Zum Inhalt springen

ADB:Zachariae, Heinrich Albert

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Zachariae, Heinrich Albert“ von Ferdinand Frensdorff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 617–632, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Zachariae,_Heinrich_Albert&oldid=- (Version vom 12. Dezember 2024, 04:51 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Zachariae, Johannes
Band 44 (1898), S. 617–632 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Heinrich Albert Zachariä in der Wikipedia
Heinrich Albert Zachariä in Wikidata
GND-Nummer 118772112
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|44|617|632|Zachariae, Heinrich Albert|Ferdinand Frensdorff|ADB:Zachariae, Heinrich Albert}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118772112}}    

Zachariae: Heinrich Albert Z., deutscher Staatsrechtslehrer und Criminalist, geboren am 20. November 1806 zu Herbsleben (östl. von Langensalza) im Herzogthum Sachsen-Gotha, † am 29. April 1875 zu Cannstatt bei Stuttgart. Z., Sohn eines Justizbeamten, besuchte die Schule in Gotha und studirte seit Michaelis 1825 die Rechtswissenschaft an der Universität Göttingen, der er für sein ganzes Leben treu geblieben ist. Am 28. Februar 1829 bestand er das Doctorexamen insigni cum laude und wurde am 19. März promovirt. Nach Erlangung der venia docendi, die ihm als einem Ausländer erst nach eingeholter Erlaubniß des Universitätscuratoriums ertheilt werden konnte, kündigte er für den Winter 1829/30 äußere Geschichte des römischen Rechts bis Justinian und Institutionen an. Auch seine am 30. Januar 1830 in öffentlicher Disputation vertheidigte Habilitationsschrift „de fiducia“, die Hugo und Bergmann zugeeignet ist, und eine kurze im folgenden Jahre von ihm und seinem Bruder August dem Vater gewidmete Gratulationsschrift über die Zahl der Centurien des Servius Tullius weisen auf seine Vorliebe für römisches Recht besonders nach seiner geschichtlichen Seite hin. Bis gegen die Mitte der dreißiger Jahre hat er in Vorlesungen über Geschichte und Alterthümer und über Institutionen [618] an dem römischrechtlichen Gebiete festgehalten, daneben aber doch von Anfang an die Disciplin gepflegt, die den einen Zweig seiner Lebensthätigkeit bilden sollte. Neben Anton Bauer, dem Ordinarius für Strafrecht, las er Criminalrecht und Criminalproceß. Auf dem strafrechtlichen Gebiet trat er auch zuerst mit größeren litterarischen Leistungen hervor: 1834 mit einer Abhandlung über die rückwirkende Kraft neuer Strafgesetze (1834), der 1836 der erste und 1839 der zweite Band seiner Monographie über den Versuch folgte, die lange Zeit als das Hauptwerk über diese Lehre gegolten hat. Nebenher gingen „Geschichtserzählungen aus Criminalakten“ (1835) und „Grundlinien des gemeinen deutschen Criminalprozesses (1837). Jene waren aus Arbeiten für das Spruchcolleg erwachsen, dem er seit 1832 als außerordentlicher Beisitzer angehörte, und für die Verwendung in einem Criminalpraktikum bestimmt. Die Grundlinien lieferten einen Grundriß mit Quellen- und Litteraturangaben und einzelnen Ausführungen für die Vorlesungen über Criminalproceß. Ein Docent von gründlichem und vielseitigem Wissen, war er an der damals zahlreich besuchten Universität gern bereit, Lücken des Vorlesungsplans auszufüllen. So trug er längere Zeit Privatrecht des Herzogthums Braunschweig nach einem von ihm veröffentlichten Grundrisse (1832) vor, gelegentlich einmal Civilproceß nach Martin’s Lehrbuche und dauernd seit 1836 auch Kirchenrecht. Auf die Empfehlung von Dahlmann, an den sich Falck in Kiel, wo man eines Criminalisten bedurfte, gewandt hatte, und von Bergmann wurde Z. am 1. October 1835 zum außerordentlichen Professor in Göttingen ernannt. Erst die Katastrophe, die mit dem Jahre 1837 über die Universität hereinbrach, führte Z. dem Rechtsgebiete zu, auf dem er seinen größten Ruhm gewinnen sollte. Mit der Dienstentlassung W. E. Albrecht’s hatte die juristische Facultät einen ihrer Germanisten und ihren Publicisten verloren. Kraut, der neben Albrecht Staats- und Kirchenrecht las, hatte seine Bedeutung im Gebiete des deutschen Privatrechts. In Hannover, wo man vergebens nach einem Ersatz für die Professuren der Sieben ausspähte, war man froh, als Bergmann im Frühjahr 1838 meldete, Z. sei zur Uebernahme des deutschen Staatsrechts bereit. Der Versuch, einen Mann nach dem Herzen des Cabinetsministers v. Schele, L. Pernice in Halle zu gewinnen, „der sich nicht nur durch gründliche historische und juristische Kenntnisse, sondern auch durch loyale dem gegenwärtigen speculativen und revolutionären Schwindel gänzlich entfernte Gesinnungen überaus vortheilhaft auszeichnet“, war im August 1838 definitiv gescheitert. Da entschloß sich der Minister v. Stralenheim, Z. nach Hannover zu bescheiden, ihm den Lehrauftrag für Staatsrecht, deutsche Staats- und Rechtsgeschichte und Kirchenrecht zu ertheilen und ihn zur würdigen Vorbereitung für den Rest der Ferien nach Frankfurt zu schicken, „um sich mit den Angelegenheiten des deutschen Bundes möglichst bekannt zu machen“. In den Kreisen der Sieben und ihrer Freunde, zu denen sich Z. bis dahin gehalten hatte, verdachte man ihm den Schritt. Otfried Müller nannte das Handgeld vom Teufel nehmen. Die Reise nach Frankfurt, die übrigens nur drei Wochen dauerte, verlief nach Zachariae’s eigenem Berichte ziemlich ergebnißlos. Frankfurt war kein Wetzlar. „Den Hauptgegenstand seiner Thätigkeit bildete das Studium der Protokolle mit Hülfe eines ausführlichen ganz neuerlich angefertigten Registers und in einer Ausdehnung, wie es in Göttingen nicht möglich gewesen sein würde“. Unter den Bundestagsgesandten begegnete mancher dem von der Regierung Ernst August’s empfohlenen jungen noch unbekannten Manne nicht ohne Mißtrauen. Im Winter 1838/39 las Z. zuerst deutsches Staatsrecht, bald nachher auch deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte mit besonderer Beziehung auf die Ausbildung des Staatsrechts. Daneben behielt er Kirchenrecht und die criminalistischen Vorlesungen [619] bei. Nach Bauer’s Tode (1843) war Z. der alleinige Vertreter des Criminalrechts, bis 1847 E. Herrmann neben ihn trat. Auf ihn ging dann auch das Kirchenrecht über, während Z. zu der schon seit Anfang der vierziger Jahre vorgetragenen Rechtsencyklopädie Völkerrecht in sein Programm aufnahm. So hat er den ganzen Umkreis der juristischen Disciplinen, etwa mit Ausnahme des deutschen Privatrechts und der Pandekten, nach und nach in seinen Vorlesungen durchmessen. Die Anerkennung für diese ausgedehnte Thätigkeit erfolgte nur zögernd. Erst als Z. 1842 einen Ruf nach Jena als Professor des Criminalrechts und Mitglied des Oberappellationsgerichts erhielt und sehr geneigt war ihm Folge zu leisten, entschloß man sich in Hannover ihn zum Ordinarius zu machen und nach manchen Weiterungen ihm den gleichen Gehalt wie in Jena – 1000 Thaler – zu gewähren. 1844 wurde er Mitglied der Honorenfacultät. Seine Begabung für das Fach, das er unter ungünstigen Auspicien ergriffen hatte, erwies er durch das in drei Abtheilungen 1841–1845 erschienene deutsche Staats- und Bundesrecht. Aus seinen Vorlesungen erwachsen und deshalb zum Theil noch in der Form eines Grundrisses gehalten, erwarb das Buch durch seine Gründlichkeit, seine juristische Behandlung des Gegenstandes und durch seine freimüthige und besonnene Erfassung der politischen Probleme der Zeit Anerkennung und Beifall in weiten Kreisen. Zwei politisch so entgegengesetzte Beurtheiler wie R. Mohl und Leist hatten Zachariae’s Werk wegen seines entschiedenen Auftretens gegen die „Fürsten und Völker entwürdigende“ Patrimonialitätstheorie Maurenbrecher’s gelobt. Das umfangreiche Buch hat noch zwei Auflagen erlebt; ihre Vergleichung ist lehrreich für die Geschichte der Zeit wie für die des Verfassers. Bei allem maßvollen Auftreten erwies sich Z. in keiner Weise als ein Anhänger des in Hannover herrschenden Conservatismus. Erklärte die Vorrede doch geradezu, es sei dem Verfasser Bedürfniß gewesen, sein Glaubensbekenntniß über gewisse Hauptsätze des Staatsrechts öffentlich auszusprechen, und führte das Buch diese Absicht an einer Reihe von Lehren im Sinne einer ehrlichen Verwirklichung des Rechtstaats aus. Um dieselbe Zeit nahm Z. auch auf dem zweiten Gebiete seiner Thätigkeit Stellung zu den Fragen der Rechtsreform. Sein Buch: „Gebrechen und Reform des deutschen Strafverfahrens“ (1846) war von wissenschaftlicher und praktischer Bedeutung: Es erstrebte altes und neues zu verbinden, trat für Mündlichkeit, Oeffentlichkeit, Anklageschrift ein, wollte aber an rechtsgelehrten Richtercollegien und an einer gesetzlichen Beweistheorie festhalten. Schon vor dieser strafprocessualischen Schrift hatte er auf die 1844 an ihn gerichtete Aufforderung des preußischen Justizministeriums ein Gutachten über den Entwurf eines preußischen Strafgesetzbuches verfaßt, eine Arbeit, die ihm 1847 den Rothen Adlerorden dritter Classe eintrug. Eine stattliche Zahl kleiner Aufsätze und Abhandlungen aus dem Strafrecht und Strafproceß gingen neben den größeren Arbeiten her, größtentheils in dem Archiv des Criminalrechts, dessen Mitherausgeber er von 1838 an bis zum Erlöschen der Zeitschrift im J. 1857 war, veröffentlicht, wie später in Goltdammer’s Archiv für Preußisches Strafrecht und im Gerichtssaal.

Mit dem Jahre 1848 begann Zachariae’s Betheiligung an der praktischen Politik. Er hat der deutschen Nationalvertretung in allen ihren Phasen angehört, vom Vorparlament an bis zum ersten Reichstage des norddeutschen Bundes. Von einer Bürgerversammlung der Stadt Göttingen in das Vorparlament entsandt, wurde er von diesem in den Fünfzigerausschuß gewählt. Während er noch an dessen Arbeiten theilnahm, machte ihn die hannoversche Regierung zu ihrem Vertreter unter den siebzehn Vertrauensmännern an Stelle des Klosterraths v. Wangenheim, der nach der Epurirung des Bundestags von seinen vormärzlichen Elementen zum Ersatz v. Lenthe’s bestimmt wurde. Z. erklärte [620] sich für Dahlmann’s Verfassungsentwurf, wenn er auch die Wahl des Reichsoberhaupts der Erblichkeit vorzog, genügte aber damit noch lange nicht den Wünschen seiner Auftraggeber, die für eine alle fünf Jahre zwischen dem Kaiser von Oesterreich und den fünf deutschen Königen nach ihrer bisherigen Rangordnung wechselnde Oberhauptswürde waren und auch sonst grämlich genug den unitarischen Verfassungsplan glossirten, zu dessen Vertheidigung Z. selbst im Mai nach Hannover kam. In die Nationalversammlung für den 6. hannoverschen Wahlkreis (Göttingen) gewählt, schloß er sich dem Casino, dem rechten Centrum des Parlaments, an, während er in den späteren Stadien mehr mit Männern wie Biedermann, Kierulff, Riesser, Welcker, Cetto, dem sogen. Nürnberger Hofe stimmte. Mitglied des Verfassungsausschusses war er nicht, dagegen gehörte er dem völkerrechtlichen Ausschusse zuerst als Schriftführer, seit dem März 1849 als Vorsitzender an Stelle v. Wydenbrugk’s an. Als Referent dieses Ausschusses hat er die beiden großen Berichte über die luxemburg-limburgische Frage am 19. Juli und am 25. November erstattet. Ein zweiter wichtiger Ausschuß, dessen Mitglied Z. war, war der auf Grund eines Antrags von Biedermann eingesetzte, dem die Verhältnisse der Nationalversammlung und der Centralgewalt zu den Einzelstaaten überwiesen waren. Für ihn erstattete er den schleunigen vom 13. auf den 14. November eingeforderten Bericht über die preußischen Novemberereignisse, dessen zwischen den Parteien maßvoll vermittelnder Antrag mit 40 Stimmen Mehrheit angenommen wurde. Z. ist im ganzen selten als Redner aufgetreten. Als Berichterstatter wirkte er durch die objective Ruhe, mit der er die Gründe für und wider erwog und die extremen Parteien in Verzweiflung setzte. Von seinen Abstimmungen sei hervorgehoben, daß er gemäß seiner Haltung unter den Siebzehnern in der ersten Verfassungslesung für die Wahl des Reichsoberhaupts auf Lebenszeit und erst in der zweiten Lesung für die Erblichkeit votirte. Als Mitglied der Kaiserdeputation hatte er bei dem Empfange ihrer Mitglieder im Palais des Prinzen von Preußen Gelegenheit zu der Wahrnehmung, daß der Fürst und seine Gemahlin bei aller Zurückhaltung gegenüber der ablehnenden Erklärung des Königs über die Richtigkeit dieses Entschlusses anders dachten als der König: eine Beobachtung, die andere Mitglieder der Deputation öffentlich bestätigt haben. Am 26. Mai verließ Z. mit seinen Parteigenossen vom Nürnberger Hofe die Nationalversammlung. So lange als möglich bemüht das Parlament als den Mittelpunkt der deutschen Einheitsbestrebungen festzuhalten, schieden sie aus, als die Mehrheit sich weigerte, in einem Aufruf an das deutsche Volk den Zusatz Welcker’s aufzunehmen, der Treue gegen die Reichsverfassung und Zurückweisung fremder Einmischung forderte. Mit der Theilnahme an der Gothaer Versammlung endete für längere Zeit Zachariae’s parlamentarisches Wirken. Am 2. Juni 1849 war er nach Göttingen zurückgekehrt und hatte mit Vorlesungen über Staatsrecht und Criminalproceß seine akademische Thätigkeit wieder aufgenommen. Seine nächste größere Arbeit war die Veranstaltung einer neuen Ausgabe seines Staats- und Bundesrechts, die in zwei Bänden im Frühjahr 1853 und 1854 erschien. Das Buch, das die grundrißartige Gestalt völlig aufgegeben, die Scheidung von Text und Noten consequent durchgeführt hatte, brachte jetzt eine eingehende historische und dogmatische Begründung und Ausführung jeder Lehre. Festhaltend an dem Gedanken eines gemeinen deutschen Rechts sah der Verf. in seiner Entwicklung die Aufgabe seines Werkes. Die wissenschaftlichen und politischen Erfahrungen des letzten Jahrzehnts waren verwerthet, aber nach wie vor vermied es die Vermischung von Politik und Jurisprudenz. Die schärfere Ausbildung, welche verschiedene Lehren wie der Gegensatz von Personal- und Realunion, vom Staatenbund und Bundesstaat unter dem Einfluß der politischen Vorgänge [621] oder der Nothwendigkeit gesetzgeberischer Verwerthung gewonnen hatten, war dem Buche zu gute gekommen. Die mit dem Jahre 1848 gewonnene Freiheit der staatsrechtlichen Erörterung, welche die vormärzliche Zeit nicht geduldet hatte und die Reactionszeit nicht wieder unterdrücken konnte, machte sich überall geltend. Die zahlreichen staatsrechtlichen Fragen, die der hannoversche Verfassungskampf hervorgerufen und die erste Ausgabe des Buchs unberührt gelassen hatte, waren zur Fortbildung der vorgetragenen Lehren benutzt. Die Versuche zur Reform der deutschen Gesammtverfassung bildeten den Gegenstand einer ausführlichen rechtshistorischen Darstellung. Der Verf. legte besondern Werth darauf, den Zusammenhang des Neuen mit dem Alten festzuhalten und dem Leser eine gründliche Nachprüfung durch reiche, zuverlässige und wohlgeordnete Mittheilungen aus den Quellen und umfassende Litteraturangaben zu ermöglichen. Auszüge aus den kernigen Schriften des alten J. J. Moser schmückten wie früher das Buch, und die neuere politische Geschichte illustrirten schlagende Citate aus unverwerflichen Actenstücken. Kurz, das Buch hatte eine Gestalt gewonnen, daß es seinen Verfasser in die vorderste Reihe der deutschen Staatsrechtslehrer stellte. Eine Ergänzung des Buches bilden die Abhandlungen: über die Verpflichtung restaurirter Regierungen aus den Handlungen einer Zwischenherrschaft (Tüb. Ztschr. f. die gesammte Staatswiss., 1853, Bd. IX) und über die Haftungsverbindlichkeit des Staats aus rechtswidrigen Handlungen und Unterlassungen seiner Beamten (das. 1863, Bd. XIX); die Aufsätze über Regalien überhaupt und das Salzregal in Deutschland insbesondere (Zeitschr. f. deutsches Recht XIII, 1852), über den Art. 16 der Bundesacte, der das Recht der freien Religionsübung als Bestandtheil der gewährleisteten bürgerlichen und politischen Rechte vertheidigte (Aegidi’s Zeitschr. f. deutsches Staatsrecht, Heft I v. 1864) u. a. m. Ebenso gehören noch hierher die sehr werthvollen Beiträge Zachariae’s zu dem Staatswörterbuche von Bluntschli und Brater: staatsrechtlicher Besitz (Bd. II, 1857): staatsrechtliche Dienstbarkeiten (III, 1858); deutsches Staatsrecht (II), ein Artikel, besonders die Existenz eines gemeinen deutschen Staatsrechts nachzuweisen bestimmt; Landtag in den deutschen Staaten (VI, 1861), eine Darstellung der bestehenden rechtlichen Organisation der landständischen Corporationen und Volksvertretungen; Luxemburg und Limburg (VI), eine dem Verfasser von Frankfurt her besonders geläufige Materie. Es bestätigt ganz die in dem Staatsrechte Zachariae’s verfolgbare Tendenz zu gründlicher Belehrung, wenn er ihm auf dem Fuße die große Sammlung der „deutschen Verfassungsgesetze der Gegenwart“ folgen ließ. Sie erschien in zwei Lieferungen während des Jahres 1855 und erhielt eine erste Fortsetzung 1858, eine zweite 1862. Ihren Inhalt bilden neben den Grundgesetzen des deutschen Bundes vollständige und zuverlässige Texte der geltenden Verfassungsgesetze aller deutschen Einzelstaaten in ihrer bundesverfassungsmäßigen Reihenfolge, jeder eingeleitet durch eine kurze und präcise Verfassungsgeschichte. Ueber die eigentlich wissenschaftlichen Kreise hinaus machte ihn seine schriftstellerische Theilnahme an den die Zeit bewegenden Fragen bekannt. Sein Interesse an den öffentlichen Angelegenheiten, noch mehr die Ueberzeugung, daß er als Lehrer des Staatsrechts die Pflicht habe, in wichtigen Fragen des öffentlichen Rechtszustands seine wissenschaftlich begründete Ueberzeugung auszusprechen, führten Z. dazu, mit kurzen belehrenden Broschüren in die allgemeine Debatte einzugreifen. Eine stattliche Reihe solch kleiner Schriften, kurz vor 1848 beginnend und bis in seine letzten Lebensjahre sich fortsetzend, liegt vor, und einzelne von ihnen haben eine Bedeutung über ihren augenblicklichen Anlaß hinaus erlangt. Die früheste ist ein Bericht über die Hauptversammlung des Gustav Adolf-Vereins zu Darmstadt vom September 1847. Z., Deputirter des Göttinger Hauptvereins, hatte sich lebhaft an den [622] bewegten Debatten betheiligt und in der Verhandlung, welche durch den im Jahr zuvor gefaßten Beschluß über die Zurückweisung des Dr. Rupp von Königsberg veranlaßt war, festen dem Kirchenrecht entsprechenden Principien über die Zugehörigkeit zum Verein und implicite zur evangelischen Kirche, wenn auch vergebens, Eingang zu schaffen versucht. Die zweite betraf eine Angelegenheit, die seine Feder noch oft beschäftigen sollte. Die Schrift: „Zur Schleswig-Holsteinischen Frage“ knüpft an einen Abdruck der von Prälaten und Ritterschaft der Herzogthümer 1845 und 1847 dem Könige überreichten Vorstellungen eine staatsrechtliche Betrachtung der schleswig-holsteinschen Rechtsfrage, die den Unterschied von Personal- und Realunion zum ersten Mal in der juristischen Bestimmtheit darlegte, die seitdem in der deutschen Staatsrechtswissenschaft herrschend geblieben ist. Die im Januar 1848 veröffentlichte Schrift: „Die schweizerische Eidgenossenschaft, der Sonderbund und die Bundesrevision“ setzt sich die Aufgabe aus der Verfassung der Eidgenossenschaft zu erweisen, daß sie bei ihrem Vorgehen gegen den Sonderband nur von ihrem guten historisch begründeten Recht Gebrauch gemacht habe. Ging diese Arbeit unter den Stürmen der Märzbewegung unbeachtet vorüber, so hat keine von Zachariae’s kleinen Schriften soviel Aufmerksamkeit erregt als die im September 1850 erschienene Abhandlung: „Die Rechtswidrigkeit der versuchten Reactivirung der im J. 1848 aufgehobenen deutschen Bundesversammlung“, die ihren dauernden Werth besitzt in der Richtigstellung des Verhältnisses von Engerm Rath und Plenum nach der deutschen Bundesverfassung. Im Juni 1851 veröffentlichte er die von F(riedrich) P(feiffer) gegen H. Martin gerichtete: „Rechtliche Beleuchtung der Kurhessischen Septemberverordnungen“, im J. 1857 eine von Actenstücken begleitete Darstellung des Coburger Untersuchungsprocesses wider Hannibal Fischer wegen Majestätsbeleidigung. So sehr Z. seine Stellung als Staatsrechtslehrer an der Georgia Augusta zu betonen liebte, so hat er in die hannoverschen Rechts- und Verfassungsverhältnisse doch verhältnißmäßig selten eingegriffen. Ueber das hannoversche Gesetz vom 24. December 1849 begann er eine Veröffentlichung unter dem Titel: „Das öffentlich-mündliche Verfahren mit Geschwornen im Königreich Hannover“ (Göttingen 1850), die jedoch nicht über das erste Heft hinaus gedieh. Das „Votum über die neuesten Vorlagen der Königl. Regierung an die allgemeine Ständeversammlung“ (Gött. 1853) trat für die Absicht der Regierung ein, die erste Kammer, welche nach dem Verfassungsgesetze vom 5. September 1848 eine Vertretung von verschiedenen wirthschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen werden sollte, aber überwiegend eine Repräsentation des bäuerlichen Grundbesitzes geworden war, wieder mehr dem früheren ständischen System anzunähern und ihr namentlich eine stärkere Theilnahme des großen Grundbesitzes zu verschaffen. Als 1861 der Versuch gemacht wurde, die Successionsberechtigung des hannoverschen Königshauses in Braunschweig durch „prioritätische“ Ansprüche Preußens zu verdrängen, legte Zachariae’s Abhandlung: „Das Successionsrecht im Gesammthause Braunschweig-Lüneburg und der ausschließliche Anspruch Hannovers auf das zur Erledigung kommende Herzogthum Braunschweig“ (Leipz. 1862) den Ungrund der Denkschrift O. Bohlmann’s dar, der Z. mit Unrecht eine politische Bedeutung beimaß. An der durch die Ereignisse des Jahres 1859 auch in Deutschland wieder wachgerufenen nationalen Bewegung betheiligte sich Z. mit der Schrift: „Die Reform der deutschen Bundesverfassung“ (Erlangen 1859). Sie trägt auf dem Titelblatte noch die bedeutsamen Zusätze: auf der Basis des Bestehenden und ohne Ausschluß von Oesterreich. Von einem norddeutschen Publicisten. Es ist das einzige Mal, soviel ich sehe, daß Z. anonym aufgetreten ist. Zu der Autorschaft hat er sich später ausdrücklich bekannt (dritte Aufl. des Staatsrechts I, [623] 243). Theoretisch hält der Verf. noch den Grundgedanken des Gagern’schen Programms für den richtigsten; aber er ist undurchführbar. Die Realisation eines deutschen Bundesstaats mit Preußen an der Spitze kann nur von einem politischen Träumer noch für möglich gehalten werden. Als ein echter und rechter Gothaer sucht er nach dem Durchführbaren, bei dem der Dualismus der beiden Großmächte, die Souveränetät sämmtlicher Einzelstaaten und die Existenz einer deutschen Nation zum rechtlichen Ausdruck kommen. Um seinen Vorschlägen die nöthige Bestimmtheit zu geben, formulirt er eine Bundesergänzungsacte in 10 Artikeln, die er ausführlich einleitet und motivirt. Unter möglichster Festhaltung des alten Bundesrechts bessert er nicht den Competenzzuschnitt, sondern die mangelhafte Construction des Bundesorganismus. Er stellt vier Organe auf: ein Bundesdirectorium, einen Bundesrath, eine Bundesversammlung und ein Bundesgericht. Der Bundesrath ist die alte Bundesversammlung, der Name der Bundesversammlung birgt eine Vertretung des deutschen Volkes nach dem Muster des Staatenhauses der Frankfurter Reichsverfassung; das Bundesdirectorium, das alljährlich zwischen Oesterreich und Preußen wechselt, schließt in sich: die Führung im Kriege, die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten und das Präsidium im Bundesrathe. Daß dies Project durchführbarer und brauchbarer für die Bedürfnisse der deutschen Nation gewesen wäre als die früher vorgebrachten, hat der Verf. wol bald selbst bezweifelt, wenn er seinen Vorschlag auch bloß einen bescheidenen nennt. Die Schrift ging spurlos vorüber; für ihren Verfasser blieb sie nicht ohne Folgen.

Als Z. im Sommer 1854 dem Universitätscurator in Hannover die zweite Auflage seines Staatsrechts übersandte, begleitete er sie mit dem Wunsche, die hohe Behörde möge seinen Bestrebungen und Leistungen auf dem Gebiete der Wissenschaft die richtige Würdigung zu theil werden lassen. Die Worte werden verständlich, wenn man in der Vorrede des zweiten Bandes seine Klage über die ihm entzogene Erlaubniß, die auf der königlichen Universitätsbibliothek vorhandenen Protokolle der Bundesversammlung zu benutzen liest. Ein deutlicheres Zeichen der Ungunst wurde ihm wenige Wochen später zu Theil, als König Georg V. seiner Wahl zum Prorector der Universität Göttingen für das Jahr 1854/55 die Bestätigung versagte. Weit entfernt von einer politischen Demonstration hatte die akademische Corporation Z. gewählt als einen Mann, der wegen seiner Verdienste um Wissenschaft und Universität allgemein geschätzt war und seine Tüchtigkeit für das fragliche Amt in den verschiedensten Functionen akademischer Selbstverwaltung erwiesen hatte. Dagegen war der Act der Nichtbestätigung, ein seltener Vorgang im Leben der Universität, deutlich eine politische Demonstration, ein einzelnes Glied eines allgemeinem Zusammenhangs. In derselben Zeit wurde von der Regierung der Facultät untersagt, dem Privatdocenten Aegidi die venia für deutsches Staatsrecht zu erneuern und versucht, Z. durch die Berufung eines correcten Staatsrechtslehrers, wie damals der Kunstausdruck lautete, unschädlich zu machen. Minister v. Lütcken, Graf Borries, Präsident Leist sprachen dem Könige von Zachariae’s destructiven und antimonarchischen Tendenzen und regten die Berufung von Zöpfl, von Stahl, auch von Siegfried Hirsch, dem Historiker, an, der sich diesen Kreisen durch ein politisches Votum über die hannoverschen Provinzial-Landschaften (1852) empfohlen hatte. Das endliche Ergebniß dieser Bemühungen war, daß man im Herbst 1857 Herbert Pernice, damals Privatdocenten in Berlin, als außerordentlichen Professor für Göttingen gewann. Er hatte bis dahin keinerlei nennenswerthe staatsrechtliche Leistung aufzuweisen, und die verschiedenen Vorlesungen, die er in Göttingen ankündigte, über deutsches, hannoversches Staatsrecht, Geschichte und Charakter der hannoverschen Verfassung nach den Vorschriften [624] der Bundesgrundgesetze und des monarchischen Princips blieben ohne jeden bemerkbaren, Zachariae’s Thätigkeit irgendwie beeinträchtigenden Erfolg. Zachariae’s Popularität war die Behandlung, die ihm die Regierung erwies, nur zu steigern geeignet. Wie wenig er sich dadurch aus seiner maßvollen Haltung verdrängen ließ, zeigt die erwähnte inmitten der Bewegung des Jahres 1859 geschriebene Broschüre über die Bundesreform. Auch seinem Rufe nach außen that die Ungunst des hannoverschen Hofes keinen Abbruch. Seine ausgebreitete und gründliche Kenntniß aller Verhältnisse des deutschen Staatsrechts und des Privatfürstenrechts machten ihn zu einem begehrten Rathgeber in praktischen Streitfragen des öffentlichen Rechts, wie sie durch die fortschreitenden Anforderungen der constitutionellen Staatsordnung hervorgerufen wurden und in Conflicten der deutschen Landesregierungen bald mit den Standesherren, bald mit den Landständen zu Tage traten. Von den zahlreichen Gutachten aus Zachariae’s Feder sind nicht alle veröffentlicht worden, von den veröffentlichten genügt es, einige zu nennen. Die frühesten ergingen auf Ansuchen von Mitgliedern des Hauses Hohenlohe, von denen mehrere in den dreißiger Jahren in Göttingen studirt hatten und mit Z. bis spät hin in Verbindung geblieben sind. Für den Fürsten Chlodwig von Hohenlohe-Schillingsfürst erstattete Z. ein Rechtsgutachten, die Ganerbschaft Treffurt betr. (1856); den privilegirten Gerichtsstand sämmtlicher bairischer Standesherren in Strafsachen vertheidigt seine Denkschrift (Nürnberg 1858, mit einem Nachtrage von 1860); die staatsrechtlichen Verhältnisse der Grafen Stolberg-Wernigerode zur preußischen Krone erörtert ein Rechtsgutachten von 1862. Keine unter Zachariae’s staatsrechtlichen Arbeiten dieser Art hat eine gleiche Aufmerksamkeit erregt wie die in dem meiningenschen Domänenstreite erschienene: „Das rechtliche Verhältniß des fürstlichen Kammerguts, insbesondere im Herzogthum Sachsen-Meiningen“ (Gött. 1861) und die daraus erwachsene Schrift: „Das Eigenthumsrecht am deutschen Kammergute“ (Gött. 1864), die sich insbesondere gegen den Sachwalter der meiningenschen Landstände, A. L. Reyscher, richtete und dessen Angriffe auf Zachariae’s Unbefangenheit und wissenschaftliche Unparteilichkeit in scharfer Polemik erwiderte. Zachariae’s Ausführungen, daß das Kammergut nicht Staatsgut sondern Privatgut des Landesherrn, nicht der fürstlichen Familie sei, wenn es auch unzweifelhaft staatsrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen habe: ein Resultat, das nicht bloß für Meiningen, sondern präsumtiv auch für die übrigen deutschen Staaten gelten sollte, in denen nicht ausdrücklich der alte Rechtszustand geändert war, haben dem Verf. heftige Angriffe von der liberalen Seite zugezogen, so daß R. v. Mohl erst mahnen mußte, einen Mann, welcher schon so oft und nicht eben zu seinem persönlichen Vortheile die populäre Seite unserer Rechtszustände vertheidigt habe, wenn er diesmal für dynastische Interessen und Rechte auftrete, nicht ohne weiteres zu verdächtigen, sondern eher zu vermuthen, daß die Sache sich wol seiner Untersuchung gemäß verhalten werde. Z. hatte auch die für Sachsen-Meiningen vertheidigte Ansicht von der rechtlichen Natur der Domänen schon von Anfang an in seinem Staats- und Bundesrechte vorgetragen, wie sie denn auch principiell von dem als Schiedsgericht zwischen Regierung und Ständen angerufenen Oberappellationsgericht zu Dresden gebilligt ist, wenn es auch die staatsrechtliche Verpflichtung der Domänen als die praktisch wichtigste Frage betont und den streitenden Theilen einen Vergleich empfohlen hat, der dann zum gesetzlichen Austrag des langwierigen Conflicts geführt hat. Der hannoverschen Regierung gegenüber brachte Zachariae’s Auftreten in der meiningenschen Domänenfrage eine unerwartete Aenderung hervor. Der Herzog von Sachsen-Meiningen, dankbar für die Unterstützung seiner Regierung, verlieh Z. das Prädicat eines Staatsraths, und sein Minister Harbou setzte sich mit [625] dem hannoverschen Minister, Graf Platen, in Verbindung, um bei dem Könige die Erlaubniß zur Führung des Prädicats zu erwirken. König Georg war bedenklich: „ich sehe es eigentlich nicht gern, wenn Angestellte bei mir Titel von auswärtigen Fürsten erhalten“ und beauftragte den Generalsecretär des Unterrichtsministeriums, v. Warnstedt, die Acten nach Präcedenzfällen durchzusehen. Fänden sich entscheidende, so sei er zur Genehmigung bereit; wenn nicht, so sähe er lieber, wenn der Herzog dem Professor Z. die Comthurclasse des Ernestinischen Hausordens verliehe. Der Beamte erfüllte seine Aufgabe aufs gründlichste, wies aber zugleich freimüthig auf den schlechten Eindruck hin, den die Versagung der Erlaubniß aus objectiven Gründen, wo jedermann subjective vermuthe, hervorrufen würde, zumal es sich im vorliegenden Falle um Anerkennung einer durchaus correcten Handlungs- und Denkungsweise Zachariae’s handele. Der Bericht, dem eine Sammlung von Stellen aus Zachariae’s Schrift über den meiningenschen Domänenstreit beigefügt war und ein Hinweis auf die hannoverschen Domänenverhältnisse nicht fehlte, bewog den König die Genehmigung zur Führung des Staatsrathstitels zu ertheilen mit der Motivirung, daß er stets bereit sei, einem Manne, wenn er auch einmal geirrt habe, Wohlthaten zukommen zu lassen, sowie ein Fall vorliege, daß er zu richtiger Anschauung gelangt sei. Diese günstige Stimmung benutzte v. Warnstedt zur Restitution Zachariae’s. In Heidelberg und in Halle, dort durch Mohl’s Ernennung zum Bundestagsgesandten, hier durch den Tod von L. Pernice, wurden im Sommer 1861 Professuren des deutschen Staatsrechts erledigt. In einer ausführlichen an den König gerichteten Denkschrift vom 22. Juli 1861 legte v. Warnstedt die Göttingen drohende Gefahr der Wegberufung Zachariae’s und die grundlose politische Verdächtigung eines Staatsrechtslehrers wie Z. dar. Der junge Pernice könne keinerlei Ersatz bieten; die auf ihn gesetzten Hoffnungen seien völlig getäuscht. Aus den Schriften Zachariae’s war eine Auslese von Stellen zusammengebracht, die seine correcte Beurtheilung staatsrechtlicher Verhältnisse darzuthun bestimmt war, wo die ihm einst entgegengestellten conservativen Größen (oben S. 623) bedenklich schwankten und irrten. Der König außer Stande das umfangreiche Actenstück namentlich nach der Seite der Vollständigkeit hin zu prüfen, hielt sich an eine der berichteten Aeußerungen und ermächtigte den Curator zu dem Versprechen, Z. werde bei etwaiger Wiederwahl zum Prorector die Bestätigung nicht versagt, die Benutzung der Bundestagsprotokolle gestattet und eine Gehaltserhöhung zu Theil werden. Das Schreiben, das Z. die Anerkennung der Regierung unter ausführlicher Darlegung seiner Verdienste um Göttingen und um die Wissenschaft aussprach, mußte dem Könige selbst vorgelegt werden und auf seinen speciellen Befehl den Passus aus Zachariae’s Schrift über die Bundesreform aufnehmen, daß die Realisirung eines Bundesstaats mit Preußen an der Spitze nur von einem politischen Träumer noch für möglich gehalten werden könne. Als Z. von dem Vorhaben Warnstedt’s erfuhr, hatte er bevorwortet, es dürfe ihm keinerlei Opfer angesonnen werden. In jenem Satze erblickte der König ein ausreichendes Pater peccavi. Hatte er seine Zusagen anfangs von der Bedingung abhängig gemacht, daß Z. einen Ruf nach Heidelberg oder Halle erhalten würde, so war er nachher mit der sofortigen und unbedingten Gewährung einverstanden, falls sich nur Z. jedenfalls zum Bleiben in Göttingen verpflichte. Die im Februar 1862 erfolgende Verleihung des Guelfenordens vierter Classe besiegelte die Aussöhnung. Als die Universität im Sommer 1864 Z. zum Prorector für das mit dem 1. September beginnende Amtsjahr und ebenso erneut für 1865/66 erwählte, ertheilte der König die Bestätigung. Unter Zachariae’s Prorectorat fand zu Ostern 1865 die Einweihung [626] des neuen Auditoriengebäudes statt, bei der der König selbst erschien und die Göttinger Lehrer des Staaterechts pries, die wie sie einst die Landeshoheit der Fürsten gegen den Cäsarismus erfolgreich vertreten, nunmehr den Geist der ächten Monarchie und Föderativität lehrten, unter dessen Herrschaft die Völker Deutschlands nur allein ihre sichere und dauernde Freiheit finden können. Zur Feier des Tages erhielt Z. das Ritterkreuz des Guelfenordens. Als König Georg der Universität sein Lob spendete, war die Zufriedenheit mit „seinen“ Professoren schon nicht mehr ungetrübt. Waren sie doch sofort im Herbst 1863 für die Trennung Schleswig-Holsteins von Dänemark und das Recht des Herzogs von Augustenburg gleich den übrigen deutschen Universitäten eingetreten. In öffentlicher Rede und durch seine Schrift: „Staatsrechtliches Votum über die Schleswig-Holsteinsche Successionsfrage und das Recht des Augustenburgischen Hauses“ vom December 1863 hatte sich Z. der politischen Bewegung angeschlossen. Viel genehmer wird der hannoverschen Regierungspolitik die zweite von Z. in dieser Angelegenheit publicirte Schrift gewesen sein: „Die sog. Rechtsbasis der deutschen Großmächte in den Herzogthümern“ (Göttingen 1866), die in scharfer Wendung gegen die Bismarcksche Politik den Standpunkt des Bundesrechts betonte und nach dem Rechte fragte, das der weder successionsberechtigte noch im Besitz befindliche König von Dänemark im Wiener Frieden habe abtreten können. An dem preußischen Verfassungskampfe betheiligte sich Z. mit einer in die Form eines Sendschreibens an die Herren Duncker und Humblot gekleideten Broschüre: „Ueber Art. 84 der Preußischen Verfassungsurkunde“ (Leipzig 1866). Er spricht darin seine rechtliche Ueberzeugung von der völligen Unhaltbarkeit und objectiven Verfassungswidrigkeit des Obertribunalsbeschlusses vom 29. Januar 1866 aus, bekennt sich in den Rechtsfragen, welche in dem Verfassungsconflicte zwischen Regierung und Ständen hervorgetreten waren, mit der großen Mehrheit des Abgeordnetenhauses einverstanden, wenn er auch dieselbe Mehrheit seit Annahme des Hagenschen Antrages nicht gegen den Vorwurf politisch bedauerlicher Ueberstürzung in Schutz nehmen könne. Die Schrift wurde in Berlin mit Beschlag belegt und confiscirt. Ihrem Verfasser war das aber so unverständlich wie die Zögerung der Regierung, „die Eiterbeulen“, wie Z. die Mißdeutung des Art. 84 im Herrenhause nannte, zu exstirpiren. Einen mit den Kämpfen dieser Jahre eng zusammenhängenden Gegenstand, das Budgetrecht der preußischen Verfassung, hat Z. später noch in einer ausführlichen Recension der Schrift Laband’s (Götting. gel. Anz. 1871 St. 10) behandelt. Neben den kleineren Arbeiten waren aber auch zwei größere in diesen Jahren gereift. Die eine war das Handbuch des deutschen Strafprozesses in zwei Bänden, das lieferungsweise ausgegeben, im October 1860 zu erscheinen begann und im März 1868 fertig wurde. Getreu seinem Principe, das Neue mit dem Alten zu verbinden, schickte er der eingehenden Darstellung des modernen, damals noch nicht codificirten Strafverfahrens, ähnlich wie in seinem Staatsrechte, einen Theil voraus, der die rationellen und die historischen Grundlagen des geltenden Rechts darlegte. Die zweite größere Arbeit war eine dritte Auflage seines „Deutschen Staats- und Bundesrechts“, bereichert um die Erfahrungen und die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen des letzten Jahrzehnts. Als dem ersten im Herbste 1865 fertig gewordenen Bande im November 1866 der zweite, insbesondere das Bundesrecht behandelnde, nachfolgte, war der deutsche Bund inzwischen aufgelöst und das Königreich Hannover, dessen Recht das Buch mit besonderer Vorliebe berücksichtigt hatte, verschwunden. Die Politik Preußens in den letzten Jahren hatte den Verf. mit steigernder Erbitterung erfüllt, die Zertrümmerung des deutschen Bundes und die Aufhebung der Selbständigkeit mehrerer Bundesstaaten galten ihm als ein factum nullo jure justificabile. Wenn er aber in der Vorrede zum zweiten Bande seines Staatsrechts [627] gleichsam Verwahrung einlegte gegen die jüngste Zerreißung Deutschlands und das Recht des deutschen Volkes auf eine ganz Deutschland umfassende politische Verbindung als unveräußerlich und unverjährbar reclamiren zu müssen glaubte, so hatte der Träger der von ihm bekämpften Politik schon zur Zeit, als Z. diese Worte niederschrieb, viel wirksamer für diese Verbindung gesorgt, als dem zertrümmerten Bunde jemals gelungen war. In dem Kampfe, der in der Provinz Hannover mit dem Sommer 1866 zwischen der welfischen und der nationalliberalen Partei entstand, stellte sich Z. auf die Seite der Welfen und war im Februar 1867 ihr Reichstagscandidat, der mit großer Mehrheit über den nationalliberalen Gegner Miquel, damals Bürgermeister in Osnabrück, vorher Rechtsanwalt in Göttingen, siegte. Z. war kein Particularist. Ein „guter Deutscher aus Hannover“ ging er nach Berlin. Einer der Besiegten von 1866, war er doch fern davon, sich in den Schmollwinkel zu setzen, sich auf fruchtlose Proteste zu beschränken. Er theilte nicht die Restaurationsgedanken seiner Parteigenossen und warnte vor den Illusionen, die von Hietzing aus unter ihnen genährt wurden. Aber kühl bis ans Herz hinan trat er unter die, die das langersehnte Ziel erreicht zu haben glaubten, den alten Freunden von Frankfurt entfremdet, den neuen Anhängern der alten Fahne, die „in dem Wonnemeer des Einheitsstaats schwammen“, feindlich gegenüberstehend. Denn das Mißtrauen verließ ihn nicht, daß es bei der ganzen von Berlin ausgehenden Reform nur auf Errichtung des Einheitsstaates und dauernde Trennung des Nordens vom Süden abgesehen sei. Aber überzeugt, daß auch aus der Revolution und anderem formellen Unrecht ein neuer rechtlicher Zustand erwachsen könne, war er zu ehrlicher Mitarbeit bereit und, wie er in seinem Wahlprogramm erklärt hatte, bei der Begründung einer neuen Verfassung thunlichst die Principien der Frankfurter Reichsverfassung zur Grundlage und Richtschnur zu nehmen entschlossen. Der von den verbündeten Regierungen vorgelegte Verfassungsentwurf entsprach einem solchen Muster verzweifelt wenig. Z. half die Fraction der Bundesstaatlich-Constitutionellen gründen, deren Programm aus seinen und Wächter’s Vorschlägen hervorging. In ihren Berathungen wie in dem Plenum des Reichstags war er bemüht, die Verfassungsvorlage nach Form und Inhalt zu bessern, sie den Forderungen größerer Correctheit und logischer Folgerichtigkeit anzupassen, gemäß den Principien eines aufrichtigen und ernsthaften Bundesstaats umzugestalten und mit constitutionellen Einrichtungen wie Gewähr der Volksrechte, Ministerverantwortlichkeit, Oberhaus und Budgetrecht auszustatten. Dies unzeitgemäße Bestreben brachte ihn zu allen Parteien in Gegensatz. H. v. Sybel spöttelte über die Theorie des Göttinger Bundesstaats, die Z. in seinen Amendements mit unermüdlichem Fleiße dem Hause empfehle; Wagener-Neustettin über die Impotenz derer, die ein Oberhaus einzufügen für nöthig hielten und das Recept dazu von den Bundescommissarien erwarteten; Fürst Bismarck endlich, den Z. den größten Praktiker des 19. Jahrhunderts genannt hatte, freilich mit dem Zusatz, daß die Praxis allein es doch nicht thue, revanchirte sich mit dem Vorwurf des Doctrinärs, der durch seine nutzlosen Verbesserungsvorschläge nur den Abschluß des Werkes verzögere. Z. erklärte die Absicht solcher Verzögerung für ebenso unbegründet, als wenn er das ganze Verfassungswerk als eine Militärdictatur mit parlamentarischem Beiwerk bezeichnen wolle. Der Berliner Aufenthalt, während dessen sich übrigens Gelegenheit zu längeren Gesprächen mit dem Kronprinzen, der Kronprinzessin, denen er die Beschwerden hannoverscher Kreise nicht verhehlte, und mit dem Fürsten Bismarck gefunden hatte, brachte in seinem Ausgang schwere Tage. Z. hatte wenig Ursache, mit dem Gange der Verfassungsberathung zufrieden zu sein – zuletzt war noch sein wohlbegründeter Antrag auf ein ständiges Bundesgericht abgelehnt worden – aber er verschloß sich nicht der Einsicht, daß die Regierungsvorlage [628] entschieden verbessert den Reichstag verließ, entwickelungsfähig war und die verfassungsmäßige Vereinigung mit dem Süden nicht erschwerte. Aus diesen Gründen und unter dem Eindruck der durch den luxemburgischen Handel wachgerufenen Kriegsbesorgniß stimmte er mit sehr wenigen seiner Parteigenossen, wie von Warnstedt und Schleiden für die Annahme der Bundesverfassung. Nachdem die Universität Göttingen das Recht einer Präsentation zum Preußischen Herrenhause erhalten hatte, trat er als ihr Abgeordneter, durch königlichen Erlaß vom 21. December 1867 berufen, am 15. Februar 1868 in das Herrenhaus ein und nahm in fleißiger Mitarbeit an den gesetzgeberischen Aufgaben theil. Mit seiner Ansicht über die Vorgänge von 1866 hat er nicht zurückgehalten. Er nannte seine nationalliberalen Landsleute Jubelpreußen und untersuchte als Mußpreuße den Rechtstitel für die Stellung Hannovers. Ergab sich auch kein anderer als der kriegerischer Eroberung, so machte er doch mit Recht den Standpunkt des modernen Völkerrechts geltend, daß nicht Rechtlosigkeit die Folge sein könne und forderte die der Provinz Hannover zugedachte „Dotation“ nicht als ein Gnadengeschenk, sondern als eine Rechtsgewährung. In den inneren Gesetzgebungsfragen hielt er sich zu der liberalen Fraction des Herrenhauses. Den Heißspornen der Kreuzzeitungspartei, der er von jeher seine herzliche Abneigung gewidmet, hielt er entgegen, daß das Herrenhaus nicht den Beruf habe, mit dem in Widerspruch zu treten, was das allgemeine Rechtsbewußtsein der Gegenwart, insbesondere in Deutschland, bekenne. In einem kurzen, aber inhaltreichen Gefecht mit Heinrich Leo erinnerte er daran, daß dessen Aeußerung von der einen und untheilbaren Souveränetät des Königs für das Preußen des politischen Wochenblattes richtig gewesen sein möge, zwischen damals und heute aber die Artikel 62 und 45 der preußischen Verfassung lägen. Z. hat es wiederholt als seine Ansicht ausgesprochen, daß die preußische Verfassung, auf dem System der Theilung der Gewalten beruhend, der Volksvertretung eine Theilnahme an der obersten Staatsgewalt einräume. Bei Berathung der Grundbuchordnung befürwortete er die directe Haftung des Staates für den von seinen Beamten einem Dritten zugefügten Schaden, einen Grundsatz, dessen Anerkennung Z. auf dem Juristentage zu Stuttgart im August 1871 durchgesetzt hatte und erst die mit dem 1. Januar 1900 in Kraft tretende Grundbuchordnung des deutschen Reiches zum geltenden Recht erhebt. Gegen den Antrag, der Kirche einen Einfluß bei Besetzung der theologischen Professuren zu verschaffen, verfocht er die Freiheit der Wissenschaft, auch der theologischen. In der Kreisordnungsdebatte erfreute er die Conservativen durch sein Eintreten für eine wahre Autonomie der Kreise, wo die Regierung ihnen nur ein eng bemessenes Recht des Vollzuges zuerkennen wollte, erschreckte sie sofort aber wieder, als er die Beibehaltung der Schulzengüter, die Berechtigung zur Ausübung eines öffentlichen Amtes an den Besitz gewisser Grundstücke zu knüpfen, für völlig unerträglich mit dem Wesen eines öffentlichen Amtes erklärte. Den unbedingten Regierungsmännern rief er zu: „Dehnen Sie zweckmäßige Gesetze auf andere Provinzen der Monarchie aus, aber nicht Gesetze, die sich nicht vor den Principien des Rechts und der Gerechtigkeit rechtfertigen lassen.“ Demungeachtet stimmte er gegen die Uebertragung der Verwaltung und Beaufsichtigung des Volksschulwesens in Hannover von den Consistorien auf die Landdrosteien, weil er darin statt einer Wohlthat ein Mittel zu weiterer Aufregung erblickte. Die parlamentarische Thätigkeit that der akademischen und schriftstellerischen keinen Abbruch. Die Vorlesungen Zachariae’s erfuhren nach 1866 die Aenderung, daß er vom Staatsrecht ein deutsches Reichs- und Bundesrecht abzweigte, dessen Zwecken ein Grundriß diente, der neben den Grundgesetzen des vormaligen deutschen Bundes in einem Paralleldruck die norddeutsche Bundesverfassung und die deutsche Reichsverfassung den Zuhörern in die Hand gab. Die schriftstellerische [629] Thätigkeit galt vorzugsweise Rechtsfragen, die durch die geänderten politischen Verhältnisse hervorgerufen waren. In mehreren Aufsätzen des Gerichtssaales (1868 u. 1869) untersuchte er die strafrechtliche Bedeutung der durch das Jahr 1866 in Deutschland bewirkten politischen Veränderungen. Ueber die Stellung der deutschen Standesherren nach Auflösung des deutschen Bundes handelt die Schrift: „Ueber den territorialen Umfang der standesherrlichen Vorrechte in Deutschland“ (Donaueschingen 1867); eine besondere Denkschrift (Hannover 1872) bekämpft das Vorhaben der preußischen Regierung den standesherrlichen Rechtszustand des Herzogs v. Aremberg auf gesetzlichem Wege zu ordnen. In dem Berliner Hochverrathsproceß gegen den hannoverschen Minister Grafen von Platen, der mit dem König Georg V. das Land verlassen hatte, widerlegt Z. in einem Gutachten die Rechtsansicht, als ob Unterthanen des Eroberers auch die würden, die sich seinem Machtbereich vor der Eroberung entzogen hatten. Auf die neuen Verfassungsverhältnisse des norddeutschen Bundes ging eine, dem Collegen Ribbentrop zum 50jährigen Doctorjubiläum gewidmete Broschüre ein: „Die Verfassungsänderung nach Artikel 78 der norddeutschen Bundesverfassung“ (Braunschweig 1869). Während sie die Befugniß des Bundes zur Erweiterung seiner Competenz bestritt, war Z. zwei Jahre später bereit, dem deutschen Reiche die Competenz zuzugestehen, gegen das Unfehlbarkeitsdogma aufzutreten. Ueberzeugt von der ungeheueren auch politischen Tragweite des Dogmas äußerte er zuerst in einer Recension der Schrift von Berchtold, die Unvereinbarkeit der neuen päpstlichen Glaubensdecrete mit der bairischen Staatsverfassung (Götting. gel. Anzeigen 1871 Nr. 21), die Ansicht, daß Reichsgewalt und Reichstag Ursache hätten, sich mit dieser Angelegenheit zu befassen. Als G. Beseler in der Berliner Nationalzeitung vom 4. Juni die in jener Recension versuchte Herleitung der Zuständigkeit des Reiches aus dem im Eingang der Reichsverfassung angegebenen Bundeszweck bestritt, bekannte Z. in derselben Zeitung seine früheren Bedenken gegen die selbständige Competenzerweiterung infolge der neuen Fassung des Artikels 78 in der Reichsverfassung aufgeben zu können und begründete die Befugniß des Reiches zum Einschreiten gegen die päpstlichen Decrete mit dem Berufe der Centralgewalt zur Abwendung gemeiner Gefahr alles zweckdienliche vorzukehren. Es war Z. vor allem zu thun, wie es seinem ganzen Wesen entsprach, seine Ansicht auf Gründe des Rechts zu stützen und den Vorwurf eines mit der Jurisprudenz durchgehenden Patriotismus abzuwehren. Anstatt auf eine Duplik Beseler’s zu antworten, vereinigte Z. alle diese Aufsätze in einer kleinen, Robert v. Mohl zum 50jährigen Doctorjubiläum gewidmeten Schrift: „Zur Frage von der Reichscompetenz gegenüber dem Unfehlbarkeitsdogma“ (Braunschweig 1871), die er mit einigen Schlußworten ausstattete, die wichtig für die Sache wie für die Person des Verfassers waren, denn er bekannte sich hier aufrichtig zum Reiche und seiner Verfassung und verlangte von ihm ein kräftiges Vorgehen zum Schutze gegen Uebergriffe der geistlichen Gewalt, wie es unter seinem Beifalle damals Preußen begann. Wie Z. hier auf dem Felde seiner Staatsrechtswissenschaft noch einen praktischen Kampf ausfocht, so auch auf dem zweiten Gebiete seiner wissenschaftlichen Thätigkeit. Z. hatte sich in die Wissenschaft als ein Freund des öffentlich-mündlichen Verfahrens und seiner Gestaltung nach den Forderungen des accusatorischen Princips eingeführt, dagegen die Jury mit den namhaftesten Vertretern der Proceßreform als für die deutschen Verhältnisse unbrauchbar verworfen. Als später die Schwurgerichte, die infolge der Bewegung von 1848 überall in den deutschen Staaten Eingang gefunden hatten, theils aus politischen, theils aus juristisch-technischen Motiven angegriffen wurden, redete er in seinem Handbuche des Strafprocesses der Beibehaltung der Jury das Wort. Die für das deutsche Reich erforderlich werdende Ordnung des Strafproceßrechts [630] belebte den alten Kampf aufs neue. Nur machte sich jetzt eine Richtung geltend, die das Geschworenengericht durch Schöffengerichte zu ersetzen empfahl. In seiner Schrift: „Das moderne Schöffengericht“ (Deutsche Zeit- und Streitfragen, hrsg. v. Holtzendorff und Oncken, I, 12, Berlin 1872), erklärte sich Z. für diese Ansicht, weil das Schöffengericht das rechtsgelehrte und das volksthümliche Element zur Vollziehung der an sich einheitlichen Function des Richteramts verbinde und das Mittel darbiete, um in allen Instanzen der Gerichtsverfassung auf eine einfache und gleichartige Weise verwerthet zu werden. Z. hatte die Genugthuung, von dem Bundesrathe 1873 in die Commission zur Berathung einer Reichsstrafproceßordnung berufen zu werden, neben zehn praktischen Juristen, wie Friedberg, Schwarze, Förster, er als der einzige Mann der Wissenschaft. An den Arbeiten der Commission betheiligte er sich mit großem Fleiße und sein Votum soll in verschiedenen Fragen von ausschlaggebender Bedeutung gewesen sein. Den Ausgang der legislatorischen Kämpfe, die sich an den von der Commission hergestellten zweiten Entwurf knüpften, hat er nicht mehr erlebt. Er hatte sich lange einer festen Gesundheit, großer Rüstigkeit und ununterbrochener Arbeitskraft zu erfreuen gehabt. Erst in den letzten Jahren stellten sich Harnbeschwerden ein. Das Hinzutreten einer Herzaffection führte, als er sich im Frühjahr 1875 zum Besuche bei seinem Schwiegersohne, A. v. Derschau, in Cannstatt befand, den Tod herbei. Er wurde am 2. Mai 1875 in Göttingen auf dem Albanikirchhofe begraben.

Als akademischer Lehrer, als Schriftsteller, als Consulent, als Parlamentarier hat Z. gewirkt. Mit jedem dieser Berufe hat er es ernst genommen. Ein Mann von ausgebreitetem und solidem Wissen hat er die akademische Jugend von Anfang bis zuletzt an sein Katheder zu fesseln gewußt, obschon sein Vortrag nichts von Eleganz an sich trug, jedes bestechenden äußeren Reizes entbehrte. Wie schon wohlwollende Berichte von den Vorlesungen seiner ersten Jahre urtheilten, so ist es stets geblieben: trocken, aber gründlich und klar. Zwei Rechtsdisciplinen hat er vorwiegend in Wort und Schrift vertreten: Staatsrecht und Strafrecht. Seine Lehrvorträge hat er beiden gleichmäßig bis an sein Ende gewidmet; in der schriftstellerischen Thätigkeit herrschte bis 1848 die Strafrechtswissenschaft, nach 1848 das Staatsrecht vor. Beide Disciplinen standen dem römischen Rechte, von dem er ausgegangen war, an sich fern. Aber die Festigkeit der Rechtsbegriffe, die er in der Göttinger Schule an Pandekten und Proceß gelernt hatte, die hier gewonnene Fähigkeit, die thatsächlichen Erscheinungen auf ihren Rechtsgehalt zu bestimmen und das Erkannte zum exakten Ausdruck zu bringen, haben ihm für sein ganzes wissenschaftliches Leben Frucht getragen. Zumal im Staatsrecht, wo es seinen Ruhm bildet, unter den Publicisten der älteren Zeit der beste Jurist gewesen zu sein. Z. hatte aber auch zu den Füßen K. Fr. Eichhorn’s gesessen und, wie dieser selbst ein Schüler Pütter’s war, so knüpfte auch seine Wirksamkeit als Lehrer und Schriftsteller an diese beiden Vorgänger an. Er hat zwar nichts geschichtliches gleich ihnen geschrieben, sich auch mit Reichsgeschichte in seinen Vorlesungen nur vorübergehend oder nebensächlich beschäftigt. Aber in einem Vortrage über „Pütter und Eichhorn“. den Z. im Winter 1871 in Göttingen hielt (Göttinger Professoren, Gotha 1872), bezeichnete er seine im Staatsrecht befolgte Methode als durch das Beispiel bestimmt, das ihm Eichhorn in seinen Vorlesungen über deutsches Staatsrecht geboten hatte. Und wie Eichhorn und Pütter neben der Herleitung des positiven Rechts aus seinen historischen Wurzeln nicht die ebenso nothwendige rationelle Begründung aus Zweck und Wesen des Staates und der einzelnen Institute des Staatsrechts verschmäht hatten, so erstrebte auch er stets eine Verbindung der philosophischen und historischen Methode. Z. war eine überwiegend praktische Natur. Es zog [631] ihn das Geschichtliche, die wissenschaftliche Erkenntniß überhaupt nicht um ihrer selbst willen an, sondern um ihres Zusammenhanges mit der Gegenwart willen. So viel Bücher und Schriften er auch verfaßt hat, er war kein Mann der Bücher, sondern des Lebens. Es genügte ihm nicht, das bestehende Recht durch Wort und Schrift zu erklären und darzustellen und dadurch auf das bessere Verständniß des Rechts und auf die Besserung des Rechts einzuwirken, die Anwendung des Rechts war ihm daneben eine Hauptaufgabe. Lange Zeit war er ein thätiges Mitglied, seit 1866 Ordinarius des Spruchcollegs der Göttinger Juristenfacultät. Einen großen Theil seiner Zeit nahm die Abfassung von Rechtsgutachten in Anspruch. Vorzugsweise waren es standesherrliche Rechte oder Ansprüche gegenüber den Forderungen des modernen Staates, die hier zu vertreten waren. Ein vielbeschäftigter Consulent wird sich schwer der Einseitigkeit entziehen, die mit solcher Thätigkeit verbunden ist. Um so wohlthuender berührt es, daß Z. das öffentliche Recht doch noch in einer anderen Weise im Leben vertreten hat als durch die Vertheidigung der Ueberreste einer vergangenen Zeit. Durch die Erwählung der beiden Rechtsdisciplinen zu seinen Specialfächern, die am stärksten durch das öffentliche Leben beeinflußt werden und auf das öffentliche Leben zurückwirken, in einer Zeit, die gerade auf diesen Gebieten nach gründlicher Besserung der überkommenen Zustände rang, zu den Fragen der Rechtsform Stellung zu nehmen genöthigt, zögerte er nicht, für ihre wissenschaftliche Vorbereitung im Staatsrecht und Strafrecht mit Wort und Schrift thätig zu werden. Das bahnte ihm 1848 den Weg nach Frankfurt wie zu weiterer praktischer Mitarbeit. Wie er sich in seinem Staatsrecht von Anfang an gegen die Vermischung mit der Politik erklärt hatte, so hat er auch als Abgeordneter und Schriftsteller es immer wieder geltend gemacht: auch das Staatsrecht ist Recht. Er wollte ein Mann des Rechts sein und nur einer Politik dienen, die sich auf den Pfeiler des Rechts stützte. „Mir ist im Ganzen gleichgültig“, hat er einmal im Herrenhause geäußert, „ob etwas bei dieser oder jener Partei Anklang findet; wenn etwas vom Standpunkte des Rechtes geltend zu machen ist, stehe ich immer dafür ein.“ Solche catonische Grundsätze sind schon im normalen Leben schwer durchführbar, umwievielmehr unter Verhältnissen, die nur durch anomale Mittel zu heilen waren. Gerade in solchen Wendepunkten des öffentlichen Lebens war Z. zur Mitarbeit berufen. Er darf den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, immer die Grundsätze des verfassungsmäßig geordneten Staates vertreten zu haben. Er hat immer den Staat, nie das Individuum vorangestellt und stets mit Nachdruck geltend gemacht, daß das öffentliche Recht vor allem eine öffentliche Pflicht sei. Wie in der Wissenschaft, so suchte er auch im Leben das Neue mit dem Alten zu verbinden, aus den Bestandtheilen des alten Baues, was noch brauchbar war, in den Neubau herüber zu retten. Eine ähnliche Aeußerung Pütter’s König Friedrich Wilhelm II. von Preußen gegenüber hat Z. einmal ganz zutreffend auf sich angewandt. Wie Pütter das alte Reich zusammenbrechen sah, so Z. den deutschen Bund, dessen Recht er so gründliche Arbeit gewidmet hatte. Aber Z. hat den Bund nie überschätzt, ihn für ebenso reformbedürftig wie reformunfähig betrachtet und seine Kräfte willig in den Dienst der Nation gestellt, deren Recht auf eine einheitliche Existenz er nie verleugnet hat, wenn er auch an dem Beruf Preußens zu ihrer Führung zeitweilig irre geworden war. Auch das hat er mit manchem braven Mann gemein, daß er sich in die Anforderungen einer ganz anders gearteten neuen Politik nicht zu finden wußte. So hat er sehr verschiedeuartige Beurtheilung in seinem Leben erfahren. Er hat Volksgunst und Fürstengunst genossen und von beiden das Gegentheil. Dieselbe Krone, die ihn zu ihrem Vertrauensmanne erwählte, erwies ihm ihr entschiedenes Mißtrauen. Seine conservative Grundrichtung, sein Sinn für maßvolle Reform haben [632] sein deutsches Staats- und Bundesrecht nicht davor geschützt als die Incarnation des heidnischen Liberalismus, wenn auch nur in den Fragmenten über das deutsche Staatsrecht von dem Hamburger C. Trummer (Frankfurt 1859), verfolgt zu werden; sein Streben, als den Rechtsgrund der Herrschaft ein rein staatsrechtliches Princip aufzustellen, hat ihm den Vorwurf Stahl’s (Rechtsphilosophie II, 2 S. 252) zugezogen, der „so achtbare und bedeutende Staatsrechtslehrer“ – der wie die Volkssouveränetät auch das Legitimitätsprincip verwirft – „habe seine Stellung zwischen Himmel und Erde gleichsam auf dem neutralen Boden der Luft genommen“. Nach 1848 als Unitarier verschrieen, wurde er 1866 von den Particularisten auf den Schild gehoben. Er ließ sich dadurch nicht abhalten, so wenig es auch dem Sinn seiner Wähler entsprochen haben mag, für die norddeutsche Bundesverfassung seine Stimme abzugeben und für den Ausbau des deutschen Reichs und seines Rechts zu wirken. So ist unter allem Wechsel der Grundzug seines Wesens der gleiche geblieben: das treue unablässige Wirken für seinen Beruf und für das Wohl seines Landes nach seiner besten Einsicht. – Schriften und Acten sind eine sehr unvollkommene Quelle zur Schilderung einer Persönlichkeit, die, wie Z. sich nach so vielen Seiten hin bethätigt hat, die keine Spur in Büchern und Acten hinterlassen. Die Schilderung seines Lebens, die sich auf die wissenschaftliche und politische Wirksamkeit beschränken mußte, bedürfte, um wahr und vollständig zu werden, einer Ergänzung nach der persönlichen und der gesellschaftlichen Seite hin. Aber weder Raum noch Ort gestatten, auf das Liebenswürdige, Wohlwollende seines Wesens einzugehen oder auszuführen, welche Bedeutung für Zachariae’s Leben seinem Hause, das lange einen Mittelpunkt der Geselligkeit in Göttingen bildete, seiner Frau zukam, die ihn nach Frankfurt begleitet hatte und voll Theilnahme und Verständniß für alle wissenschaftlichen und politischen Bestrebungen ihres Mannes war; oder des Wohlwollens, mit dem er die jüngere Docentenwelt förderte, und der Fürsorge zu gedenken, mit der er für alle gemeinnützigen Institute der Universität wirkte.

Gerichtssaal 1875, S. 505 ff. (Hugo Meyer). – Kritische Vierteljahrsschrift XVII, 479 ff. (Pözl). – Nachrichten von der Georg-Augusts-Universität 1875, S. 337 (A. v. Warnstedt). – Pütter-Oesterley, Gel.-Gesch. v. Göttingen IV, 474. – v. Holtzendorff, Rechtsencyclopädie IV, 1369. – Actenstücke zur neuesten Geschichte Deutschlands (Hannover 1848), S. 122–146.– R. v. Mohl, Gesch. u. Litt. der Staatswissensch. II, 266. – Ippel, Briefwechsel zwischen J. u. W. Grimm, Dahlmann u. Gervinus I, 210 ff., 272 ff. – Acten des Universitäts-Curatoriums. Nachlaß auf der Göttinger Univ.-Bibl. Eigene Erinnerungen.