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ADB:Pflugk, Julius

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Artikel „Pflug, Julius von“ von Adolf Brecher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 688–691, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pflugk,_Julius&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 02:28 Uhr UTC)
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Pflug: Julius von P., letzter katholischer Bischof von Naumburg-Zeitz, geb. zu Pegau oder Eythra 1499, Sohn Caesars v. P., des herzoglichen Commissars und Präsidenten auf der Leipziger Disputation, zu Leipzig Schüler des Petrus Mosellanus, in Padua des Laz. Buonamico, beendete seine Studien in Bologna und erhielt nach der Heimkehr von seinen Reisen zu den früher verliehenen Dompräbenden zu Mainz und Naumburg die Propstei von Zeitz und die Domdechanei zu Meißen. Seine vornehme Geburt, seine wissenschaftliche Bildung, seine milde und versöhnliche Gesinnung und sein besonderes Geschick in der Kunst der Verhandlung ließ ihn seinen Landesherren, den Herzögen von Sachsen, besonders aber dem Kaiser vor anderen befähigt erscheinen bei den Ausgleichungsversuchen zwischen Evangelischen und Katholischen mitzuwirken. Das Streben nach Vermittelung der großen religiösen Gegensätze verleiht seinem Denken und Wirken den Grundcharakter. Es gibt in dieser Zeit wenige kirchliche Verhandlungen und Gespräche in Deutschland, an denen er nicht theilgenommon hätte. So erscheint er neben Carlowitz, Vehus und Türk gegenüber Melanchthon und Brück auf dem Gespräch zu Leipzig 1534. In gleicher Weise verwendete ihn der Bischof von Meißen, als 1539 das Bisthum durch Herzog Heinrich von Sachsen evangelisch gemacht werden sollte. Im Auftrage des Bischofs verfaßte, wie es scheint, P. mit Georg Wicel[WS 1] die Schrift: „Eine gemeinschaftliche Lehre von vier Artikeln, die einem jeden Christen zu wissen vonnöthen“. Sie ist irenisch gehalten und bestimmt schon ziemlich genau die Grenzen der Zugeständnisse, bis zu denen man auf der päpstlichen Seite auch später zu gehen sich geneigt erklärte. Aber sie hatte keinen Erfolg, ebensowenig diejenigen Schritte, welche P. mit Heinrich v. Carlowitz persönlich beim Herzoge unternahm. Nach dieser Zeit scheint er seine engere Heimath verlassen zu haben. Er wurde wahrscheinlich dem Kaiser empfohlen und von diesem sowol wegen seiner religiösen Stellung als wegen seines diplomatischen Geschickes für geeignet befunden, „die kaiserliche Reformation“ durch Verhandlungen mit den Evangelischen zur Durchführung zu bringen. In Gemeinschaft mit Eck und Gropper vertrat er die katholische Partei auf dem Religionsgespräche zu Regensburg (April 1541). – Kurz vorher war er vom Domcapitel zu Naumburg zum Bischof gewählt worden, aber der Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, der das Bisthum einzuziehen wünschte, trat ihm entschieden entgegen und setzte Nic. v. Amsdorf als evangelischen Bischof ein. P. rief die Hilfe des Kaisers an, der Kurfürst versicherte sich der Unterstützung der Evangelischen; alle Feindschaft der beiden gegnerischen Parteien drohte sich an diesem Streite zum hellen Brande zu entzünden. Indes zog sich der Ausbruch desselben noch länger hin, da der Kaiser die Zeit zu kriegerischem Eingreifen noch nicht gekommen [689] glaubte; auch die von P. nachgesuchte Vermittlung des Kurfürsten von Brandenburg, des Herzogs Moritz von Sachsen, des Landgrafen von Hessen und endlich (1542) des Reichstages von Speyer brachte keine Entscheidung. Erst 1546 kam dieselbe durch den Schmalkaldischen Krieg. Mit den vordringenden Truppen des Herzogs Moritz kam P. in sein Bisthums er mußte es zwar schon im Januar 1547 bei dem Einmarsche des Kurfürsten von Sachsen wieder verlassen, aber der Sieg des Kaisers bei Mühlberg (24. April 1547) setzte ihn endlich in den dauernden Besitz desselben. Seine Lage war trotzdem schwierig genug; fast alle Insassen der Stifter Naumburg und Zeitz huldigten offen oder insgeheim der evangelischen Lehre; sein weltlicher Beistand war der evangelische Kurfürst Moritz von Sachsen. Kein Wunder. wenn er daher in seinem Sprengel mit großer Vorsicht und unter milder Berücksichtigung der vorgefundenen Verhältnisse auftrat. Der katholische Gottesdienst wurde nur im Dome zu Naumburg und in der Stiftskirche zu Zeitz wieder hergestellt; die Klöster blieben aufgehoben und ihr Besitz wurde zum Kammergute geschlagen. Römischerseits deutete man dies Verhalten des Bischofs als Schwäche; man erwog dabei weder seine äußere Lage, noch seine innere Stellung zur Reformation. Sein Katholicismus war, wenn auch immer römisch, doch wesentlich anders geartet als der seiner Tadler, insbesondere eines Eck. Neuere (wie Hergenröther und Pastor) haben nicht ganz Unrecht, wenn sie seine und Contarinis Richtung als „Kryptolutheranismus“ bezeichnen. Aber zweifellos entsprang dieselbe nicht aus der Schwäche des Charakters, sondern aus seiner Ueberzeugung, die im Verkehre mit den Evangelischen und durch die häufige Prüfung ihrer Glaubenslehre allmählich geläutert worden war. Darum ward er auch auf Empfehlung Ferdinands, des römischen Königs, vom Kaiser zur Mitarbeit an dem „Augsburger Interim“ (1548) berufen. Der Entwurf desselben stammte wol von der evangelischen Seite, von dem Kurfürsten von Brandenburg und seinem ehrgeizigen und verblendeten Hofprediger Agricola, aber die Ueberarbeitung desselben übernahmen im Auftrage des Kaisers P. und Michael Helding in Gemeinschaft mit Agricola. P. schien um so eher geeignet, als er selbst früher einen ähnlichen Entwurf verfaßt hatte. Aenderungen des ursprünglichen Textes und der Ueberarbeitung sind vielfach vorgenommen worden; die Arbeit der Einzelnen ist daher nicht mehr zu erkennen. Aber an der stark katholischen Färbung des ganzen Machwerks, an der möglichsten Verdunkelung und Abstumpfung alles Evangelischen in demselben hat gewiß auch P. seinen Antheil. Dennoch erfuhr er nicht weniger als Agricola die heftigsten Vorwürfe wegen der Verleugnung ihres Bekenntnisses von Seiten der Glaubensgenossen. Agricola allerdings mit mehr Recht als P., denn dieser unterließ nicht seiner Kirche, bez. dem Papste, die letzte Entscheidung anheimzustellen. Aber des Kaisers Gunst hatte er sich in hohem Maße erworben, nicht weniger die des Kurfürsten Moritz. Es war eine gewisse geistige Verwandtschaft, die ihn mit diesen verband. Moritz bediente sich des gewandten Unterhändlers sofort in der Heimath zur Einführung des Interims im Kurfürstenthum Sachsen, aber zugleich auch seines und seiner Genossen, des Bischofes von Meißen, Widerspruches gegen die darin enthaltenen Sätze von der Priesterehe und dem Laienkelche, um dem Kaiser gegenüber das Interim in der gegebenen Form als unannehmbar darzustellen (Tag von Pegau, 22. August 1548). So gewährte Pflug’s Theilnahme an den Verhandlungen für Moritz die nöthige Rückendeckung gegen den Kaiser wegen der Aenderungen an der Augsburger Formel und zugleich die erwünschte Pression auf die lutherischen Theologen zur Erlangung von Zugeständnissen an die katholischen. Darum wurde er auch, nachdem Moritz zu Torgau und Celle Melanchthon und seine Genossen durch seine Räthe hatte [690] hinlänglich bearbeiten und einschüchtern lassen zu der Besprechung Moritz’s mit Joachim von Brandenburg zu Jüterbogk (Deeember 1547) hinzugezogen, um hier das gemeinschaftliche Vorgehen beider Fürsten in Sachen des Interims sowohl ihren Ständen wie dem Kaiser gegenüber zu rechtfertigen und die auch erschienenen Wittenberger mit ihren Einwürfen und Protesten im Schach zu halten. Alles ging nach Wunsch und schon nach wenigen Tagen (21. December 1548) nahmen die kursächsischen Stände, verwirrt durch die Politik ihres Fürsten und verlassen von ihren Theologen die neue Ordnung an. P. indessen, der ebenfalls dort war, hütete sich wol, für sich mehr zu versprechen, als was das Regensburger Interim nach dem Beschlusse des Tridenter Concils ihm gestattete. – Von jetzt ab widmete er sich fast ausschließlich der Fürsorge für seinen Sprengel. Er scheint anfangs ernstlich die Absicht gehabt zu haben mit Hilfe des Interims sich der evangelischen Geistlichen in seinem Bisthum zu entledigen. Jedenfalls vertrieb er alle diejenigen – und es waren ihrer sehr viele – welche die Regensburger Formel nicht unterschrieben hatten, vor allem den M. Deutschmann und die beiden Diakone der Wenzelskirche zu Naumburg (1550) aus ihren Stellen. Aber er hatte doch seine Kräfte überschätzt; er mußte bald wieder einlenken. Schon 1555 setzte es der Rath durch, daß Deutschmann zurückberufen wurde und mit ihm kehrten viele der übrigen Vertriebenen zurück. Ja er mußte es erleben, ohne daß man auf seinen Widerspruch Rücksicht nahm, daß vom Kurfürsten August von Sachsen in Zeitz, der bischöflichen Residenz, ein evangelisches Consistorium eingesetzt, und der Dom in Naumburg, die bischöfliche Kathedralkirche dem Simultangebrauch überwiesen wurde. So wurde der katholische Gottesdienst überhaupt nur noch in 2 Kirchen abgehalten und von seiner bischöflichen Gewalt blieben unter diesen Umständen nur wenige reliquiae ecclesiae Numburgensis übrig, wie Papst Pius IV. seinen Episcopat richtig bezeichnete. Wie viel dabei seiner Milde und Geduld, wie viel dem Zwange der Umstände zuzurechnen war, wird sich nicht völlig sicher ausmachen lassen; offenbar aber waren ihm von seinen weltlichen Nachbarn die Hände sehr gebunden. Daher täuschte man sich auch, wenn man aus dem resignirten Verhalten des Bischofes in den letzten Jahren seines Lebens schloß, er gehe mit dem Gedanken um, zur evangelischen Kirche überzutreten. Er war erst 1557 auf dem Wormser Gespräch, dem er präsidirte, den Protestanten noch einmal sehr bestimmt gegenübergetreten. Von da ab freilich blieb er still und zurückgezogen. Er starb am 3. September 1564 zu Zeitz und wurde in der dortigen Stiftskirche beigesetzt. Der Dom von Naumburg besitzt eine Statue und ein Bild von ihm. – Ein Verzeichniß seiner Schriften findet sich in Ersch und Grubers allgemeiner Encyklopädie der Wissenschaften und Künste, Section III, Bd. 21, S. 256; ebenda S. 248 ff. auch zwei biographische Darstellungen mit litterarischen Nachweisen.

Quellen: Außer den bei Ersch und Gruber erwähnten Schriften vgl. Th. Hergang, Das Religionsgespräch zu Regensburg im J. 1541 und das Regensburger Buch. Kassel 1858. – Ranke, Deutsche Gesch. Bd. 5 und 6. – W. Maurenbrecher, Karl V. und die deutschen Protestanten 1545–1556. Düsseldorf 1865. – J. G. Droysen, Gesch. d. Preuß. Politik. Leipzig 1859, II, 2. – A. v. Druffel, Briefe und Akten zur Gesch. des 16. Jahrh. Bd. III, 1. München 1865. – G. Voigt, Moritz von Sachsen 1541–1547. Leipzig 1876. – G. Plitt „Interim“ in Herzog’s Real-Encyclopädie, 2 Ausg.. Bd. VI, 771 ff. 1880. – Th. Brieger, De formulae concordiae Ratisbonensis origine atque indole, Halis 1870; derselbe, G. Contarini u. d. Regensburger Concordienwerk. Gotha 1870; Ders. Joh. Gropper in Ersch und Gruber’s [691] Encyclopädie, Sect. I, Th. 92. 1872. – L. Pastor, d. kirchlichen Reunionsbestrebungen während d. Regierung Karl’s V. Freiburg 1879.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Johann Wicel