ansichten früherer Tage. Ein zweiter Grundzug seines Wesens ist der stets auf das Praktische, das zunächst Erreichbare gerichtete Sinn. Nur soweit sie dem Leben dienen kann, hat ihn von jeher die Theorie angezogen, und stets hat er sich gescheut praktische Vortheile einer theoretischen Vollkommenheit zu Liebe aufzugeben. So erklärt sich z. B. sein Verhältniß zur Schwurgerichtsfrage. In einer Zeit, wo man Alles daran setzen mußte, um Regierungen und Juristen von den Vorzügen der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit zu überzeugen, wollte sich M. nicht durch zu frühes Hineinziehen der Juryfrage, der er selbst damals noch nicht vollständig Herr war, da ihm namentlich die nähere Kenntniß der nichtfranzösischen Jury fehlte, um den näher liegenden, nothwendigeren Erfolg bringen lassen. Erst als diese Sache gewonnen war, wandte er sich mit vollem, weil jetzt auf Verwirklichung absehenden Eifer, dem neuen Streite zu. Ueber diese Seite des Mittermaier’schen wissenschaftlichen Strebens ist nicht selten ungerecht geurtheilt worden, besonders von reinen Theoretikern, die weder selbst aus der Erfahrung zu lernen pflegen, noch den regen Drang zur Verwirklichung ihrer Ansichten hegen. Daß eine Richtung, wie die Mittermaier’sche, auch ihre Gefahren hat und M. sie vielleicht nicht immer zu vermeiden wußte, ist zuzugeben, aber nicht Einer kann Alles, und in der Fortentwickelung Anderer werden nur seine Vorzüge bleiben. –

Für eine gerechte Würdigung dessen, was M. in der Vollkraft seiner Jahre auf speciell wissenschaftlichem Gebiete geleistet hat, darf nicht vergessen werden, daß seitdem bei größerer Arbeitstheilung die wissenschaftliche Forschung schärfer einzusetzen pflegt und daß auch für die Rechtsgeschichte als Erklärerin des Gewordenen vielfach neue Quellen sich erschlossen haben. Soweit sich die Werke Mittermaier’s an das geltende Recht anlegen – und es handelt sich dabei wesentlich um Strafrecht und Strafproceß – ist durch neue Gesetzgebung der Stoff vielfach verändert, und sind frühere Arbeiten, so auch die seinigen, gegenstandslos geworden. Dies thut aber den wirklichen Verdiensten eines Forschers innerhalb seiner Zeit und als Bindeglied zwischen dem ihr Vorausgegangenen und Nachgefolgten keinen Abbruch.

Um von den reichen Erfolgen dieses wissenschaftlichen Strebens für das Leben der Nation schließlich nur einen zu nennen – im Strafrecht hat Niemand so sehr als M. zur Humanisirung der Gesetzgebung beigetragen. Wie weit diese Richtung von weichherziger Schwäche entfernt ist und wie viel wir ihr schon jetzt zu danken haben, kann sich Jeder klar machen, der das deutsche Strafrecht im Anfange unseres Jahrhunderts selbst noch in seiner ersten wissenschaftlichen Umgestaltung durch die Geistesriesen Feuerbach und Grolmann mit dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft und Gesetzgebung vergleicht. In der Geschichte der deutschen Strafrechtswissenschaft wird Mittermaier’s Name ein unvergänglicher sein und die Nachwelt wird für das Viele, war er erstrebt und errungen, ihm ein dankbares Andenken bewahren.

Als akademischer Lehrer – seine Schüler allein aus der Heidelberger Zeit von 1821–1867 zählen nach vielen Tausenden, denn wer irgend eine fremde Hochschule besuchen konnte, mußte bei M., dem lange Zeit anerkannten ersten Namen dieser Wissenschaft, Strafrecht und Strafproceß gehört haben – wußte er Ernst und Scherz angenehm zu verbinden, durch Beispiele aller Art, seine berühmten „Fälle“ die jugendliche Vorstellung anzuregen, und das Wohlwollen, [33] welches seine ganze Natur durchdrang, machte ihn den deutschen Studenten ganz besonders werth, während die Ausländer in ihm den eifrigen Forscher auf ihren heimischen Rechtsgebieten und den Freund ihrer eigenen großen Gelehrten bewunderten. Ein schöner Zug in Mittermaier’s Wesen war die Freude, welche es ihm machte, jüngeren Gelehrten bei ihren Studien an die Hand zu gehen und den Weg zu bahnen. Von Mitlebenden wird auch in dieser Richtung noch Mancher „dem alten Mittermaier“ ein dankbares Gedächtniß bewahren.

Ueber dem Gelehrten und Politiker, Schriftsteller und Lehrer – und wenn der Einzelne in diesen Gebieten es auch noch so weit gebracht – steht doch der volle Werth einer edlen Menschennatur, und mit diesem Maßstabe gemessen verdient M., wie er Allen, denen er in Freundschaft nahe gestanden ist, unvergeßlich bleiben wird, auch den nachkommenden Geschlechtern als ein würdiges Vorbild gepriesen zu werden. Er war der Mittelpunkt seines glücklichen Familienlebens und in der schlichten Einfachheit seines Hauses haben sich die hervorragendsten Männer aller Culturvölker, deren Namen zum Theil der Weltgeschichte angehören, behaglich und heimisch gefühlt. Bezeichnend für die ganze Lebensauffassung Mittermaier’s ist, daß Nathan der Weise sein Lieblingsgedicht war und seine werkthätige Menschenliebe sich ganz besonders den Pfleglingen des Heidelberger Waisenhauses zuwandte, welches er bis in sein hohes Alter wöchentlich zu besuchen pflegte. Mit vollem Recht hat an seinem Grabe der Redner der Universität, Bluntschli, hervorgehoben, daß in dem Wesen Mittermaier’s Rechtssinn und Freiheitsliebe die Leitsterne waren, und daß die Quelle aller seiner Tugenden und wissenschaftlichen Leistungen, die Quelle der Liebe und Verehrung, die man ihm zollte, seine ächte Humanität gewesen ist.