Zum Inhalt springen

ADB:Münter, Balthasar

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Münter, Balthasar“ von Carsten Erich Carstens in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 33–35, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCnter,_Balthasar&oldid=- (Version vom 18. November 2024, 16:24 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Münster, Sebastian
Nächster>>>
Münter, Friedrich
Band 23 (1886), S. 33–35 (Quelle).
Balthasar Münter bei Wikisource
Balthasar Münter in der Wikipedia
Balthasar Münter in Wikidata
GND-Nummer 117178756
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|23|33|35|Münter, Balthasar|Carsten Erich Carstens|ADB:Münter, Balthasar}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117178756}}    

Münter: Balthasar M., Geistlicher und geistlicher Liederdichter. Er war geboren in der Stadt Lübeck am 24. März 1735, wo sein Vater ein angesehener Kaufmann war, dessen Geschäft aber nachher zurückging, besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt unter Rector Overbeck und studirte dann seit 1754 in Jena Theologie. 1757 habilitirte er sich hier als Privatdocent und ward im folgenden Jahre Adjunct der philosophischen Facultät. Außer einigen akademischen Dissertationen schrieb er in dieser Zeit „Theologiae naturalis polemicae specimen“ 1758 und „Allgemeine Redekunst“ 1760. Er hielt hier begeisterte Reden in der Freimaurerloge zur Hoffnung, die in 5 Sammlungen von je 5 Reden gedruckt sind, 1759–62. Dadurch ward er als Rhetor bekannt und erhielt darauf einen Ruf vom Herzog zu Gotha als Hofdiaconus und Waisenhausprediger in dieser Residenzstadt. 1763 ward er jedoch auf seinen Wunsch als Superintendent nach Tonna versetzt, aber unter der Bedingung, daß er monatlich einmal vor der herzoglichen Familie in Gotha predigen solle. 1765 ward er, in Folge einer in seiner Vaterstadt Lübeck gehaltenen Gastpredigt, zum Hauptprediger an der deutschen St. Petrikirche in Kopenhagen berufen. Auch hier ist er ein hochverehrter Prediger gewesen. 1767 creirte ihn die theologische Facultät hier in honorem zum Doctor theologiae, in welcher Veranlassung er „Diss. de religione christiana, incrementa sua neutiquam debente philosophiae stoicae“ 1767 verfaßte. 1769 ward er auch Mitglied der königlichen Akademie [34] der Wissenschaften. In dieser Stellung blieb er bis an sein Ende, † am 5. October 1793. Er hat nicht nur als Kanzelredner eine große Wirksamkeit gehabt, sondern zugleich um das Schul- und Armenwesen seiner Gemeinde sich große Verdienste erworben. Im J. 1772 erhielt er den Auftrag, den Grafen Struensee zum Tode vorzubereiten. Seine „Bekehrungsgeschichte des Grafen“, Kopenhagen 1772 ist ins Dänische, Schwedische, Englische, Französische und Holländische übersetzt und erregte bei ihrem Erscheinen großes Aufsehen. Er hat vom 1. März bis 28. April 38 Unterredungen mit dem Grafen gehabt, hatte sich zu jeder sorgfältig vorbereitet und den Inhalt vorher notirt, sowie er, nach gehaltener Unterredung gleichfalls die Aeußerungen des Grafen aufschrieb. Es war also das Material vorhanden. Diesem ist schließlich hinzugefügt die von ihm gewünschte und auch gern gegebene eigenhändige Nachricht des Grafen von der Art, wie er zur Aenderung seiner Gesinnungen über die Religion gekommen. Das merkwürdige Buch ist noch immer lesenswerth. – Seine in Gotha gehaltenen Predigten sind gedruckt erschienen unter dem Titel „Heilige Reden in 7 Theilen“ 1760–65. Von 1766 an gab er in Kopenhagen jährlich den „Inhalt seiner Predigten“ heraus. Ferner erschienen von ihm: „Unterhaltungen eines nachdenkenden Christen mit sich selbst über die Wahrheit und Göttlichkeit seines Glaubens aus inneren Gründen“ 1775, 2 Theile. Vorzüglich ist er berühmt geworden als geistlicher Liederdichter. Schon der Gymnasiast hatte eine Ode zum Lobe Gottes in 2 Gesängen 1751 drucken lassen. Während seines Aufenthaltes in Gotha verfaßte er: „Geistliche Cantaten über die Evangelien und über die Episteln“ 1761 u. 62 und wieder Kopenhagen 1769. Hier durch den Verkehr mit Klopstock, J. A. Cramer und von Gerstenberg, die derzeit alle in Kopenhagen lebten, ward er poetisch neu angeregt und durch diese Freunde ermuntert dichtete er nun geistliche Lieder. Die erste Sammlung derselben (50) erschien 1772 mit einer Dedication an Klopstock und Cramer, 2. Aufl. 1773. Zweite Sammlung geistlicher Lieder (50) 1774. Zugleich erschien eine Ausgabe der ersten Sammlung mit Melodien von verschiedenen Componisten 1773, und von der zweiten Sammlung mit Melodien von Joh. Christ. Fr. Bach 1774. Diese Lieder haben große Verbreitung gefunden, ein bedeutender Theil derselben ist fast in alle seit der Zeit erschienenen Gesangbücher aufgenommen und auch noch in den neuesten Gesangbüchern in unseren Tagen fehlt sein Name nicht. Viele seiner Lieder haben sich in den deutschen Kirchgemeinden eingebürgert und werden zum Theil höher geschätzt als die von Gellert und J. A. Cramer. Der Verfasser spricht sich über diese seine Lieder selbst aus: das geistliche, vornehmlich das Kirchenlied ist nicht dasjenige Product meines dichterischen Genies, in welchem es sich mit seiner ganzen Stärke ausbreiten und seine Materie allen den Schmuck und Glanz zeigen darf, dessen sie fähig ist. – Die nackte Wahrheit in ihrer simplen unschuldigen Gestalt, in einem gefälligen, nicht blendenden aber hellen Licht, nicht mit dichterischen Blumen bedeckt, sondern durch ihre eigenthümliche, das Herz bewegende Schönheit reizend: dies ist das Bild der Wahrheit, sowie sie das geistliche Lied darstellen muß. – Dabei muß aber doch das geistliche Lied immer Poesie bleiben, wenn es gleich nicht aller der Stärke und Erhabenheit fähig ist, mit der die Poesie sich sonst ausdrückt. Es muß sich edel und würdig ausdrücken. Von denselben urtheilt Jördens: „Sie athmen einen ächten Dichtergeist, Andacht und Empfindungen des feurigsten Dankes; sie sind erhaben, ohne lyrische Kühnheit, reicher an Ausbrüchen innigen Gefühls als lehrender Moral, sie haben eine kraftvolle, reine und gewählte Sprache“. – Vermißt wird an denselben zum Theil das specifisch christliche Element. Seine Tochter war die nicht unbekannte Dichterin Friederike Brun (Bd. III. S. 438) und sein Sohn der gelehrte Bischof von Seeland Dr. Fr. Münter (s. unten).

[35] Dr. Fr. Münter, Dr. B. Münter’s Leben und Charakteristik. Kopenhagen 1793. Schlichtegroll, Necrolog 1793 I. 322. Henke, Archiv der neuesten Kirchengesch. 1794, 4. Qu. Nr. 3. Worms, Lexicon over danske lierde Mand II. 97. Jördens’ Lex., Brockhaus’ Conversationslex. s. v. Heerwagen, Litteraturgesch. d. geistl. Lieder I. 240. Koch, Geschichte d. Kirchenliedes, 3. A. VI. 348. Brümmer, Dichterlexicon II, 78. Fischer, Kirchenliederlexicon, 1878.